w Julius Hart. England und Amerika. Engl. - Amerik. Dichter. England und Amerika. Fiinf Biiclier engliseher u. amerikaniseher Gediehte von den Anfangen bis auf die Gegenwart. In deutschen Uebersetzungen. Chronologisch geordnet mit litterarhistorisch - kritischen Notizen und einer Einleitung : Leber Geist und Entwickelung der englischen Poesie Julius Hart. Minden i. W. J, C. C. Brims' Verla< 1885. Gedruckt bei J. C. C. Bruns in Minden i. W. Caecilie Kulpa una Augusta Hart widmet in Liebe dieses Bueh Der Herausgeber. mil Vorbemerkung. Von den englischen Bluthenlesen in deutscher Sprache ist die vorliegende, soviel ich weiss, die erste, welche in chronologischer Anordnung eine vollstandige Uebersicht der Entwickelung der Poesie in England, wie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika von ihren Anfangen bis auf die Gegenwart giebt. Wahrend die iibrigen sich auf einen eng begrenzten Zeitraum beschranken, oder willkiirlich einzelne wenige Geister aus der Menge herausgreifen, fehlt in der vorliegenden Sammlung keine hervorragende und charakteri- stische Erscheinung, welche leuchtende und tiefe Spuren in der Geschichte der britischen Dicht- kunst zuriickgelassen. Sie giebt ein vollstandiges und abgerundetes Bild, und kann Denjenigen, welche ihre Belehrung am liebsten bei den Dichtern selbst suchen, vollkommen eine Littera- turgeschichte ersetzen, besonders, da ausfiihrliche litterarische Daten die Proben erganzen. Dieser Umstand allein diirfte bei der Wichtigkeit und Grosse der englischen Litteratur und bei der grossen Zahl ihrer deutschen Bewunderer hin- reichend sein, fiir die Daseinsberechtigung des vorliegenden Buches. — VIII — In der Auswahl der Proben liess ich mich vorzuglich von rein asthetischen Grundsatzen leiten und ich suchte darnach, nur solche Dichtungen darzubieten, welche von wahrhaft poetischem Geiste und Leben erfullt und Muster in ihrer Art sind. Nur hier und da machte ich auch dem litterarhistorischen Standpunkte Con- cessionen und zwar dort, wo die Zeiten allge- meiner poetischer Durre oder falscher poetischer Anschauungen in Betracht kommen. Was den Proben dieser Art an Schonheit und Tiefe abgeht, ersetzen sie dann theilweise dadurch, dass sie charakteristisch sind fiir den Geist ihrer Zeit. Die Namen der Uebersetzer beweisen schon, dass ich auch nach dieser Hinsicht das moglichst Beste anstrebte. Eine nicht unbetrachtliche An- zahl der Uebersetzungen ist vollig neu und bisher ungedruckt; die meisten auch von diesen durfen, so glaube ich, mit gutem Recht vollendet genannt werden. Bei einer zweiten Auflage gedenke ich, dieselben urn ein gut Theil zu vermehren. Berlin, im September 1884. Julius Hart. Malts -YerzeicMss. Einleitung: Ueber Geist und Entwickelung der eng- lischen Poesie. Erstes Buch. Die Anfange der englisehen Litteratur. Yon Beowulf bis Chaucer. Seite. . 1 Beowulf. Grinders Mutter .... Cadmon. Satan Konig Alfred. Klage Judith. Holofernes' Tod Cynewulf. Gebet des heiligen Andreas Klage der Frau . . Meilyr. Das Sterbelied des Barden . . Gwalchmai. Ode an Owain Gwynedd, Konig you Nordwales .... Howel ab Owain. Liebeslied 21 6 11 1!) Seite. Rhvs Goch ab Rhiccert. . 22 . 23 Lied an die Seemove . Liebesruhe Davydd ab Gwilym. An den Soramer 21 Layamon. Konig Arthur's Mahl .... 27 VolksliederundBalladen. Edward 30 Herr Patrick Spence .... 31 Beichte der Konigin Eleonore 33 Der Douglas 1 Untergang . . 35 Murray's Ermordung .... 37 Die Judentochter 38 Der liebe Wilhelm und schon Gretchen 40 Des lieben Wilhelm's Geist . 42 Die grausame Schwester . . 44 Lord Lovel 45 Lord Gregory 47 Lady Anna Bothwell's Klage . 47 O weh ! o weh ! 49 Nachruf 50 X Seite. Klage dor Granzerwittwe . . 51 Die beiden Raben 51 Die Liebe weiss den Weg . . 52 Lords Marie 53 Kin Puritanisches Brautpaar . 55 SchoD Mary Die goldene Hochzeit .Marianne llansehen und Hannchen Der gefiigige Ehemann . Seite. 56 57 58 59 59 Zweites Buch. Die englisehe Litteratur im Zeitalter der Renaissance. Yon Chaucer bis Milton. Geoffrey Chaucer. Die Erzahlung der Frau von Bath 63 Lydgate. Die Frau mit den si eb en Manner n 74 Konig Jacob I. Abschiedslied an die Geliebte . 75 Sir Thomas Wyatt. Die sprode Geliebte .... 78 H. H. Graf v. Surrey. Friihlingssonett 80 Liebesgluth 81 Philipp Sidney. Stella 82 Sonette 83 Edmund Spenser. Gliicklich, ihr Blatter .... 85 Fern von der Geliebten ... 86 Leer, Holde, ist der Argwohn 86 Gefangen 87 Liebe 87 Sir Walter Raleigh. Laura's Gruft 88 Samuel Daniel. Einst An Delia Michael Drayton. Idea 91 Johann Donne. An eine falsche Geliebte . . 92 Christopher Marlow. Seite. Faust's Tod Hirtenliebe 93 94 William Shakespeare. An Heinrich Southampton . . 96 Liebe 98 Gliick 100 Des Dichters Aug' 100 O, wiirden Giiter 100 Der gute Same 101 Ben Jonson. Auf den Tod seines Kindes . 102 Die Geliebte 103 Der Projektenmacher .... 103 Der Alchemist 105 John Fletcher. Der Gelehrte Ill Philipp Massinger. Liebessiegelung 113 Die Soldaten .114 W. D. of Hawthornden. Dennoch 116 Yon einer Biene 116 George Wither. Des Schafers Entschluss . Thomas Carew. 118 120 120 Die Silberquelle . . . Unsterbliche Liebe . , Robert Herrick. Reife Kirschen 122 An Julia 122 An die Wiesen im Winter . . 123 XI — Seite. John Suckling. Ein Verliebter 123 124 Die sondcrbare Festung . Richard Lovelace. Abschied des Cavaliers . . . 126 Der Cavalier im Gefiingniss . 126 John Milton. Satan 128 Eden 130 Seite. A.hini erblickt Eva .... 131 Der Abend 182 An Cromwell 134 Auf Shakespeare 134 Auf seine Blindheit .... 