Class Book • H 5 JBIP^IOTHEEK van BOSCH KEMPEE. /m>$ 25H5ES'. h^l5HSjlj POLYBIUS. ZUR GESCHICHTE ANTIKER POLITIK UND HISTORIOGRAPHIE. Qj VON KARL WILHELM MTZSCH, DR. PH. KIEL. SCHWERS'SCHE BUCHHANDLUNG. .1842. 5EffE5Z5E5E5Z5E5Z5E5E5fZ5Z5E5E POLYBIUS. ZUR GESCHICHTE ANTIKER POLITIK UND HISTORIOGRAPHIE. VON KARL WILHELM NITZSCH, DR. PII. KIEL. SCHWERS 'SCHE BUCHHANDLUNG. 1842. TA 4 313 .US' AN MEINE FREUNDE K. V. MUELLENHOFF IN DITMARSCHEN UND S. B. THRIGE AUF SEELAND. J.hr icerdet Euch nicht wundern, wenn ich an Euch vor allen die Bitte richte, diese Blätter mit Wolwollen und freundlicher Theilnahme entgegenzunehmen. Vielleicht erivartetct Ihr von mir, dass ich es gewagt hätte, sie einem von den trefflichen Männern zu widmen, denen wir alle drei uns zu forticährendem Dank verpflichtet fühlen werden, so lange die frohe Erinnerung an gemeinschaftliche Studien uns erfrischen wird. Doch wie mir selbst am Schlüsse der Arbeit immer klarer ward, dass meine Aufgabe die gereifteste Kraft und Erfahrung erfordere, so glaubte ich bei Euch allein genügende Entschuldigung flndcn zu können, wenn ich es dennoch gewagt habe, mit diesem historischen Versuch öffentlich hervorzutreten. Für die Geschichte des Staats oder der Literatur suchten und fanden wir in Berlin die fruchtbarste Belehrung. Bis zur Zeit unseres Berliner Contuberniums hatten mich die grossen und neuen Entdeckungen über Borns Verfassung vor andern angezogen; ich muss gestehen, dass mir zuerst in Bankers Vorträgen die Charaktere, nicht allein die Ideen, kräftig und ergreifend entgegentraten; bis dahin hatten mir die Forschungen der Neueren nur Slaalsformcn in ihrer Blillhe oder ihrem Untergang gezeigt. Eine glückliche Fügung führte mich gerade zu jener Zeit auf Polybius, und durch die Lektüre seines Werks gewann die Geschichte des alten Roms für mich dasselbe Leben, mit dem in Ranke's Vorträgen die Geschichte unseres Volks und der neuen Europäischen Staatengemeinschaft uns ansprach. Was ich Euch damals über diese für mich so erfreuliche Begegnung mittheilte, fand Euren Beifall. Möchte die vorliegende Arbeit eben so milde Richter finden ! Den Abschnitt über Polybius in Rom und die Scipionen hatte ich zur Inauguraldissertation ausgearbeitet; jetzt nachdem ich den ersten und dritten Theil hinzugefügt, werdet Ihr alles hier beisammen finden, worüber wir damals sprachen: das Bild eines grossen Mannes, einer grossen Zeit, aber in trüben, schwankenden Umrissen. In vielem hätte ich ohne Ztc ei fei klarer gesehen, wäre von Droysens Geschichte der Diadochen schon der zweite Band erschienen, der über die Verhältnisse des östlichen Staaten- systems so reich an Aufklärungen seyn wird. Der ermunternden Tlieilnahme dieses verehrten Mannes haben diese Blätter viel zu danken. So war Schorns treffliche Arbeit über Griechenland meine Haupt führ erin ; wie wenig aber die betreffende Periode der Römischen Geschichte bis jetzt aufgeklärt ist, das ist bekannt. In grösseren }) r erken fehlt gerade über die grösslen Zeiten Roms die ausreichende Belehrung ; was einzelne, wie Gerlach, Vincke, Arendt (die drei Volkstribunen etc.) und Klausen (die Aemilier, in Aeneas und die Penaten) u. a. geleistet haben, ist in kleinen Schriften oder einzelnen Abschnitten zerstreut. Drumann reicht nur mit einzelnen Biographien, wie der des altern Cato, in diese Zeit. Ueber die leges Semproniae ist die Debatte noch eben so wenig geschlossen, wie über tausend andere Gegenstände der Bömischen Verfassungs- geschichte, über deren Princip Bubino einen neuen gewichtigen Streit gegen Niebuhr begonnen hat. Sehr dankenswerth ist der Fleiss Fischers, mit dem er in seinen Zeittafeln den Quellengehalt übersichtlich, immer reichlich, oft voll- ständig auseinander gelegt hat. Diese Abhandlung be- schäftigt sich hauptsächlich mit einzelnen Charakteren und dem grossen Zusammenhang der damaligen Weltgeschichte. Hat mir Polybius für die alte Geschichte ein früher un gekanntes Interesse erweckt, so ist es mein erster Wunsch, ihn selbst in seiner wahren Grösse darzustellen, die man so häufig verkannt hat; da ich aber auf diesem Wege zu den verschiedenen Bewegungen seiner Zeit auf die Beurlheilung seiner Zeitgenossen geführt ward, so würde ich mich freuen, wenn ich für die Beurlheilung der grössten Männer des Alterthums oder für die ewig lehr- reiche Geschichte Borns nur irgendwo eine schlummernde Kraft geweckt oder einen neuen Blick geöffnet hätte. Denn icard auch oft der Wunsch rege, dass die Staats- männer des Alterthums, seitdem Niebuhr ihnen entrissen, endlich doch einmal wieder einen ebenbürtigen Richter unter den grossen Männern der Gegenwart finden möchten, und verlor ich oft den Muth, kaum der Schule entlaufen, über ihre Fehler und Grossthaten zu urtheilen, so ver- danke ich doch für mich selbst dieser Arbeit die feste TJeb er zeugung, dass Freiheit und Gesetz immer siegreiche Kämpfer finden werden, so lange die Quellen alter Ge- schichte jedem zugänglich seyn werden, um sich an ihnen zu erfrischen. Mir soll das Glück werden, die Stätten jener grossen lliaten und Männer mit eignen Augen schauen zu können, und wenn Ihr mich in dieser glücklichen Ferne wisst, so mögen diese Blätter mich in Euern Augen dieses Glückes werth beweisen. Lebt wol! Kiel, den 23. September 1842. Euer Gift American Historical Review ?EB 2 6 1925 Wilhelm Nitzsch. ERSTER ARSCHMTT. Polybius in Griechenland vor der Verbannung. Des Achäerbunds Bedeutung und Schicksale. § i. Polybius, des Lykortas Sohn, ward zu Megalopolis geboren. Ausser seines Vaters Aemtern und Thaten ist uns von seinem Stammbaum Nichts bekannt; die Vaterstadt selbst war die jüngste der Peloponesischen Städte, aber nicht die schlechteste. Bald nach der Leuktrischen Schlacht hatten die Arkader des S. W. sich zu dieser Gründung vereinigt, x sicher nicht ohne Epaminondas Wunsch, der so Sparta von Messene, Megalopolis, Tegea und Argos eng um- schlossen und eingepresst sah. Und die ganze Bedeutung dieser Stellung hat die Stadt bis zu den letzten Tagen der Freiheit stets beachtet : als Lakedämons natürliche Feindin vertrat sie Messene's neugegründete Unabhängigkeit aufs entschiedenste; König Philipp ehrte sie vor andern; De- mosthenes sprach gegen Sparta für ihre Freiheit; im Streit mit ihren Tyrannen fiel König Akrotatos, Kleomenes zer- störte die Stadt, die neuerbaute litt durch Nabis lange und schwer, als Polybius noch ein Knabe war und Philo— pömen in Kreta mit den Gortyniern zu Felde lag. 2 Argos und Megalopolis stimmten allein auf der Achäischen Tagsatzung gegen das Römische Bündniss, so lange Ma- cedonien noch unbesiegt stand. Die Geschichten des I* Ächaischen Bundes zeigen es deutlich genug, dass diese grosse und noch so junge Gemeinde auf die alten oder kleinen Bundesstädte einen grossen Einfluss übte : Lydiades, ihr Tyrann, hatte zuerst von allen Herren des nichtachäi- schen Pelopones seine Stadt freiwillig unter den Bund gethan, bei Sellasia waren ihre Streiter zuerst von allen Achäern macedonisch bewaffnet, ihre Reiter hatten den Augenblick der Entscheidung benutzt und den Sieg be- gonnen. Die Folge dieser Stellung und dieser Anstrengungen war aber andrer Seits eine nicht nur Achäische, sondern Arkadische Opposition gegen den neuen und mächtigen Ort. Zwar hatten die Mantineer zu gleicher Zeit ihre alte Stadt aus den Flecken wieder zusammengeführt und zur Gründung des Arkadischen Bundes und der Bundes- stadt , wie die übrigen Abgeordnete gestellt. Doch als man bei diesen Plänen nicht stehen blieb, sondern Mega- lopolis bald aus einem Bundesort und Sitz der Zehntausend sich zum Vorort und zur herrschenden Stadt zu machen suchte , trat Mantinea auf die Spartanische Seite zurück, wie es später, als jenes Achäisch ward, mit den Aetolern verbündet und unter häufigem Glückswechsel dem Kleo- menes zugethan war. Die Eroberung und Veränderung dieses alten Gemeinwesens war die schändlichste That des Antigonus, wenn auch Aratus seine Zustimmung nicht ver- weigern konnte und Polybius die ganze Maassregel völker- rechtlich vertheidigt. Doch war damit der Eigenwille einzelner Städte und Stämme noch nicht gebrochen; der Bundesgenossenkrieg begann mit dem Aufstand von Kinäthos, und Philopömen selbst stand später an der Spitze jener Demen, die sich von Megalopolis losreissen und selbst- ständig im Bunde Sitz und Stimme erlangen wollten. Wenn Polybius diesen seinen Landsmann des Achäischen Bunds Vollender nennt, ihn als Lehrer und Vorbild stets verehrte, so fragt es sich besonders, welche Pläne und Mittel er in den acht Jahren seiner Strategien und in den andern Zügen verfolgte, deren Rastlosigkeit und deren Glück ihn vor Andern auszeichneten. Der Achäische Bund bezweckte, was Aristoteles noch als unmöglich und mit Griechischer Staatsfreiheit unvereinbar bezeichnet hattey eine gleichförmige staatliche Vereinigung des Pelopones, wie sie Polybius als das Glück seiner Tage pries. 3 Aber freilich waren seine ersten Anfänge weit entfernt von solchen Absichten, und der Bund jener vier Achaischen Orte sollte ohne Zweifel nur ihr eigenes Gebiet gegen die Raubzüge der Aetoler schützen, die noch zur Blüthe- zeit des Bundes meist durch diese Küstengebiete in den Pelopones brachen. Es bedurfte der Verwirrungen der Diadochenzeit, sollten sich an diese schwache Gemeinschaft nicht allein die frühern Achaischen Eidgenossen, sondern auch die reichen Städte anschliessen, deren Handel noch immer die griechischen Meere, deren Burgen den Isthmos beherrschten. Die freien Städteverfassungen, in deren Kämpfen für Ober- herrschaft oder Unabhängigkeit die Geschichte des blühenden Griechenlands sich bewegt, waren nicht allein durch Phi- lipps Eingriffe in dieses Staatensystem , sondern durch Alexanders Perserzüge und Weltvereinigende Pläne noch mehr erschüttert. Die Schlacht bei Chäronea und die zahllosen Colonien des neuen Asiatischen Reichsverbands hatten die Selbstständigkeit der äussern Politik gebrochen und die Menschenmenge und die Kraft der heimischen Städte vergeudet. Dieser geschwächten Gemeinden be- mächtigten sich nach der Auflösung der Weltherrschaft überall eine Anzahl kleiner Herren, hielten die Bürger- schaften durch Söldnerhaufen darnieder, wie sie die maass- und endlosen Feldzüge geschaffen hatten und in jedes Thal und jede Stadt des Mutterlandes führten, nach aussen aber lehnten sich die meisten derselben an die grösseren Herren, die dasselbe Glück zur Begründnug eines neuen Staatensystems berufen hatte. Denn auch diese Dynastien, in deren Familienzwisten und Eroberungsplänen die Ge- schichte des Ostens lange Zeit allein bestand , hatten weder Lust noch Zeit und Macht die Städte des Pelopones den I lan- den einzelner Tvrannen zu entreissen und auf der Wieder-* geburt griechischer Städteverfassung ihre eigenen Pläne fester zu gründen. Hatten daher in den Zeilen der Väter die Städte alle Kräfte des Landes in ihre Mauern zu ziehen 6 gesucht, so gewannen jetzt neben dem unterdrückten Bürgerthum ausser den Tyrannen auch freie Bauern und Hirten Bedeutung und Ansehen, deren Berglander bis da- hin ohne Einfluss und Abhängigkeit zwischen den Gebieten und Handelstrassen der Bürger, aber ausserhalb ihrer hi- storischen Entwickelung gelegen hatten. Es wird immer ein nutzloses Bemühen bleiben, die Entstehung des Aeto- lischen Bundes datiren zu wollen. Zu Thucydides Zeiten sassen sie schon von den Küstenlanden des Korinthischen Busens bis zu der Malischen Bucht, ohne Zweifel von dem höchsten Gebirgsknoten des Pindus bis an die Marschen der Achelousmündung, in der rohen Freiheit der bar- barischen Urzeit; das Eisen kam nie von ihrer Seite, wie bei den Urvätern ehe Minos die Piraten bändigte und die Seestädte entstanden, und wie es auch später noch für fremden Sold und Raubzüge nie an frischer Mannschaft fehlte, so hatte ihr Landsturm schnell vereint und leicht bewehrt im Peloponesischen Krieg die Attischen Hopliten unter Demosthenes blutig aus ihren Bergen zurückge- schlagen, bei Lamia mit den Athenäern das Beste gethan, und gegen Kraterus und Antigonus, mit den Galliern bei Delphi unbesiegt gestritten. Erst in den letzten und glorreichsten Zeiten der Freiheit ward ihre Reiterei so bedeutend, 4 aber auch sie siegte nicht durch die Ordnung der Ge- schwader wie die Böotische, des einzelnen Faust und die ungestüme Hast machten sie unwidersteslich. Für diesen tapfern Streithaufen waren die Kriegserfahrungen der Athe- nischen, Spartanischen, Thebanischen Heere ohne Eindruck geblieben und noch bei Kynoskephalä schmähte ihrer einer den Flaminin, der mit Gelübde und Umsicht über der Schlacht wachte, während die Aetolischen Reiter gegen den Feind sprengten. 5 Wo aber die Fehdelust und der Muth dazu mit der Einfachheit der übrigen Sitten so viele Jahrhunderte ungeschwächt überdauerte, konnten die Ein- flüsse von aussen nie bedeutend gewesen sein. Lange vor der Dorischen Wanderung waren die letzten Colonisten in ihr Land gekommen, durch deren Andenken sie ihre stete Verbindung mit den Eleern zu verherrlichen pflegten. Jene alte Stammverfassung, die die Dorier bei Andern brachen, blieb ohne Zweifel bei ihnen bis auf die letzten Zeiten: die einzelnen Häuptlinge, Geschlechter und Ge- meinden wurden zu engerer Verbindung durch die schroffe Gebirgsgränze des Nordens, durch die andringende Cultur der westlichen, östlichen und südlichen Nachbaren zusammenge- drängt, 6 und wenn auch jährlich zur Zeit der Streifzüge Ein Feldherr gewählt ward, den sein Anlheil an der Beute belohnte, so zogen einzelne Gewaltige doch auch auf eigne Hand aus, wie in alten Tagen Jason und andere Helden. Die Volksversammlung aber, bei der Kriegs- und Friedensschluss und die Wahlen des Strategen, Hipparchen und Grammateus standen, tagte in der Bergstadt Thermus. Man sieht aus der Menge von Rüstungen und Schätzen, die Philipp bei seinem Ueberfall hier erbeutete, wie viel- fach und eng dieses Volk in Krieg und Frieden vereinigt war. Neben den Tempeln der Götter hatte an Waffen undFestgeräth jeder sein Köstlichstes hier geborgen, hier ward gemeinsam getagt, geschmaust und gerüstet, und da der Feldherr gleich nach der Wahl sein Regiment antrat, konnte er vom Landtag sofort und den Freuden des Festes die Haufen wohlbewehrt in's Feld führen. Ueber die weitere Verfassung, die Apokleten und Nomographen, die verschiedenen Verhältnisse der Bundesgenossen lässt sich kaum etwas Näheres sagen; die wenigen Daten, die uns überliefert sind, zeigen überall nur ein altes, seit Jahrhunderten wenig verändertes Gemeinwesen, sowie bei uns die Bauernrepubliken der Ditmarscher und Friesen den Untergang der ursprünglichen Gauverfassung und alten Volksgemeinden Jahrhunderte lang überlebten. Das aber ist das Echtgriechische der Aetolischen Geschichte, dass ein solcher unzersetzter, unverrückter Stamm, nachdem die mannigfachen Bildungen der glorreichsten Epochen gealtert waren, noch lebensfrisch und wirksam in die Ge- schichte eingreifen konnte. 8 §2. Es konnte wirklich scheinen, als sollte jener Verfas- sungscyclus der Philosophen durch das neue Königthum der Tyrannen und das ursprüngliche Volksthum der Aeto- ler sich wieder zu einer neuen Griechischen Geschichte fortbewegen, zumal da beide Richtungen von zwei echt- griechischen Stämmen in höherer Weise eingeschlagen wurden, die den Sturm der Zeiten überdauert hatten. Die Achäer hatten in dem Gang griechischer Verfassungs- geschichte wie das übrige Hellas städtische Demokratien und Colonien gestiftet, doch erst seit der Schlacht bei Chäronea waren sie aus einer gewissen Passivität in die allgemeinen Geschicke Griechenlands mit fortgerissen worden ; die Vertreibung der Tyrannen war der neue Anfang ihres Bundes und ihr Hauptbestreben bei dessen Erweiterung. So hatte vor den Perserkriegen auch Sparta seine Macht begründet und selbst aristokratisch, dadurch der Demokratie Raum verschafft. Es war aber das Eigentümliche dieses scheinbaren Anfangs einer neuen Entwickelung, dass jetzt die Herakliden, so lange Vorkämpfer der Aristokratie, Sparta selbst demokratisch zu regeneriren versuchten und durch den Schein eben dieser Bestrebungen eine grosse Partei im Pelopones für sich und gegen die Achäer auf- riefen. Agis hatte die Halbheit seiner Pläne mit dem Tode gebüsst, und Kleomenes steht darin so hoch über ihm, dass er mit wunderbarem Takt die Zeitverhältnisse zu erfassen vermochte; er begann mit der Aufhebung des Ephorats, die Agis nie gewollt oder gewagt hatte. Während das Heer von beschwerlichem aber siegreichem Feldzug gegen die Achäer in Arkadien rastete, führte er die Söldner gegen die Stadt, liess die Ephoren gegen Abend beim Mahle überfallen und proclamirte die neue Verfassung am nächsten Morgen. Hatte er so die Anhänger der alten Aristokratie im Lager ferngehalten und in dem Ephorat ihre Hauptstütze gebrochen, so gab er zunächst auch den neuaufgenommenen Bürgern als Waffe die macedonische Sarissa und an dem Schild die beiden Armriemen, wodurch 9 die altdorische Bewaffnung verdrängt und an die Stelle der schon längst entarteten rythmisch und gymnastisch ge- wandten Mora der Gewalthaufe der macedonischen Phalanx trat. Allerdings suchte er die Lykurgische Zucht mit der frühern Einfachheit des ganzen Staatswesens zu vereinen; da aber die Möglichkeit dieser Reorganisation erst durch seine Achäischen Feldzüge gewonnen war, so bedurfte es dazu einer schnell geübten und vollendeten Taktik, wie überhaupt die Opposition des Achäischen Bundes dieses altadliche Königthum der Herakliden auch ohne des Kleo- menes Willen zur Tyrannis umgeformt haben würde. Sobald nemlich dem Kleomenes die neue Verloosung des Spartiatenlandes und danach seiner neugebildeten Phalanx der erste Feldzug gegen Achaja geglückt war, wurden im ganzen Pelopones ähnliche demokratische Bestrebungen sichtbar, wie sie vor den Perserkriegen gegen die altdo- rischen und alljonischen Aristocratien die Tyrannenthrone gegründet hatten. Denn hatten sich auch die Tyrannen der Diadochenzeit freiwillig oder durch Arats Politik ge- nöthigt mit ihren Städten dem Bunde angeschlossen , so war doch der Unterschied zwischen diesen kriegerisch rüstigen und heftigen Männern und dem bedächtigen Be- gründer der bürgerlichen Eidgenossenschaft immer sicht- bar geblieben. 1 Jetzt aber trat Mantinea, Tegea auf die Seite des Kleomenes, ohne Widerspruch der Aetoler, die ihnen und den Achäern verbündet waren, und die Achäer selbst waren nach der Schlacht beim Hekatombäon ge- neigt, Kleomenes die Hegemonie zuzugestehen und so die beiden Gegensätze der Zeit durch Ein grosses Pelopone- sisches Bündniss auszugleichen. Der König ward nach Lerna vor die Volksversammlung der Eidgenossen geladen, und vielleicht wäre dort Griechenlands Wiedergeburt wirk- lich vollendet worden, hätte er selbst nicht in Hoffnung der grossen und glücklichen Entscheidung durch einen vorschnellen Trunk auf dem Anmarsch sich geschadet. Ein Blutsturz raubte ihm Kraft und Stimme, so dass er nur die vornehmsten Gefangenen den Achäern übersenden konnte, die Versammlung aber ward vertagt und Arat 10 gewann Zeit sich an Antigonus zu wenden. Polybius, durch seine ehrfurchtsvolle Bewunderung Arat's verleitet, macht den Aetolern jener Tage ein Verbrechen aus ihrer Neutralität Angesichts dieser Ereignisse und wollte vielleicht die allgemeine Bewegung unbeachtet lassen, die mit ver- schiedenem Erfolg in Korinth, Sicyon, Argos, überall im Pelopones und ausserhalb sogar, im Interesse des Bundes selbst für Kleomenes sichtbar ward. 2 Fand doch die schwache Partei der Eidgenossen, die Arat auf dem Tage zu Sicyon versammeln konnte, es für gut, diesen mit jener unbeschränkten Gewalt und dem Schutz einer Leibwache auszurüsten, während sie im Eifer der allgemeinen Auf- regung die Alleinherrschaft des Kleomenes mit dem bittersten Spott angriff. 3 Denn waren jetzt auch die Aetoler, ihre ersten Feinde, mit den Achäern verbündet, die Tyrannen und Macedonier aber aus dem Pelopones verschwunden, so ward im Bunde selbst die Sehnsucht nach Einem kräf- tigen Führer aus verschiedenen Gründen wach. Eine keineswegs unbedeutende Opposition hatte schon längst dem Arat gegenübergestanden; man bemerkt zuerst mit Bestimmtheit nur die Tyrannen und ihren schlagfertigen Anhang, aber es gab im Bunde noch andere Gebrechen und Gegensätze ; jene Güterverschiedenheit , die Arat in Sicyon mit Aegyptischem Gelde ausgeglichen hatte, ward nicht allein auch in Argos und Megalopolis gefühlt, sondern überall fasste die unbegüterte Masse neue Hoffnung, so- bald sie von Kleomenes eine scheinbare Gütergleichheit hergestellt sah, zu deren Nachbildung ihrem grossen Be- freier Geld und Muth zu fehlen schien. 4 Hatte die Gegenpartei den König früher als einen neuen Lykurg und Solon verlacht, so empfand sie jetzt in ihrer eignen Noth, dass er durch diesen Anfang sein Heer und den ganzen Pelopones zu grossen Thaten und Hoffnungen be- geistert hatte. Zwischen die beiden Parteien der unzu- friedenen Tyrannen und Unbegüterten, die Arat so lange mit der ihm ergebenen Majorität im Felde weniger als in den Versammlungen unterdrückt hatte, trat jetzt Kleo- menes, Alleinherrscher im demokratischen Sinn. Arat hätte 11 sicher gezaudert, seine schönste Eroberung, Akrokorinth für ein Hülfsheer an Antigonus abzutreten, hätte ihn auch die dritte Macht des Bundes, seine beständige Stütze jetzt verlassen. Diess waren ohne Zweifel die wohlha- benden Bürger, mit deren Geld das Bundesheer bezahlt ward , deren hehagliche Ueppigkeit bis zu Philopömens Zeit zu Hause und im Lager sich zeigte. Sie hatten die herrlichen Erzeugnisse Sicyonischer Kunst aus der Ty- rannenzeit überkommen, ihre stolze vergnügungssüchtige Jugend wuchs in der Palästra und bei gutem Tisch zu jenen glatten und bequemen Männern heran, deren Pur- purröcke und Goldgeschmeide nur den Hass der Tyrannen- freunde und, mit der einfachen Tracht und Weise der neuen Spartiaten verglichen, den Neid der Menge erregen musste. Dem Heere des Kleomenes folgten keine Gaukler und Mimen , aber als er auf dem Marsch durch die Ebne von Megalopolis die Dionysischen Künstler aus Messene auffing, Hess er eine Bühne im offnen Feindesland auf- schlagen und rastete einen ganzen Tag mit seinem Heere bei den Darstellungen der feindlichen Künstler, wie er später plötzlich zu Argos erschien und die Höhe besetzte, an deren Fuss die Achäer zur Nemeischen Feier versam- melt waren. Unter einer so kühnen und massigen Schaar war er selbst als der massigste, leutseligste und tapferste bekannt, man wusste überall wie einfach sein königliches Haus und Mahl bestellt war, denn es war jedem zugänglich ohne Bestechung, wie er selbst ohne Geschenke und Ver- sprechungen durch seine Erfolge und Pläne allein ganz Griechenland gewann. Arat und die Megalopolitan allein konnten und wollten ihm widerstehen. Kaum aber hatte Antigonus, von ihnen gerufen und unterstützt, Korinth und Argos erobert, so ging allerdings der grosse Theil der Lakonisten zu dem Bunde zurück, doch ward deshalb die Reaction gegen Arat und seinen Anhang nur ernst- licher. Antigonus licss zu Argos die. Bildsäulen der Ty- rannen wieder aufrichten, der Demos der Stadt hatte Kleome- nes fallen lassen, allein weil er die gehegten Hoffnungen nicht erfüllt hatte ; der Macedonier schenkte ihr das Mantineische 12 Gebiet und sie nannten die neue Colonie „Antigonea." Arat musste zu diesem allen Hand und Namen leihen, und als er durch die Ermordung des Aristomachus heimlich die neugestärkte Gegenpartei schwächen wollte, regte diese That die Heftigkeit beiderseits noch mehr auf. Als sollte in diesen Unruhen Arkadien seine beiden Mittelpunkte verlieren, ward Megalopolis von Kleomenes überfallen und als die Mehrzahl der Flüchtigen jeden Vertrag zurückwies, niedergebrochen. Während die Feinde sich noch nicht rührten, zog er verwüstend vor Argos, wo die alte Zu- neigung noch nicht erloschen war. Das Volk rief vor des Antigonus Thür, er solle schlagen oder gehen. Das Ansehn des Kleomenes war noch gross, Antiochus selbst aber, schon kränkelnd, mochte sich in die Streitigkeiten dieser Peloponesischen Eidgenossen um so schwerer finden, da er von Anfang an die Partei, die ihn berufen, durch seine Maasregeln verletzt und die andere mit jener eben so wenig versöhnt oder ganz an sich gezogen hatte. 