135 Der Blinde 135 Abraham Cowley. Im Walde 136 Die Diebin 137 Trinklied 138 Drittes Buch. Die englisehe Litteratur im Zeitalter des Classieismus. Yon Milton bis Burns. Seite. Edmund Waller. Auf den Tod des Lord Pro- tektors 141 Der Selbstverbannte .... 142 Samuel Butler. Sir Hudibras 143 John Dryden. Das Alexanderfest 148 Graf J. W. v. Rochester. Die Verlassene 152 Mathew Prior. Gesang 153 An die weinende Geliebte . . 153 Alexander Pope. Epistel an eine Dame Heloise an Abelard Zufriedenheit .... 156 163 167 Allan Ramsay. Liebeslied 169 Edouard Young. Vom Tode 170 James Thomson. Rule Britannia 172 Ein Sommermorgen .... 173 Seite. . 175 . 179 . 182 Thomas Gray. Elegie Tobias Smollet. Schottlands Thranen . . Oliver Goldsmith. Das verlassene Dorf . . William Cowper. An Marie 188 James Macpherson. Vinvela und Shilrik . . . .191 Fingal 193 An den Mond 194 Darthula's Grabesgesang . . 195 Peter Pindar. An einen Kuss 197 Madrigal 197 Thomas Chatterton. Klagelied 199 Lady Ann Lindsay. Der alte Robin Gray . . . .202 Robert Burns. Mein Herz ist im Hochland . 204 Abschied vom Ufer des Air . 205 XII Seite. Hochlands Mary 205 O, Btandest du 206 Mein Herz ist schwer . . . 207 Beim Scheiden 207 An Mary im Himmel .... 208 John Anderson 209 Hans Gerstenkorn 209 Trotz alledem! 211 Robert Tannahill. Schottisches Standchen . . . 213 Seite. Samuel Rogers. Auf Lord Byron's Tod . . .215 James Montgomery. Macht der Poesie 218 Das Grab 219 Allgemeines Loos 219 Thomas Campbell. Der letzte Mens eh 221 Der Abendstern 224 Viertes Buch. Die moderne englisehe Litteratur. Yon Burns bis auf die Gegenwart. Walther Scott. Seite. . 227 . 228 . 229 . 230 Constanzen's Lied . . . Donuil Dhu's Kriegsgesang Jock von Hazeldean . Das Madchen von Isla . Abschied 231 James Hogg. Kilmeny 233 Allan Cunnigham. Liebe Lady Ann 241 Die Maid von Inverness . . . 242 William Mothewell. Der Mitternachtwind .... 244 Das Meermadchen 245 Zum letzten Mai 246 Robert Nicoll. Menschen sind Briider . . . 249 William Wordsworth. Die einsaine Schnitterin . . . 251 Lied an den Kuckuck . . . 252 Des wandernden Juden Gesang 253 Wir sind sieben 254 S. Taylor Coleridge. Inschrift fur einen Heidequell 256 Sonett an den Fluss Otter . . 257 Beim Anblick einer Bluthe im Februar 257 Auf dera Brocken 258 Liebe 259 Seite. Robert Southey. Die Schlacht von Blenheim . 262 Die Rose 264 Der Catarakt von Lodore . . 266 John Wilson. Ein Begrabnissplatz .... 269 Die Vergangenheit .... 272 Thomas Moore. An Irland 274 O, haucht seinen Namen nicht 275 Die letzte Rose 275 Dir, dir, einzig dir .... 276 Die Lieb' ist todt 276 Die Abendglocken 277 Gefallen ist dein Thron ! . . 278 G. G. Lord Byron. An das Meer 279 Die Nacht auf dem Genfersee 281 Lebe wohl 284 Strophen 285 Senacherib ....... 286 Die Ebraerin 286 Jephta's Tochter 287 Am 22. Januar 1824 . . . .288 Percy Bysshe Shelley. Ode an den Westwind Die Wanderer der Welt An die Nacht Elegie Indisches Nachtlied 290 . 292 . 293 . 294 . 295 — XIII — Seite. Leigh Hunt. Abou Ben Adhem und der Engel 296 Ebenezer Elliott. Eine Proletarierfamilie in Eng- land 297 Barry Cornwall. Die Sterne 299 Konig Tod 300 Charles Wolfe. Die Bestattung des Sir John Moore 301 Felicia Hemans. Nachtlied zur See 303 Das bessere Land 304 Die gebrochene Kette . . . 304 James Josef Callanan. Die Nacht war still .... 306 Thomas Carlyle. Die Tragodie der Nacht -Motte 307 Heute 309 Cui bono 309 John Keats. Kein Ende ist der Poesie auf Erden 310 An eine griechische Urne . . 310 Thomas Haynes Bayley. Ich vergesse nicht 312 Thomas Hood. Das Lied vom Hemde . . . 313 Am Sterbebett 315 Seite. Die Seufzerbriicke 316 Ode an meinen kleinen Sohn . 319 Karoline E. S. Norton. Wir waren Freund uns beide . 321 Robert Browning. Nachtliche Zu-ammenkunft . . 323 E. Barret-Browning. Alles inbegriffen 324 Portugiesische Sonette . . . 325 Letizia E. Landon. Das einsame Grab 327 Thomas K. Hervey. Ich denke dein 329 x\lfred Tennyson. Dora 330 Ballade von Oriana .... 334 Strophen 337 Brich, brich, brich 337 Claribel 338 Edward Gray 339 Lady Clara Vere de Vere . . 340 Die Schwestern ...... 341 Charles Makay. Scheinjmvelen 343 Zwei Hauser 345 Ed. R. Bulwer Lytton. Indisches Liebeslied .... 346 Konig Macbetlrs Schloss . . 347 "Warming 348 A. Ch. Swinburne. Ein Paar 351 Ftinftes Buch. Nordamerikanisehe Diehter. Seite. Dr. Sheckburg. Yankee doodle 355 Josef Rodman Drake. Die Flagge der Vereinigten Staaten 358 Hanna F. Gould. Die Winde 360 Seite. John G. C. Brainard. Lehre der Blumen 362 William Cullen Bryant. Der Freiheit Alter 363 Thanatopsis 365 Der Wasservogel 367 O, schonste Maid vom Lande du 368 XIV Seite. Oliver Wendell Holmes. Das letzte Blatt 370 John G. Whittier. Winterbilder 372 Dammerungsbild 374 Barbara Frietchie 374 Edgar Allan Poe. Annabel Lee 377 Einer im Paradies 378 Dor Rabe 379 An Helene 383 H. W. Longfellow. Excelsior 386 Des Sclaven Traum .... 388 Morgenwind 389 Am Abend 390 Nachmittag im Februar . . . 391 Letztes Gedicht 392 Alfred B. Street. Der Ansiedler im Westen . . 394 F. S. L. Osgood. Lied 397 Fur dich 398 William W. Story. Geheimniss der Liebe . . . 399 James Russell Lowell. Das Vaterland 400 O Mondlicht 401 Standchen 401 Walt Whitmann. Der Kapittin 403 Alt Irland 404 In der Wildniss 405 Die Flagge 406 Seite. Stuart Sterne. Aus der Wiiste des Lebens . . 407 Macht 407 Riihmt auch die Welt . . .408 Bayard Taylor. Kamadeva 409 Beduinenlied 410 Orientalisches Traumleben . . 