1 1 Die Schlacht von Sellasia besserte den Stand der Dinge nicht ; Kleomenes ging nach Egypten , Antigonus nach Macedonien zurück, nachdem er in Sparta die Ordnungen des Kleomenes umgestossen hatte. Als er bald darauf starb, hinterliess er seinen Neffen Philipp als Nachfolger und Verwalter jenes grossen Bundes, unter dessen Gesetz er auch die Achäer gebracht hatte, auf Akrokorinth aber eine macedonische Besatzung ? und im Pelopones einen königlichen Statthalter. "Ö* § 3. Philopömen hatte seine Anträge nicht angenommen, sondern ging in den Kretischen Krieg, wie denn durch die Schlacht bei Sellasia der Pelopones kaum beruhigt und die Bewegung dieses letzten Feldzuges nur über seine Gränzen hinaus auf die Inseln und die fernen Küsten des Pontus und Mittelmeeres verbreitet schien. Kleomenes harrte in Alexandrien auf das Bündniss der Aetoler und 13 Spartaner, er glaubte dort des Beistandes der Griechischen Söldner gewiss zu seyn. Ptolomäus Euergetes beabsichtigte einen Griechischen Krieg und war den Rhodiern eng ver- bündet, die zur selben Zeit die Freiheit des Meeres gegen Byzanz vertraten und auf Kreta mit den Aetolern die Knossier unterstützten, wahrend Macedonien und seine Verbündeten deren Hegomonie durch ihre Hülfe zu stürzen suchten, 1 Die Aetoler hatten mit dem grössten Theil der Achäischen Eidgenossen des Kleomenes Erfolge nicht gehindert und die Besetzung der ihnen zugewandten Pe- loponesischen Orte zugelassen. Kaum aber schien bei Sel- lasia diesen Planen ein Ende gemacht, so erschienen sie von Neuem im Pelopones, zuerst eigenmächtige Grosse und ihre Streifschaaren, bei Kaphyä erfochten ihre Reiter ihren ersten Sieg, Arats Anklage und Lossprechung und Skopas des Aetolers Wahl zum Strategen eröffneten den Bundesgenossenkrieg. Durch den von Antigonus errich- teten Bund war die Stellung der Achäer durchaus verrückt worden ; sonst selbstständig und durch ihre Interessen allein geleitet, waren sie jetzt unter Macedonischer Oberhoheit und in mannigfaltige Beziehungen zu fremdartigen Bun- desgenossen gekommen, die ihre eigenen Pläne durch- kreuzten und nur in den Willen des königlichen Ober- hauptes ihre Vereinigung fanden. Aber die Peloponesische Eidgenossenschaft, so nach aussen verrückt, war auch im Innern selbst durch die letzten Schicksale geschwächt. Die Mittel der reichen Besitzer, denen allerdings Kleo- menes Vertreibung gelungen war, schienen doch damals gerade erschöpft worden zu seyn, als sie allein gegen den übrigen Bund und Sparta ihre Pläne eigenwillig durch- setzten. Die Aetoler begannen den Krieg zwar mit einem Raubzug, aber die Energie ihrer Führer zeigte bald, dass Kleomenes nicht umsonst auf sie gehofft; während in Rhodus ihre Truppen für Knossus fochten , beunruhigten sie durch kräftige Einfälle Thessalien, Epirus, Achaja und Arkadien , suchten durch ihr erstes Auftreten die übrigen Peloponesier von dem Achäischen Bund zu trennen und Lacedämon für sich zu gewinnen. 2 Zu früh für diese 14 Pläne starb Ptolomäus Euergetes in Alexandrien, durch den Kleomenes Philipp zu verdrängen, vielleicht seine Freunde die Rhodier zu Einem grossen Krieg für Grie- chenlands Restauration zu gewinnen gehofft hatte. Um- sonst versuchte er dann bei seinem Nachfolger dringende Bitten, Bestechung und endlich bewaffneten Aufruhr, und stürzte sich, am Erfolg verzweifelnd, in sein eigenes Schwert, unfähig unter den Intriguen eines fremden Hofes den gün- stigen Augenblick zur Ausführung seines Lebensplans zu versäumen. Bald darauf ging der Aetoler Theodotus von Ptolemäus zu Antiochus über 3 und die Rüstungen, die einen grossen entscheidenden Krieg für Griechenlands Heil versprochen hatten, brachten nur den Ptolomäern durch die Schlacht bei Rhaphia Erweiterungen ihrer asiatischen Gränzen. In Griechenland besiegte der junge Philipp, trotz der altmacedonischen Opposition, durch wahrhaft ätolische Schnellmärsche und Ueberfälle seinen rüstigen Feind, denn ohne die gehofften Unterstützungen vergeudete das tapfere Volk seine grossartigen Anstrengungen zum Vortheil einiger Häuptlinge, die in diesem Plünderungskrieg auf beiden Seiten Schutz und Beute fanden. Während so die frühern Zeiten der Aetolischen Raubzüge wieder- gekehrt zu seyn schienen, hielten die Rhodier mit Mühe das Meer von Piraten rein , 4 der Achäische Bund aber begann gleichsam noch einmal seine Entwicklung : denn da die unbezahlten Söldner schwierig wurden und der ältere Arat meist im Geleit Philipps, Megalopolis aber noch immer zerstört war, traten die westlichen Städte Achajas durch eigenen Beschluss in ihren früheren engeren Bund zurück, und so lange die Feldherren rath- und kraftlos blieben, scheint diese Trennung bestanden zu haben; wenigstens berief Arat beim Antritt seiner löten Strategie vor allen den Feldherrn von Dyme an die Spitze der neugeworbenen Söldner; 5 daneben ward Megalopolis nach langem Streit mit den Grundbesitzern wieder aufge- baut und dessen Mannschaft mit den Argivern gegen Sparta aufgestellt. Den ersten Achäischen Sieg aber erfochten die Aufgebote von Dyme, Paträ und Pharä beim Eleischen 15 Phyxion. Doch hätten weder diese frischen Anstrengungen des Bundes noch der Rhodier Einsprache den Frieden herbeigeführt, hatte nicht die Nachricht von Hannibals Sieg am Trasimenersee Philipp zu neuen Planen gelockt. Er ahndete, dass eine grosse Weltbewegung, wie sie sich im Osten durch Euergetes Tod zu seinem Heil zerschlagen hatte, ihn jetzt zu grossen Erfolgen nach Westen rief, schloss mit den Aetolern Frieden und mit Hannibal ein Bündniss. Der Achäer Bund empfand wie es scheint sehr klar die üblen Folgen dieses Kriegs, gleich nach dem Frieden folgte dem Arat in der Strategie Timoxenus, der den Krieg widerrathen hatte, den Arat mit dem übereilten Treffen bei Kaphyä so ominös begann. Die Freiheitsliebe der Peloponesier hatte ihre Städte, ihren Verkehr, Tempel und Feste geopfert; jetzt sahen sie sich weit verdrängt aus jener Stellung, in welcher der Krieg begonnen hatte, Macedonien überall mächtig und in den Städten jene Parteiungen, deren Untergang man von Kleomenes gehofft hatte. Selbst die Bedeutung und Herrschaft der tyran- nischen Bestrebungen war weder durch den Untergang dieser Herrschaften noch durch die Restauration der Spar- tanischen Verfassung geschwächt. In diesen Jahren schrieb Phylarch die Griechische Geschichte von Alexanders bis Kleomenes Tod, also die Schilderung grosser doch ver- geblicher Entwickelungen, die ihm in Kleomenes für immer vernichtet schienen, Bücher von grosser Schönheit, voll neuer, leidenschaftlicher Ansichten, denn er nannte des Aristomachus Mord eine grosse Schandthat, da er ein Tyrann und Tyrannensohn gewesen sey. 6 Wie beliebt und verbreitet diese Schriften waren, sieht man aus des Polybius heftiger Polemik : auch in die Masse waren die neuen Ansichten übergegangen, entsprungen ohne Zweifel aus der reichen Literatur über das Königthum, die Alex- anders Weltherrschaft hervorgerufen hatte. Vielleicht war es das grösste Unglück der Achäer, dass sie an den alten Ansichten so fest hielten, denen doch ihre Bundeszwecke zum grossen Theil widersprachen; ihren Tyrannenhass, ihre Ansichten über Krieg und Frieden, was "immer vom 16 alten Völkerrecht sie als Regel und Grundsatz festhielten, konnten weder die Aetoler, noch die Tyrannen, noch der grosse Haufe ihrer eigenen Städte gut heissen, der sich selbst von einem Bund umschlossen, auch gedrückt fühlte, wie ihn die Väter nie gekannt. r Diesen Zwie- spalt einer alten und neuen Zeit hatte Niemand hartnäckiger durchgekämpft und schwerer gebüsst als Arat. Seine Denk- würdigkeiten erzählten zuerst die Schandthaten des Anti- gonus und schlössen mit dessen Berufung in den Pelo- pones. 8 Mit dem Eifer eines vielfach Angeklagten hatte er hier die dringende Nothwendigkeit dieser Maass- regel darzulegen gesucht, aber die meisten glaubten ihm nicht. Wie stark nemlich die ganze Zeit nach Alexanders Tod durch die Bestrebungen der Dynasten und Tyrannen bewegt ward , und wie im Bunde selbst diese Richtung mit der demokratischen einer güterlosen Menge sich ver- einigte, haben wir schon angedeutet. Alle Ehren und Bewegungen dieser düstern und unruhigen Jahre concen- trirten sich in einzelnen Heldengestalten, wie fortdauernde Kriege sich heranbilden und die Gründungen neuer Throne sie erfordern. Von Alexander bis auf Pyrrhus hatte die Griechische Welt einer langen Reihe mächtiger und ver- wegener Feldherren gehorcht, und das kümmerliche Be- stehen zahlloser Republiken war durch deren Eroberungs- pläne bedingt gewesen. Es war die Grösse und das Unglück Arats, dass er es unternahm, das Griechische und Pelo- ponesische Bürgerthum aus dem Schwanken dieser Dyna- stenkämpfe zu retten, ohne ihre trotzige Kühnheit oder ihre Feldherrntalente oder ihre Armeen ; denn nicht allein, dass zum Sieg über die Dynasten und ihre wilden Söldner- haufen persönliche Tapferkeit erforderlich war, sondern die grosse Masse der Bürger musste sich auch in so langer Zeit daran gewöhnt haben, ihre Herren und Führer kriegerisch gerüstet und ausgebildet zu sehen. So ver- gass man die Eroberung von Akrokorinth und Tegea leichter als seine Unentschiedenheit in offener Feldschlacht, und während er genöthigt war, die Pläne und Gelder der Reichen fortwährend zu gebrauchen, fehlte ihm die offene 17 und entschiedene Grösse, welche die Masse gewinnt. Dieses unglückliche Missverhältniss zwischen seiner Lebens- aufgabe und seinen Kräften entfernte ihn selbst von der graden Bahn seines grossen Werks und brachte ihm den Tod, dem Pelopones die Macedonische Herrschaft. Bald nach seinem Tode trat Philopömen als Hipparch, und wenige Jahre später als Strateg an die Spitze des Bundes. Er hatte nach dem Siege bei. Sellasia eine Macedonische Hauptmannstelle, die ihm Antigonus anbot, verschmäht, und während des Bundesgenossenkrieges in Kreta den Gebirgskrieg mit grossem Ruhm erlernt. Auf seiner eignen Trift und in den ewigen Streifereien an der Spartanischen Gränzc hatte er den Leib, den Geist durch genaues Stu- diren der Alexanderzüge und der Euangelischen Taktik für das Krieg >h andwerk ausgebildet; schlank und lang von Gliedern, schnellen und sichern Blicks, mit fester Faust und trotzigem Muth, galt er schon damals für Griechen- lands besten Soldaten. Arat war als Kunstkenner an den Höfen willkommen gewesen, Philopömen liess Gold- und Silbergeräth für den Krieg einschmelzen, denn seine eiserne Entschiedenheit forderte zuerst ein wahrhaftes und tüchtiges Bürgerheer. Während sein grosser Vorgänger von den Heichen mit Geld unterstützt doch die Miethvölker nie hatte bezahlen können, 9 rief er jetzt eben jene üppige und unkriegerische Jugend durch sein eignes Beispiel und eindringliche Rede überall zu den Waffen. Kleomenes hatte gleich nach Vollendung der Revolution das Lacedä- monische Heer zur macedonischen Phalanx demokratisch umgewandelt ; Philopömen begann sein Werk mit dieser militärischen Maassregel : Schild und Speer wurden breiter und grösser und die Pracht und Vollständigkeit der neuen Rüstungen gab den neuorganisirten Phalangiten Eifer und Vertrauen, unter einem solchen Feldherrn ihren Gewalt- haufen undurchdringlich, unwiderstehlich zu machen. 10 Die Allen scheinen über dieser militärischen Schöpfung Philopömens seine übrigen Pläne vergessen zu haben, so dass wir kaum erfahren, ob er es durchsetzte, dass die untergeordneten Orte sich von Megalopolis trennten und mit 2 18 eigner Stimme in den Bund traten, oder, dass das Recht des Versammlungsortes unter alten Bundesstaaten umginge. 1 x Und doch scheinen diese demokratischen Maassregeln in seiner ganzen Stellung gegeben zu seyn; man schilt sie zum Theil als eine kleinliche Rache gegen Megalopolis und vergisst dabei, dass Arat von dieser Stadt gerade bei seiner entschiedensten Opposition gegen Kleomenes und die Demokratie unterstützt worden war. Arat und Mega- lopolis hatten die Macedonier in den Pelopones gerufen, wenn daher Philopömen weder mit Kykliades und den Römern, noch mit den Macedoniern, sondern allein mit dem Bund stehen wollte, so war eine demokratische Re- stauration das einzige Mittel und der Hass seiner Vater- stadt die nothwendige Folge dieses Planes. Die Reform des Heeres hatte er leicht vollführt, aber jene weitern Maassregeln scheinen nur mit Unterbrechungen unternommen und vereinzelt gelungen zu seyn, sowie sie erzählt werden. Nach dem ersten glorreichen Anfang mochte er selbst über diese Störungen unwillig werden, denn überall war er Soldat, voll siegreicher Entschlossenheit, aber eben so heftig und zornig beim Misslingen. Wie er über des Kykliades Wahl erzürnt, zum zweiten Mal in den Kre- tensischen Krieg zog, wie er später innerhalb des Bundes und ausserhalb unzählige Feindschaften fast stets siegreich über- stand, ist hinreichend bekannt ; der Zweck war offenbar immer derselbe, jene Regeneration der Hellenischen Selbst- ständigkeit, für die Kleomenes von der entgegengesetzten Seite schon eben so eifrig, nur mit weniger Erfolg gearbeitet hatte. Nur darin lag der Unterschied, dass die Interessen, für die damals die Menge leidenschaftlich bewegt war, jetzt von einer Partei der bedeutendsten und rechtlichsten Männer im Bunde vertreten wurden, dass jetzt nicht Ma- cedonien oder Egypten, sondern Rom allein mit Nachdruck diese Kämpfe überwachte und dass endlich die Bewegung, die damals von Sparta ausging, jetzt bei diesem endigen zu müssen schien. 19 § 4. Es galt für den grössten Ruhm Philopömens , Sparta in den Bund gebracht zu haben, und er selbst scheute sich eben so wenig die Stadt eigenmächtig gegen die Ein- griffe des Consuls und Strategen zu schützen wie nachher ihre alte Verfassung mit der Achäischen zu vertauschen. In demselben Jahr, als er gegen den Willen der Demiurgen die Ekklesia von Aegium nach Argos verlegte, setzte er den Krieg gegen Sparta durch, der mit der Aufhebung der Lykurgischen Gesetze schloss. Freilich waren die Verhältnisse der einzelnen Bürgerschaften noch keineswegs überall geregelt, es ruhte weder von aussen Rom, noch von innen die Aristokratie, ja er selbst ward mit Grund der eigenmächtigsten Uebergriffe beschuldigt, dennoch schien die Ruhe und Grösse des Bundes mit Sparta's Revolution vollendet. Sonst hätten Consuln und Senat auch nicht gerade von Sparta aus ihre Einwürfe und Intriguen von Neuem begonnen. Fünf Jahre darnach starb PhilopÖmen, ein siebzigjähriger Greis, als Kriegsgefangener zu Messene. Die Aristokraten vergifteten ihn, weil sie des Volkes Theil- nahme für ihn fürchteten, aber eine starke Partei rächte seinen Tod und verfolgte seine Pläne, darunter Lykortas und sein Sohn Polybius. Nach ihm zum Strategen er- nannt, bezwang Lykortas die Messenischen Aristokraten und brachte die der Stadt untergeordneten Orte selbst- ständig in den Bund. 1 Megalopolis ehrte das Andenken seines grössten Bürgers durch ein Standbild und jährliche Opfer, obwol die Eine Stadt seinen Zorn mehr als andre vielleicht empfunden hatte, und zu ihren Bürgern auch die tüchtigsten Häupter der Gegenpartei zählte. Es scheint, dass hier noch immer die besten und lebendigsten Kräfte des Bundes concentrirt waren, so dass Polybius in seiner Jugend schon neben seinem grossen Lehrer und seinem Vater Männer wie Aristänos , Lydiades , Diophanes 2 für andere Zwecke mit grossem Talent wirksam, in seiner nächsten Umgebung kennen lernte. Es war bei den Alten 2* 20 mehr als jetzt Gebrauch, sich bestimmten grossen und schönen Geistern in feuriger Nacheiferung ganz hinzugeben ; so hatte Philopömen sich in der Verehrung des Epami- nondas herangebildet. Potybius, Philopömens Bewunderer, spricht dennoch mit gleicher Achtung auch von Arats un- getrübtem Verdienst um den Bund. Und allerdings konnten Lykortas und sein Sohn, nachdem sie Philopömens Pläne am Ende doch vollführt sahen, mit ruhigerer Verehrung Arats gedenken als jener, der kurz nach ihm aufge- treten war, um die trostlosen Folgen des macedonischen Bundes durch die alten Pläne des Rleomenes zu tilgen. Der neue Kampf, den er dadurch geweckt, schien siegreich beigelegt, und man glaubte die neue Periode Griechischer Staatsentwickelungen durch die früher unerhörte Einheit des Pelopones glücklich vollendet, indem man übersah, dass der Ruhm und die Freiheit der Vorfahren auf ganz andern Verhältnissen erwachsen war, ohne welche die gegenwärtige Ordnung aufgerichtet war, für die man sogar keine Erinnerung und keinen Sinn mehr hatte. In wie neue und unerhörte Stellungen schon die Revolution des Rleomenes Sparta und seine Gegner gebracht hatte, haben wir oben angedeutet; ebenso bezeichnend für die Um- gestaltung des Griechischen Geistes ist es, dass Arat aus der Athletenschule auf den Plan Griechischer Freiheits- kämpfe trat, und dass gerade im Gegensatz zu dieser Bildung Philopömen nur Soldat seyn wollte und zu Olympia durch die Manöver seiner Phalanx die Bewunderung aller Hellenen erwarb. 3 Dies waren die grossen Vorbilder des Polybius, seine Vaterstadt selbst eine der ersten Städle, die eine durchaus berechnende rationelle Politik und die neue Städtebaukunst in ihren geometrischen Verhältnissen gegründet hatte. 4 Freilich hatte Rleomenes diese Bauten zerstört, auf den Trümmern der alten Stadt hatte sich eine neue gegründet, 5 aber dass weiter auch das Bewusst- sein der frühern historisch erwachsenen Zustände seit Alex- ander immer mehr verschwunden war, zeigt uns am Besten des Poljbius eigene Darstellung von dem Cyclus der Staatsveränderungen. Es ist bekannt, dass in der Griechischen 21 Geschichte und der Darstellung des Aristoteles der Mo- narchie die Aristokratie , dieser die Tyrannis und zuletzt die Demokratie folgte. Polybius setzt gleich nach der Entartung der Aristokratie die Demokratie, und schiebt die Tyrannis gleich hinter die Monarchie. Diese Umstellung einer in der Geschichte klar begründeten Darstellung ist für die Geistesrichtung der ganzen Zeit überaus bezeichnend. Von den Aetolern bis zum Kleomenischen Sparta hatte allerdings noch eine mannigfache Reihe politischer Formen die Lebetidigkeit des Verfassungstriebes bezeugt : man konnte und musste sich selbst von der Kreisbewegung des griechischen Staatslebens ergriffen fühlen, aber die alten, urkräftigen Elemente einer Geschlechteraristokratie, einer begüterten, nicht in Armuth sondern in Rechten gleichen Demokratie, waren aus dem Leben und der Erinne- rung verschwunden. Obgleich der Spartanische König nur ganz hart vor der Ausführung durchaus demokratischer Pläne unterlegen war, ist dem Griechischen Geist das Bild jener alten Tyrannis entschwunden, die den Adel gestürzt und der Demokratie ihre Reichthümer und Prachtbauten vererbt hatte. Wie die gottgerüsteten Könige dem Bürger- thum gewichen waren, so war jetzt aus dem Bürgerthum selbst und seinen unendlichen und so lang unsterblichen Formationen die natürliche Berechtigung dahin. Es begann auf dem Felde politischen Lebens eine künstliche Cultur, nachdem der Boden selbst alle Kraft verloren ; und für die Reihe dieser Versuche ist des Polybius Darstellung voll- kommen wahr, die Blüthen aber und Früchte jener Trieb- und Thatenreichen Zeiten kannte er nicht. Das Gefühl für diesen naturwüchsigen Staat hatte wohl keiner lebhafter als Plato, besonnener und klarer als Aristoteles ausge- sprochen ; sowenig Beide für die Demokratie eingenommen, so entschieden rühmt Polybius ihre Blülhc und Fortdauer bei den Achäcrn, nur dass zugleich in seiner Darstellung der Volkswille nicht nur auch die Aristokratie, sondern selbst die Monarchie und mit ihr Familie und Recht gründet. 6 Denn in Wahrheit entsteht bei ihm erst unter dem Gesetz des aus Noth gewählten Königs selbst die Sitte und das Recht des Hauses, und wird durch 22 den dankbaren Beschluss der Menge die Gemeinde der Machtigen an's Regiment gebracht, schafft also das Volk den König und den Adel, bis es endlich sich selbst als besten Herren erkennt. Hatte somit Plato Volk und Staat als einen Leib betrachtet, den der Philosoph als Seele leiten und beleben sollte, und Aristoteles das poli- tische Bewusstseyn erst in den Patriarchen und Königen, dann im Adel, zuletzt im Volk lebendig werden lassen, so sah man jetzt die Menge selbst noch vor der Familien- verfassung als souverän an. Und allerdings seit dem Chaos der Diadochenzeit hatte im Pelopones die Demokratie an allen grossen Bewegungen den grössten Antheil genommen. Auf sie hatte Kleomenes gehofft, durch sie hatten die besten Männer Kräfte gewonnen, auch nach PhilopÖmens Tode seine Reformen zu sichern und zu vollenden. In die dieser Weise glücklich geordneten Verhältnisse selbst- thätig einzutreten ward dem Polybius noch früher ver- gönnt als sonst es der achäischen Jugend durch die Bundes- gesetze erlaubt war. Das allgemeine Ansehn ohne Zweifel, dessen PhilopÖmens Freunde unter Lykortas genossen, be- rief ihn noch vor dem gesetzlichen Jahre als seines Vaters Genossen zur Gesandtschaft nach Alexandrien. 11 Jahre später war er als Hipparch im Auftrag des Bundes beim Q. Marcius, um zur gelegnen Zeit Achäische Hülfe anzu- bieten, darnach im 2ten Jahre ging er unter den Tausenden in die Verbannung. Aus der ersten Hälfte seines Lebens sind zwar diess fast die 3 einzigen Jahre, r in denen seiner namentlich gedacht wird, aber aus den erwähnten Aemtern und Schicksalen erhellt genugsam, dass er während einer so bewegten Zeit schon früh und immer mit eifriger Theilnahme seines Vaters Pläne und das Wohl des Bundes vertreten mochte. Es wird daher des einzelnen Mannes Geschichte in der seiner Partei um so mehr enthalten seyn, da seit dem Tode PhilopÖmens die Unterwerfung von Megalopolis fast die einzige bedeutende That gewesen zu seyn scheint, deren sich der Bund rühmen mochte. Wie Sparta's Zutritt zum Bund den Sieg des eidgenössischen Princips bezeichnet hatte, ward mit jenem Erfolg der ganze 23 Pelopones in Wahrheit Achäisch, und zugleich von dieser vollkommnen Durchführung begann die innere Reaction : Kallikrates von Leontium hatte auf der Bundesversamm- lung sich für Roms Befehle erklärt, dennoch ward er ab- geschickt, um des Bundes Selbstständigkeit vor dem Senat zu vertreten. Die Folgen dieser Einseitigkeit waren un- ausbleiblich. Man erfuhr zwar als er heimkehrte nicht wie er in Rom sich ausgesprochen hatte, aber der Senat folgte seinen Eingebungen desto glücklicher, je eindringlicher ihm Kallikrates die innere Bewegung des Landes vorgestellt hatte: „Es sey die Demokratie 8 überall gegen Rom, für Verfassung und Gesetz mit solcher Entschiedenheit, dass der Kreis ihrer Gegner, die es mit dem Senat hielten, immer mehr abnähme. Hätten doch jetzt schon manche durch solchen Abfall allein Ehren und Macht in ihren eignen Staaten gewonnen" mit Einem Wort erklärte er : es sey eine Aristokratie vorhanden, doch werde sie zur Demokratie übergehen, wenn Rom sie nicht halte. Auf diese Folgen der neuen rationellen Verhältnisse, musste der Senat erst aufmerksam gemacht werden, denn obgleich ihn selbst zu gleicher Zeit ähnliche Veränderungen bewegten, hatte er gemeint, die Aristokratie werde wie früher nur mit dem Blut der Aristokraten erlöschen. Jetzt begannen sie sich für die Verbannten gegen den Bund sowohl, als gegen fast alle übrigen Griechischen Staaten zu erklären : Kallikrates selbst suchte die bedeutenden Männer der Achäisch-demokratischen Partei vom Volk zu trennen, was ihm jedoch erst nach Perseus Besiegung in der Anklage der Tausend vollkommen gelang. Denn seitdem Flaminin Grie- chenlands Befreiung beim Senate durchgesetzt hatte, hatte die Demokratie in allen Hellenischen Staaten das Ueber- gewicht erlangt und in dem Gleichgewicht Maccdoniens und Roms ihre sicherste Garantie erkannt. Philipp selbst hatte den Frieden zu kräftigen Reorganisationen ange- wandt, so dass bei Perseus Regierungsantrit das Gleich- gewicht sicherer als je hätte geschützt und benutzt werden können, wenn nicht der Senat, von Kallikrates belehrt, schon vorher durch seine Schutzerklärung die fast verzweifelnden 24 Aristokraten aufgerichtet hätte. Ihre Stellung war in den verschiedenen Staaten freilich eine sehr verschiedene, dar- nach auch ihre eigenen Erfolge, bis Rom endlich siegreich mit Einem Gewaltstreich seinen Willen durchsetzte. 9 In Epirus war des Charops Fürstenhaus ohne das frühere Ansehn : die Molosser in ihren fast 70 Ortschaften waren als herrschender Stamm mit dem Regiment derer zufrieden, die den Frieden wollten, bis der jüngere Charops aus Rom heimgekehrt, erst unbeachtet, dann immer trotziger auf des Senats Schutz, durch seine Beschuldigungen die Führer des Volks wider Willen auf Perseus Seite nöthigte ; in Akarnanien wünschten die Römerfreunde durch Besatzungen geschützt zu seyn, die Beschuldigung Macedonischer Ver- bindungen fehlte auch hier nicht. Am wenigsten hatten bei der allgemeinen Befreiung die Aetoler gewonnen : die fortwährenden Kriege hatten den Bund wie die einzelnen in Schulden gestürzt, zumal da es keinem verwehrt war, für eigene Rechnung seine Fehden zu führen, doch war das Schlimmste ohne Zweifel, dass durch Spartas Unter- werfung und Philopömens andere siegreiche Erfolge alle die Rücksichten und Verhältnisse abgeschnitten waren, die diesem einfachen Volk in dem Griechischen Staatensysteme Platz und achtungswerthe Wirksamkeit verschafft hatten. Sobald die Achäer die Demokratie im Pelopones vertraten, konnten die Aetoler nicht neben ihnen dort Stand halten. Vergeblich waren alle die Mittel, wodurch die Führer den alten Ruhm festzuhalten suchten, vor allen Skopas. Unter seiner Strategie hatten die Römer den Aetolern alle Land- striche, die sie gemeinsam eroberten, als offenen Besitz ver- sprochen , denn die Einwohner und fahrende Habe sollte den Legionen zufallen ; da diese Besitzerweiterung miss- glückte, versuchte er nach beendigtem Krieg die drückenden Geldverhältnisse durch neue Gesetze zu heben, doch nur für den Augenblick, wie Alexander ihn beschuldigte; zu- letzt endlich ging er nach Egypten und holte für könig- lichen Sold 6000 Mann aus der Heimath nach Alexniidrien, und endete endlich wie Kleomenes als das Haupt einer Verschwörung, noch bevor Thoas den Anliochus zur 25 Befreiung Griechenlands aufbot. Es ist das ganze Leben des Volkes offenbar ein rast- und rathloses Jagen nach einem Ziel, das durch den Achäischen Bund vereitelt war. Mag Polybius auch manches zu Achäisch dargestellt haben: vier Kriege ohne Resultat zeugen allerdings von gewaltiger Kraft, die der richtigen Entwickelung entzogen, sich wild selbst verzehrt, und eben die entschiedene Parteilichkeit des Achäischen Historikers zeigt das wahre Hinderniss dieser Bestrebungen am deutlichsten. Konnte es doch selbst auf der Aetolischen Landesgemeinde nicht an Männern fehlen, die zuletzt die Nutzlosigkeit dieser Bestrebungen erkannten : in Alexandrien schon hatte derselbe Dorymachos, der mit Skopas das Römische Bündniss schloss, gegen diesen gezeugt, und jenen Thoas, der bald darauf den Antiochus nach Griechenland rief, klagten die Freunde des Volks während des Perseischen Kriegs in offener Versamm- lung als Landesverräther an. Mit derselben Heftigkeit, die ihre Feldschlachten auszeichnete, warf sich das noch kräftige Volk in den Meinungskampf über Krieg oder Neutralität, hier erst entwickelten sich, soviel wir sehen, in ihm die Gegensätze der Demokratie und Aristokratie, insofern nemlich das Volk einer auswärtigen Politik ent- sagte, der die Edeln bisher ihren Ruhm und ihre Macht verdankt hatten. In wilden Metzeleien wie zu Hypata und Arsinoia, und in endlosen Zwistigkeiten verzehrte sich die Volkskraft, da Rom schon unter den Grossen Anhang gewonnen, ehe noch dieser heillose Kampf begann. Der Böotische Bund hatte bis zum Anfang des zweiten Krieges Macedonien angehangen, sowol das Volk als das Haus des Neon, das seit Demetrius Zeit in Nepotismus und Ueppig- keit an der Spitze der Verwaltung glänzte. Dieser und ihr Anhang waren in zahllosen Syssitien vereinigt, und das Volk vergass über ihren reichlichen Schenkungen, Rechen- schaft und Recht von ihnen zu fordern. Um so leichter ward von Q. Marcius der Bund aufgelöst und für Rom gewonnen. Erst trugen einzelne Städte sich zum Bünd- niss an, die Koronecr und Lebadeer kamen eilig nach Theben und sprachen alle dagegen , bis Einer zuerst für 26 Rom sich erklärte : so waren sie alle auch rasch ent- schlossen, man verlangte Rechenschaft von der Bundes- regierung, die Verbannten in Chalkiis klagten sie an : Neon ging nach Macedonien, andere tödteten sich im Gefängniss, die Städte schickten einzeln Gesandte vor den Senat. Diese schnelle Revolution, .fast ohne Widerstand, giebt kein gutes Zeugniss für das Böotische Volk, am wenigsten für die Demokratie, die doch 20 Jahre lang trotz der schmäh- lichsten Entartung den Aristokraten furchtbar gewesen war. Offenbar war sie verfault und gänzlich aufgelöst, keiner Bewegung fähig, weder des innern Kampfes wie die Aeto- lische, noch ruhiger Opposition wie die Akarnanische, noch endlich einer thätigen Hinneigung zu Macedonien wie die Epi- rotische ; bei der ersten Berührung stürzte sie in sich zusammen. Die Aristokratie war hier und überall dieselbe, aller frühern Kraft beraubt und ohne Römische Hülfe oder des Volkes Zuneigung durchaus Nichts. Wo aber im Volke sonst noch Bewusstseyn und Kraft war, da finden wir entweder halbgriechische Stämme, von den Bewegungen früherer Zeiten ungeschwächt, oder wie im Pelopones eine neue Formation, die die alten Institute durch ihre Gesetze belebt. Durch Philopömens Organisation hatte der Bund allmählich eine Streitmacht von 40000 Mann und 4000 Pferden* erhalten , seitdem die zahlreichen kleinen Orte Sitz und Stimme erhalten wuchs offenbar das Interesse des einzelnen für Ehre und Macht der gesammten Eid- genossen und Volksherrschaft. Philopömen hatte im sieg- reichen Vertrauen auf seine zeitgemässen Pläne vor not- wendigen Ungesetzlichkeiten nie zurückgescheut und so sehr die herrschende Partei sich ihrer conservativen Ge- setzlichkeit rühmte, scheint auch sie dem Geist des Volks noch mehr als ihren Instituten vertraut zu haben : konnte doch Kallikrates sie ganz ähnlich zurecht weisen , wie Aristänos den Philopömen. Und diese Zuversicht zu neu- geweckten Kräften führte über einzelne Verstösse hinaus offenbar zu der unglücklichsten Täuschung. Aristänos, früher Philopömens politischer Gegner, hatte es durch- gesetzt, dass man das Macedonischc Bündniss aufgab, so 27 entschieden Megalopolis und Argos widersprachen. 10 Eine Folge dieser Opposition war ohne Zweifel die Trennung der kleinen Orte, durch die Philopömen die Macht seiner Vaterstadt brach, wahrend er den Grundsatz der be- stimmtesten Neutralität zwischen Römischen und Mace- donischen Ansprüchen immer entschiedener durchzusetzen suchte. Lykortas hielt an der Spitze der demokratischen Partei diese Ansicht fest, und doch konnte nur eine voll- ständige Unkenntniss der Römischen Politik die Sicher- heit einer solchen Stellung wahrscheinlich machen. So- bald man wusste, dass der Senat nur mit dem unzwei- deutigsten Sieg sich begnügen lasse, konnte bis dahin eine solche Neutralität nur entschuldigt werden, wenn man sich selbst nach dem Sturz Macedoniens für stark genug hielt, Rom im offnen Kampf zurück zu weisen, oder in Rom selbst eine Stimmung vermuthete, die der Achäischen Neutralität günstig war. So hatten denn auch unter den Häuptern der Demokratie gar manche dieses Dilemma er- kannt : Archons Meinung, dass man den Römischen Ein- lluss nicht zurückweisen dürfe, fand unter der Partei des Lykortas trotz seines Widerspruchs , vielen Anklang : 1 1 7 Jahre vorher hatte derselbe die Ansprüche Roms und des Kallikrates zurükgewiesen ; aber diese Meinungsver- änderung kam zu spät. Er konnte als Strateg wie Poly- bius als Gesandter im Römischen Lager dem Gang der Ereignisse nicht mehr vorgreifen. Sobald Aemilius Paulus den Perseus besiegt, musste ganz Griechenland gehorchen und die Demokraten sahen nicht allein im Pelopones die äussere Selbstständigkeit der Staaten gebrochen , sondern bei Pydna hatten zugleich die Aristokraten gesiegt. Sie begannen ihr neuerungenes Regiment mit der Verbannung aller Gegner, die der Senat nach Italien rief. Wahr- scheinlich starb kurz vor diesen Ereignissen Lykortas, und Polybius Trauer, als er nach Rom kam war eine dreifache : um den. Vater, des Vaterlandes Freiheit und die Prinzipien seiner Partei , die durch den Sieg der Römer in all ihren Gliedern aus Griechenland verbannt ward. Ausser jenem Hauptirrthum über die Weltstcllung Roms hatten 28 alle diese Männer sich keine Unvorsichtigkeit oder Un- redlichkeit vorzuwerfen : die Macedonischen Archive ent- hielten keine Zeile, die gegen sie zeugen konnte; nirgends war der unverschämte Siegesstolz der Aristokraten den Römern erwünschter als im Pelopones, denn nirgends brauchten sie solche Ankläger mehr, um nicht ihre eignen Absichten blosszustellen. So besonnen hatte man über- legt und gehandelt ; eine in so langer Zeit so lest und vertrauensvoll befolgte Politik war durch Einen Schlachttag und die Kühnheit einer verachteten Partei aus ihren Bahnen und Erfolgen herausgeworfen. Die Legionen hatten aus 70 Orten in Epirus die Insassen und ihre Habe zum Kriegslohn erhalten: aber diese tausend Verbannten, unter denen Polybios nach Rom kam, waren das Mark und die Seele des wiedergebornen Griechenlands, in ihrer Jugend Philopömens glänzendes Geleit für die Tage der Feste und der Schlachten, mit denen er die Tyrannen vernichtet und zu Olympia die Bürger erfreut, denen er seine Reformen als Griechenlands bestes Erbtheil hinterlassen hatte : sie mochten ihn jetzt mit Recht den letzten Griechen nennen. In seinem Buche über des Polybius Darstellung des Aetolischen Bundes hat Lucas es wahrscheinlich zu machen gesucht, dass Polybius die beiden ersten Bücher lange vor den übrigen und der Einäscherung Korinths vollendet habe. Sein Hauptargument beruht auf einer ganz verschiedeneu Stimmung, wie er sie in den beiden verschiedenen Theilen wahrzunehmen glaubt, und auf den verschiedenen Vorreden des ersten und dritten Buchs. Ueber diese Vorreden sprechen wir unten. Die Ansicht aber, dass die Trauer um den Achäischen Bund und eine geringere Zuneigung für Rom die andern Bücher von seinen ersten unterscheide, steht bei Lucas selbst zwar auf sehr schwachen Füssen (s. S. 14, 15 und 18 ff.) und doch geht Henzen noch weiter, so dass er vom 3ten Buch an keine Spur mehr von Bewunderung der Römer findet (Quaestt. PolL p. 30) ; auch im Oten nicht ? Mich hat die ganze Art des Be- weises nie überführen können, und Lucas selbst wiegt offenbar Stelle um Stelle ab, ohne ein sicheres Resultat 29 sich selbst offen zugestehen zu können. Wir wollen nur am Schluss erwähnen, dass Polybius, wenigstens als er nach Rom kam, von der Ansicht seines ganzen Buchs noch sehr weit entfernt seyn musste, am weitesten von jener Römer- liebe, die er erst bei Korinths Zerstörung verloren haben soll. Um die Weltbewegung, die ihn jezt nach Rom führte, für eine sehr schöne und wolthätige Fügung der Tyche zu halten , brauchte es für ihn neuer und grosser Erfah- rungen und eine allerdings schöne Fügung der Tyche hatte ihn gerade in das Haus Roms geführt, das in den Familien- erinnerungen zweier Generationen die merkwürdigsten Auf- schlüsse über die letzten Weltschicksale darbieten konnte. ZWEITER ABSCHNITT. Polybius in Rom. Die politische Stellung der Sdpionen, % i. Im nächsten Jahr nach der Schlacht bei Pydna war Po- lybius in Rom. Ob er mit den Söhnen des Aemilius Paulus früher in Griechenland näher bekannt geworden, ist uns nicht überliefert. Wahrscheinlich aber ist es wol, da sie sich für ihn schon beim Prätor verwandten, als den übrigen Verbannten die einzelnen Italischen Orte als vor- läufige Wohnsitze zugetheilt wurden. In dieser Familie, die seit lange jedem Griechisch Gebildeten offen gestanden halle, 1 konnte der Sohn des Lykortas nur ein willkommner Gast seyn. Der ältere Bruder, Fabins hatte an den Thalon des Vaters in Macedonien selbsllhätig den lebhaftesten Antheil genommen, sowohl während des Feldzugs als nach ge- wonnener Schlacht, wo er als Siegesbote nach Italien ging, und zurückgekehrt die Illyrischen Verhältnisse ordnete. 30 Wie wenig aber trotz dieser einflussreichen Stellung Aemi- lius und seine Söhne die politische Abneigung des Polybius verdienten, darüber werden wir unten eine weitere Aus- einandersetzung versuchen. Er traf sicher in ihnen Männer, die mit den Verhältnissen seiner eben erst unterbrochenen Wirksamkeit genau bekannt waren, ohne dass ihr Umgang und ihre Mittheilungen ihn zurückstossen konnten. Aber aus diesem Verkehr, so erwünscht er ihm an sich seyn musste, .entspann sich für ihn ganz unerwartet und zur glücklichsten Stunde ein innigeres Verhältniss mit dem jungen Scipio Aemilian, das für das ganze Leben des Polybius wenigstens von der grössten Bedeutung seyn musste. Es war dies einer jener tiefen Charactere, die in einer stillen und verschlossenen Jugend zu grossen Thaten unentweiht heranreifen. So lang die Armee in Macedonien stand, hatte er in den königlichen Borsten so eifrig gejagt, wie es unter der Römischen Jugend der Zeit nicht mehr Sitte war. Zu Haus war es schon längst auf- gefallen, dass er sich einsam für sich hielt; sie fanden es unpassend für den Enkel des grossen Africanus, den Sohn des Aemilius Paulus, dass er Waldlust und Waid- werk den Arbeiten und Ehren des Forums vorzog. Man sieht freilich aus des Vaters Angst und Freude, als er bei Pydna vermisst und gefunden ward, wie stolz er auf diesen seinen stillen Sohn war, aber er selbst glaubte sich unverstanden, bis er den Polybius offen um seine Freundschaft bat und sie erhielt. In welcher Stunde, mit welchen Worten und Zeichen diess Bündniss geschlossen ward, hat Polybius mit wahrhaft Homerischer Offenheit unübertrefflich erzählt. Man fühlt es Wort für W r ort durch, wie bedeutend und unverhofft ihm noch in späten Jahren diese Erklärung erschien. Der eine, achtzehnjährig, stand einsam einem grossartig bewegten Staatsleben gegen- über, für das er ungeachtet der dringendsten und lockend- sten Verhältnisse keinen Sinn hatte, der andre, vielleicht schon fünfzigjährig, dem Staat, an dem seine Seele hing, gewaltsam entrissen, so fanden sie sich einander, eigent- lich beide heimathslos. Man könnte sagen, diese grossen 31 Gemüther, für Betrachtung und Leitung des Staats ge- schaffen, hatten, als eben ihnen beiden diese Thätigkeit versagt schien, eine wahrhaft politische Freundschaft ge- stiftet zum Trost für die Gegenwart, zur Bürgschaft zu- künftiger Grösse. Doch um recht zu verstehen , wie wichtig diess ganze Verhältniss für Polybius nicht weniger als Scipio war, bedarf es hier einer weitern Betrachtung. Die politische Beständigkeit der einzelnen Römischen Ge- schlechter wird sich dabei allerdings wieder herausstellen, doch wird daneben, in dem Geschlecht der Scipionen nicht allein , eine bestimmte Fortbildung von aufgenommenen oder angeborenen Ideen, Absichten, Richtungen mit der Ausbreitung der Römischen Herrschaft immer deutlicher werden. § 2. Im zweiten Punischen Kriege hatte das Römische Volk sich seinen Anspruch an die Weltherrschaft vollständig er- kämpft, vielleicht im Innern nicht minder als auf den Schlachtfeldern in Italien, Spanien und Afrika. Ueber den grossen Thaten der Legionen scheinen die Alten wenigstens die Kämpfe des Forums vergessen zu haben und auch die Neueren haben die strategischen Wunder dieses Krieges mit grösserem Eifer betrachtet, als den innern Kampf eines Staats, der die gewaltsamsten Ereignisse niemals in starrer Unbeugsamkeit, sondern durch die immer rege Entwicke- lung unerschöpflicher Kräfte überstand. War doch gleich im Anfang und schon vor dem Beginn des Krieges die Volksstimmung in der höchsten und bedenklichsten Span- nung. Aber freilich werden die Führer und Sprecher dieser Parteistimmung als Feinde des Senats nur in ein- zelnen Handlungen ohne Zusammenhang genannt : Sp. Carvilius, der während der schwersten Kriegsnoth die La- tiner in den Senat bringen wollte, hatte den Flaminius unterstützt, als er das Gallische Gebiet dem Volk als Grundbesitz zuwenden wollte, und eben dieser Flaminius 32 sprach für das Claudische Gesetztes solle kein Senator ein Schiff von mehr denn 300 Amphoren Gehalt besitzen ; er hat auch den Eifer schnell mit Hannibal auszufechten am Trasimenersee härter als die Andern gebüsst, die das Volk durch raschen Sieg von diesem unerwünschten Kriege befreien wollten. x Fabius Pictor hatte in seiner Geschichte Hannibals Eigenwillen als die einzige Ursache des ganzen Krieges bezeichnet, 2 sicher nicht ohne Absicht, da einer Seits der Karthagische Senat nothwendig damals losschlagen musste, anderer Seits aber die Mächtigen in Rom beschuldigt wurden, aus ihrem eigenen Interesse den Staat in diese Anstrengungen gestürzt zu haben und ihn absichtlich darin zu erhalten. So war für sie diejenige Ansicht die will- kommenste, welche alle Möglichkeit diplomatischer Vor- kehrungen leugnete und einem Einzigen alle Schuld bei- legte, ohne dass man dessen Einrede zu erwarten hatte. Denn freilich von der historischen Notwendigkeit dieses neuen Kampfes , wie wir sie jetzt erkennen , konnte der Senat damals noch nicht zum Volke sprechen, sie war wie wir sehen werden, weder ihm selbst schon klar, noch hätte man daran geglaubt, sobald man es nur erinnerte, worauf sich die Privatinteressen der Grossen seit dem Sicilischen Kriege gewandt hatten. Bald nach dessen Be- endigung hatte der durch die Eroberung der Insel ver- mehrte Verkehr es nöthig gemacht, in Rom einem Prätor die Gerichtsbarkeit über die Fremden zu übertragen, die grossartige Schöpfung einer Marine musste für den See- handel Roms von Bedeutung seyn : man besass jetzt selbst die Mittel das Italische Piratenwesen, worüber Alexander noch geklagt, mit eigenen Waffen zu unterdrücken, 3 und dass die grössere Sicherheit ihrer See und die erweiterten Handelswege von den Senatoren selbst mit Eifer und Er- folg benutzt wurden, davon zeugt besonders jenes Clau- dische Gesetz, das, wie eben erwähnt, Flaminius zum Aerger- niss des Senatorenstandes unterstützt hatte. Zugleich war derselbe eifrig bedacht, durch Aeckervertheilung dem Volk zu grösserem Grundhesitz zu verhelfen , und wenn bald, in den ersten Jahren des punischen Krieges die Publicanen 33 und ihre Unterschleife erwähnt werden, so sieht man schon hier jene unheilvollen "Widersprüche im Staatsleben sich vorbereiten, die hundert Jahre später die Revolution der Gracchen aufdeckte, aber nicht vernichtete. Es war die Erinnerung an die gewaltigen Anstrengungen der nächsten Vergangenheit, welche dem Volk zu lauter Unzufriedenheit den-Muth und das Recht gab. Wie verrätherisch der Se- nat sich Sardiniens bemächtigt und so den Feind provocirt hatte, wie grossen Verderbnissen die grossen Bestrebungen der Volksfreunde eben jetzt entgegentraten , das konnte der unverdorbene und besonnene Bürgersinn jener Zeiten nicht übersehen: dieser Krieg erschien ohne Zweifel nicht allein unnöthig und aus Privatinteressen übereilt, sondern viel schädlicher noch und geradezu staatsgefährlich, in so fern er die Regeln des innern Staatslebens unterbrach. Wie nun aber einmal die Sachen standen, war es des Staates grösstes Glück, dass an seiner Spitze Q. Fabius stand, der sogleich im Anfang des Kriegs seinen Plan entschieden dahin gestellt hatte, nicht mit dem Aufgebot in Masse ins Feld zu gehen, sondern Stadt für Stadt hinter den Mauern den Feind zu erwarten. 4 Denn war auch Hannibal in Italien mit der offenbaren Absicht erschienen, die Unterworfenen gegen Rom ins Feld zu rufen, so zeigt sich in eben diesem Plane des Fabius zuerst sein Ver- trauen auf die Kraft der Italischen Nationalität und darnach seine patricische Vorsicht. Ganz Italien hatte gegen die Gallier gefochten und musste daher auch diesen Krieg ungern beginnen: da wusste er nun sehr wol, dass jede einzelne Stadt, auch Rom für sich, bis zur kleinsten Sie- geshoffnung Hannibal widerstehen werde, aber in Einer vereinigten grossen Armee musste er die unzufriedene Hast nach Entscheidung fürchten, sobald man sich in solcher Masse des ganzen Gewichts dieser Unzufriedenheit zugleich mit der Kraft bewusst ward ihr mit einem Schlag abzuhelfen. Bis zu der Einnahme von Cannä beweg- ten diese verschiedenen Ansichten Volk und Senat: die Wechselfälle dieses Kampfs nach Innen und Aussen sind bekannt, zuletzt aber nachdem Flaminius gefallen und 3 34 durch wiederholte Unfälle des Fabius Pläne als einzig richtig erwiesen schienen, gewann mitjenem Einen Schlage die Meinung der Volksfreunde die Oberhand: denn sogleich hatten die Consuln diesen Verlust nach Rom berichtet, man habe in dieser Feste alle Vorräthe verloren, auch sey die Treue der Bundsgenossen schwankend. Auf diese Nachricht waren alle in Rom entschieden zu schlagen; zu den alten vier Legionen wurden vier neue errichtet; man wollte, zur Schlacht gezwungen, des Sieges sicher seyn; der Senat, besonders Fabius, riethen dem Aemilius Pau- lus, worauf er achten müsse, vor allem Vorsicht und Selbstständigkeit; das Volk frohlockte im Vertrauen auf den Sieg und auf seinen Consul, den Terentius Varro. Eines Schlächters Sohn, war er in den neuesten Streitig- keiten bekannt, dem Volke achtungswerth geworden, nach dem Consulat hoffte er auf den Triumph. Aemilius Paulus dagegen war dem Volk seit dem Illyrischen Krieg ver- hasst ; im Senat hielt man viel von ihm, und allerdings erkannte er das Gewicht seiner Stellung; aber diess Be- wusstsein gab ihm keinen Muth, sich das entschwundene Vertrauen in dieser grossen Zeit wieder zu erstreiten. Diese, unentschiedenen und gespannten Verhältnisse zwi- schen den Parteien zu Haus und den Kommandirenden im Lager gaben zugleich mit Hannibals Taktik den gewal- tigsten Anstrengungen den unseligsten Ausgang. Varro, zu schlagen entschlossen, gab seiner Linie die möglichste Festigkeit und Tiefe, aber die Niederlage der Reiterei, die unter Aemilius abgesessen war und zu Fuss den Galliern unterlag, hatte Hannibal schon mit Siegeshoffnung erfüllt, ehe er noch durch ein Manöver seines Centrums die Ordnung der Legionen verschob und sie dann von beiden Seiten mit frischen Truppen fasste uud erdrückte. Aemilius blieb ; Varro ritt vom Schlachtfeld nach Venusia : von dort kam er mit 4000 Zersprengten nach Canusium, und schrieb hier an den Senat, der Consul Aemilius und das Heer sey erschlagen. 