411 Die Odaliske 412 Richard H. Stoddard. Im Harem 414 Serenade 414 John Aylmere Dorgan. Nachtlied 416 Medusa 416 Thomas B. Aldrich. Wenn der Sultan nach Ispahan reist 418 Kleine Maud 419 Francis Bret Harte. Eine Friedensbotschaft . . . 421 An einen Seevogel .... 422 Dickens im Lager 423 Was der Schornstein sang . . 424 Im Tunnel 425 Joaquin Miller. Kit Carson's Ritt 427 Sarah Carmichael. Auf den Tod Abraham Lincoln's 432 John James Piatt. Das erste Liebespfand . . . 435 Der Liebesbrief 435 Edward Rowland Sill. Im Morgenlicht 436 Alphabetisches Register. Seite. Abou Ben Adhem — mag sein Stamm gedeih'n .... 296 Ach, Alles warst du mir . . . 378 Ach nein, wir nennen ilm nicht mehr 312 Adam erblickt Eva (Aus „Ver- lorencs Paradies") . . . 131 Als aus dem Wellenschoos empor 172 Als Freiheit von ihrer Berge Hoh'n 358 An einem Sommerabend sass . 262 Auf den Feldern wogt der Mais 374 Aus der "Wuste des Lebens . . 407 Aus der Wuste triigt mich zu dir 410 Begliickt, wenn in der Heimath Schoos 167 Beim Abendgang der Glockenklang 277 Beim Morgenroth,im Abendscheine 276 Betracht' ich, wie mein Licht 135 schwand 135 Brich, brich, brich . . . . .337 Bringt bin micb 81 Cromwell, du unser Haupt . . 134 Da die Messe war gesungen . . 27 Das verlassene Dorf (Bruchstuck) 182 Da unser Land und unser Gott 287 Das Thai durcbschweifte Kilmeny 233 Dein Auge lieb' ich 99 Dein Scbwert, wie ist's von Blut so roth 30 Dem hocbherzigenFiirsten sing' ich 19 Dem Konige der Konige ... 17 Der Abend (Aus „Verlorenes Pa- radies") 132 Der Alchemist (Aus dem Lust- spiel „Der Alchemist") . . 105 Der Blinde (Aus „Yerlorenes Pa- radies") 135 Der Duft von gliihendom Sandcl- holz 414 Seite. Der Fichtenwald stand mondes- glanzumwoben 423 Der Gelehrte (Aus „Der alt're Bruder") Ill Der gute Name ist bei Mann und Frau 101 Der Konig sitzt in Dumferline's Stadt 31 Der Liebsten Augen 98 Der Mond, die Sonne .... 409 Der Mond ist wolkennachtumhiillt 414 Der Poesie auf Erden .... 310 Der Projektenmacher (Aus „Der dumme Teufel") . . . .103 Der Regen, er rinnt 38 Der Siedler schwang sein Beil . 394 Der Springquell rauschte . . . 412 Der Tag entschwand . . . .390 Der Tag senkt seine Schwingen 391 Des Dichters Aug' 100 Des Hiigels Sohn ist mein Geliebter 191 Des Lords Marie strich die Locken 53 Des Tages Scheiden kiindet . . 175 Dich vergessen 274 Die durst'ge Erde trinkt den Regen 138 Die Nacht ist schwarz .... 245 Die Nacht laj auf den Alpen . 386 Die Nacht war still und dufterfiillt 306 Die Soldaten (Aus „Der Herzog von Mailand") 114 Die Sonn' an dem Decembertag 373 Die siisse Zeit 80 Doch ein AVort, alte Mutter . . 405 Donuil Dhu's Kriegsgesang . . _'_ )s - Drei Konige sassen imMorgenland 209 Du, der geweckt aus seinem Som- mertraum 291 Du, dessen Stromung bei des Wetters Groll 291 XVI Seite Du Gegenbild dor wilden Welt . 281 Du hehrstes Feuer 87 Du jungfrauliche Braut der Ruhe 310 Du liebe Heimathfluth . . . .257 Dunkel braust das Meer . . . 303 Durch die Fensterliiden kein Licht- strahl wallt 401 Du schwurst bei deinem Gott . 55 Du siisse Blume 257 Du siisser, siisser Wicht . . . 319 Du weinst, geliebtes Madchen . 153 Eden (Aus „Verlorenes Paradies") 130 Ein altes Kirchlein 436 Ein besseres Land nennst du . 304 Ein dunkles Meer 323 Ein einfach Kind 254 Ein kleiner, namenloser Bach . 392 Ein Kenner ? Die Wette ist sicher 427 Ein Silberspeer, den jah entsandt 411 Ein Sommermorgen (Aus: „Die Jahreszeiten") 173 Einst um Mitternacht .... 379 Einst war 'ne Frau 74 Ein Wind strich iiber den Wellen- schaum 389 Ein Yankeebub' ist schon . . . 355 Emma Moreland 339 Er hatte viel erlebt 215 Er lag beim ungegarbten Reis . 388 Erwache, mein Gesang, vollende 78 Es begab sich an einem Sonntag 40 Es kommt ein Geist 42 Es lebt 'ne Maid in Invernes . . 242 Es sassen zwei Schwestern * . 44 Es sind viele, yiele Jahre her . 377 Es stand ein Kramer .... 343 Es trat zu mir ein Geist . . . 407 Es war am Konigsfest .... 148 Es wird nicht mit der Kunst . . 345 Faust's Tod (Aus ,,Doctor Faust") 93 Fur dich schmiick' ich .... 398 Fur Weinende giebt's einen Ort 219 Gebadet im Dufte des Kriegs . 406 Gebet des heiligen Andreas (A. d. L. v. hi. Andreas) . . 13 Gedanken , Leidenschaft , Ent- ziicken 259 Gehst du mit nach der Schafbucht 58 Gliicklich, ihr Blatter .... 85 Gliick ist gleich einem Schalle . 100 Grindel's Mutter (Aus Beowulf) . 1 Hanschen sprach zu Hannchen . 59 Hast, liebes Madchen .... 120 Hat mein lieb' Weibchen Lust zu gehen 59 Heil dir, mein Wald 363 Heil euch, Patrieierbaume . . . 136 Seite. Heloise an Abelard (Bruchstucke) 163 Herwiirts gleitend auf lassigen Schwingen 422 Holofernes' Tod (Aus „Judith u ) . 11 Ich bin frei ! gesprengt ist dieKette 304 Ich dacht' einst dran .... 325 Ich denke dein in der JSacht . . 329 Ich hab' ihn jiingst geseh'n . . 370 Ich sah dich einmal 383 Ich stand auf Brockens Herrscher- hoh' und sah 258 Ich wandelt einsam 51 Ich war einst in den Himmeln . 6 Ich weiss, dass alles unterm Mond 116 Ich weiss, wo einsam Einer ruht 327 Ihr waret frisch und griintet . . 123 Im griinen Mantel das schone Kind 21 Im milden Mondenstrahl traumen 416 Im Morgenlicht, im Abendwehn . 169 Im Schornstein sang der Xacht- wind ein Lied 424 In Jahren, die schon langst vorbei 219 In unsers Konigs Arthur alten Tagen 63 In wiister Schmach des Geistes . 98 Ja, ein lebend'ger Geist . . . 218 Ja, seit dein Auge 75 John Anderson, mein Lieb, John 209 Kanntet nicht Flynn 425 Kein goldgeschmiickter Fiirsten- marmor soil 96 Kein Trauerchoral 301 Klage (Aus dem Metra des Boethius) 9 Komm' nicht, wenn ich gestorben 337 Konig Macbeth sitzt im Schloss 347 Konig Tod, dieser seltsame Alte 300 Krank lag die Konigin Eleonor' 33 Lady Clara Vere de Yere . . . 