35 § 3. Mit dem Tage dieser Niederlage beginnt die zweite und wichtigste Periode des Hannibalischen Kriegs; der Staat, herausgerissen aus dem sichern Gange seiner Be- strebungen und Ausbildung, erkämpft sich durch zehn Jahre der verzweifeltsten und ungewöhnlichsten Bemühun- gen endlich die sichere Aussicht auf Sieg und Ordnung, mit der dann Scipio nach Afrika übersetzt. Der Abfall der meisten Bundesgenossen zwang die Consuln, Sclaven zu den Waffen zu rufen: man musste es dulden, dass Männer ohne Würden und Imperium auf eigne Faust Haufen ins Feld führten, und wie unter den edelsten Ge- schlechtern der Gedanke laut ward, den Kampf aufzugeben und Italien zu verlassen, so suchte das Volk, von seinen verwüsteten Aeckern nach Rom zusammengejagt, in frem- dem Aberglauben Trost: achtzehn Colonien erklärten sich für unfähig zu weiteren Leistungen, es war keine innere Zwietracht, die den Staat zerriss, kein Parteihass, der, wie vor kurzem noch, die Kräfte hemmte: alle Triebe des Staatslebens waren vielmehr durch diesen Schlag ver- wirrt und gelähmt. In dieser Betäubung, bei diesem Stillstand fasste nun aber der Einzelne zu grossen Thaten und Entwürfen desto leichter Muth, je weniger man jetzt die Sitte oder das Herkommen Angesichts der dringend- sten Gefahr achten zu brauchen glaubte. So wagte Car- vilius seinen Vorschlag, die Latinen, je zwei aus jeder Colonie, in den Senat zu lassen, so meldete sich Scipio für die Provinz Spanien und übernahm freiwillig die eine Hälfte des Kriegs, während die andere in Italien die tapfersten und klügsten Generäle der Republik beschäftigte. Noch viele andere gleich jung und jünger wie er ge- langten in diesen Zeiten schnell zu Ehrenslellen und grossen Erfahrungen 1 , am Ende gewann auch die Re- publik neue Ordnung und neue Kräfte zum Sieg. Wäh- rend die alte Tapferkeit der Legionen sich auf jedem Schlachtfeld neu bewährte, ward ihre Ordnung und Bo- 3 * 36 waffnung durch Fulvius und Naevius nach den neuesten Erfahrungen verbessert 2 , die abgefallenen Völker wurden unter die alte Herrschaft gebracht, doch zu härtern und strengeren Verhältnissen. Im Gefühl dieser wiedergewon- nenen Stellung gegenüber des Italienischen Staatensystemes fing auch die Aristokratie wieder an, in der Republik selbst ihre Einheit und Macht zu befestigen, man wagte es, den Livius Salinator, den bittersten Feind des Volks, an die Spitze der Legionen zu stellen, und unter seinem Consulat erfochten die eifrigsten Anstrengungen Hamilcars Niederlage. Die Bezwingung und Organisation Campa- niens und Siciliens, die Umänderung der Latinischen Colonien, die Erfolge gegen die Karthager in Italien, gegen Philipp in Griechenland — alle diese Resultate versprachen bald ein gutes Ende, und die Häupter der Aristokratie erwar- teten diess sicher nicht ohne Stolz. Die Eroberung Spa- niens durch Scipio konnte diese Aussichten nur noch bestätigen, bis dieser junge Held all diesen Plänen mit seiner entschiedenen Meinung entgegentrat. Er war das wahre Kind des Hannibahschen Kriegs, ein Reiter ge- schult in den Gefechten mit den Numidiern, schon vor der Schlacht von Cannä in der Armee als überaus tüchtig bekannt 3 ; die hoffnungslosen Zeiten hatten ihn zum Mann gebildet; er ging 25jährig nach Spanien ? als nach seines Vaters und Oheims Untergang keiner sich dorthin wagte. In seiner Provinz kämpfte er alle Widersprüche und Auf- gaben der Zeit allein durch, die in Rom der gesammte Senat mühsam überwand. Man hatte vor Capua die Legionen neu bewaffnet, in Spanien entwickelte er durch die Wunder seiner Taktik die selbstbewusste Kraft des Legionärs zur unwiderstehlichsten Gewandtheit und Prä- zision; es galt daneben, die Provinz zu ordnen und die Unzufriedenheit der Bundesgenossen, zuletzt in der Rebel- lion von Sucro, zu zügeln; und alles dies war ohne Blut und Härte, allein dem Talent seiner siegreichen Popula- rität gelungen, als er nach Rom kam und zum Consul gewählt dem Senat erklärte, in Afrika müsse man's aus- fechten. Dieser Plan trat so unerwartet hervor, dass die ß7 eifrigste Opposition der entschiedensten Ueberzeugung doch endlich ihm weichen musste. Da einmal unter den Con- suln des Iahrs ein Pontifex war, musste man, sobald die Provinz Sicilien decretirt war, diese dem andern, dem Scipio, zugestehen. 4 Man bedingte den Uebergang nach Afrika „si e republica videretur" und verbot die weitere Aus- hebung, Scipio wandte sich an die Freiwilligen: Fabius eiferte laut und überall gegen diesen tollkühnen Zug, jener erhielt von den Fremden, was ihm die Bürgerschaft versagte, und ging mit stattlicher Rüstung nach Sicilien. Man schickte auch dorthin Gesandte nach, die untersuchen sollten, wie es mit der Zucht stehe und mit den Vorrathen, besonders mit dem Feldherrn; denn das war allerdings eben so wahr als in Rom unerhört, dass, wie man sich erzählte, der Feldherr zu Syrakus bei den Büchern und in der Palästra die Zeit hinbrachte, wahrend die Armee zum Uebergang nach Afrika sich rüstete. Und doch lag hierin dieselbe Sicherheit der bewussten Grosse, die zu Canusium eine staatsgefährliche Verschwörung unterdrückt und jetzt eben den grossen Plan gefasst hatte, vor dessen Ausführung die klügsten Männer zitterten. Noch in Po- lybius Tagen war die Ansicht allgemein, dass Africanus nicht nach fester Ueberzeugung, sondern durch zufällige Eingebungen des Augenblicks — das Volk sagte: der Gottheit ■ — ■ seine grossen Thaten vollbracht. Und wenn man selbst im Rückblick auf die wunderbaren Ergebnisse sei- ner Unternehmungen den Geist, der sie beschlossen und durchgeführt, nicht verstand, so sind seine Gegner damit genugsam entschuldigt, die mitten in den Bewegungen seiner Zeit nicht begriffen, wohin er sie zu leiten gedachte. Als Hannibal in Italien erschienen war, di2 Bundesver- bältnisse umzustürzen, kurz nachdem sie unter Roms Leitung gegen die Gallier zum ersten Mal ihre Gesammt- kraft entwickelt hatten, hatte der Senat in Opposition gegen die Neuerungen des Flaminius und Carvilius sich immer entschiedener auf die bestehenden Verhältnisse zu stützen gesucht, bis die Eroberung der Burg von Cannä und d!e folgende Niederlage den Zusammenhang und die 38 Kräfte dieses Staatensystems zerriss. Zu derselben Zeit war in andern Verhältnissen, aber durch ein ähnliches Geschick, die Vereinigung der Peloponnesischen Staaten dem Macedonischen Einfluss erlegen. Auf beiden Halb- inseln erfolgte die Reorganisation, nachdem Philipp und Hannibal sich verbündet hatten ; aber weder Arat noch Fabius konnten, befangen in den Erfahrungen ihrer Zeit, diese neue Schöpfung gründen; es folgte jedem von ihnen ein Grösserer. Philopömen führte, wie wir sahen, gerade jene Richtungen durch, die Flaminius und Carvilius für Italien nur versucht hatten : die Ausbildung der Demo- kratie und die Vertretung jeder Kraft eines Systems von Republiken; er bildete die politische Form des Peloponnes innerlich durch ; Scipio stellte das wiedergeborne Italien sogleich an die Spitze der Weltverhältnisse, und diese Wendung trieb die kaum geretteten und wiederherge- stellten Kräfte so unwiderstehlich in eine neue Bahn, dass funfzig Jahre später das Staatensystem der Diadochen nicht geordnet und reorganisirt, sondern von der Gewalt dieser Entwicklung vernichtet war. Freilich ging die ganze Entwicklung Roms einer solchen Weltherrschaft schon längst entgegen, aber das Bewusstseyn dieses Stre- bens lebte in keinem vor Scipio so rein und bestimmt, in wenigen nur nach ihm. Man hatte am Ende nach Hasdrubals Niederlage den Krieg auch in Italien beendigt, man hatte ebenfalls durch das Bündniss mit den Aetoliern schon in die Griechischen Verhältnisse eingegriffen ; aber diese Aussichten und Erfolge verhielten sich zu der voll- endeten Grösse seines Plans, wie das rohe Behagen, mit dem die meisten die Sicilische Beute in Rom bewunderten, zu seinem klaren Verständniss der griechischen Welt. Diese Idee einer Weltmacht, wie sie Scipio erfasst, war durchaus hellenisch, seit Alexanders Gründungen der Ur- grund aller Bewegung für den Orient und das Europäische Griechenland. Der Uebergang der Legionen geschah in drei Absichten: 1) den Widerstand des Hannibal in Ita- lien zu vereiteln, 2) Carthago von den Verbindungen abzuschneiden, die es seit Philipps und Hannibals Bund- 39 niss zum Mittelpunkt der Östlichen Angriffe gegen Rom zu machen drohten, 3) endlich Rom selbst statt des feindlichen Staats in die Mitte dieser Verbindungen zu bringen. Die beiden ersten Zwecke sah man sogleich durch den Tag von Zama erfüllt, aber dass auch der dritte Zweck ins Auge gefasst und erreicht war, zeigt erst die Geschichte der nächstfolgenden Jahre. § 4. Noch vor der Beendigung dieses Kriegs war Q. Fabius gestorben, von allen der entschiedenste Gegner Scipio' s ; doch war mit seinem Tod der Zwiespalt im Senat keineswegs beendigt. Ohne des Claudius und Lentulus Eifersucht wäre Carthago' s Macht schon damals gänzlich gebrochen worden, äusserte Scipio später wiederholt. 1 Nur nach langen Debatten, die er sehr wol vorhergesehn, erfolgte der Beschluss, dass auf seine Bedingungen mit Carthago Friede geschlossen werden solle. 2 Dabei aber leitete den einzelnen doch nicht die Hoffnung eines Con- sulats und Triumfs für sich und einen ihm verbundenen, und wer nur hierauf dachte, musste doch einer politischen Meinung sich zuwenden, die von andern verfochten ihm gerade Schutz versprach. Gegen Scipio und seinen Frie- den liess sich allerdings vieles vorbringen. Von den Handelsverbindungen war in den Artikeln nichts gesagt, und in Rom mochten viele gerade hierfür besondere Er- wartungen gehegt haben ; man hatte in Capua den Sieg zu einer gänzlichen Reorganisation der Verfassung benutzt: eine solche schien auch in Carthago gewünscht, wo, wie man wusste, die Stärke einer Partei diesen Krieg so lange unterhalten hatte ■ — aber alles was übersehen ward, das erkannten ohne Zweifel Scipio und Ilannibal am besten. Der eine nannte die Bedingungen über Erwarten gut und schiffte bald zum Antiochos, in Hoffnung auf neuen Krieg mit Rom, der andre triumfirte und warf sich dann mit der ganzen Macht seiner Partei in die öffentlichen Angc- 40 legenheiten, um hier nachzuholen, was er vor Carthago versäumt zu haben glaubte. Bis zu dem grossen Pro- cess der Scipionen zeigen die Magistratsverzeichnisse den Namen der Cornelier besonders oft, es fehlt daneben nicht an Nachrichten von Wahlniederlagen, die sie erlitten, aber auch nicht von Verbindungen mit andern Geschlechtern, die ihre Interessen im Senat, in den Provinzen und vor dem Volke vertraten: 555 war ein Cornelier Consul und Cen- sor, 557 Consul, 560 ward fast die Hälfte der curulischen Magistrate von ihnen bekleidet, 561. das eine Consulat. P. Scipio und Lälius konnten zwar trotz des Africanus Fürsprache das Consulat nicht gewinnen, doch von zwei Corneliern 563 ward Nasica Consul 3 , auch unter den Prätoren findet sich ihrer einer, 564 waren endlich L. Scipio und Lälius Consuln, während Publius den Bruder als Legat nach Asien begleitete. Africanus war mit der Tochter des Paulus, der bei Cannä fiel, vermählt, und hatte von ihr zwei Töchter, noch unvermählt, und zwei Söhne; dieser Aemilia Bruder, später der Besieger des Perseus, hatte von seiner ersten Frau Papiria zwei Söhne : Quintus, der in die Familie des Fabius Maximus, und Publius, der in die des grossen Scipio durch Adoption überging. Von den Töchtern ward die eine später dem Sohne Cato's, die andere dem Tubero aus dem Hause der Aelier vermählt 4 , einem der trefflichsten und ärmsten Geschlechter plebejischer Nobilität. Ihrer siebzehn waren bei Cannä gefallen, die nächste Generation — sechzehn Männer mit Weib und Kind — lebte unter seinem Dach von dem Ertrag eines massigen Grundstückes. 5 Mit den Aemiliern, Turiern, Minuciern gehörten sie zu den An- hängern Scipio's, und wir würden auch ausser ihnen gewiss noch mebr Geschlechter auf der Seite dieser Partei er- kennen, wenn die Bildung und die Bestrebungen derselben vor dem Iahre des Scipionenprocesses deutlicher bei den Schriftstellern zu erkennen wären. Denn wir findeu wol, dass ein Meteller einem Cornelier 559 die Hoffnung auf den Triumf vereitelte, dass 555 C. Cornelius dagegen den Q. Minucius bei einem gleichen Gesuch unserstützte, 41 dass über den Frieden mit Carthago sich der Consul Aelius nicht dem Scipio widersetzte, während Cornelius Lentulus gar heftig widerstrebte, dass ferner schon nach der Niederlage von Cannä die Verschwörung des Metellus von einem Furier entdeckt und von Scipio vereitelt ward, auch wird ausdrücklich erwähnt, dass Sempronius Gracchus und das Haus der Meteller den Scipionen über- all feindlich entgegenstand 6 ; aber die Bedeutung dieser Parteien ist nicht klar, wie sie mit dem Staat zusam- menhingen und welche politischen Grundsätze sie vor Senat und Volk so ohne Rast, oft ohne Scham, verfochten. Der Krieg gegen Macedonien wurde sogleich nach er- langtem Frieden von dem Senate vorbereitet und, nach- dem das Volk den ersten Antrag zurückgewiesen, auch in den Comitien durchgesetzt. Ueberhaupt wendet sich ja von diesem Zeitpunkt an das ganze Interesse des Senats den auswärtigen Angelegenheiten zu. Man drängte sich zu den Aemtern „als könne man", wie Cato sagte, „ohne Lictoren vor sich, den Weg nicht linden." Diese Sucht nach dem Imperium, nach Kriegen und Beute ist bekannt. Durch Scipio's Unternehmungen war ihr der ganze Erdkreis eröffnet, und unter den unzähligen Staats- mann?™, die ihn jetzt von Rom aus überströmten, zeigten nur wenige, dass sie eigentlich begriffen, welche Stellung jetzt Rom einzunehmen habe. Allerdings konnte der Senat nur auf die Weltherrschaft denken ; aber dieser Gedanke umschloss die Pläne der trefflichsten und der niedrigsten Politik. Wenn daher zuvörderst Flaminin in Griechenland als Befreier mit der ungeheucheltsten Freude von den trefflichsten und klügsten Männern begrüsst ward, so muss man einerseits wohl Leuten wie Lykortas, Ari- stänos u. A. es glauben, dass durch die Proclamation bei den Isthmien Rom wirklich in eine würdige Stellung trat, aber dabei ist auch andrerseits nicht zu vergessen, dass Fla- minin, zwar ruhmbegierig, aber doch nach schönen Ehren trachtend, für die Verwirklichung der vom Senat gegebenen Versicherungen bei den Gesandten in Griechenland selbst sich sehr nachdrücklich aussprechen musste, ehe Demetrias, 42 Akrokorinth und Chalkis geräumt wurden. r Allerdings gab es im Senat eine starke Partei, die bei den aus- wärtigen Kriegen nur Beute suchte, und die zugleich den Staat ganz in demselben Geist überall gern hätte zugreifen und einstecken lassen ; wir werden einige Beispiele ihres Macchiavellismus unten aufzeigen, zugleich aber auch den entschiedenen Widerspruch, der dagegen doch stets im Senat laut ward. Jene Partei hatte trotz Scipio's Ein- sprache Carthago für die Pläne Hannibals verantwortlich gemacht. Es steht durch für alle Kriege seit der Be- siegung Hannibals bis zur Zerstörung Carthago's, dass sie in den ersten Jahren fast immer ohne Würde und Nach- druck geführt werden, bis die Scipionen oder ihre Freunde, wie Flaminin, Aemilius, Mummius im Felde erscheinen. Cato und Sempronius Gracchus unterwerfen und organi- siren Spanien mit grosser Energie und Gewandtheit, aber in den Kriegen mit Griechenland und den Hellenischen Dynastien, in dem ganzen grossartigen Verkehr des östli- chen Staatensystems sind ihre Gegner fortwährend die Meister. Die Friedensschlüsse von Nanpactus, Magnesia, die Proclamation der Isthmien, die Constituirung der Macedonischen Republiken wurden von diesen durchgesetzt, niemals ohne den Widerspruch jener andern Partei. Man könnte die eine die Italische, die der Scipionen die Hel- lenische nennen. Cato sagt bei Cicero: „seit des Fabius Tod habe er keinen gehabt, von dem er noch etwas habe lernen können", und in der That war in ihm der Reprä- sentant jener altitalischen Politik gestorben, deren Resultate er so besonnen gegen Hannibal, so heftig gegen Scipio vertheidigte. Seit hundert Jahren hatte Rom nur geschla- gen, um ganz Italien mit seinen Kräften unter seine Botmässigkeit oder in seine Bürgerschaft zu bringen ; wa- ren doch die höchsten Gewalten des Staats, Dictatur und Pontificat, durch die Gränzen Italiens beschränkt. Er hatte diese Italischen Verhältnisse, wie sie waren, gegen jede Neuerung vertreten; Scipio aber eröffnete der Römischen Politik Länder, wohin kein Diclator noch Pontifex kom- men konnte, und wenn er auch Carthago gern zerstört 43 hätte, so erkannte er doch sehr wol, was Rom hier zu leisten habe, nemlich die Garantie freier und selbststän- diger Verfassungen, wie sie, ehe Rom hier erschien, die Hellenischen Dynasten nie leisten wollten noch konnten. Die alte conservative Partei des Fabius warf sich dahinein und zeigte durch ihr Ungeschick, dass allerdings diese Verhältnisse dem derzeitigen Stand dieser Partei wenigstens durchaus heterogen und sehr schwer anzupassen waren. Sie konnte weder vor der Gewalt der allgemeinen Ent- wicklung und ihrer eigenen Privatinteressen die conservativen Ansichten des Fabius behaupten, noch in diesem unglück- seligen Schwanken die Scipionen auf dem Felde über- meistern, das diese eigentlich geschaffen hatte. Man fand endlich in dem Frieden mit Antiochus Gründe zu einer Anklage, welche ihr Ansehn allerdings für längere Zeit erschütterte. Schon Flaminin hatte besonders wegen der drohenden Stellung der Syrischen Macht auf die gänzliche Befreiung Griechenlands gedrungen, Scipio sprach im Se- nat die Notwendigkeit dieses Kriegs schon in seinem zweiten Consulat aus 8 ; unter des Flamininus Cousulat entschloss sich endlich der Senat, und die beiden erfolg- reichen Feldzüge des Acilius und der Scipionen gaben die Ordnung der Asiatischen Verhältnisse in ihre Hände. Die Hauptresultate dieses Feldzugs waren in Asien die Ausbildung der Rhodischen und Pergamenischen Macht, in Griechenland die Vernichtung des Aetolischen Bundes und die Vollendung des Achäischen. Rhodus und Perga- mus, der Achäische Bund und Macedonien waren so einander gegenübergestellt, aber schon Manlius und Fulvius verletzten die Sicherheit dieser Bestimmungen : in Asien und Griechenland bekämpften sich die Parteien durch widersprechende Maassregeln, in Rom vor dem Senat und dem Volksgericht traf man persönlicher auf einander. Noch als die Scipionen in Asien waren, bewarb sich Ae- milius mit dem grössten Eifer vergeblich ums Consulat, darauf wurden jedoch unter die zehn Gesandten für Asien die meisten aus der Partei der Scipionen gewählt; doch als Acilius sich um die Censur bewarb, stand Cato mit 44 andern Tribunen und Legaten des Griechischen Feldzugs als Ankläger auf, darunter ein Valerier, Serapronier und Bäbier. 9 Darauf folgte der Asiatische Triumf und im zweiten Iahr darnach endlich die Wahl des Aemilius Le- pidus, der sogleich auf die Zurückberufung des Fulvius und Manlius drang. Doch erlangte er für sich nicht Asien zur Provinz. 10 Dann aber klagte er Fulvius über die Eroberung von Ambracia an und erlangte ■ — wie überall der Senat ihm nur ungern nachgab — mit Mühe die Erklärung, die Stadt sey nicht im Sturm genommen. Sobald er in die Provinz gegangen, kam Manlius nach Rom : Aemilius Paulus und Furius traten im Senat gegen ihn auf, sie beschuldigten ihn, dass er die Anordnungen der Väter verachtet und gegen alles Recht den Frieden gebrochen. Man hörte sie, wie man den Aemilius Lep. angehört, unwillig und unentschieden, die Sache kam ans Priestercollegium. Aber noch bevor sie beigelegt, traten die Petillier mit ihrer Anklage gegen die Scipionen hervor. Die Beschuldigungen und Ansprüche der Aemilier und des Furius waren nur im Senat laut geworden, durch diese Anklage aber, die Cato eingeleitet hatte, wurden diese Angriffe sehr geschickt zurückgeführt und vor dem Volke erneuert, zugleich mit einer Eile, die von den Besorgnissen der Ankläger zeugt. Man brachte die Sache kurz vor dem Schluss des Tribunatsjahrs vor, das damals, im De- cember endigte ; dabei musste man von der Zustimmung der nächsten Tribunen überzeugt seyn 2 3 ; des Volks aber waren, die Ankläger versichert, da Scipio im zweiten Con- sulat sich dessen Gunst durch eine Maassregel entzogen hatte, die er nachher zu spät bereute. Man konnte es dem Sieger von Zama nicht vergessen, dass auf seinen Betrieb bei den Spielen der Göttermutter der Senat be- sondre Plätze erhalten hatte. Und vielleicht lag der Grund dieser Entfremdung noch tiefer. Die Tribunen also riefen ihn vor das Volksgericht, „weil er seinen Sohn ohne Lösegeld vom Antiochus zurückgenommen und über- haupt in Asien allein nach seinem Gutdünken die Ange- legenheiten des Staats geleitet." Der erste Tag war ohne 45 Entscheidung, am zweiten erinnerte er das Volk, dass es der Siegestag von Zama sey, für den sie mit ihm den Göttern Dank schuldeten, und wie er sich wandte und zum Capitol hinaufstieg, verliess die Menge mit ihm das Gericht. Er glaubte vielleicht durch freiwillige Abwesen- heit die Gegner leichter zu beschwichtigen; am dritten Termin erhielt sein Bruder für den entfernten weiteren Aufschub, aber dafür versuchte man jetzt einen sicherern Angriff und klagte gerade den Lucius der Bestechung an. Gegen diese Rogation des Q. Nävius intercedirten zwei Mumier, und L. Furius wollte die Senatorische Opposition dadurch schrecken, dass er diese Untersuchung weiter auszudehnen vorschlug; aber der Ankläger nannte die Scipionen Könige im Senat, und die neuesten Verhandlungen in der Curie konnten solche Vorwürfe allerdings bestätigen : die Rogation ging beim Volk durch, der Senat bestellte den Terentius, einen entschiedenen Gegner des Lucius, für diese Untersuchung; man zog mit dem Consul zwei Legaten, Hostilier, und den Quästor C. Furius vor Gericht, sogar Schreiber und Viatoren. Scipio wurde verurtheilt zu 6000 Pfund Gold und 403 Silber; diese Nachricht kam ohne Zweifel dem Publius unerwartet, er eilte nach Rom und kam noch früh genug, den Bruder dem Viator zu entreissen. Die gereizte Stimmung aller Parteien schien nach so vielen unerhörten Entdeckungen die ärgerlichsten Auftritte herbeiführen zu wollen, als Sempronius Grac- chus durch seine entschiedene lntercession das gefährdete Gesetz vor den Scipionen und diese vor der ganzen Strenge des Gesetzes schirmte. Dass Africanus durch diese Par- teicollisionen aufs äusserste gereizt war, bezeugte die unüberlegte That. Gracchus beugte der Beschimpfung des Geschlechts vor, aber er brauchte harte Worte. „Es ist besser", sagte er, „der Tribun verhindert des Gesetzes Gang, als ein Privatmann. Du wolltest dich selbst einst nicht als Dictator oder Consul auf Lebenszeit sehen, noch dein Bild mit den Triumfatzierden im Capi- tolinischen Tempel. Solche Anträge des Volks hast du zurückgewiesen, und jetzt seine geheiligten Vertreter 46 gewaltthätig verachtet." Nach diesen Vorfällen ging Scipio ins Exil auf sein Gut bei Linternum, aus Schmerz, klag- ten die Seinen, über des Volkes Undank, vielleicht hatte Gracchus den wahren Grund getroffen. Denn war ihm das Volk entfremdet, so stand er jetzt nicht weniger theilnahmlos dem Volk gegenüber. § 5. Seine Kriege hatten dem Volke wenig Heil gebracht. Freilich waren nach dem Frieden mit Carthago für die Veteranen Militärcolonien gestiftet worden, doch was das Volk so gross gemacht, wodurch es die Patricier und Italien bezwungen, der kräftige und besonnene Eifer für eine gesetzmässige Ausbildung seines Ansehens und seiner eigenen Mittel, ward durch diese innere Politik in den Hintergrund gedrängt. Die grossen Pläne, die der Han- nibalische Krieg unterbrochen, blieben ohne Erfolg, und wenn man wirklich nach Gracchus Behauptung einst an ein lebenslängliches Imperium Scipio's gedacht hatte, so war das wol nicht zur Beendigung des Kriegs, sondern in Hoffnung auf eine innere Entwickelung geschehen. Es lag aber gerade die Hauptstärke jener altitalischen Partei in der Beachtung des Staatsbestandes, und indem sie die- sen im Auge behielt, gewann sie gegen die ganz nach aussen gewandten Scipionen die verlorne Bedeutung Schritt vor Schritt wieder. Scipio vergass die Demokratie, welche seine Grösse begründet, während der altpatriotische Anhang des Fabius auch nach dessen Tode seine Stellung gegen das Volk und die Verfassung stets festhielt. Wir nennen an der Spitze dieser Conservativen den Sem- pronius Gracchus und M. Porcius Cato, wenigstens waren diess die kräftigsten Häupter, L. Valerius mochte durch altadliches Ansehen bedeutender seyn. Cato war ein er- probter Soldat und in den bauerschaftlichen Verhältnissen der Landsassen durch eifriges Processiren vortrefflich be- wandert, ehe er noch auf seines Nachbars Valerius Bath 47 nach Rom kam und sich hier dem Fabius unbedingt an- schloss. Gerade mit diesen Kenntnissen, mit seiner derben Anhänglichkeit und Offenheit musste der blinde, bewegliche Bauer den Herren des Senats höchst erwünscht seyn. Während der feine Scipio durch geniale Entwürfe den Senat beängstigte, und man sich zwischen dem Volk und diesen seinen Helden unentschieden hin- und herwandte, war seine rücksichtslose Art, mit der er auf des Fabius Pläne laut und entschieden einging, gewiss kein kleiner Trost für die geschlagene Partei. Er war ein unbezwing- licher Schreier auf dem Forum, in der Curie, selbst in der Schlacht. Nach des Fabius Tod zeigte er in seiner Provinz Hispanien, dann als Legat des Acilius für Krieg und Verwaltung bedeutendes Talent, aus dessen Erfolgen er selbst auch eben kein Hehl machte. Die Scipionen unterlagen am Ende seiner fanatischen Verfolgung; als ihr Gegner hatte er zuerst unter Fabius dem Volk op- ponirt, und trotz seines Bauernthums hat er für dessen Noth kein Erbarmen gezeigt. Er beschuldigte, wo er