340 Lass gleich dem Wald mich . . 292 Lebe wohl und war's fur immer 284 Leb', Norden's Harfe, wohl . . 231 Leer, Holde, ist der Argwohn . 86 Letzte Rose des Sommers . . . 275 Liebessiegelung (Aus „Die un- selige Mitgift") . . . .113 Lord Lovel vor seinem Burgthor 45 Madchen vora Isla, hoch vom Riff 230 Madchen von Kola, du schlafst 195 Mein Herz ist im Hochland . . 204 Mein Herz ist schwer .... 207 Mein Herz vergeht in Traurigkeit 334 Mein Korper schlaft 346 Mein Lieb baut' mir 51 Mein trages Fleisch 97 Mich daucht', ich sah die Gruft . 88 Mild strahlte auf die Wangen dein 50 Mit einer Liebe, die 82 — X V 1 1 Seite. Mit Farmer Allan wohnten . . 330 Mit Fingern, mager and mfid' . 313 Nicht -loch. Editha 264 Nichr weilmein Lichen kleiner jetzt 142 Nie zeugte Liebe, was sich glich 399 Nimrn dich in Acht vorZauberkraft 348 Noch ein Kuss mid dann geschieden 208 Noch nie hab' eine Locke . . . 325 Nun lernt Entsagung 141 Nun Bind es zwanzig Jahre schon 188 Nun traur' in Schweigen, Israel 278 O, Anker silberklar 91 Ob Armuth euer Loos auch sei . 211 0, dass ich lag' in Mary's Gruft 56 O, die alte Welt ware so gliicklich 249 O, diese Sykomore 256 O, Feld uiid Fluss 205 O, Friihliugsbote, dich horte ich 252 O, haucht seinen Namen nicht . 275 O Hochland und o Siidland . . 37 O, Kind der Liebe 197 O, komm' zu rair und liebe mich 94 O, Kuss, du Spender rothlieher Juwelen 84 O, mem einsam — einsam — ein* sain Kissen 285 O, milder Stern 208 O Mondlicht, wunderbares . . 401 O, schau ihr Auge! Die Nacht . 103 O, schlafst du schon, lieb' Else . 213 O, schonste Maid vom Lande du 368 O, schwarz, sehwarz ist die Mitter- nacht 47 O, sieh' mich nicht so lachelnd an 276 O, sieh' sie, einsam im Gefild . 251 O Sommer, Vater du der Wonue 24 O, standest du 206 | O Stern, der heim dieBiene weist 224 O, stimmt in meine Klagen ein . 199 O Siisse, nicht erschlag . . . 116 O weh! o weh, hinab in's Thai . 49 O, wilder West wind 290 O, wo ist unser Herzblatt . . . 419 O wiirden Guter 100 Reife Kirschen . . . reif . . . reif 122 Roll' an, tiefblauer Ocean . . 279 Riihnit auch die Welt .... 408 Sag' mir nicht 126 Sag' mir, Stern, des helle Pracht 292 Sag' nicht, dass ich dir Herz . 416 Satan (Aus „Verlorenes Paradies") 128 Schick' heimmein schweifend Aug' 92 Schlaf" sanft, mein Kind ... 47 Schon bist du, o Kind .... 194 Schone Move auf der Oberfliiche 22 Schon manchen Morgen sah ich 97 Schon steigt herab 205 Engl. - Amerik. Dichter. Seite. Bchuf >o dif Cunst sie . . . . ^7 Sch\vv<>l!. (» schwermaths- voll 244 8ein Aug' der Gliihwnrm leih 1 dir 122 Bieben .Jahre warst du . . . . 102 Sieben Tag' und sieben Nacbte . 406 Sie bricht vom Strauch eine Etoee 436 Sie geht in Schonheit .... 286 Sie haben Recht, Madame . . . 156 Sieh', Delia, wie man ehrt . . 89 sic zieh'n entlang den weiten Plan 299 Sir Hudibras (Aus .,Hudibras u ) . 143 'S ist Honig auf meines Lieb- chens Lippen 241 So brich denn jung von Neuem 309 Soil durch dein Bild 99 Soil verzweifelnd ich vergeh'n . 118 Sprich, Fraulein, warum harmst du dich 229 Steh auf, steh auf, Lord Douglas 35 Stella, Glanzstern 82 Still ist die Mitternacht .... 307 Strome rauschen aus den Quellen 253 Tisch', Stuhle, Bett 297 Traur', amies Kaledonierland . 179 Ueber den Bergen 52 Una uns ergossen sich die Strahlen 23 Und ist es wahr 326 Und tiefer urn uns her .... 374 Vom Schlummer fahr' ich auf . 295 Vom Tode (Aus den „Naehtge- danken") 170 Yon aller Aussenwelt geschieden 372 Yon Lust und Arbeit .... 137 Yon mir gar Sinnbetriibtem . . 15 Yor einer Feste sonderbar . . 124 Yor manchen, manchen Jahren . 57 Wach' auf, mein guter Kapitiin . 403 Wandle sehnell iiber's westliche Meer 293 War' ich ein todtes Blatt . . . 202 War" Liebchen eine Rose . . . 351 Warum so blass, verliebtes Blut 124 Was niesst, zur See sich wendet 432 Was ist Hoffnung 309 Was ist, vergeht in Dunkelheit . 221 Was willst du, dass die Hand . 324 W T eit von hier, auf einer Ins el . 404 Wenn Alle, die vor mir das Knie 397 Wenn der Sultan, Schah Zaman 418 Wenn die Lampe zerschmettert . 294 Wenn die Schaaf* in der Hiird' . 202 Wenn ich nach Trost .... 97 Wenn Liebesschwingen unge - hemmt 12»i Wenn vor Musik und Wein . . 153 Wer aus Wangen, rosig bliih'nd 120 II XVIII Seite. Wer liebend Umgang pflegt . . 365 Wieder zu athmen miid' . . . 316 Wie gleicht ihr Blumen . . .362 Wie heiter klang des Schafers Sang 197 Wie hundert Winde 193 "Wie kommt das Wasser herab . 266 Wie konnt' ich thoricht hoffen . 83 Wie mit so schwerem Tritt . . 83 Wie sich die Taub 1 am diirren Aste schwinget .... 86 Wie traurig diese Statte ruht . 269 Wie wild und wirr ist dieses Leben 272 Wie Wolfe in die Hiirde . . .286 Willkommen, Liebesbriefehen . 435 Wir koramen heran 360 Seite. Wir lauschten bang die ganze Nacht 315 Wir waren Freund uns beide . 321 Wir waren zwei Tochter . . . 341 Wo Claribel im Grabe liegt . . 338 Wohin beim fall'nden Thau . . 367 Wohin entschwand er . . . . 152 Wohl seh 1 ich einst noch Zeit . 89 Wo ist das wahre Yaterland . . 400 Wo soil die Ruhstatt sein . . .227 Wozu braucht meines Shake - speare's hehr Gebein . . 134 Zeit ist's, mein Herz .... 288 Zerbersten will mein Kopf . . 