konnte, die Grossen der Bestechung, Grausamkeit, und kein Verbrechen war' zu hoch oder niedrig für die Adels- hetze, in der er nie rastete. Der Wucher war ihm ein Gräuel, aber für den Grundbesitzer, sagte er, ist Viehzucht das erste, zweite und dritte. x Und gerade diese Be- wirtschaftung erdrückte den kleinen Arbeiter. Als Censor verdingte er die öffentlichen Arbeiten so niedrig, dass der Senat Einsprache that. Dass dadurch nicht aHein den Rittern, sondern auch den Werkleuten das Verdienst ge- schmälert ward, dafür hatte er keinen Sinn. Dieser Mangel an Gefühl und Kraft für die Pläne des Volks ist aber die schwache Seite dieser Partei wie der ganzen Zeit. Die Sempronier, Bäbier, Valerier waren keineswegs legislatorisch unlhätig, aber man liess über den höhern Ständen das Volk aus den Augen. Wer in auswärtigen Angelegenheiten nach Rom kömmt, sagt Pohbius, denkt, der Staat sey Aristokratie. Diess Gefühl aber, dass die Erweiterung der auswärtigen Verhältnisse nur den Senat und die grossen Familien anginge, musste schon fünfzig 48 Jahr früher in Rom selbst um so lebhafter seyn, je naher noch eine andre Zeit lag, wo jeder Krieg auch die eigen- sten Interessen jedes Bürgers mehr oder minder berührt hatte. Die Luxusgesetze, das Sempronische Schuldgesetz, das Bäbisch-Cornelische Gesetz über Amtserschleichung, das Villischc und Voconische Gesetz trafen alle die hö- heren Stände ; man wollte vorbeugen, dass nicht in ein- zelnen Häusern sich die Macht des Staates oder des Geldes unverhältnissrnässig festsetze. Die Scipionen hatten der Aristokratie ein neues Feld eröffnet, worauf die Ge- genpartei sich lange haltungslos bewegte; um festen Fuss zu fassen, war der beste Weg für diese unbewegliche Aristokratie oder den Senat vielmehr, in dem oder unter dessen Vorsitz diese Widersprüche durchzukämpfen waren, die möglichste Gleichheit der Macht legislatorisch zu be- gründen. In dieser Zeit wenigstens muss es zur Sitte geworden seyn, bei jeder neuen senatus lectio die Quä- storen der verflossenen Jahre in die Curie zu bringen 2 , und wurden so die Magistrate erste Bedingung für sena- torische Würde, so versäumte man auch nicht, über Missbräuche bei der Bewerbung, das nothwendige Alter der Candidaten, neue Bestimmungen zu treffen, und der Senatorenadel strebte unter sich nach möglichst demo- kratischer Gleichheit. In dieser Hinsicht war die Verur- teilung der Scipionen ein grosser Erfolg ; doch sogleich bemächtigten sich die Sieger auch der Beute, die ihnen dadurch zufiel. Wir finden alsbald Sempronius in Griechenland als Gesandten, und wie diese erste Gesandt- schaft nach dem Sturz der Scipionen ohne Resultat heim- kehren muss 3 , entwickelt sich jetzt in Griechenland immermehr das Uebergewicht der Macedonischen Einflüsse : der Senat durch Flaminmus Maassregeln überall geachtet und beliebt, verliert sein Ansehen immer mehr; die De- mokratien halten an Macedonien oder der strengsten Neutralität fest, bis man von Rom aus der Aristokratien sich annimmt und im Vertrauen auf diese gegen Mace- donien einen Krieg voll schmählicher Politik und strate- gischer Fehlgriffe beginnt, dessen glücklichen Ausgang erst 49 Paul Aemil dem eignen Heere und dem Feinde abtrotzt. Wir zählen die zahlreichen Gesandtschaften, unter ihnen besonders die Claudier, Cäcilier, Bäbier 3 , hier nicht ein- zeln auf; nach diesen und andern Namen finden wir von denen der Gegner erst Ein Iahr vor dem Macedonischen Krieg den Lälius, der als Gesandter nach Griechenland geschickt wird. Die Namen der Cornelier kommen in den Magistraten weit weniger vor; es wird von den Hi- storikern entschieden hervorgehoben, wie oft wider Verdienst Aemilius Paulus von den Staatsämtern zurückgewiesen wurde 4 ; von 186 — 168 erschienen als Consuln nur zwei Cornelier, aber aus dem Manlischen, Marcischen, Mucischen, Servilischen, Bäbischen, Popillischen Geschlecht eben so viel, je zwei Consuln und ein Censor aus den Sempro- niern, doch auch aus den Aemiliern, zwei Consuln und zwei Censoren aus clen Fulviern, drei Consuln und ein Censor der Claudier, vier Consuln und ein Censor Postu- mischen Geschlechts. Wir übersehen dabei nicht, dass bei den Bäbiern, Muciern, Fulviern, Manliern, Popilliern diese Würden in zwei Jahren dicht hintereinander folgen, während erst gegen den Anfang des neuen Macedonischen Kriegs die Namen der Geschlechter in den Consulaten einzeln stehn, in diesem Zeitraum bisher meist nicht er- wähnt, den einzigen Aemil endlich ausgenommen. Aber aus den einzelnen Streitigkeiten bei den Bewerbungen um Aemter und Triumfe lässt sich, so häufig sie erwähnt sind, wenig auf den Stand der Factionen schliessen 5 , zumal da in einzelnen Familien sich Spaltungen zeigen, wie sie schon früher bei den Corneliern zwischen Lentulus und Africanus stattgefunden hatten : Q. Fulvius warf als Censor den eignen Bruder Cnejus aus dem Senat, eine Hostilia vergiftete ihren zweiten Mann Q. Calpurnius, um ihrem Sohn erster Ehe, dem Q. Fulvius, ein Consulat zu öffnen. Und allerdings kommt weiter vor, dass Manlius Fulvianus von dem Tribunen Q. Aelius gegen seiner Collegen Anklage gedeckt wurde, der Consul desselben Jahrs, in welchem Aemilius Lepidus und M. Fulvius auf Zureden des Q. Metellus und mit Zustimmung des ganzen Sennls cintriirh- 4 50 tig ihre Censur führten. 6 Allerdings ist hier schon die Annäherung klar, doch noch durch bedeutendere Vermeh- rungen ihrer Parteimacht scheint es den Aemiliern und ihren Verbündeten möglich geworden zu seyn, den Ma- cedonischen Krieg so glorreich zu überkommen und zu vollenden. Wenn, wie Livius ausdrücklich bemerkt, die Censur Cato's ihm die ganze Nobilität verfeindete, so hat der Historiker offenbar für die alte Partei des Fabius vollkommen Recht, da wir später ausdrücklich erwähnt finden, dass er die Befreiung Macedoniens, ohne Zweifel Paul Aemils Anordnung, und den Frieden mit Rhodus gegen Marcius Kabalen schützte. Bekannt ist allerdings, dass auch den L. Scipio, den Furius und den Flaminin seine censorische nota traf; doch ist das weniger zu verwundern, als dass er jetzt die Fulvier und den Manlius anfeindete, in deren Interesse er früher den Process der Scipionen veranlasst hatte. Diese Veränderung aber der Ansichten und Parteien ging, soweit wir sehen, nur nach und nach vor sich. Zuvörderst griff Cato noch, nachdem er sich so von seinen alten Verbündeten losgesagt, die Censur des Fulvius Nobilior an, wo dieser schon mit den Aemiliern vereinigt scheint. Im Iahre 171 gab er nun zu, dass die Anklage der Spanischen Provinzialen gegen Furius Philus niedergeschlagen wurde 7 ; am bedeutendsten aber gewann die Hellenische Partei, wie wir sie nannten, gegen Q. Marcius Philippus in den Angelegenheiten Macedoniens. König Philipp war durch die Gesandtschaft des Sempronius aufs tiefste beleidigt worden, er kannte den Stand der Parteien sehr wol, als er Demetrius nach Rom schickte und ihn vor allen dem Flamininus empfahl. Wenn er irgend Gewährung seiner Forderungen erwarten konnte, so konnte nur die unterdrückte Partei, zu der Flaminin gehörte, darauf eingehen, und allerdings benutzte sie die Gegenwart des Macedonischen Prinzen nicht ohne Erfolg für ihre eignen und Philipps Interessen. Die Achäer, bei denen Sempronius und nach ihm Claudius mehr oder minder Widerstand gefunden, bewirkten zur selbigen Zeit die Bestätigung über Sparta's Zutritt zum Bunde, als Deme- 51 trius mit Beifall im Senate gehört und Flaminin mit einer Gesandtschaft an Prusias beauftragt ward. 8 Die heftigen Erklärungen Cato's in seiner Censur gingen diesen Er- folgen des Flaminin kurz vorher, und schon aus den fast gleichzeitigen Streitigkeiten des Calpurnius und Quinctius mit P. Sempronius und A. Terentius, und denen des Q.Fulvius Flaccus könnten wir vermuthen, dass tiefer greifende Be- wegungen den Senat damals 9 gerade ergriffen hatten. Was aber die Vertreter der Unabhängigkeit Macedoniens und Griechenlands dabei errungen hatten, ward durch die griechische Legation des Q. Marcius Philippus zum Theil schon wieder vernichtet. Er kam mit Besorgnissen über die Macedonische Macht und des Königs Gesinnung nach Rom zurück. Auf seinem Wege nach Asien hatte Fla- minin noch einen Vergleich zwischen den Messenischen Aristokraten und dem Bunde versucht; Marcius setzte jetzt beim Senat durch, dass man für den Messenischen Krieg den Achäern jeden Beistand versagte. Polybius selbst erkannte an. dass Aristänus das Römische Bündniss zum Heil des Bundes empfohlen hatte, derselbe hatte trotz ihrer verschiedenen Politik doch Philopömens Verbannung gehindert und unter dessen Führung war die Demokratie im ehrlichen Kampfe der Aristokratie Herr geworden. Messene und Sparta vereinigten sich nicht, wie Marcius prophezeit, gegen die Bundesinteressen, und. wie wir früher zeigten, gewann während der wildesten Parteikämpfe in Aetolien und Epirus der Achäische Bund ruhig und sicher eine immer demokratischere Durchbildung, bis Kallikrates für die Aristokraten Roms Schutz in Anspruch nahm. Man spricht immer von der furchtbaren Festigkeit, mit welcher der Senat das Ziel der Alleinherrschaft durch alle Weltverhältnisse verfolgt habe; es liegt aber, wenn irgendwo, bei der Annäherung des Macedonischen Kriegs klar zu Tage, dass gerade in der Curie die politischen Maassregeln durch die verschiedenen Ansichten zweier entgegengesetzten Parteien in ein erfolgloses Schwanken geriethen. Mitthei- lungen, wie sie Kallikrates dem Senat machte, konnten Männern, wie Flaminin, dem Schöpfer des neuen Grie- 4* 52 chenlands, nicht neu seyn; diese hätten ohne Zweifel von ihnen längst Gebrauch machen können, wenn sie die Sicherheit des östlichen Staatensystems nicht für' Rom selbst als nützlich erkannt hätten. Und auf der andern Seite würden weder die Achäer mit ihren 40000 Mann, noch die übrigen Hellenischen Staaten so ruhig den Un- tergang Macedoniens erwartet haben, wäre ihnen nicht bekannt gewesen, dass sie in einer Partei des Senats selbst für ihre Freiheit die sichersten Vertreter fänden. Diese Partei hatte allerdings, wie wir sahen, sich von den Folgen des Scipionenprocesses erholt, aber nur allmählieh gewann sie durch die Unklugheit und Unentschiedenheit der Gegner, durch den Uebertritt bedeutender Männer Kräfte und neues Ansehn. Paul Aemil musste trotz des deutlich ausgesprochenen Wunsches und anerkannter Tüchtigkeit fortwährend bei den Consulwahlen zurückstehen. Es er- folgten in der Curie selbst Erklärungen gegen die klein- liche Politik, mit der Q. Marcius den Perseus, nachdem der Krieg endlich unvermeidlich war, zu täuschen suchte. * 1 Nach dem gefassten Beschluss stritten die Consuln um die Provinz ; aber erst als die Feldherrn ihre Räubereien durch keinen Sieg verdecken konnten und als dem C. Marcius seine Cabalen gegen Rhodus, aber keine Schlacht gegen Perseus gelang, war es dem Aemilius verstattet, in dem verwilderten Heere Ordnung und die alte Siegerkraft wieder herzustellen. Die Aemilier verfolgten diesen Krieg, zu dem der Senat gegen ihren Willen gezwungen war, mit demselben Ehrgefühl, wie die Whigs den gegen die aufgestandenen Colonien, aber sie mussten auch die Folgen des Siegs gutheissen, wie jene den Frieden von Versailles. Es ist nicht ohne Bedeutung, dass Livius bemerkt, welche Tribunen während dieser Kriegsjahre dem Consul ins Lager gefolgt seyen: Aemilius fand die früher vernom- menen Klagen wahr, dass im Kriegsrath die verschiedensten Meinungen sich gegen das Ansehn des Commandirenden zu behaupten wussten; er griff entschieden durch und machte zuerst dem Parteigerede, gegen das er sich schon in Rom erklärt, in seinem Praetorium ein Ende. 1 2 Dann 53 erfolgte jene Reorganisation der Schlacht- und Lagerordnung, die ihm bei Pydna nach langem Kampf den Sieg gab. Gegen Hannibal hatte Marcellus, „das Schwert der Re- publik", nie die drei Glieder der Legionen nach einander, sondern mit seiner unbezw inglichen Heftigkeit Legion auf Legion geworfen ; bei Zama siegte auch Scipio zuletzt dadurch, dass er Triarier, Principes und Hastaten in Einer geschlossenen Fronte auf Hannibals Gewalthaufen führte; bei Pydna aber marschirte die ganze Macedonische Armee so plötzlich in Einer Linie mit gesenkten Speeren auf, dass Aemilius keine Zeit behielt, die Legionen ausrücken zu lassen und vor dem furchtbaren Anblick dieser glän- zenden, undurchdringlichen Fronte an der Unwiderstehlichkeit des Römischen gladius verzweifelte. Die Peligner schleu- derten ihre Fahne unter die Feinde und stürzten ihr nach in die vorgehaltenen Speereisen. So hatten sie bei Benevent das Lager des Hanno genommen, hier wars eine vergebliche Blutarbeit. Ueber die Leichen der Vor- kämpfer drangen die Macedonier ohne 'Widerstand vor : die tapfere Schaar musste weichen, an den Abhängen des Olorkos hinauf, die ganze Römische Linie wankte, bis jetzt noch ohne Verlust, rathlos vor einem Feinde, dem sie nicht auf Schwertlänge nahen konnte. Der Consul ritt ungepanzert, keinen Helm auf den grauen Haaren, mit heiterm Auge durch die Glieder. Kaum war der Feind näher gerückt und hatte auf dem untersten Abhang des Gebirges seine Linie gelockert, so ging der Be- fehl rasch von den Commandirenden durch die Armee : die Legion theilte sich in Manipeln, und das Schwert in der Faust stürzten die Rotten in die geöffneten Gassen der Macedonier. Ihr Widerstand war unbehülflich aber herzhaft: die 3000 Logaden fielen alle, ohne zu weichen. In ihren Schlachten erkennt mau die Feldherrn. Diess war der Ehrentag des Aemilius Paulus; seine vielen und neuen Anordnungen für den Felddienst hatten sich doch bewährt; leider kennen wir zu wenig davon: über den 54 Postendienst zu Fuss und zu Pferd, über Ordnung des Commando's ; den Sieg gewann er durch das wiedergeweckte Vertrauen des Einzelnen, sobald er ihn an den Feind brachte, und durch die rasche Entwickelung jedes Heeres- theils. Hier waren nicht die combinirten Entwicklungen, der siegreiche trotzige Enthusiasmus, die Aufstände endlich oder Unruhen der Legionen Scipio's, der seine Soldaten durch Nachgiebigkeit begeisterte. Aemilius Paulus Taktik war einfacher und seine Discliplin so streng, dass der Soldat im Andenken daran ihn fast um den Triumf ge- bracht hätte. Scipio hatte für seine Erfolge keine solche Strenge gebraucht; überhaupt sahen wir, dass dem Volk gegenüber keine Festigkeit in seinen Plänen war wie gegen den Senat; er konnte es locken, aber weder in Zucht noch in Schutz nehmen. Wir rechnen diess gerade für einen grossen Gewinn der Partei, dass Aemilius Ge- legenheit und Muth gehabt hatte, wenn nicht dem Volk, so doch den Legionen die Energie seiner Anordnungen zu zeigen. Im Senat brachte ihm sein Sieg keineswegs vollständige Erfolge: Q. Marcius hatte die Rhodier wäh- rend des Kriegs hinterlistig zu dem Anerbieten verleitet, zwischen Senat und Perseus als vermittelnde Macht auf- treten zu wollen, der Senat hatte diese Anmaassung mit Erbitterung gehört, eine gleiche Gesandtschaft hatte Aemil in seinem Lager kaum vor Misshandlungen geschützt. 13 Nach dem Siege gehörte der Antrag auf Rhodischen Krieg, den Cato sehr entschieden zurückwies 14 , zu den vielen Ausschweifungen derjenigen Partei, die den Sieg um so freudiger begrüsste, je unvermögender sie sich vorher gesehn, ihn durch ihre eignen Kräfte zu gewinnen. Gegen sie musste Cato die Befreiung Macedoniens ver- theidigen, dessen Legislation die treffliche Arbeit des Aemilius war; diese Partei setzte auch, trotz des Gonsuls Unwillen darüber, durch, dass ihre Gesandten im Pelopones auf die Anklage des Kallikrates jene tausend nach Rom entboten. 15 In demselben Uebermuth des Siegs ward Perseus zu schwerem Gefängniss verurtheilt, nur die nach- drückliche Einsprache seines Besiegers bewahrte ihn davor. 55 Scipio hatte für gottbegeistert gegolten , des Aemilius politische Ansicht sprach sich im Gegensatz zu den Maassregeln der schrankenlosesten Willkür in der Scheu vor der Tücke allzugrossen Glücks aus. Nachdem Perseus ihm überliefert war, hatte er die Hauptleute nach dem Prätorium entboten, vor allen die jüngeren, und zu den Versammelten nach längerem, gedankenvollen Schweigen von der Macht des Schicksals gesprochen, von Blüthe und Untergang der Menschen, der Könige vor allen und der Staaten. Dieser Ermahnungen ward er nicht müde. Nach seinem Triumf sagte er dem Volk, er trage den Tod seiner jüngsten Söhne nicht ungetröstet, denn sein Gebet sey, die Götter möchten das Glück dieses Kriegs unge- trübt lassen, nachdem sie das Haus des Feldherrn so hart geschlagen. Polybius kam nach Rom und ward sei- nem Hause zuerst als Gast dann als Freund und Lehrer des Jüngern Sohnes eng verbunden, gerade zu der Zeit, wo durch die neusten Erfolge die grossen Pläne des Scipio in diesem Geschlecht, seinen Freunden und Ver- wandten, nach langen, schweren Jahren der Zurücksetzung wieder erstarkten. Sie waren ihm zweifelsohne auch in Griechenland nicht unbekannt geblieben ; jetzt aber sah er die Männer, auf deren Ausdauer und Zuversicht die Ausführung beruhte, erkannte in dem grossen und festen Getriebe der Römischen Republik ihre Stellung, ihre Mittel und Wege, ihren Kampf und der Gegner Widerstand. § 6- Polybius war nach Rom gekommen als Vertreter einer neugegründeten Demokratie; es war natürlich, dass, sobald er hinter Senat und Magistraten eine zahlreiche Bürgerschaft in gesetzlicher Machtvollkommenheit erblickte, ersieh gerade diesem ü?ju, 16). Nach demselben Grundsatz zwang 7 98 Gracchus den Octavius zur Niederlegung des Tribunats, und die Aristokraten konnten ihn eben so wenig gut heissen wie jene Ausdehnung der Volksgerichtsbarkeit, die Polybius, freilich nach der lex Calpurnia, offenbar auch auf die Repetundenprocesse erstreckt (6, 14) und die Scipio selbst in der lex Cassia gefördert hatte. 2 Hier eben zeigt sich seine demokratische Grundansicht recht klar: und wenn er dieser Volksgewalt den Consul als uvTOKpocTwp und monarchischen Gegensatz gegenüberstellt, so musste ihm dieses Verhältniss um so glücklicher erscheinen, je deutlicher er sich des Kampfes erinnerte, den derselbe Gegensatz einst unter Arat und Kleomenes im Pelopones angeregt hatte. Diese monarchisch-demokratische Richtung des Staats hatte er selbst wol erst in Rom mit Bewun- derung erkannt; denn „wenn man sich als Fremder zu Rom aufhält, so", sagt er selbst, „scheint in Abwesenheit des Consuls die Verfassung durchaus aristokratisch, in welchem Glauben auch viele von den Hellenen gleichwie vor den Königen stehen, weil ihre Angelegenheiten fast alle der Senat bestimmt u (6, 13). Wenn er nun aber den Senat, d. h. die aristokratische Macht desselben auf das Detail der innern und äussern Angelegenheiten — ru hxt* pspog — beschränkt und seine Hauptthätigkeit in der Verwaltung der Finanzen findet (6, 14), wenn er ihm nur die Civilgerichtsbarkeit — r« efy^oV/« u. rx töiooTiHoi ffvvocXkdyfiotT» (6, 17) zutheilt, so entsprach diese Darstellung offenbar nicht dem wirklichen Einfluss, den die Aristokratie zu seiner Zeit auf die Wahlen und nach der lex Calpurnia selbst auf die Stellung der Beamten ausübte. Denn sind uns auch manche Thcile dieser - Episode über Roms Verfassung verloren gegangen — gewiss die über Dictatur und Priestercollegien (21, 10. 3, 87) < — so haben wir zweifelsohne doch den Haupt- theil der Schilderung, noch vor uns, und er selbst gesteht es, dass der Staat seit dem Hannibalischen Krieg manche Aenderungen erfahren habe (6, 12). Er giebt jene Grundzüge vielmehr an, in denen er Roms unbczwingliche Stärke enthalten glaubt, und das Geständniss ? dass nicht mehr Alles ihnen entsprach, ja dass er selbst manches als unbedeutend ausgelassen (6, 11), konnte nur da Widerspruch finden, wo man gerade die neusten Verän- derungen für heilsam und der Bewahrung werth hielt. § 4. Ging nun die ganze Darstellung der Weltverhaltnisse bei Polybius darauf hinaus, seine und seiner Freunde Politik als die einzig richtige und nach diesen Gesichts- punkten den Gang der Ereignisse als durchaus nothwendig und bewundernswerth nachzuweisen, so gab diese offenbar einseitige Stellung der Schrift selbst einen polemischen Charakter, der sich denn überall um so heftiger und entschie- dener ausspricht, je fester der Verfasser sich bewusst war, auf seinem Standpunkt die literarischen und politischen Gegner weit zu überragen. Er beginnt sogleich mit dem Bckenntniss, dass die für Einleitungen gebräuchlichen Anpreisungen für ihn und seinen Stoff durchaus unnöthig und unpassend seyen; dieser selbst sey so gewaltig, dass sich jedem aufmerksamen Leser hier die Bedeutsamkeit und der Nutzen historischer Darstellung ohne weiteren Nachweis herausstellen werde; worin er aber das Gewicht seiner Darstellung hauptsächlich setzt, seine eigne politische Erfahrung, seine Nüchternheit, Ordnung, Mässigung hebt er erst dort mit Nachdruck hervor, wo er früheren Dar- stellungen über einzelne Thatsachen oder nach gewissen Seiten der historischen Wissenschaft hin widersprechen zu müssen glaubt. Gerade hier hat ihn der schärfste Tadel getroffen, und man hat auf die Breite und allzuhäufige Wiederholung dieser Polemik bei der Beurtheilung des ganzen Werks ein unverhällnissmässiges Gewicht gelegt. Denn man darf dabei doch nie übersehen, dass, wenn nicht ganz von ihm allein, so doch in irgend bedeutender An- zahl allein von ihm Fragmente erhalten sind, deren Art und Weise nicht mit der anderer Literaturperioden ver- glichen werden sollte, um aus dieser Vergleichung ein Urtheil über die eigenste Persönlichkeit des Autors zu 7 * 100 bilden. Jene breiten Räsonnements über den Nutzen historischer Wissenschaft, wie sie Polybius selbst ver- schmähen zu müssen glaubte, finden sich bei den altern Historikern durchaus nicht. Weder Herodot noch Thucy- dides oder Xenophon haben solche Vorreden für nöthig erachtet; denn so lang die Geschichtschreibung den strengen und festen Charakter wahrhaft künstlerischer Composition bewahrte, erwehrte sie sich ohne grosse Anstrengung all jenes Beiwerks, womit eine später erzeugte Publicistik historische Darstellungen neu und einseitig auszuschmücken begann. Die Bestrebungen dieser neueren Historiker zu schildern, ist allerdings bei der geringen Anzahl erhaltener Bruchstücke ein immer missliches Unternehmen. Die Philosophen und Rhetoren bemächtigten sich der Geschichte um zu beweisen, wie unendlich weit ihre gelehrte Bildung dem politischen Takt der früheren Generation nachstand. Als Alexander endlich den Perserkrieg unternahm, den Isokrates so dringend empfohlen hatte, war Ephorus, nach Polybius der einzige Universalhistoriker unter den frü- heren (6, 33), mit der Vollendung seines W 7 erks beschäf- tigt; Theopomp, der wahrscheinlich erst nach Alexanders Tod sein Werk veröffentlichte, pries sich selbst als den grössten Autor und den König Philipp als den grössten Mann seiner Zeit. Diesen hatte er denn auch zum Mittelpunkt seiner Geschichte Griechenlands gemacht und alles, was Polybius (8, 11 — 13) gegen ihn vorbringt, bezeichnet sehr klar die Stellung der Historiker von jener Zeit bis zu den ersten Anfängen Römischer Historik. „Da er", sagt Polybius, „sich vorgenommen hatte die Helle- nischen Thaten von da an zu beschreiben, wo Thucydides aufhörte, und sich dem Tage von Leuktra und den be- deutendsten der Hellenischen Begebenheiten genähert hatte, liess er Hellas und dessen Unternehmungen inzwischen fallen, änderte aber seinen Stoff und nahm sich vor Philipps Thaten zu beschreiben. Und doch wäre es we- nigstens viel erhabener und gerechter gewesen in dem Stoff, den ihm Hellas bot, Philipps Thaten mit zu begreifen als in dem, den Philipp, die Griechenlands. 