246 Zum Yv T ind horf ich 421 Geist und Entwickelung der englisclien Poesie. Als im Jahre 55 v. Chr. Geburt Casar zum ersten Male romische Heere nach den britischen Inseln hiniiber- fuhrte und auf solche Weise auch dieses Reich der Ge- schichte erschloss, traf er als Einwohner Leute keltischer Race an, Stammgenossen der von ihm eben niedergeworfenen Gallier, in verschiedene Stamme und Volkerschaften zer- splittert. Trotz eines zwei Jahrhunderte hindurch w'ahren- den Kampfes, der mit dem Siege der Romer endete und trotz einer eben so lange wahrenden Herrschaft der Letzteren hat dieses weltbeherrschende Volk, welches die Entnationa- lisirung iiberall mit Erfolg betrieb, nur wenig Spuren in dem eroberten Lande hinterlassen. 409 wurden die letzten romischen Soldaten vom Kaiser Honorius zuruckgerufen und das Inselreich den heftigen und blutigen inneren Kampfen der keltischen Stamme, einer gegen den andern, iiberlassen. Die Zeit der Volkerwanderung war angebrochen und unter ihren anstiirmenden Fluthen brach das romische Reich zusammen. Siegend drangen die kriegerischen und stolzen Stamme der wanderlustigen Germanen in alle Lander ein und ergossen ihre Wellen auch'uber die britischen Inseln. Von Norden und Osten schwammen Schweden, Norweger und Danen heriiber, von Siiden kam ein friesischer Volks- stamm, die Angelsachsen, und setzte sich, mit dem Schwerte II* — XX — in der Hand, in den nach Mittag gelegenen Theilen fest. Wie erzahlt, riefen die von den wilden nordischen Stam- men der Picten und Scoten bedrangten Kymren diese Angelsachsen unter ihren Hauptlingen Hengist und Horsa 449 zu Hiilfe, doch nur, urn sich einen noch gefahrlicheren Feind in ihnen zu schaffen. Bald wandten die Bundes- genossen die Waffe gegen ihre eigenen Schiitzlinge und drangten sie aus ihren Sitzen an die Westkiiste hin, nach Kornwallis und Wales, von wo aus die Vertriebenen einen verzweifelten, Jahrhunderte hindurch wahrenden Verthei- digungskampf unterhielten, der erst mit ihrer Unterwerfung durch Eduard I. endete. Die germanische Einwanderung war von ganz anderer Art, als die romische. Diese sahen in Britannien nur eine Colonie, die Germanen machten das eroberte Land zu ihrer Heimath und setzten sich mit ihren Familien fest, um nicht wieder davon zu gehen. Das urspriingliche keltische Element wurde fast ganz von ihnen aufgesogen und seiner Lebensbedingungen beraubt. Siebenhundert Jahre lang erfreuten sie sich des unge- storten Besitzes ihrer Heimath, waren die unabhangigen Beherrscher ihrer Lande. Mehr und mehr treten die rohen Leidenschaften des Kriegers und Jagers zuruck, und die Cultur fangt an, ihre segensreichen Fittige auszubreiten. Wohl waren bereits die besiegten Kelten dem Christen- glauben gewonnen worden, aber die Angelsachsen hingen anfangs noch ihren heidnischen Gottheiten an, und ihr Sieg war auch ein Sieg der letzteren iiber das Kreuz ge- wesen. Doch nicht auf lange Zeit. Schon 597 wurde Ethelbert, der Konig von Kent, welcher eine frankische Furstin ehelichte, getauft und zu Canterbury das erste Erzbisthum errichtet. Langsam, aber sicher drangte mehr und mehr das Heidenthum zuruck, und Kloster und Kirchen erhoben sich an Stelle der Opferaltare. Ein frisches Leben entfaltete sich iiberall. Da stromte eine neue Volkerwelle iiber das Land. Im Jahre 1066 setzte der herrschsuchtige, ebenso schlaue, wie tapfere Wilhelm, Herzog von der Normandie mit seinen Schaaren iiber den Canal, und wie die Araber die gothische Macht in der einen Schlacht bei Xeres de la Frontera brachen, so warf auch er bei Hastings mit einem Stosse das angelsachsische Reich iiber den Haufen. Konig Harold blieb todt auf der Wahlstatt zuruck. — XXI — Diese Normannen waren ein Qberaus bewegliches unci schmiegsames Yolk, welches sich rasch alien Verhaltni anzupassen wusste. Auch sie gehorten der germanischen Race an und hatten sich im Anfange des 10. Jahrhunderts, unter ihrem Hauptlinge Rollo aus Norwegen von Harold Harfagr des Landes verwiesen, als kiihne Seerauber der Normandie bemachtigt. Hier mischte sich ihr Blut reich- lich mit romanischen Elementen, so reichlich, dass sie, die Sieger, ihre Herkunft bald vergassen und Sitte und Sprache von den Ueberwundenen annahmen. Noch war das zweite Jahrhundert seit ihrer Festsetzung.in Frankreich nicht ver- tiossen, und schon brachten sie nach England die franzo- sische Sprache als heimische heruber. Hier nun wiedcrholte sich derselbe Vorgang, wenn auch nicht so rasch, so iiber Nacht, wie jenseits der Meeresenge. Freilich traten sie in der ersten Zeit als rauhe und gewaltthatige Eroberer auf, denn England war ihnen im Anfang keine Heimath, sondern nur ein unterworfenes Land, und wahrend die Normannen alle ersten Stellen und Aemter an sich rissen, wurden die Angelsachsen unterdriickt und auf jede Weise ausgepliindert und ausgesaugt. An Stelle der heimischen Sprache trat in Gericht, Schule und Kirche das Franzosische, und die Ge- setze wurden nur in dieser Sprache erlassen. Doch das sachsische Volk war zaher, als seine Besieger! Ein ausserer Umstand kam hinzu. 