101 Denn nicht einmal wenn jemand im Voraus gewonnen wäre von einer königlichen Macht und nur die Freiheit hätte, würde er anstehen zur gelegenen Zeit sich zu Hellas Namen und Antlitz umzuwenden ; von ihm aber beginnend und in etwas vorschreitend möchte gar Niemand dafür eines Alleinherrn Person und Leben wählen, wenn er bei gesundem Verstände ist." Dennoch hatte Theopomp den nach seinem Geständniss grössten Mann aller Zeiten in der ganzen Wildheit und Zügellosigkeit seines Mace- donischen Königthums dargestellt. Für Polybius waren diess unbegreifliche Widersprüche ; denn wie er für das alte Staatsleben kein Verständniss halte, so konnte ihm auch nicht klar seyn, dass schon zu Theopomps Zeit der allgemeine Verfall der Staatsordnungen jenen grossen Per- sönlichkeiten Raum und Bewunderung verschaffte, welche, während Griechenland ihrem Einfluss erlag, eine Welt- monarchie beschlossen und ausführten, und aus ihr nach des Begründers Tode ein neues Staatensystem gründeten. Diese Begebenheiten riefen für den europäischen Osten, Asien und Libyen ganz neue Verhältnisse hervor, und die Geschichtschreibung warf sich auf diese Bewegungen mit einer bisher unerhörten Heftigkeit. Nicht allein, dass die Monarchie jetzt in neuem Glänze erschien und der Gegen- stand einer grossen Reihe von Schriften ward, dass Theopomp gegen einzelne Griechische Freistaaten seine Verachtung schriftlich bekannte, dass im Interesse der Dynasten und von diesen selbst die Geschichte bearbeitet ward; sondern durch die Eroberungen in Asien und Afrika wurden neue Völker bekannt und der Historie zugeführt, und neben den naturhistorischen Sammlungen bildeten sich an den Höfen Bibliotheken, welche den Historikern über Griechenland selbst schriftliche Quellen in grösster Fülle zur bequemsten Benutzung boten. Auch Theopomp rühmte sich anstrengender und weiter Reisen, die er Behufs seines Werks unternommen; durch die Gründung der Bibliotheken schien aber die Autopsie entbehrlicher gemacht zu seyn ; hier bildete sich die Kunst der Quellen- kritik, und auf die Benutzung jener Sammlungen beschränkte 102 sich eiue grosse Anzahl von Historikern, die Polybius mit offener Verachtung den Logikern unter den Aerzten ver- gleicht (E. V. 13 — 15). „Mit solchen Mitteln die wirk- lichen Ereignisse schildern zu wollen, wie es Timäus vermeint, ist", sagt er, „vollkommen einfältig und ähnlich wie wenn jemand, der die Werke der alten Maler gesehen, ein tüchtiger Maler und Meister in der Kunst zu seyn glaubte." Unter den drei Methoden für den pragmatischen Historiker ist ihm diese überhaupt, ohne die eigene po- litische Erfahrung oder gar ohne die Autopsie nur der zu schildernden Gegenstände, durchaus verächtlich. Seine Geringschätzung dieser gelehrten , bibliothekarischen Ge- schichtschreibung spricht sich am entschiedensten in dem Urtheil über Timäus aus, über den uns die bedeutenden Fragmente des zwölften Buchs erhalten sind. Dass aber eben diese Historiker seit längerer Zeit überaus zahlreich und geachtet waren, lässt sich schon aus dieser weit an- gelegten Polemik schliessen; ja er gesteht selbst, dass viele sich zu der Geschichtschreibung wandten, ohne etwas anderes als eine gewandte Feder, Verwegenheit und Leicht- sinn, und dass die Charlatanerie in dieser Wissenschaft nicht weniger als unter den Aerzten zu Hause sey. Aus dieser verächtlichen Masse hebt er einige hervor, die er wegen ihrer Quellenkenntniss seiner Polemik werth hält; darunter vornehmlich den Timäus, der sich während seines 50jährigen Aufenthalts zu Athen um die Quellenkunde und namentlich die Chronologie ein allgemein anerkanntes Verdienst erworben hatte (12, 12. E. V. 13). Dass aber dieser und die ihm verwandten Geschichtschreiber sich keineswegs an einer dürren Darstellung der gewonnenen Resultate genügen Hessen, geht schon aus dem hervor, was Polybius über die Reden sagt, die jener in seinen Werken ohne Maass und Geschmack angebracht hatte; und seine Kritik selbst, mit der er Aristoteles und andere grosse Namen angriff, musste aus gewissen Ideen diese anmaassende Heftigkeit entnehmen, die ihn seinen Zeit- genossen zum Epitimäos machte. Ueber den Ursprung der Italischen Lokrer vertheidigt Poljbius den Aristoteles 103 gegen Timäus, der es nicht zugestehen wollte, dass diese Colonie von Sklaven und Verbrechern gegründet sey (12, 8 ff'.). Zu diesem Zwecke hatte er sich auf Ver- trage berufen, die zu Polybius Zeit wenigstens "Niemand kannte; er behauptete, dem Philistus zuwider, dass die Sikanen auf Sicilien von Anfang an einheimisch gewesen (Diod. 5, 6), leitete den Namen Italiens von dem Grie- chischen irccXog (Gell. 11, 1) und die Pferdeopfer in Rom von dem Trojanischen Pferde (E. V. 12, 2) her, und sprach von den Trojanischen Penaten im Tempel zu Lavinium (Dion. Hai. 1, 67). Auf wie leichtem Grund auch alle diese Hypothesen gegründet waren, so kann doch die grosse Idee, die durch solche Beweise bewahrt werden sollte, nicht verkannt werden. Man strebte hierdurch die Vergangenheit schon mit jenen grossen, welthistorischen Verbindungen zu beleben, die in der Gegenwart durch Alexanders Züge hervorgerufen waren und eine immer reichere Entwicklung versprachen. Und während man den Kampf der Hellenen und Barbaren zum grossartigen Ende durchgestritten sah, setzte man die Eroberung Troja's auf denselben Tag, an dem Alexander am Granikus und Timoleon am Krimessos gesiegt hatten, so dass diese grossen Epochen eines tausendjährigen Kriegs durch die Fügung des Geschicks selbst hervorgehoben schienen (Plut. Cam. 19), wie Timäus Rom und Karthago, die Pyrrhus in allgemein Hellenischem Interesse bekämpfte, in demselben Jahre erbaut seyn Hess. Es ist allerdings gewiss, dass schon Thucydides an die troische Abstam- mung der Sicilischen Elymer glaubte und Hellanikus den Aeneas in Italien kannte; aber solche sagenhafte Nach- richten fanden bei jenem kaum eine bescheidene Stelle, und in den Büchern des letztern waren sie jedenfalls noch nicht so künstlerisch verarbeitet, dass sie die Griechen als historische Erzählung anerkennen konnten. Es be- durfte der Eroberungen und Colonisationen Alexanders und seiner Nachfolger, um ihnen einen Platz in der Geschichte zu verschaffen, denn erst diesen Zügen gegenüber mochten sie weniger wunderbar erscheinen: eine so grosse Gegen- 104 wart machte die Wunder vorhistorischer Zeiten glaublicher. Als die Städte sich nicht schämten, die Feldherren und Könige, die im fernen Asien unbekannte Völker be- zwangen,' als Götter zu verehren, begann die Geschichte, die Götter und Heroen in Könige und Heerführer um- zudeuten und sie als solche auf die Inseln des Persischen Meers zu versetzen oder auf weiten Zügen über die Küsten des Mittelmeers, aus dem Pontus durch den Ister in die Meere des Westens zu führen. Dieser neuen Weise historischer Darstellung gegenüber er- scheint die Nüchternheit Aristotelischer Beobachtungen doppelt wunderbar; für die Masse der Schriftsteller und Leser musste aber diese Verherrlichung der Vorzeit grossen Reiz haben, mochte nun die Schmeichelei an den Fürsten- höfen durch sie unerhörte Entdeckungen machen, oder mochte man an der Gegenwart verzweifelnd sich in der Verherrlichung vergangener Jahrhunderte gefallen. So hatte Timäus den Agathokles mit Schmähungen überhäuft und andrerseits versucht, den ehernen Stier des Pha- laris als Fabel nachzuweisen. In der gelehrten Müsse einer 50jährigen Verbannung, in die ihn Apothokles ge- waltige Hand getrieben, hatte er die Geschichten seiner Sicilischen Heimath mit allem Feuer eines verstossenen Patrioten geschrieben und die eigenthümlichen Verhältnisse der sikeliotischen Städte, seines Vaters und sein eignes Geschick hatten auf seine Darstellung einen noch jetzt unverkennbaren Einfluss geübt. Auf dieser Insel waren die einheimischen Barbaren für die Geschichte der Helle- nischen und Karthagischen Städte besonders in der letzten Zeit von der grössten Bedeutung gewesen : er versuchte sie durch den Nachweis ihrer Autochthonie zu adeln; aber auch von der wunderbaren Pracht des altsikeliotischen Städtelebens, von ihren Fehden und Festen hatte er Unglaubliches berichtet; Timoleons Thaten erschienen bei ihm wahrscheinlich in jenem Wunderscheine einer gott- begeisterten Wallfahrt zur Befreiung der Insel Dcmeters, in dem sie uns noch bei Plutarch entgegentreten. Er nannte die Sikelioten die weisesten und herrlichsten unter 105 allen Hellenen (E. V. 12, 24.) „Fast alle die übrigen Schriftsteller ", sagt Polybius, „ oder doch die meisten wenigstens bringen alle Theile der Geschichte an, und ver- locken so viele zur Anschaffung der Werke. Denn den Neugierigen zieht die genealogische Weise an, den Viel- wisser und Uebergelehrten die Darstellung der Colonien, Gründungen, Stammverwandtschaften, wie man's auch beim Ephorus lies't, den Staatsmann die der Staatshandlungen von Völkern, Städten und Herren." (9, 1.) Er selbst behielt sich nur diese letzte, pragmatische Darstellung vor; aber wenn er demohnerachtet Roms Ursprünge und den Persönlichkeiten der Scipionen in seinem W r erke einen nicht unbedeutenden Platz einräumte, so ergiebt sich um so mehr, wie sehr bei den andern die Darstellung einzelner Geschlechter und Persönlichkeiten oder die jener Urgeschichten vorherrschte, für die allerdings eine tüchtige Quellenkunde auch ohne eigene politische Erfahrung hin- reichen mochte. Er hätte aber die Kunde schriftlicher Ueberlieferungen und die ganze Art jener Historiographie nicht so niedrig angeschlagen, hätte er nicht in der Er- innerung alles dessen, was er Grosses erlebt, die neu- hellenischen Ideen, von denen die Geschichtschreibung seiner Zeit überall durchdrungen war, für falsch erkannt und klar gefühlt, dass man die neue Stellung der Welt- verhältnisse unkluger Weise übersehen würde, so lang man Zeit, Arbeit und Kunst daran verschwendete, längst- vergangene Zeiten, über die die eigne Erfahrung oder die der Väter keine Kunde gab, mit dem Glanz der Rhetorik oder einer hyperkritischen Büchergelehrsamkeit den Lesern vorzuführen, damit sich an diesen Bildern der verkehrte Enthusiasmus für die Reinheit und Freiheit althellenischen Lebens möglichst hoch hinaufschrauben könnte. § 5- Wenn Polybius die Wahrheit das Auge der Geschichte nannte, ohne welche alles Uebrige ihm leblos erschien, 106 so schien ihm diese Wahrheit nur möglich durch die ausgebreitetste Selbsterfahrung und Autopsie des Schrift- stellers, und durch den ganzen Verlauf seines Werkes ist klar, dass er einerseits seine Zeit der Förderung einer so begründeten Geschichte besonders günstig glaubte, andrerseits aber selbst für die historische Kenntniss jenseits dieser praktischen Erkenntniss keinen Sinn hatte. Er verwirft demnach die Spartanische Verfassung, weil sie dem höchsten Staatszweck, wie er ihn erkannt, nicht ent- sprach, stellt den Arat in demselben glänzenden Licht wie Philopömen, die Achaische Verfassung in ununterbro- chenem Glück und die Aetolcr nur als Räuber dar 1 , und geht so weit, Plato, Xenophon und andre eines Irrthums anzuklagen, weil die Kretischen Verfassungen seiner Zeit nicht der Beschreibung entsprachen, die jene davon ge- geben hatten (6, 45). Desshalb müssen wir auch Bedenken tragen ihm zu glauben, wo er die Schilderungen des Timäus über Libyen und Corsica durch seine eigenen Anschauungen widerlegen will (12, 3. 4.), so fabelhaft auch bei diesem und ähnlichen Schriftstellern die geogra- phischen Darstellungen des Nordens und Ostens klangen. In dieser entschiedenen Beschränkung auf die Resultate seiner eigenen Erfahrungen und auf die Vorstellungen der Gegenwart scheint auch der Grund zu liegen, weshalb er bei der Kritik früherer Historiker diejenigen weniger berührte, deren Art und Weise ihm für die Meinung seiner Zeitgenossen weniger einflussreich oder gefährlich schienen. So viel wir aus den Fragmenten sehen, war Timäus überall der Hauptgegenstand seiner Polemik, und wenn er auch über Phylarch und Theopomp (8, 56 ff. 8, 11 ff.), über Plato, Aristoteles, Kallisthenes,' Ephorus und über andere spätere wie Philinus (1, 13. 15. 3, 26), Sosilus (3, 20), Zeno (16, 14—20) an gelegener Stelle sein Urtheil nicht zurückhält 2 , so ist es doch merkwürdig, dass er bei dem vollsten Bewusstsein seiner literarischen Bedeutung nie die früheren grossen Historiker erwähnt, denen er an Klarheit und Besonnenheit sich ohne Hoch- mut!] vergleichen konnte. Er hätte z. B. mit dem Beispiele 107 des Thucydides die chronologische Anordnung der spätem Bücher (38, 14. E. V. 39, 1) vertheidigen können, wenn nicht auch hierbei iu ihm der Gedanke vorgewaltet hätte, dass die Eigenthümlichkeit seines Stoffs und die Ent- wicklung der zu erzählenden Begebenheiten selbst seine Darstellung so bedingte, wie diess bei keinem der Frühern nur möglich gewesen. Denn da er die Entstehung eines allgemeinen Staatensystems schildern wollte, führte er seine Universalgeschichte bis zu dem Punkte ethnographisch durch, wo die Politik aller Staaten ihm in Zusammenhang zu treten schien, und von diesem Jahr an schien es ihm durchaus nothwendig, die Begebenheiten der einzelnen Völker nicht mehr abgesondert zu erzählen, sondern unter jedes Jahr die gesammten Weltereignisse zusammenzu- stellen (4, 29). Dieses klare Bewusstsein von der Eigen- thümlichkeit seines Stoffes suchte er in jeder möglichen Weise auf den Leser zu übertragen (E. V. 11, 1), und wie ihm die Fülle und Bedeutung desselben als der Hauptwerth des Werkes erschien (10, 24. E. V. 30, 1), so hielt er so fest an seiner unverfälschten Darstellung, dass er selbst die eingestreuten Reden nicht als seine Kunstwerke, sondern als wirklich historische Denkmäler betrachtet wissen wollte, zu denen er nichts hinzugesetzt, sondern die er nur nach ihrer Wichtigkeit ausgewählt und wie andere Facta referirt habe (5, 103. E. V. 12, 21). Diese reinpractische Richtung, die den tatsächlichen Be- stand der Geschichte für das Höchste achtete, gestattete aber zwischen der Erzählung mannichfachen Erörterungen hinreichenden Raum, um in ihnen niederzulegen, was der Verfasser ausser den Anschauungen der Ereignisse an Lebensrcgeln für den Bürger, Staatsmann und Feldherrn sich erworben hatte. Diese Exkurse sind genugsam be- kannt und es scheint fast als hätte sich gerade durch diese ungeschmückten Darlegungen seiner Privatansichten die eigentlich historische Erzählung so rein und klar gehalten. Denn wenn Pohbius in dem ganzen Werk bestimmte Parteiansichten vertreten wollte, so ist dabei doch die Festigkeit und Reinheit seiner historischen Relationen 108 nicht genug zu bewundern. Dass er in der Abhandlung über Roms Verfassung sich von seinem und der Scipionen Urtheil bedingen liess, ist allerdings klar; aber anderwärts tritt seine Unparteilichkeit hervor, besonders da, wo wir ihn mit Livius vergleichen können. Beide wünschen Roms Grösse in das klarste Licht zu stellen, und wir würden es daher dem Römer nicht verargen können, wenn er die Arbeit des Griechen selbst noch vollständiger als es geschehen in sein Werk aufgenommen hätte, wäre es nicht an vielen Stellen unverkennbar, dass er auch hier für die Verherrlichung Roms noch nicht genug gethan glaubte und jede Andeutung einer Irrung oder Schlech- tigkeit auf Römischer Seite verwischte. Wie schmählich Q. Marcius die Rhodier verlockt, wie klug Attalus den Intriguen des Senats entgangen, hat Livius dieser seiner Quelle nicht nacherzählen wollen 3 , und es ist höchst interessant zu vergleichen, was Polybius über die Unter- handlungen Philipps mit Flaminin und den Griechischen Gesandten berichtet und Livius aus dieser Erzählung in sein Werk übertragen hat (Pol. 17, 1 ff. Liv. 32, 32 ff). Der Macedonische König sprach dort mit dem beissendsten Spott über die Forderungen der Griechen und ihre ein- zelnen Gesandten, und Polybius verschweigt um so weniger, mit welchem Behagen der Consul zuhörte, da die Aetoler besonders hart mitgenommen wurden. So aber konnte Livius den Befreier Griechenlands, für welchen der Consul doch auch dem Polybius galt, nicht darstellen. Er ver- schweigt, dass Titus über Philipps Bitterkeiten beifällig lachte und nennt sie unköniglich. Man hat in neuerer Zeit zu behaupten gewagt, dass Polybius sogar seine Reisen in dem Westen Europa' s erlogen habe, um seinen Behauptungen durch solche Unverschämtheit mehr Gewicht zu geben (Lachmann de fontib. 2, S. 13). Wenn Reichardt hei dieser Behauptung aber vergass, dass ein ver- nünftiger Mensch eine so enorme Unwahrheit nie wagen wird, so lange genug Zeugen leben, die ihn überführen können, so hat man andrerseits ihn überall fahrlässig ge- nannt, wo er sich genöthigt sah, schriftliche Quellen oder 109 wenigstens statt eigner Anschauung die Berichte Anderer als Quellen zu benutzen. Beckers Darstellung des Puni- schen Kriegs, die sich besonders auf ein solches Urtheil über Polybius stützt, ist von Vincke neuerdings genugsam widerlegt worden. „Eine höhere Ansicht von der Geschichte", sagt Becker am Schluss seiner Vorarbeiten, „möchte wol ihn selbst und seine Pragmatik dahin wieder hinabstellen, wohin sie gehören, d. h. ihn selbst in die Reihe der Geschicht- schreiber, die als Zeitgenossen und Augenzeugen der Begebenheiten, die sie erzählen, sehr grosses Gewicht, aber keine Entscheidung haben (?), seine Pragmatik aber in die Schulen der Polytechnik und Industrie." Was nun diese Pragmatik eigentlich bedeutet, versuchten wir oben zu zeigen, auch erwähnten wir schon, mit welcher Ent- schiedenheit Polybius für den wahren Historiker Autopsie und eigne Erfahrung verlangt. Diejenigen aber, welche ihn den Interessen der Scipionen leichtsinnig und ohne Ueberlegung ergeben glauben, scheinen mir denen zu gleichen, welche schon zu seiner Zeit, wie oben erwähnt, über Scipio's Glück seine geistige Grösse vergassen. Allerdings ist sein Geschichtswerk unter einem einseitigen Gesichtspunkt verfasst; aber aus eben diesem Gesichtspunkt hatte eine Reihe der grössten Männer die Angelegenheiten Roms fast neunzig Jahr hindurch geleitet. Um eine so lang und entschieden verfochtene Ansicht so klar aufzu- fassen und durchzuführen , bedarf es jenes politischen Takts, der jedes Factum nach seinem vollen Gewicht würdigt und bei der historischen Forschung die eigne Ansicht nicht durch Fälschungen beschönigen zu müssen glaubt. Wir haben in beiden früheren Abschnitten ge- zeigt, auf welchen Wegen sich überhaupt diese Ansicht Geltung verschaffte und wie Polybius selbst für sie vor- bereitet und gewonnen werden musste. Weiter aber deuteten wir an, dass die ganze damalige historische Literatur durch die verschiedensten, einseitigsten Tendenzen bewegt und einerseits zu den gewagtesten Annahmen, andrerseits zu einer heftigen Polemik gedrängt wurde, mit der man die eignen Hypothesen um so hartnäckiger 110 verfocht, je weniger die wirkliche Welt den politischen Erwartungen und Ansichten der Autoren entsprach. Eben im Gegensatz zu dieser historischen Schwärmerei spricht Polybius das innigste Bedürfniss aus, nur auf die eigne Erfahrung und Autopsie seine Geschichte zu gründen, und wenn man ihn einseitiger Darstellung beschuldigt, darf man nicht vergessen, dass die gepriesenen altern Quellen, nach denen Appian und Zonaras besser als er berichtet haben sollen, von Parteiansichten wenigstens nicht minder als er bedingt waren. Schon was Fabius Pictor über die Ursachen des Kannibalischen Kriegs be- richtete, zeigt seine Parteilichkeit für die Altpatricier, als deren Haupt Q. Maximus seiner Zeit dastand. Aehnlich wie er aber von Hannibals Standpunkt hatten Chäreas und Sosilus über des Krieges Anfang berichtet (Pol. 3, 20); solche Darstellungen nennt Polybius kindisches und pöbelhaftes Gerede; aber er klagt noch weiter über Uebertreibungen anderer Art, welche die Geschichte dieses Kriegs in man- chen Darstellungen entstellten (ebend. 47). Man stellte Hannibal und Scipio eben so dar, wie Timaus den Timo- leon schilderte, als wunderreiche Helden, welche die Götter aus Fährlichkeiten befreiten, in die kein Vernünftiger sich muthwillig gestürzt hätte. Es sind noch Proben dieser Darstellungen erhalten in Hannibals berühmtem Traum und in dem Zweikampf der beiden Feldherren bei Zama, den Appian (Pun. 44 ff.) so ausführlich berichtet; da doch, nach des Polybius ausdrücklichem Zeugniss (10, 22), Scipio solche Bravourstücke durchaus verwarf. Ohne Zweifel war nicht Ennius Gedicht allein die Quelle für diese und ähnliche Züge, die uns in der Geschichte des Hannibalischen Krieges öfter begegnen. Die Römische Geschichte erscheint hier in ihren ersten Anfangen durch- aus nicht geschieden von der Art der Griechischen Histo- riographie, zu der man sie der Sprache nach auch zählen musste. Wie deutlich dieser Griechische Einfluss in den Urgeschichten von der Gründung der Stadt und der Königsherrschaft ausgeprägt war, ist genugsam erwiesen. Selbst Rubino, Niebuhrs bedeutendster Gegner, hat 111 (S. VI.) diese historischen Verunstaltungen, soweit sie nicht die Verfassungsgeschichte betreffen, anerkannt; was aber auf diese Bezug hat, das halt er für vollständig verbürgt und überliefert, für allein unverfälscht unter einer Masse von Nachrichten, aus denen jede Spur der Wahr- tot entschwunden sey. Er scheidet die verderbten „ historischen a von den unverfälschten „ antiquarischen" Nachrichten der ; , Annalisten und Altertumsforscher." Wir haben oben schon darauf hingewiessen. dass die Continuität der Römischen Staatsentwickelung gerade da- mals besonders hervorgehoben ward, als die Demoralisation der Nobilität wie der Plebs die Zerrissenheit des i&nern Staatslebens immer schreckhafter zeigte und man einer- seits in starrem Festhalten die weitere Entwickelung hemmte, andrerseits eine revolutionäre Umgestaltung für fast unausbleiblich halten musste. Es sind uns aus Cato's und Polybius Geschichtswerken die Stellen erhalten, worin sie sich über die beständige Fortentwickelung der Ver- fassung aussprachen (Cic. Rep. 2, 1. Pol. 6, 11) und da der erstere, wie wir zu zeigen versuchten, noch in spätem Jahren seine Parteistellung änderte, so war sein politischer Blick hierfür wol eben so hell als der des PoUbius und jener ganzen Faction, für deren Interessen die Adoptivenkel des Africanus und Fabius Cunctator ver- einigt als Brüder kämpften. Dennoch aber betrachtete auch Cato nicht minder als Fabius die Italische Urgeschichte nach Anleitung jener Hellenischen Kritiker, die zuerst aus Rom eine Trojanische Colonie gemacht halten. Es ist be- stimmt überliefert, dass er noch im Alter sich der Grie- chischen Literatur befreundete, und wie eifrig Griechische und zumal stoische Politik von Aemilian und seinen An- hängern getrieben ward, brauchen wir nicht zu wieder- holen. Da nun aber die Geschichte der Römischen Verfassung nicht aus antiquarischen, sondern aus histo- rischen Nachrichten besteht, da es gerade die Grösse derselben war. jede äussere Berührung der Italischen und welthistorischen Ereignisse nicht in starrer Unbeweglich- keit. sondern durch eine enorme, stets schöpferische 112 Lebenskraft zu überstehen, so würde es schon eine uner- klärliche und für den historischen Sinn der Alten eben nicht rühmliche Annahme seyn, zu denken, sie hätten diesen Zusammenhang innerer und äusserer Zustände un- beachtet gelassen und die einen ihrer Kritik unterworfen, ohne die Nachrichten über die andern anzutasten. Wenn die Römer vielmehr in diplomatischer Gewandtheit eben so hoch als in der inneren Politik standen, so müssen unsers ßedünkens ihre Historiker über die äussern Ver- hältnisse nicht weniger klar und sicher als über die innern berichtet haben. Dass jene durch die Geschichtschreiber der .letztern Zeit mannigfach verunstaltet waren, giebt Rubino zu. Wir haben, gewiss im Einverständniss mit ihm, angedeutet, dass selbst die Geschichte des Hanni- balischen Kriegs von solchen Flecken durchaus nicht rein gehalten ward; weiter aber können wir weder zugeben, dass über diesen äussern Verhältnissen die Achtung vor dem historischen Factum bei den Römern geringer war als bei der Darstellung innerer Entwickelungen, noch dürfen wir übersehen, dass die historische Kritik, mit der die Römische Geschichte begann, mit der rationellen Po- litik der nachalexandrischen Zeit zu Rom so gut wie in Griechenland vereinigt war. Wie schroff in dieser Hinsicht des Polybius Ansichten von Verfassung und Staatsentwickelung früheren Thatsachen und Ansichten widersprachen, haben wir oben gezeigt. Seine Monarchie, Tyrannei und Aristokratie, sind nach ihrem Entstehen und ganzer Bedeutung von denen des Aristoteles total verschieden. Wenn er nun auch die Darstellung von