1206 ging den Normannen die alte Heimath verloren, und die Helden von Hastings waren nunmehr ganz allein auf ihr Inselreich angewiesen, mussten sich dort einrichten, so gut es gehen wollte. Ihre kleine Zahl verschwand leicht in der grossen angelsachsischen Menge und war viel zu schwach, eine Cultur zu vernichten, die der ihrigen mindestens ebenbiirtig war. So mussten sie nothgedrungener Weise ihre starre Abgeschlossenheit fahren lassen und ihr Blut mit dem der Unterworfenen mischen. Der Charakter der beiden Volkerschaften suchte sich einer dem anderen anzupassen und die Sprachen gegen- seitig mit ihren Elementen zu durchdringen. So entstand jene iiberaus gluckliche Mischung, die wir in der englischen Geschichte und Litteratur bewundern miissen. Letztere ist, wie Scherr treffend hervorhebt, „durchaus national, ein gesundes, aus dem Marke des Volkes hervorgesprosscnes Gewachs. Ihr Grundcharakter blieb der germanische, denn das angelsachsische Element war kraftig genug, den Ein- fliissen der normannischen Invasion in Bezug der Sprache — XXII — und Sitte nicht zu erliegen, wahrend ihm die allmahliche Beimischung des leichteren franzosischen Blutes hinwiederum seine Starrheit und Plumpheit nahm . . . Das normannische Element verlieh der englischen Poesie die bewegliche Phan- tasie und gestaltende Kraft, das sachsische den universellen Blick, den gediegenen Ernst, die germanische Gemiithstiefe und Gefiihlsinnigkeit, aus welcher jener kostbare Humor entsprungen ist, der die Litteratur Englands von ihren An- fangen an bis auf den heutigen Tag vor anderen Littera- turen so charakteristisch ausgezeichnet hat." Das bewegte Bild, w,elches die Geschichte Englands in diesen Jahrhunderten, von Caesar bis zum 15. Saeculum nach Chr. bietet, wiederholt sich naturgemass auch in der Poesie. Es ist eine Zeit der Zuriistung und Zubereitung ; noch scheint alles auf sich selbst zu bestehen und eins von dem anderen sich fremd abzuschliessen, jede Sprache bringt ihre eigene Poesie hervor. Aber es fehlt auch nicht an den geheimen Faden, die hinuber- und hertiberschiessen, an Stromungen, welche ihre Wasser untereinander mischen. Das ursprungliche keltische Element fehlt nicht in dem Kranze der Litteraturen, die auf englischem Boden hervor- gesprossen. Die galischen Dichter sind reich an Zahl und fruchtbar in ihren Hervorbringungen. Sie bildeten eine eigene Kaste, deren Stifter der mythische Merlin gewesen sein soil und nahmen unter ihren Stammesgenossen eine hochgeachtete Stellung ein. Barden hiessen sie und waren halb Dichter. halb Priester! Unter Konig Artus, der an der Seite seines Weibes Ginevra in Kardigan herrschte, entwickelte dieses Yolk sich zu einer glanzenden Bliithe, welche noch lange in den Liedern und Gesangen nachlebte. Die Poesie war ausserordentlich kunstvoll und von strengen Regeln eingeschniirt. Aber in Aneurin, Taliesin, Meilvr, Gwalchmai, Llvwarch ab Llywelyn u. s. w. u. s. w. hoben sich starke und kraftige, von gluhendem Nationalgeist ent- flammte Geister empor, welche trotz derselben in rauhen und machtigen Kliingen kampfwilde Oden fiir Freiheit und Vater- land sangen und die blutige Poesie des Schlachtfeldes ertonen liessen. Der Untergang der nationalen Selbst- standigkeit war auch der Todesstoss fiir das Bardenthum. Ihre politischen und kriegerischen Lieder verstummten und bald auch das Liebeslied, welche in Davydd ab Gwilvm einen ebenso zarten, wie leidenschaftlich-feurigen Sanger gefunden: tiefer und tiefer sank ihre Poesie bis zum Bankelsangerthum — XXIII — herab, aus dem nur einzelne edlere Erscheinungen sich her- vorhoben, wie der blinde Turlough O'Karolan (1670 — 1738), wie Robert Mackav, der braune Rob, der in der Mitte des vorigen Jahrhunderts bliihte. Der alt- und neuenglischen Poesie stand sie freilich kalt und fremd gegeniiber, zuge- knopft bis an den Hals, aber dennoch bereicherte sie ihre Stoffkreise machtig durch den gliihenden und flimmernden romantischen Strom der Artussagen , durch die hoch- poetischen Gestalten einer Konigin Ginevra, eines Lanzelot, eines Iwein, eines Merlin, welche rasch auch die deutsche, spanische und franzosische Poesie eroberten. Stahlhart, rauh und scharf, wie Schwerterschlag, gleich der wiilischen Poesie, tonten in den Nachbargebieten die Gesiinge der Angclsachsen. In den Edelhofen sangen die Harfner das Lied vom Beowulf, ein Stuck gewaltiger Wald- und Kampfpoesie, die wie eine wetterharte Eiche mit zer- rissener Rinde dasteht, und selbst die geistliche Poesie der Cadmon und Cynewulf, die in den stillen Klosterhofen bliihte, spiegelt ganz dieselbe graue und schwere, von See- winden durchstiirmte nordische Luft wieder; ihre Menschen sind Helden und echte Nordlandsrecken, in deren Adern warm das deutsche Blut machtig wallt, und das „Judithlied u athmet ganz die Kampf- und Siegeslust des Germanen- thums. Obwohl von Fremden heriibergetragen, hat das Christenthum das nationale Geprage nicht im Geringsten zu verwischen gewusst, die angelsachsischen Monche sind und bleiben die ersten Kinder ihres Volkes. Anfangs scheint es, als wollte mit der normannischen Eroberung eine Wandlung in diesen Dingen eintreten. In dem Zuge der Ritter befanden sich genug Sanger und Dichter, „ Minstrels", die, wie Taillefer, Schwert und Harfe zugleich zu handhaben wussten. Sprache, Stoffe und Ideen- kreis hatten sie mit den nordfranzosischen Trouveres gemein, und ihre Lieder brillirten in all' den Eigenschaften, welche die romantische Ritterpoesie damals auszeichneten : keck, sprudelnd, glanzend, aber weniger tief und gehaltvoll. Sie bliihte auch in England am Hofe des Konigs und in den Burgen des normannischen Adels weiter, und gelehrte Manner vom Priesterstande suchten die Erzahlungen der Sieger in weiteren Schichten des Volkes zu verbreiten. So iibersetzte Layamon das Heldengedicht von Richard Wace „Le Roman de Brut" in ein reines, von franzosischen Elementen fast ganzlich freies Englisch, welches an Stelle — XXIV — des angelsachsischen Stabreims bereits zahlreich die Asso- nanz und den Silbenreim stellt. Aber diese Kunstpoesie verdrangt nicht die Sangeslust aus den Herzen des Volkes. Sein dichterischer Drang schafft sich einen Helden in dem kuhnen Rauber Robin Hood, dem Kampfer fur das nationale, sachsische Recht gegeniiber den normannischen Eindringlingen, und besingt seine tollen Thaten in nicht minder prachtvollen Balladen, wie die Spanier die ihres Cid. Und wahrend die hofische Dichtung an Aventiuren sich ergotzte, die heute nur den Forscher interessiren, lebt die Dichtung des Volkes durch alle Jahrhunderte im Herzen und im Munde fort und erobert durch ihre gewaltige und erschiitternde Tragik, durch ihre tiefe, seelenvolle Empfindung, durch ihren kost- lichen und erquickenden Humor noch heute alle Cultur- volker. Der reiche Schatz der englischen Volksballade und des Volksliedes ist das Werthvollste, womit uns das erste Buch dieser Litteratur beschenkt ; es zeigt uns. wie reich die Schachte des Herzens sind, aus dem sie hervor- geholt. So ist der Grundstock des machtigen Gebaudes gelegt, die Wege sind abgesteckt, in denen sich die Dich- tung der folgenden Zeiten bewegen wird. Unterdriicker und Unterdruckte reichen sich die Hande ; diese geben den Geist, die Empiindung, die Seele, jene wesentlich die Form und den Korper ; diese geben das Geriist und Wesen der Sprache, jene machen sie beweglich und zierlich. Einer jener Genien, die in Hunderten von Jahren nur einmal auftreten, Geoffrey Chaucer, vereinigte die Elemente zum ersten Male in seinen ^Canterbury - Tales" zu einem organischen und harmonischen Ganzen. Es ist die Zeit der Renaissance angebrochen ! Aus Schutt und Triimmern steht die Marmorpracht hellenischen Geistes wieder empor, aus den dunkeln Klosterbibliotheken tauchen Homer, Virgil und Horaz an's Tageslicht, und ihre heitere Weltfreudig- keit, ihre Lust am Leben und die Grazie ihre Formen erfullt die Seele der Nachgeborenen mit Bewunderung. Petrarca und Boccaccio trinken mit vollen Ziigen aus diesem erquickenden Quell der Verjiingung. Auch Chaucer konnte sich auf seiner Italienfahrt den berauschenden Ein- driicken einer solchen Lebenslust nicht entziehen! Er bringt eine Fulle von heiteren und ernsten Erzahlungen mit, er tragt die Bewunderung fur edle und schone dichterische Formen, wie er sie bei den Italienern fand, in's Vaterland — XXV — heim. Aber im Herzen ist er ein echtes Kind seines Landes geblieben, national und volksthumlich vom Wirbel zur Zehe. So driickt er der Sprache und der Form den Stempel seines Genius auf, baut den Tempel der englischen Poesie weiter aus, dass Normanne und Angelsachse, jeder das ihm Zusagende, darin findet, jener Witz, Grazie und Anmuth, Zierlichkeit und formalen Glanz, dieser Humor, Tiefe, Seele und Empfindung. Chaucer schlug eine Briicke des Verstandnisses fiir die sich noch immer feindselig Gegen- iiberstehenden, seine Dichtungen wtirden eine nationale und politische That. Eine Zeit oder und unfruchtbarer poetischer Diirre folgt auf diese gliinzenden Festtage. Ein ganzes Jahr- hundert hindurch, — und die Lever ist verstummt in dem wilden und blutigen Gedrange innerer Biirgerkriege, in denen der Adel des Landes sich zerfleischt. Es sind die Kampfe der rothen und weissen Rose, welche das Insel- land durchtoben. Grausige Kampfe und doch voll segens- reicher Folgen ! Die Kraft des Ritterthums verblutet sich auf den Schlachtfeldern, und an seine Stelle riickt ein reiches, kraftiges und thatenfrohes Burgerthum. Die Macht des mittelalterlichen Feudalismus wird gebrochen und iiber die zusammenstiirzenden Burgen hin reichen sich Konig und Stadt die Hand, urn die Grundlagen einer freiheitlicheren Verfassung, welche auch dem Volke Stimme verleiht, zu schaffen. Die gewaltige Bewegung der Reformation erhebt sich sturmgleich in Europa und tragt iiberall neues Licht und neues Leben hin. Die Gewissensfreiheit und das Recht freier Wissenschaft lost alle Seelen und Geister. „Es ist eine Lust zu leben," jubelt es in Ulrich von Hutten auf, und wie in Deutschland, so in England. Unter dem Scepter der jungfraulichen Elisabeth nahm dieses Land einen gewaltigen Aufschwung und stellte sich in die Reihe der ersten europaischen Nationen. Im Innern ruhig, entwickelte es eine thatige und fleissige Industrie, der Ackerbau bliihte und der Handel hob sich kraftvoll auf. Reichthiimer stromten von alien Seiten in's Land, und ein selbstbewusster Biirgerstand wusste mannhaft seine politischen und religiosen Freiheiten zu vertheidigen und zu bewahren. Auch der Katholicismus blieb vor ernst- hafterer Gewissensbedriickung bewahrt. Dazu festigten die gliicklichen ausseren Kampfe, der Triumph iiber die spanische Weltmacht Philipp's II., den - XXVI - Nationalstolz, so dass sich rasch das farbenfrohe, lebendige Bild des „merrv Old England", des lustigen Altcnglands entfaltete, das noch heute den Culturhistoriker mit froh- lichem Behagen erfullt. Der Hof und das Volk waren beide erfasst von einem derben, natiirlichen Drang, das Leben mit vollen Zugen zu geniessen, und eine kraftvolle Sinnlichkeit, ein Behagen an Wein, Weib und Gesang, erfullte all' diese vollblutigen und kerngesunden Menschen. Bunte Aufziige, theatralische Spiele und Volksbelustigungen aller Art waren an der Tagesordnung. aber Hand in Hand damit gingen ein tiefer Ernst, eine edle Gedankenarbeit voll wahrhafter, sittlicher Tiefe, eine rastlose Th'atigkeit auf alien Gebieten .... In diesen Tagen bliihte das goldene Zeitalter der englischen Poesie, und die von Geoffrey Chaucer ausge- streute Saat schoss in goldnen Aehren empor. Die Gold- barren, die