Colonisation , Städtegründungen und Stammverhältnissen (9, 1) von seinem Werke ausgeschlossen hatte, und ge- rade in der pragmatischen Geschichte, d. h. in der der äusseren Staatshändel die Wahrheit für möglich hielt, die er in andern historischen Werken seiner Zeit mehr oder minder vermisste, so sieht man doch aus der er- wähnten Darstellung, dass selbst seinem klaren Ver- stände, der die Grösse des Römischen Staats gewiss erkennt, unbemerkt blieb, wie ganz verschieden von 113 seiner Darstellung sich die innere *Geschichte der alten Staaten entwickelt hatte. § 6. Um Niebuhrs Ansicht über die historischen Ueber- lieferungen der Römer zu rechtfertigen, könnte dieses Beispiel eines so besonnenen Autors hinreichen, zumal da er allein irgend vollständig aus jener Periode auf uns gekommen ist. in der die Römische historische Literatur von Fabius zu Cato ihren ersten grossen Fortschritt machte. Dennoch dürfen wir keine vollständige Entscheidung wagen ; wir müssen es dahingestellt lassen, ob denn doch nicht jener Verfassungscyclus des Polybius, so klar er den Thatsachen der altern Griechischen Geschichte widerspricht, vielleicht gerade für Rom seine Richtigkeit hatte ; ob nicht die Römischen Historiker, als Griechischer Einfluss das Leben des Einzelnen und den immer hoffnungsloser in sich zerfallenden Staat ergriffen hatte, dennoch die Nach- richten von der innern Staatsentwickelung vor ihm festhiel- ten, und nur die freilich eng damit verbundene äussere Geschichte nach ihm umbildeten. Hier aber wollen wir nur noch erwähnen, welchen Einfluss auf die späteren Römischen Historiker Polybius zu haben scheint. Zuvör- derst bemerken wir, dass die altern Römischen Historiker die Geschichte ihrer Zeit stets durch die Darstellung der früheren Schicksale der Stadt einleiteten; von ihrer Er- bauung und noch von früheren Zeiten begannen Fabius und Cincius, Acilius Glabrio, Postumius Albinus und der alte Cato ihre Geschichtswerke. Diese alle ohne Zweifel kannte Polybius schon, als er sein Werk niederzuschreiben begann, und bei seinen polemischen Bemerkungen über die Literatur der Coloniengründungs- und Stammgeschichten mögen die meisten von ihnen, Cato vielleicht ausgenommen, mitgemeint seyn. Fabius und Postumius erwähnt er in anderer Beziehung mit Namen. C. Calpurnius Piso , Cassius Hemina, Fabius Servilianus, Sempronius Tudilanus waren gereifte Männer ? als die allgemeine Geschichte kurz vor 8 114 dem Numantinerkrieg* vollendet ward. Diese alle ura- fassten noch in ihren Büchern die Urgeschichten Roms ; nur von ihren Zeitgenossen Scribonius Libo und C. Fan- nius lässt sich diess aus den wenigen Bruchstücken ihrer "Werke nicht bestimmt nachweissen. Mit Polybius waren noch jung als Kriegstribunen Sempronius Asellio und Rutilius Rufus im Lager vor Numanz. Als ihre Zeit- genossen werden Sisenna, Claudius Quadrigarius und Va- lerius Antias genannt; Coelius soll älter als sie gewesen seyn (Vell. 2, 9), und er mit den Gelliern und Clodius scheint in der Reihe der Historiker zwischen jenen zu stehen, die des Polybius Werk als hohe Staatsbeamte, und jenen, die es noch in ihren ersten Jünglingsjahren als eine neue und gewaltige Erscheinung begrüssen konnten. Während die Geliier nun, soviel wir von ihnen wissen, die Urgeschichten nicht übergingen, war Coelius wahr- scheinlich der erste, welcher sich auf einen kürzeren Zeitraum beschränkte. Seine sieben Bücher gingen, wie es scheint, vom ersten Punischen Krieg bis auf die Grac- chen (Krause frr. S. 184), und seine besonnene Kritik, mit der er nur den „wahren" Autoren folgte und, wo er nicht sicher war, die verschiedenen Erzählungen zusammen vorlegte (Lachmann de fontibus 2 S. 21), scheint den- selben Grundsätzen gefolgt zu seyn, nach denen Clodius erklärte, dass die Römische Geschichte vor dem Gallischen Brande aller Urkundlichkeit entbehre (Plut. Numa 1.). Er wie Sempronius Asellio und Rutilius, des Polybius Lager- genossen, Claudius Quadrigarius, Cornelius Sisenna, Ae- milius Scaurns und Lutatius Catulus beschränkten ihre historischen Arbeiten auf die Zeiten nach dem Brande, auf ihr eignes Zeitalter, oder wie die beiden letztern auf eine biographische Darstellung der eigenen Schicksale. Diese Beschränkung und die kritische Ansicht von der altern Geschichte, durch welche sie hervorgerufen ward, hing ohne Zweifel mit den historischen Grundsätzen zusammen, die wir bei Polybius fanden und die — wir sagten es oben ■ — auch die Römische Geschichtschreibung der früheren und nächsten Zeiten in ein neues keineswegs 115 vortheilhaftes Licht stellen mochten. Gegen die Chronikenart, wonach von theurer Zeit, Sonnen- und Mondfinsternissen berichtet ward, hatte schon der alte Cato sich erklärt, und wenn er auch seine tiefe Ansicht von der Staats- entwickelung sicher in seinem Werk durchgeführt hatte, so sieht man doch eben aus jener Erklärung, dass seine Vorgänger noch in der kleinlichen und trüben Weise der Chronisten befangen waren. Dennoch behandelte er die Urgeschichte Roms mit jener Hellenisirenden Kritik und die Fülle seiner Kenntnisse über die Stämme und Sitten Altitaliens schützte ihn nicht genug vor ihren Irr- thümern ; aber von grosser Bedeutung war es, dass er zuerst in der Muttersprache schrieb und dass sein Werk, von den ältesten Zeiten bis auf die letzten Jahre seines eignen Lebens quellenmässig durchgearbeitet, sich eben durch diese Frische einer charakteristischen Entwickelung auf Jahrhunderte allgemeines Ansehn erwarb. 3 In seinem Bestreben, die Geschichte rein von jedem Privatinteresse herzustellen, ging er so weit, in den Kriegsgeschichten die Namen der Feldherren nicht zu nennen. Dass man noch nach* ihm jene Urgeschichte, freilich meist in Latei- nischer Sprache, zu bearbeiten nicht aufhörte, haben wir eben erwähnt. Zuerst scheint Coelius davon abgegangen zu sevn ; Clodius bezweifelte die Urkunden aus der Zeit vor der Gallischen Eroberung und stellte sie als ein Machwerk zu Gunsten der Aristokratie dar ; Sempronius Asellio endlich, der nicht über die Punischen Kriege zu- rückging, sprach sich über die bisherige Geschichtschreibung ganz im Geiste des Polybius aus: „Jahrbücher", sagte er in der Einleitung seiner Geschichte (Gell. 5, ]8) „können weder grössere Lebendigkeit zur Verteidigung der Republik noch grössere Lässigkeit zu schlechten Thaten herbeiführen. Einen Krieg aber beschreiben, unter welchem Consul er begonnen und wie er vollendet, und wer im Triumph eingezogen und was in dem Krieg ge- than sey, wiederholen, ohne aber zu melden, was unter- dessen der Senat decretirt oder welch Gesetz oder Antrag gestellt sey, noch nach welchen Planen diess gethan sey: 8 * 116 das heisst Buben Mähren erzählen, nicht Geschichte schreiben. u Mit solcher Energie konnte er sich weder gegen Cato noch gegen Fannius oder Gellius noch wol gegen die andern erklären, soweit sie ihre Zeit oder die späteren Perioden der freien Republik geschildert hatten; es lag aber bei Beginn einer Geschichte, die mit dem Punischen Krieg anfing, nahe, sich in der angeführten Weise gegen die mögliche Zumuthung zu verwahren, als hätte der Verfasser weiter hinauf zurückgehen sollen zu Zeiten, von denen eine quellenmässige Darstellung, wie er sie hier verlangte, ihm unmöglich schien. Polybius hatte eine solche Urkundlichkeit der Geschichte erst seit Vollendung der Römischen Suprematie für möglich ge- halten, und eben das Gefühl, dass die Weltverhältnisse durch diese Stellung der Republik in einigen Zusammen- hang getreten, hatte ihn zur Abfassung einer pragmatischen Historie getrieben. Coelius und Asellio begannen ihre Werke, wie er, mit den Punischen Kriegen, in welchen jene Stellung Roms sich zuerst entwickelt zu haben schien. Sisenna dagegen begann mit dem Marsischen Krieg und Klitarch war sein Vorbild, und je mehr im Innern der Republik nach Eroberung der Welt die bürgerlichen Unruhen an Gewaltthätigkeit und Bedeutung zunahmen, scheint auch die Geschichte von jener kritischen Beson- nenheit wieder verloren zu haben, die Polybius von seinen Zeitgenossen mit Sicherheit hoffen konnte (3, 5). Valerius Antias und der geschwätzige Licinius Macer behandelten von Neuem die Urgeschichten, während der Grieche Po- sidonius noch in einem vortrefflichen Werk das des Polybius mit gleichem Geiste fortsetzte. Diese ganze reiche Literatur ist uns nur aus wenigen Bruchstücken spärlich bekannt ; der einzige Polybius ist in solcher Gestalt erhalten, dass wir uns über seine Stellung zur Geschichte Roms und seiner Literatur mehr als Vermuthungen erlauben können. Es ist fraglich, ob hier das Geschick nicht nach Verdienst auswählte; denn P. Scipio's Geschichtswerk ? nur einmal erwähnt, scheint 117 nur durch den Styl ausgezeichnet gewesen zu seyn; Sulla schrieb sein eigen Leben, das den Staat verwirrt und die Freiheit untergraben hatte ; Polybius sah nur den Anfang dieser Verderbniss: hätten wir aber nachgewiesen, wie noch er auch in seinem Werke sich an Scipio Aemilian anschloss und wie hoch dieser über allen Zeitgenossen in der allgemeinen Anerkennung stand, so möchte es deutlich seyn, dass weder jene beiden noch ein andrer Geschicht- schreiber Roms sich ihm gleichstellen lasse. ANMERKUNGEN. Zu Abschnitt I. § 1. 1) S. Sievers Gesch. Griechenlands S. 254— 260. — 2) Man hat gewöhnlich aus Polyb. 25, 7 und 29, 9 geschlossen, er sey Ol. 149, 3 noch nicht 30 Jahr alt gewesen und folglich am Ende oder nach der 142 Ol. geboren. Dieser Schluss ist aber fraglich. Aus der einen Stelle ergiebt sich allerdings, dass alle dreissigjährigen Achäer an den Bundesversammlungen Theil nehmen konnten ; aber damit ist nicht bestimmt, ob zur Bekleidung öffentlicher Aemter nicht noch ein hö- heres Alter erforderlich war, welches 25, 7 mit r\ xccrcc tovs vöi.iovg fjkixia gemeint seyn könnte. Mir scheint es viel wahrscheinlicher, dass in einem Staat, wo die Theilnahme an der Volksversammlung erst den dreissigjährigen wie im aristokratischen Sparta zugestanden wurde, die Würde einer Gesandtschaft noch mehr Jahre erforderte, und dass man diese wenigstens keinem vor dem dreissigsten Jahre zu- gestanden haben würde. War also Pol. damals jedenfalls so alt, so wurde er zwischen 213 und 210 v. Ch. geboren, da er den Numan- tinischen Krieg beschrieben hatte, als er 82 Jahr alt starb. — 3) Ari- stot. ed. Goettling p. 74. 'Ofxoicog ds xcd tov lönov xarotxovvTcov üv&Qtoncav tiots dft vofii&iv fxictv tlvai nokiv; ov yacj dij 7o?g Ttt%sGiv ti'rj ya(j civ üikonovrjGto 7i(Qißak67v tv Thi%og. Pol. 2, 37. Kud-okov ds tovtü) [Aov(p diakkchrtiv tov /uy /mag noknog dia&sGiv i'/av Gfttdov Tr,v GvfxnaGav n&konovtjGov, tiö jty tov ccvtov nfQißokov VTiaQ/uv rotg xcctoixovgiv ctvTtjv räkkcc cT tivcu xal xoivfj xal xccta nokfig ixdaroig tccvtcc xccl naqcmkrfiiu. — 4) Mannert, Geogr. von Griechenland, S. 52. Die weitern Stellen b. Hermann. Gr. St. § 183. — 5) Plut. comp. Philop. et Flam. 2. — 6) Wann der Bund entstand, lässt sich nicht bestimmen. Aus Thuc. 3, 94 ff. ergiebt sich, dass schon im Peloponesischen Kriege die Stämme an ihren gegenseitigen Fehden hülfreich theilnahmen. Davor eben glaubte man den Demo sthenes warnen zu müssen. Schorn, Gesch. Griechenlands, S. 25, schliesst aber aus Arrian 1, 10 fälschlich, dass zu Anfang der Rpgie- rung Alexanders der Bund noch nicht bestanden habe. Ephorus, der 119 spätestens zu eben dieser Zeit sein Geschichtsweik vollendete (s. Ephori fragg. ed. Marx p. 21), kannte nach Strabo (X. 3, p. 350 ed. Tauchn.) schon eine Inschrift in Thermos, worin es hiess: ^EvövuCuivoq ncud* Ahiokov tov(F üvid-r t xccv Ali 0) hol oytTioctg [Aviju uoirijg ico^äv. Damals also betrachteten die Stämme sich schon als Ein Volk und Thermos war schon ihr Hauptort. So konnte es sehr wol ein Gesanimtbeschluss seyn, dass an Alexander jeder Stamm seine Ge- sandten schicken, sollte 5 nur scheint das Bewusstsein dieser Stamm- unterschiede allmälig verschwunden zu seyn. § 2. I) S. Schorn S. 110. Lydiades klagte auch den Arat an, eF habe bei Pallantion den Aristomachus von einem Angriff zurückgehalteu. Plut. Arat. 35. a. E. — 2) Lucas, über Polyb. Darstell, d. Aetol.Bunds, hat diesen ganzen Achäischen Anhang des Kleomenes nicht genug beachtet; so lange unentschieden war, ob dieser über Arats An- sichten die Oberhand erhalten könnte, verfolgten die Aetoler keineswegs bundbrüchige Pläne (S Lucas S. SS f.) ; und jedenfalls hätte die sonst so scharfe Untersuchung an Klarheit gewonnen , wenn die eigentliche Bedeutung der Aetoler weiter als auf Griechische Freiheitsliebe be- stimmt worden Aväre. Er bemüht sich zu beweisen, dass die Aetoler an einen Bund mit Kleomenes und Antigonus nie gedacht hätten. Sonst, sagt er S. 90, hätte Arat ja nicht sie um Hülfe gegen Sparta gebeten! Aber gerade hier zeigt sich, dass Arat das Schwierige seiner Stellung erkannte: er wollte die Aetoler zu einer entscheidenden Erklärung bringen, um dadurch die Opposition im Bunde selbst auf seine Seite zu zwingen, sobald jene sich für oder gegen ihn deutlich ausgesprochen hätten. Schorn, S. 121. Die Aetoler waren wirklich so klug, ausser dass sie dem Antigonus die Thermopylen verlegten, bis zur Schlacht von Sellasia ruhig zu warten. Kleomenes, der sie hoffentlich durch seine Verfassungsproclamation nicht zu sehr beleidigt hatte (Lucas, p. 91), konnte gegen Antigonus auch nur in unangreif- barer Stellung auf die Entwickelung der Bundesverhältnisse warten; dass Argos wieder zu Arat überging, war sein erster grosser Verlust. Wenn er aber in Alexandrien noch immer von einem Aetolisch- Spartanischen Krieg gegen den Bund das Beste hoffte, Pol. 5, 35. Plut. Cleom. 34, so muss man doch wol auch ohne die wiederholte Erwähnung des Polybius ein früheres Einverständniss der Art anneh- men. Dass übrigens die Aetoler noch mit Antigonus verbündet waren, als er schon im Abmarsch war, daran hat doch Polybius 120 selbst gar nicht denken können 5 Lucas p. 03 hätte vielmehr erinnern sollen, dass die Verlegung des Thermopylenpasses, wie die Sachen einmal standen, allerdings für eine Demonstration gegen Arat und den Bund, soweit er ihn vertrat, gelten konnte. Polybius selbst erwähnt die Aetolischen Unterhandlungen mit Antigonus nur vor Anfang des Kleomenischen Kriegs, 2, 45 ; später spricht er nur von ihrer Ver- bindung mit Sparta, 2, 46. 49. 58. — 3) Plut. Arat. 41: Tivo^xivrig ixxkyGiag yQt&r} GTQaTtjyog avroxQaTOiQ • xal nsQUOTrjücao yQovQav ix Tüiv iavTov noliTwv. S. ebend. 38, wo Plutarch nach Arats Denk- würdigkeiten den Kleomenes na^dvo^iog u. Tvgavvtxog nennt. Die Wahl eines GTQarrjyog avroxQ. war aber ebenfalls eine Paranomie. — ■ 4) Plut. Cleom. 17: nyog änooraaw alg^tjcay al nokeig , j(üv fxsr drjjuwp 1 vofxrjv rs %ojQag xal xQftov änoxonag tkniodvTwv, jvjp i?£ TiQoJjojv nokka/ov ßaqvvo^iivoiv tov v Aqarov, ivCaiv de xal JV oQyfjg 1%Övto)v wg Indyovxa ry Hskon. Maxsdovag. S. ebend. 20. Pol. 5, 93. Es waren also ausser jener vornehmen, tyrannischen Opposition (s. oben Anmerk. 1) und dem Demos nur wenige, die über des Antigonus Berufung ungehalten waren. — 11) oder richtiger 5) Schorn, S. 131, bestreitet mit Polybius die Behauptung Phylarchs, Kleomenes habe aus Geldmangel zu schlagen beschlossen. Beide aber haben, glaube ich, auf die Bewegungen der andern Partei nicht genug geachtet. Als Kleomenes Mutter und Kinder als Geissein zum Pto- lemäus schickte, musste seine Geldnoth allerdings sehr gross seyn. (Plut. Cleom. 22); dass darnach sich die Aussicht eröffnete, mit den Feinden sich zu vertragen, zeigt der Antrag des Lysandridas von Megalopolis (ebend. 24) und der Ausspruch der Kratesiklea bei Plutarch. "Wenn dieser nach Heeren De fontt. PI. 87 (S. Plut. Philop. ed. Bahr p. VI. f.) in dem Leben Philopömens einer frühern Arbeit des Polybius folgte, so hatte er über die Einnahme von Megalopolis dort ganz anders berichtet als hier, wo er dem Phylarch w iderspricht. Der Antrag des Kleomenes, zurückzukehren, ward keineswegs gleich mit Steinwürfen beantwortet. Pol. 2, 55, 61. Plut. Philop. 5. In diese Zeit gerade, bei der Polybius sich in die heftigste Polemik er giesst, mussten die Anträge zur friedlichen Ausgleichung fallen, über die Kleomenes an Ptolemäus berichtet hatte, aber erst kurz vor der Schlacht bei Sellasia Antwort erhielt. Doch war der ganzen Macht des Antiochus gegenüber nicht mehr an Unterhandlungen zu denken, wie sie kurz nach der Eroberung von Megalopolis bei der allgemeinen Bestürzung der Achäer möglich schienen. Wozu übrigens Kleomenes die Achäische Beute benutzt hatte, oder ob er nicht zur Schlacht gezwungen ward, mögen wir nicht entscheiden, da wir zu den Schriftstellern beider Parteien gerade hier kein Vertrauen haben können. 121 § 3. 1) Pol. 4, 51. 53. 55. 5, 35. 36. Plut. Cleom. 32. — 2) Pol. 4, 5. 6. 15. - 3) Pol. 3, 39. 40. — 4) Pol. 4, 19. — 5) Pol. 4, 60. 5, 94. — 6) Ejd. 2, 59: ßovkofxivog av'itiv avrov ttjv do'£av-, ov fxopov aixöv (ftjOb yzyovhvat, xvqavvov dkkcl y.cd ix rv^apvojv nsqvy.ivai. S. Lucht De Phyl. vita et scriptis p. 7. — 7) Polybius selbst ist bisweilen stark in solchen altvölkerrechtlichen Deductionen, z.B. 4, 15, wo kei- neswegs, wie Lucas S. 104 sagt, die Begriffe verwirrt, sondern streng nach dem Griech. Völkerrecht (S. Herrn. Gr. St. §. 9) ausgeführt sind. Widrig freilich ist auch eine solche Pedanterei. Vgl. Pol. 2, 56 über die Eroberung von Mantinea. — 8) Plut. Cleom. 16. Arat. 38. — 9) Pol. 4, 60. — 10) Plut. Philop. 9. Wir haben oben §. 1 erwähnt, dass die Megalopoliten schon bei Sellasia Macedonisch bewaffnet wa- ren. Pol. 2, 65. Sie behielten diese Waffen auch später bei, Pol. 4, 69. 5, 91. S. Kellermann De re militari Arcad. p. 48 ff. — 11) 5. Plut. Philop. 13 und Bahr z. a. O. Dass er durchdrang, zeigt auch das Beispiel des Lykortas, der dieselbe Maassregel gegen Messene anwandte. S. Schorn 321. Dass die zweite Veränderung (Liv, 38, 30) wirklich von Philop. ins Werk gesetzt ward, ergibt sich wol aus Pol. 24, 12 : vau yccQ wcnfQ iniTtjcfsg cvvtßaive tots nakip cvpcc- ytG&cct, Tovg A/cuoiis (ig Miyäkrjv nokiv inl Tt\v devTiQca/ avvodov. Offenbar deutet er hier eine bestimmte Ordnung der Versammlungen an, nach der man jetzt glücklicher Weise gerade an dem Orte tagte, wo man dem Gegenstand der bevorstehenden Verhandlungen am näch- sten war. Selbst nachdem Schorn S. 303 A. 2 aus den beiden an- geführten Stellen die Annahme des Gesetzes anerkannt hat , hat Merleker § 33 sich dagegen erklärt und nicht bemerkt, dass Livius a.^O. nur von dem Misslingen eines ersten Versuchs — eo primum anno — spricht. Unklar bleibt, ob die «zweite Versammlung" bei Polybius a. O. für Megalopolis seit der Einrichtung der neuen Ord- nung oder nur in dem Strategenjahr die zweite bedeuten soll. Aller- dings musste, wenn Philop. das Gesetz durchbrachte, diess während seiner sechsten oder siebenten Strategie geschehen seyn. Von der sechsten bis zu der des Aristänos, der zu Megalopolis tagte (Schorn S. 308), waren eben so viel Jahre verflossen wie von da bis zu der dritten des Lykortas, unter der nach Pol. a. O. dort die Versammlung war. Somit könnte diess vielleicht nach eingeführter Ordnung wirk- lich die zweite Versammlung für Megalopolis gewesen seyn. Es würdeu sich somit zwischen diesen beiden Landtagen nur acht ordentliche Versammlungen und also im Ganzen neuii Städte ergeben, bei welchen 122 das Recht der Versammlung gewesen ; aber zu dieser Behauptung sind wir um so weniger berechtigt, da jede Darstellung eines solchen Cyclus durch die ausserordentlichen Landtage verwirrt werden würde, die nach wie vor Philopömens Aenderung gleich häufig waren. So- bald übrigens Aegium nicht mehr einziger Versammlungsort blieb, musste die Gleichstellung der übrigen Orte auch noch weiter durch- greifen. Die Behauptung Eckhels, dass nur die altachäischen Orte Silbergeld geschlagen hätten, könnte vor diesem Zeitpunkt wol gegründet seyn ; wie aber später den Arcadischen , Argivischen , Messenischen Städten dies Recht vorenthalten werden sollte, ist nicht wohl einzu- sehen. Consinery Sur les monnaies d'arg. de la ligue Ach. scheint wenigstens in soweit Recht zu haben, wenn er Eckhel widerspricht. § 4. 1) S. die vorige A. — 2) S. die Namen in Schwgh. Jnd. hist. et geogr. in Pol, — 3) Plut. Arat. 3: Arat „tntdüix&v lavxov uGxrjGtb Tjj n((jl 7icckcti(jTQC(i/, ojGts etc. ejd. Philop. 3: 6 *Pikonoi.ut}j> ov {xuvov ccvTog tq>vys to 7iQuy L ua y.cd xctTtytlctCft', tlkkd xtd otqcc- T?iyuJv vctsqov chi t utc/>/? xcu rijg yivtGewg toJu fi(>t] t uti;o)v roiöade. nüviwv yaQ nQog rüg cvx'ovoiug oQfxiovxoyv xarcl (fvffiy, Ix öh tovtidv nctidonottag cinoTfXov^t'ytjg, onoie rt? TfSv ixTQ(C(fivTO)v eig rjktxiav Ixö^itvog fxtj vi^xov ^ccqiv fÄtjd' 124 ttflvpcii rovrotg, 01 izTQtifoiti' — * dijkop 10g dvgagiGTtlp — - sixos tovg GvpoPTag x. t. k. Polybius ist sehr bemüht, darzulegen, wie erst in dieser heerdenmässigen Vereinigung die Grundzüge alles Rechts und des Staats sich bilden. Sie bilden sich aber selbst nur unter dem Schutz des Mächtigsten: orap ovp xal 6 nyoeGTug y.cd typ [ityiOTTjV dvpajuip t%oiv ad GvPHiiG%vr\ To7g 7iQO€iQt] t utPoig ovx tu rr\V ßiap dtdiortg — vnoTcaTovrcu xal gvggoj^ovgi rr t p uQX*l u uvtov (ebend. 6), und dann eben wird aus der Monarchie die wahre ßaGiktia ; aber offenbar ist jene schon während dieses Bildungs- processes vorhanden und bedingt ihn. — 7) Henzen Quaestt. Polyb. S. 13. f. Exe. Vat. ed. Lucht S. 81 f. — 8) Pol. 26, 1, 2: dvo7p ovgoöp cuQtaswp xard to nccQov tp nÜGaig reug d^aoxQajvxa7g noki- TtCaig' xal tcop [tsp (faGxoprwp ddp äxokov&t7p ro7g yQacfOjut'poig vnb Po) t uaC(ov — • tc5p dk rovg po/uovg nQocffyojuspcDP — $ ä/ai- xwrsyap hlvcu naqd nokv TavTtjP ttjp vno&tGiP xal pixyTixoDTfgap ip ToTg nokko7g, *§ ov ro7g [*sp algovfiipoig rd Twjuaicop ado'iiap Gvps'l;axokov&Hp nagd ro7g 6%koig xal diaßokrjp ro7g d 3 aPTingat- tovgi* rdpaPTia. Berief sich aber jene antirömische Partei auf die Gesetze, so musste in diesen Gesetzen das Volk selbst (ol o/kot . ot Tiokkol) seine Interessen vertreten finden. "Wir werden aus der a. St. auf die Herrschaft der Demokratie schliesseii können, auch ohne von Philopömens Bestrebungen oder den Messenischen Händeln etwas zu wissen. Wenn aber auch Polybius anderwärts den Bund eine demo- kratische und vielgestaltige Verfassung (24, 9) oder eine demokratische Eidgenossenschaft (10, 23) nennt, so ist er doch stellenweis beim Gebrauch dieses Ausdrucks ungenau. AVir haben von den antidemo- kratischen Bestrebungen Arats gesprochen; aber auch mit Bezug auf die früheren Zeiten (Sievers Gesch. Gr. S. 2S8) ist die oft wiederholte Meinung, die Achäische Verfassung sey seit dem Königthum stets demoeratisch gewesen (4, 1, 2, 38), dem Pol. nur zuzugestehen, so- bald wir unter Demokratie mehr freie Verfassung als einseitiges Volksregiment verstehen. An unsrer Stelle dagegen dürfen wir an der engeren Bedeutung eben so fest halten wie z. B. 6, 14, wo die demokratische Seite der Römischen Verfassung der aristokratischen ganz entschieden gegenübergestellt wird. — 9) Die folgenden Data s. über Epirus Pol. 27, 13. 30, 14. Akarnanien 28, 5. Aetolien 28, 4. 30, 14. 13, 1. 18, 36—38. E. V. 13. Liv. 31, 40. Böotien Pol. 20, 4. 37, 1. — 10) Pol. 17, 13. — 11) Pol. 28, 6. 125 Zu Abschnitt IL §. 1. 1) Plut. Aemil. Paul. 6. Ueber Soipio Aemilians Jugend ebend. 22. Pol. 32, 15. Ebend. 9 sagt er zu Pol.: cfoxeJ iTvcu näGiv t)Gv- X*og Tis xcci vü)&qos, ws axovo) y.cd nokv xf/cocjiG^tvog rfjg Pca- fjocucijs cäotGtiog y.cd ngccZtcog, ort v.QiGsig ov% ccioov^m )Jysiv. TTjV Ö' 3 OlV.lCiV OV (fCCGt TOIOÜTOV LTjTUV TCQOGTCCTrjVj 6§ Tjg OQutiäfACil, iQ if Ivaviiov • ö vau /uakiGrä ( «f kvntl. Doch s. die ganze schöne Stelle 9—11. § 2. 1) Ueber Flaminius Liv. 21, 15. 63. Cic.de leg. 3, 9. Id. Cato 4. Pol. 2, 21, auch findet sich ebend. 33 die feindliche Stellung desselben zu den Tribunen wol angedeutet. Bei der ersteren Stelle aber geht Göttling Gesch. d. R. St. S. 382 offenbar zu weit, wenn er ihr zu Folge ihm die neue Centurienordnung zuschreibt. S. Schweigh. lex, Pol. 6. b. W. nokiTH«. 3. — 2) Pol. 3, S, 6 : häuser z. Pol. 1, 3. Die Schwäche der Rö- mischen Reiterei war bei Cannä klar geworden. Pol 3, 117 u. Folard z. d. St. übers, v. Guischardt 2 S. 151. — 3) Liv. 22, 53: Ceterum, quum ibi (Canusii) tribuni militum quatuor essent — omnium con- sensu ad P. Scipionem admodum adolescentem et ad App. Claudium 126 summa imperii delata est. — 4) Becker Vorarbeiten S. 159 hat aller- dings wol beachtet, dass durch des Licinius Wahl jede auswärtige Provinz dem Scipio zufiel ; traut er aber dem Senat so unendlich wenig Einfluss auf die Comitien zu, dass ihm möglich scheint, die Patres hätten Scipio's Plan auf Afrika gekannt und doch jene Wahlen wider Willen gut heissen müssen , die ihre Opposition hierbei von vorn herein erfolglos machten? Ja wenn man die maasslosen Anfein- dungen des grossen Fabius erwägt, die noch nach der Entscheidung über die Provinzen erwähnt werden. Plut. Fab. 25. Liv.28, 43 — 5, so scheint es ganz unglaublich, dass die Wahlentscheidung so ohne alle Störung gewonnen worden wäre, hätten Fabius und die Seineu schon vorher um diese Pläne gewusst. Je unerwarteter aber diese Absicht Scipio's sich kund that, desto heftiger musste die Opposition der Nobilität seyn : um diese Zeit wurden die Gilden der Göttermutter zu Rom gestiftet. Cic. Cato 13. Die Stelle des Joannes Lydus De menss. 4, 9 über die Miliarisien könnte vielleicht auf eine Maasregel gedeutet werden, durch welche Scipio dieser Zeit das Volk gewann, läge nicht die Vermuthnng nahe, dass hier eine corrumpirte Erzählung von der Stiftung der Megalesien zu Grunde läge. Was aber der ältere Ti. Sempronius Gracchus in seiner Rede gegen Scipio Liv. 38, 56 erwähnte, dass ihm nämlich einst vom Volk die lebenslängliche Dictatur angeboten sey, das könnte wol nur zu dieser Zeit geschehen seyn. Ueber den Licinius s. die merkwürdige Stelle bei Dio Frr. Peiressc. 62. § 4. 1) Liv. 30, 44: Saepe postea ferunt Scipionem dixisse, Ti. Clau- dii primum cupiditatem, deinde Cn. Cornelii fuisse in mora, quo minus id bellum exitio Carthaginis finiret. — 2) Appian. Pun. 56: o 2xi- TiCoiv tnifATK Tovg Gv L ußovkfvaccPTCig } zvqovv tc\ avyy.(ij.iivc(. Aiyirui de tovto iiGqytjdaG&ai, tjj ts noktt GvjAqtQ&iv vnokc.ßwv y.cu nv- ■d-öpsvog Tvcuov Koqv. Aivxkov — iifsdQtvsii/ ccvtov rfj GTQUT^ytu, jtiv do%av ovx tO-ikoip tTiQov yspioOcct u. s. w. — 3) Liv. 35, 10 Drakenborg z. a. St. hat nachgewiesen, dass hier frater für patruelis zu nehmen sey. Ware nun aber, wie doch sehr wahrscheinlich, jener Publius, der bei Appian Pun. 62 ff. gegen Africanus spricht, Nasica gewesen, so würde es doch zweifelhaft, ob die beiden Vettern zur Zeit dieser Wahl in so gutem Einverständniss gestanden. Ich bin in der Erzählung Livius gefolgt; aber allerdings lag ihm die Versuchung nahe, das Ansehen des Flaminin und Africanus hier in interessanter Vcrgleichung einander gegenüberzustellen. Gerade in diesem Jahr Hessen sich noch andere Irrthümer wahrscheinlich machen. Claudius 127 Quadrigarius setzte nach Acilius (Liv. 35, 14) in dies Jahr Scipio's Legation nach Asien, auf der er Hannibal gesprochen haben sollte, Zonaras ebenfalls. Dorthin hatte man nemlich die Gesandten ge- schickt, die zu Lysimachia schon unterhandelt hatten (drs. 34, 59), wo auch ein P. u. ein L. Cornelius gewesen waren (Pol. 18, 33 — 35. Liv. 33, 39). Um nun den Africanus mit Hannibal zusammenzu- bringen, lag es nahe, den P. Cornelius aus einem Lentulns zum Scipio zu machen. Aber sicher hätte dieser, der schon bei seinem zweiten Consulat so bestimmt auf Krieg mit Antiochus drang, keine so unbestimmte Relation gemacht wie der Senat erhielt (Liv. 35, 22). Solche heillose Verwirrungen sind in der Geschichte der Scipionen nur zu bekannt; auf die Anklage des Africanus kommen wir unten. Es war offenbar auch ein unseliger Trieb bei den meisten vorhanden, nicht allein die einzelnen grossen Männer als Zierden des ganzen Adels und ihres Geschlechts darzustellen,' sondern in diesen Darstel- lungen wurden die Zwistigkeiten in den Geschlechtern selbst möglichst übergangen und, wie die spätem Optimaten den jüngeren Africanus als das Muster eines Aristokraten ansahen, so übersah man ohne Zweifel schon früher, dass ein Nasica im Lager des Aemilius Paulus der lauteste Sprecher der Opposition war (Liv. 44, 35. 36.), dass dessen Schlachtbericht mit dem desPolybius keineswegs übereinstimmte (Plut. Aem. 15. 16.), und dass der Tod des Gracchus, dessen Ursache eben dieser Nasica war, im Augenblick der That wenigstens die Partei des jüngeren Africanus aufs empfindlichste verletzen musste. (S. unten II.) Durch diese Rücksichten wird es allerdings auch wahrscheinlicher, dass schon über den Frieden mit Carthago Nasica dem Africanus opponirte, wie er dem Cato über den dritten Punischen Krieg widersprach. Jedenfalls ist klar, dass nicht immer die Männer gleichen Namens gleiche Zwecke verfolgten und dass wir die Kämpfe der Parteien auch in den einzelnen gentes und tiefer verfolgen könn- ten, müssten wir uns nicht, durch die Quellen gezwungen, an der Scheidung einzelner grosser Massen genügen lassen. ~- 4) Die Tertia, Cato's Schwiegertochter (Plut. Cato 20. a.E.) war bei ihres Vaters zweitem Consulat noch Kind (Ebend. Anm. 10 Cic. de Div. 1, 46.) — 5) Plut. Aem. 5. Valer. Max. IV. 4, 8. — 6) Liv. 35, 8. 33, 22, 23. Dieser C. Cornelius und Sex. Aelius hatten in dem hidis Ro- manis den Senatoren gesonderte Plätze gegeben auf Veranlassung des altern Afrikanus. Ebend. 34, 44. 54. Ueber die Verschwörung von Canusium. Ebend. 22. 53. Ueber Ti. Gracchus. S. 38, 52. Die Feind- schaft der Meteller und Scipionen ist bekannt. — 7) Liv. 33, 13, vgl. Pol. 18. 28: o T. tv Tt5 avi'tdoio) did<<(Txo)v } tag si'/c(q ßovkov- j«i y.i'.l irp TOip *Ekk, tvx).ticoy.ii f rjg. S. Ritter, Gesch. d. Ph. 3 S. 657. 680. Plut. Ti. Gr. 8. - 3) S. Van Lynden De Panaetio § 13. § 7. 1) Pol. 32, 21. 31, 25. -r 2) Gracchus, Sulpicius Gallus, M. Junius, Octavius und wieder Sempronius Gracchus folgten in Asien, Octavius, Canulejus, Torquatus und Merula, P. Apustius und Lentu- lus in Aegypten als Römische Gesandten kurz aufeinander. — 3) Pol. 32, 22. — 4) Ebd. 31, 12. 19—23 Vgl. 32, 4. 7. und über die Gemässigten 33, 16. Es ist nicht gewiss, gegen welchen Thermus Cato über König Ptolemäus sprach; Meyer Oratorr. RR. fragg. S. 51 verwechselt mit Liv. 46 die beiden königlichen Brüder; Pto- lemäus Philometor kam nie nach Rom ; aber sehr wol konnte sich Cato seiner gegen die Cabalen des Senats und seiner Gesandten an- nehmen, wie er sich der Rhodier und Macedonier angenommen. S. Droysen De Lagidar. regno. 74. — 5) Pol. 35, 4: II. KoQy/AqQ. ye'og /uey ioy, doxcäy de ovfußovkog yeyovevcct tov noke\uoVj int xcckoxccycc&t'a xcct coiijQoGvyrj dö'iccy ofA.okoyov^i'vqv nenoiyfiivog, rijg de in' dy- dpeicc (f^utjg ngoGdeojueyog . — Gvvißcctve yccQ rore rovg Mct- xedoyccg in oyojuccTog xcckeTy top 2xqnC(ova dtcckvGoyra Tag iv avToTg GTdoetg. — 6) Ebd. E. V. 34—37, 12. Diod. Exe. Phot. 34, 2. Plut. Ti. Gr. 8. § 8. 1) S. Liv. 39, 56, vgl. 22, 19. Wir bemerken noch, dass über Spanien Cato schon mit Africanus und Aemilius Paulus gespannt 133 gewesen; das letzte Mal freilich schlug der Senat diese Spaltung nieder. S. Plut. Cato 11 und oben § 5 A. 7. — 2) Appian. Hisp. 42 Strabo (Tauchn.) 3, 3 S. 247. — 3) AVir dürfen bei Darstellung dieser Spanischen Händel uns nicht verhehlen, wie trüb die fast einzige Quelle, Appians Darstellung, ist. Vgl, Appian a. O. 48. 49 und Pol. 35, 2 f. Jener stellt gegen Polybius Zeugniss Titther, Beller und Aruaker im engsten Bunde gegen andere Stämme dar, und setzt die "Wegnahme des Lusitanischen Nergobriv vor der Spanischen Gesandt- schaft nach Rom. So freilich liegt in Marcells Verfahren kein weiterer Verrath. — 4) Be( ker Viriath S. 76 — S3 giebt über das jenseitige Spanien eine sehr gute Darstellung, und nimmt überall an, dass diese Provinz nur durch die Lusitanier gelitten, indem er S. 121 zweifelt, ob Vir. je den Tajo und Ebro überschritten habe, und kein Bedenken trägt nach dieser Ansicht Namen zu verändern. S. 116. — 5) App. a. O. 59. 61. — 6) S. Fächer, Zeittafeln J. R. 605. — 7) App. Mithrid. 6. Attalus stand jedenfalls mit einem Theile des Senats auf gespanntem Fusse, seitdem er dessen Einflüsterungen so schlau ge- mieden und benutzt hatte, Pol. 30, 1 f. Der prätor urbanus dieses Jahres ist nicht bekannt, jedenfalls war es kein Freund des Prusias, der doch kurz nach dem Krieg des Perseus bei den meisten Senatoren so wo! gelitten war, wahrscheinlich bei denselben, die damals den. Attalus gern mit seinem Bruder entzweit hätten. Gegen diese nun intriguirte jener Prätor und sprach wahrscheinlich Cato in seiner dissuasio de rege Attalo et vectigalibus Asiae. S. Meyer a. O. S. 56 f. — 8) Pol. 38, 3: (Koito)..) naoty/fikf roig uq/ovoi, m) noccTTtiv rovg 6Vir haben schon oben bemerkt, dass Mucius Scävola zu den Anhängern der Stoa mit Scipio und seinen Freunden gehörte ; Papirius Carbo war mit TL Gracchus schon in frühster Jugend durch gleiche Studien vereint. Sie waren die eifrigen Schüler des M. Aemilius Lepidus, Cic. Brut. 25. Appius Claudius dagegen scheint erst später zu dieser Seile übergetreten zu seyn ; denn als er sich zum ersten Mal um die Censur bewarb, klagte er über Scipio's, seines Mitbe- werbers, demagogisches Auftreten. Plut. Aem. 38. 134 § 9. 1) Schorn, Gesch. Gr. 389 ff. verwirft die von Polyb. 38, 1 gegebene Darstellung über die Absicht des Senats. Waren nun auch die Debatten der Curie noch damals wie z. ß. über den Krieg gegen Carthago möglichst geheim, so wird man doch zugestehen, dass Po- lybius ohne Zweifel von Scipio und seinen Freunden die wahre Absicht wenigstens ihrer Partei leicht erfahren konnte. Ohne eine ' solche Ansicht, wie Pol. sie a. O. mittheilt, bleibt nach Schorns eignem Ge- ständniss S. 390 die Gesandtschaft des Sex. Julius //fast unbegreiflich/', wenn man nicht mit ihm S. 363 A. 3 auch das verwirft, was über die Meinungsdifferenzen des Aemiüus Paulus und der Senatsgesandten eben so bestimmt erzählt wird, wie Cato's Verteidigung der Rhodier, Aemilians Fürsprache für die Verbannten, der beiden Aemilier bestimmte Erklärung gegen die Tyranneien des Epiroten Charops und vieles dgl. — 2) Valer. Max. VI. 4, 2. — 3) App. Hisp. 64. — 4) Ebd. 66: 6 OvQiaT&.j ov% 6/uoicog tri> '/.(aaqQovtov, ^govaxovg xal TtT&ovg "Aal BfXkovg cmtGT^asv anb "Pw^Ktuy. S. oben § 8 A. 3. Diess waren also die Titther und Beller, die mit den Aruakern ver- einigt waren, die Segedaner und ihr Anhang. Zu ihrem Vortheil hatte Marcell das Lusitanische Nergobrix erobert, jetzt vergassen die heimischen Stämme diese ihre früheren Streitigkeiten. Dass aber die andern Titther und Beller, gegen die das hochmüthige Segeda einst zu Numanz Schutz gefunden, nicht erst gewartet haben werden, bis ihre Unterdrücker gegen Rom losschlugen, scheint mir wenigstens sehr wahrscheinlich. — 5) Cic. Läl. 21: Ab amicitia Q. Pompeji meo nomine se removerat Scipio; propter dissensionem autem, quae erat in republica , alienatus est a collega nostro Metello. Diese Stelle zeigt Cicero's historische Art eben so deutlich wie was er ebend. 2. über des Lälius Beinamen beibringt, vgl. Plut. Ti. Gr. 8. "Waren doch schon zur Zeit der Canusinischen Verschwörung und später in Sachen des Pleminius die Meteller stete Gegner des altern Africanus, meist auf Seiten des Fabius gewesen. Liv. 29, 20. Denn »Uneinigkeit in der Republik'' war wahrlich zwischen diesen Häusern schon so lange anerkannt, dass sie nicht erst in den Tagen des Macedonicus und Aemilian deren Freundschaft trennen konnte. Dass jedoch Pom- pejus wirklich früher zu Scipio's Anhang gehörte, sehen wir aus der Entschiedenheit, mit der L. u. Q. Metellus ihn in den Spanischen Angelegenheiten angriffen. S. unten. — 6) Valer Max. IX. 3, 7. — 7) App. Hisp. 69: Ovqicct&. ilvai, 'Pw/liccüov q-ilov xccl rovg vn avrio navrccg yg f/ovöt yijg ccQ/siy. Vgl. Liv. 54 : Q. Fabius proconsul rebus in Hispania prospere gestis labem imposuit, pace cum Vkiatho 135 aequis conditionibus facta. Es fallt auf, dass bei App. nicht die Lusitanier , sondern die ihnen untergebenen genannt werden; er kämpfte also nicht allein für die Freiheit der Lusitanier. — 8) Becker Viriath S. 126 ff verwirft die Zeugnisse des Dio, Florus und Au- relius, dass Viriath an seiner Sache verzweifelt und mit Popillius unterhandelt habe. Auch Diodor in Photius Exe. 32, 5 spricht von seiner Entmuthigung. Appians Erzählung ist offenbar lügenhaft (a. O. 70. 74.) und meldet auch keineswegs jene Siege, von denen Becker spricht. Durch den Frieden des Fabius von den Numantinern ge- schieden und durch den Römischen Friedensbruch doch zn neuem Krieg gezwungen, konnte er wol verzweifeln. Dennoch hatte seine Besiegung für Popillius und das diesseitige Spanien gleiches Interesse wie für Cäpio und seine Provinz : so lang er sich nicht unterwarf, war für die Numantiner ein Succurs von dieser Seite nicht unmöglich. — 9) Valer. Maq. VIII. 5, J. S. App: a. O. 79: 6 ds ig fxiy rd (fca/fQoy i/Jltvty ccvrovg l P(ouccioig Innqintw ov ydq ildhvav Gvv- &jfXag ireQOS l P(oiuttioig u'£i'ag, Ic'c&qcc cT vtim?/ vitro, ä i'/jflls novr\6av. Die Numantiner unterwarfen sich, überlieferten die Uebetiäufer, Ge- fangenen und Geissein, zahlten einen Theil der geforderten dreissig Talente sogleich. Diese Bedingungen waren in Gegenwart des ganzen Stabes angenommen worden, auf dessen Zeugniss sich die Numan- tiner nachher beriefen. Die geheimen Artikel, welche App. andeutet, konnte Pomp, nur zu erfüllen hoffen, wenn sie mit den Plänen einer Senatspartei übereinstimmten, zu der er sich bis jetzt zählte. — 10) Liv. 55. — 11) Mit L. Scipio standen 50 Jahre früher zwei Hostilier vor Gericht; Mancinus und Gracchus waren diesmal die Angeklagten, Scipio ihr Vertheidiger. Mancinus berief sich auf Pompejus, wie da- mals Furius mit der Ausdehnung der Untersuchung den Manlius be- droht hatte. App. Hisp. 53. Merkwürdig ist Ti. Gr. 7 : Joxel cTi xcd 2xm. ßo?]&ijG«t — ■ all 1 ovdhy rjTToy Iv ahccag yy, otv rov Muyx. ov niQiiGOiakv ovds rag Gnovdclg tfAnidio&ijvca rolg Nopccvr. iffnoodecas cJV dydQog olxa'ov xcd yilov rov TißfQiov yivo^uivag. To d& nluorov ioiy.iv Ix (filorifiiag rcov incu^övriov rov Tiß. (filcov xcd ooffiGTiöv ixytvtod-cu rd rijg duiqoqag. Man sieht zu welchen Erwartungen die Volkspartei sich nach der lex Cassia berechtigt glaubte j doch spricht namentlich das Verfahren des Furius undMancin selbst für die Ansicht, dass Aemilian und seine Partei obschon nicht nach der Absicht der Menge, dennoch deren Interessen unerschrocken verfolgten. § 3. 1) Diod. Exe. Phot. S. 528: Kctrcl r« l P(ü/ut)v dovloiv KTtodTcitfvs exuiov ntvirjxovuc GvvotAQGciyTwy ay^nuro xcd xcctcc tr\v 'Arwtyv 136 V7i€(j xtkicoy, tv TS Jyka» xcct xax ükkovg nokkovg ronovg. Fischer Zeittafeln b. I. R. 62 erwähnt die offenbar summarische Rechnung Diodors, wonach er den Anfang des Sklavenkriegs 60 Jahr nach dem Ende des zweiten Punischen setzt. Sieben Jahr vor des Fulvius Consulat konnte sich von diesen Unruhen noch keine Spur zeigen ; denn dergleichen Bewegungen, vielleicht lange vorbereitet, wachsen oder erlöschen blitzschnell. Sicher aber war der Aufstand schon entbrannt, als sich Gracchus um das Tribunat bewarb. — 2) Die Legislation des Rupilius betraf die Finanzen, Gerichte, die Senatoren- wahlen, offenbar die ganze Verfassung (Cic. Verr. II. 2, 13. 37. 50), wo nicht erst neue Colonien deducirt wurden, blieb man meist bei den alten Gesetzen, so bei König Hieros Korngesetz, und wenn man dessen oder Polydors Gesetze im Bereich seiner alten Herrschaft fest hielt, so wurde auf diesem Wege vielleicht das alte Privatrecht des Demokraten Diokles in Syrakus wieder neu, s. Diod. 13, 35. 16, 82. Ueber Rupil. s. Cic. Lal. 21. — 3) Herrn. Gr. Staatsakt!]. § 190, 2. Die interessante Inschrift im Böckh. Corp. inscr. I. S. 712 muss jedenfalls nach dieser Restauration gesetzt werden, denn man kann doch unmöglich mit Böckh. a. O. S. 713 das Synnedrium von Kyllene, das dem Consul offenbar als allgemeine höchste Behörde über die erwähnten Unruhen berichtete, allein deshalb nicht als das gesammt- achäische betrachten, weil ein Aufstand, wie der hier berührte, nur kurz nach der Zerstörung Korinths habe vorkommen können. — 4) S. Gerlach, der Tod P. Cornelius Scipio Aemilian S. 24 — 30, wo übrigens die Parteistellung des Scipio nicht klar genug wird. Im Ganzen jedoch ist auch dort App. Bürgerkr. 1, 19.20 als Hauptquelle angenommen, und mit Recht, denn Posidonius und des Rutilius Werk, das er für die Geschichte der Belagerung von Numanz mit Erfolg benutzte, (Niebuhr 2 S. 61, Krause Hist. Rom. frr. S. 228 f.) muss- ten ihm auch hier die beste Auskunft ertheilen. Es ist auffallend, dass er gar nichts erwähnt, wodurch Scipio schon vor Numanz sein Missfallen über Gracchus ausgesprochen hätte. Der Plan, Scipio die Dictatur zu übertragen, scheint nach unsrer Darstellung sehr unwahr- scheinlich und wird durch Cic. Rep. 6, 12 keineswegs glaublicher, da er den altern Africanus über die Dictatur seines Enkels fälschlich weissagen lässt, um unter dieser Einkleidung den Pompejus zu dieser Würde aufzurufen. Die Erörterung dieser Absicht hängt mit der über die Zeit der Abfassung der Bücher von dem Staat und den Gesetzen genau zusammen. Ebend. I, 19 wirft er die damaligen Verhältnisse in seiner Darstellung heillos durcheinander, indem er die Anhänger des Gracchus als förmlich im Besitz der Senatorischen Majorität darstellt. Dann hätte doch kaum das Volk auf Scipio's 137 Entscheidung gewartet, noch nachdem sie gefallen der ganze Senat mit den Latinen ihn heimgeleitet, Cic. Läl. 3. Ja Metellus hatte sowol gegen Gracchus als gegen Scipio gesprochen, als dieser den Aurelius Cotta anklagte und vor dem parteiischen Senatorengericht kein Recht fand. Ebd. Brut. 21. App. a. O. 22, Zu Abschnitt III. §• 1. 1) Lucas S. 35 A. 2. stellt die Vermuthung auf, dass die Schrift über Philopömeii nach 146 verfasst sey, um darin das Andenken dieses Landsmanns gegen die Römischen Commissarien zu rechtfertigen. Dann wäre es aber auffallend, dass eine solche Schrift sich zumeist mit den Jugendjahren des Helden befasst hatte (Pol. 10, 24) und nur kurz die Thaten seines Mannesalters behandelte, auf die es bei einer solchen Verteidigung wol hauptsächlich ankam. — 2) Nach Lucas a. O. würde die Schrift über Philop. zwischen den Anfang und die übrigen Bücher der Universalgeschichte fallen. — 3) Henzen, Quaest. Polyb. S. 31 ff. glaubt aus verschiedenen Gründen annehmen zu müssen, Polybius habe schon, ehe er und die übrigen Achäer frei gegeben, mit Scipio unter Luculi Spanien und Africa und auf dem Rückweg Gallien und die Alpen gesehen. Doch scheint mir die Stelle bei Arrian ohne Gewicht, auch die Zeit zu kurz zu jener gefährlichen und beschwerlichen Reise durch Libyen, Iberien und Galatien, die er (3, 59) in wissenschaftlichen Zwecken unternommen. Ueberhaupt aber ist es nicht denkbar, dass der Senat ihn schon damals habe ziehen lassen, und wäre er unter Scipio's Obhut geteilt worden, so hätte dann doch nicht der eine zu Wasser, der andre zu Land heimkehren können. (Henzen S. 34.) So unentschieden der Verf. nun auch selbst in seiner Ansicht ist (S. 33) so beharrt er doch dabei wegen der Beschreibung von Gallia Cisalpina im zweiten Buch (S. 35), das er mit Lucas vor 146 setzt. Scheint uns diese Annahme nun keines- wegs gegründet, so können wir auch die Reisen in Spanien und Gallien gern nach der Eroberung Carthago's setzen. Wir bemerken aber, dass Pol. allein von diesen und seiner Libyschen Reise (3, 59) behauptet, sie im Interesse seines Werks unternommen zu haben. Dass er nach Egypten, Syrien und dem weiteren Osten in nur wissen- schaftlichen Zwecken gereist, lässt sich eben so wenig beweisen, wie dass er der Reisegefährte Scipio's auf dessen berühmter Gesandt- schaft gewesen (Henzen S. 47 — 52). Zur Wiederherstellung der 138 Peloponesischen Verhältnisse konnte allerdings eine Reise an die Haupthöfe des Orients und an so wichtige Handelsplätze wie Byzanz und Rhodus nöthig seyn. Wenn es demnach, da Panätius als einziger Reisegefährte Scipio's genannt wird (Cic. Acad. 2, 2), doch nicht auffallen kann, beide Freunde auf ihren verschiedenen Wegen au den- selben Stellen des Orients zu treffen, so können wir auch des Polybius Reisen durch Egypten, Kleinasien und die Inseln des Mittelmeers früher setzen, als die Gesandtschaft des Scipio. Hingen aber diese Reisen mit seiner Verwaltung des Pelopones zusammen, und ist ferner nicht denkbar, dass er Spanien und Gallien vor dem Achäiscben Krieg durchwandert habe, so wird es wahrscheinlich, dass er den Westen später als den Osten bereiste. Durch Viriaths Ermordung konnte zu- erst die Hoffnung entstehen, die Küsten des Atlantischen Oceans nördlich von Gades zu bereisen, und während der Spanische Krieg sich immer mehr um Numantia concentrirte, mochte P. das übrige Spanien und Gallien so „zugänglich", das angrenzende Meer so „be- fahrbar" finden, wie es seit und vor der Eroberung Carthago's ihm nie gewesen war. Von dem Consulat des Servilius Cäpio bis auf das des Scipio Aemilian müssen wir also den Zeitraum bestimmen, während dessen er seine dortigen Reisen ausführte und sein Buch darauf nie- derschrieb. Denn dass das Werk vor den letzten Jahren des Numan- tinischen Kriegs vollendet ward, scheint Lucas S. 19 mit Recht anzunehmen. (Henzen S. 31 f.) Und wie klar und sicher auch das ganze Werk angelegt, der Stoff zusammengestellt ist, so ist die sty- listische Ausführung offenbar nicht das Werk jahrelangen Fleisses und einer ängstlichen Feile, sondern es ist, wie Folard sagt, der Styl eines Soldaten; je länger und reiflicher die Facta gesammelt, die Gedanken gefasst und ausgedacht, desto kunstloser und schlagfertiger: die vierzig Bücher konnten schnell vollendet werden. — 4) 6, 13: acta r(Sv adixypdTOov twv xctra rr t v 'irakiccv — rrj cvyxlrjrio pikst, negl tovtcju — — xai y,r\v tl T(üy ixrdg "iralCag ngog rivag i%(cno- GTekktiv dioi nQtcßiiccv Tivd ccvrt] noitTucM ir}v ngovoieiv . vgl. 6, worauf wir öfter zurückkommen ebd. 17 : nokkcSv tQywv ovxiav tiov lxdido}iiv(QV vnb tcjv Tifxrjrwv did nuCrjg 'Irak tag — • ffvkkyß- dr]v Sca nenTWxtv vnb tgJV l P(o t u. dvvcccnCctv. Lucas S. 19 f. erkennt selbst an, dass die Provinzialverfassung offenbar auch von Buch 3—40 stellenweis als nicht so drückend erscheine, wie er es selbst sonst annimmt. Wir glauben mit Recht noch weiter gegangen zu seyn. 139 § 2. 1) Lucas S. 35 A. 1 stimmt mit Schweighäuser und Rühs dahin überein, dass die pragmatische Geschichte gleichbedeutend mit der politischen und nur im Gegensatz zur alten mythischen auf Staats- revolutionen zu beziehen sey. Schwgh. z. Pol. 1, 2 bestimmt aber die pragmatische Geschichte als rerum gestamm historiam ; rerum in hominum vita ac praecipue in republica sive domi sive bello gestarum enarrationem. Nun wird man aber gestehen, dass Pol. 9, 1, wo er dieser pragmatischen Geschichte die der Colonien, Städtegründlingen und Stämme entgegensetzt, ebensowol sich in diesen letztern //Staats- revolutionen" oder //politische Thaten " dargestellt denken musste; dann fällt aber der Gegensatz gegen die pragmatische Geschichte nach Lucas und Schwgh. weg. Der letztere tadelt S. 126 besonders Reiske mit Recht, dass er unter pragmatisch gerade die rationelle und räsonnirende Weise des Pol. verstanden habe. Diess allerdings ist eine Eigenthümlichkeit des einzelnen, nicht der ganzen Species. Aber wenn Pol. für seine Historiographie die offenbare Begünstigung der Zeitverhältnisse hervorhebt, so muss man doch bemerken, dass für die Erzählung politischer Vorfälle und Staatsrevolutionen seit Thucydides^ fortwährend eben so viel Stoff und Gelegenheit vorhanden gewesen als jetzt ; dass aber ein unerhörter Fortschritt für die Ge- schichtschreibung auch in den Ereignissen lag, sobald jene sich das Ziel stellte, das äussere Staatenleben, //die Thaten der Stämme, Städte und Herren" unter einander, im Gegensatz gegen das innere Staats- leben auseinander zu legen, wie es, in einzelnen Stadt- und Stamm- geschichten verschlossen, Colonien getrieben hatte. * § 3. 1) Pol. 6, 17: ix Tccvirjg unodidovicu xqitcu tcöv nkei