er in seinen Werken aufgebaut, miihten sich hundert kleinere Geister, einzeln zu Kunstwerken zu ver- arbeiten. Denn es musste naturlich noch eine langere Riistzeit vorhergehen, ehe die Sprache und der Geist des Volkes die gewaltige Kraft gefunden, urn die Gebilde eines Shakespeare's hervor zu zaubern. So tritt denn nach den durren Tagen der Biirgerkriege und beim Wiederaufleben der Poesie zuerst eine gewisse Einseitigkeit in den Kunstbestrebungen hervor, und das Werk Chaucer's wird im Anfang vorzuglich nach der for- malen Seite hin gefordert. Das Biirgerthum, die Volkssanger treten zuriick, und ein feingebildeter, fur die Dichtkunst begeisterter Adel marschirt an der Spitze der Litteratur. Wie iiberall, so war er auch in England internationaler gesinnt, als das Volk und bereit, leicht die Vorziige fremder Poesieen anzuerkennen und sich anzueignen. An Bildung, Cultur und feiner hofischer Sitte standen damals die Spanier und Italiener an der Spitze der Nationen und ihre Hofe gaben die Muster fur die iibrigen ab. Auch auf die englische Ritterschaft wirkte dieser Einfluss natur- gemass ein, und weit offneten sich die Wege, auf denen die Schopfungen der italienischen, wie spanischen Poesie reichlich zu ihnen herekidrangen. Letztere hatten damals eine weltlitterarische Bedeutung, wie sie sich spater die franzosische zu erringen wusste, und Chaucer hatte bereits, wie erwahnt, Petrarca, Dante und Boccaccio die Bahn geebnet. Gerade die Eigenschaften, welche die Produkte — XXVII — dieser Litteraturen auszeichnen, die meisterhafte Formvoll- endung, der Glanz und bestechende Schimmer dcr Sprache, die Anmuth und Beweglichkeit des Geistes, der Stoftreich- thum, die ritterliche Gedankenwelt, in der sie sich vorzugs- weise bewegten, musste Iiofleute entziicken. Die Erziehung lasst sie eben vor den elementaren Ausbriichen dichterischer Leiden schaft zuriickschrecken, wie sie auch lehrt, die eigene Leidenschaft nicht zu laut werden zu lassen. In solchen Kreisen musste ein so gliinzender Formalist wie Petrarca alle Bewunderung auf sich lenken. Ueber der berauschen- den Pracht seiner Sprache und Bilder vergass man das oft Kalte und Gespreizte seines Gefiihls und die Eintonigkeit seiner Weise. Man fiihlte sich eben in Geist und Herz mit ihm verwandt. Graf Surrey, Sir Thomas Wvatt. Thomas Sackville, Graf von Dorsey, Philipp Sidney, Drayton, Walter Raleigh, — sie alle wandeln den Weg, den die Petrarchischen Sonette vorhergegangen. Wie der italienische Dichter sich theilweise in seine Laura - Leidenschaft hinein geredet, so bauten sich auch die englischen Sonettisten Idole auf, die theilweise nur in ihrer Phantasie lebten und sangen als gliicklich verheirathete Ehemanner platonische Lieder an eine Dame, die mehr fur ihre Muse existirte, als fur ihr Herz. Richtete doch Graf Surrey seine ersten Sonette an ein Fraulein, welches gerade das ehrwiirdige Alter von — sieben Jahren erreicht! Es fehlte dieser Poesie nicht an Innigkeit und Zartheit des Gefiihls und der Empfindung, aber es mangelte ihr der hinreissende Schwung der Leiden- schaft und jene Gewalt des Gefiihls, von denen sich das grosse Volk werben lasst. Feenmarchen, kiihne und aben- teuerliche Heldenfahrten, ritterliches Leben und Denken, ein hofisches fein-schmeichlerisches Wesen, welches sich in das farbenprachtige, aber steife Gewand der Allegorie hullte, das waren die geistigen Merkmale dieser Poesie. Die theil- weise Verlogenheit, die in ihr zum Ausdruck kam, die minnigliche Liebesschwarmerei, die Gefiihlsseligkeit, offne- ten auch dem Schaferroman, wie ihn der Spanier Jorge de Montemayor in seiner „Diana u begrundet hatte, weit die Thore des Herzens. Sidney schrieb in diesem Geschmack die seiner Zeit vielbewunderte Schaferei „Arkadia", eine rechte und echte Modedichtung, in poetisirendem Prosa>t\ 1 verfasst und reich mit lyrischen Gedichten aller Art durch- woben. Das Werthvollste, wodurch alle diese adligen Dichter sich auszeichneten, ist eben ihre formale Bedeu- — XXVIII — tung, die Beweglichkeit und Schmiegsamkeit, welche sie der englischen Sprache verliehen. In Edmund Spenser, dem Dichter des allegorisirenden Epos „Die Feenkonigin", fand diese Poesie ihre classische Vollendung; seine glocken- tonigen Verse, der Zauber und funkelnde Glanz seiner Sprache waren in solcher Schonheit bis jetzt noch nicht gehort worden ; aber sie iiberschlug sich zugleich in seines jiingeren Zeitgenossen, John Lily's, „Euphues" zu jenem gequalten Haschen nach Witzen und Wortspielen, zu geist- reichelndem Concettispiel und zu Schwulst und Bombast. Der Euphuismus war fur die englische Litteratur dasselbe, was der Gongorismus fur die spanische. der Marinismus fur die italienische und der Hoffmann swaldau-Lohenstein'sche Schwulst fur die deutsche geworden. Noch in diesem Jahr- hundert artete in Frankreich derselbe geist- und seelenlose, reine, gottverlassene Formalismus in ganz ahnliche Narre- teien bei Theophile Gautier und der Schule der ,,Parnas- siens" aus. Auf diesem Wege gelangte man freilich nicht in das goldene Zeitalter der englischen Poesie. Er fuhrte, wie man sieht, in Wiiste und Wirrniss. Und dennoch kam man in das Paradies, und das natio- nale, volksthiimliche Drama war es, welches den richtigen Pfad betrat. Hervorgegangen wie iiberall aus den geistlichen und kirchlichen Mysterien ging es voriiber an den Moralitaten John Skelton's und den Interludes Heywood's, des eng- lischen Hans Sachs, der sich fest und stramm auf den Bo- den des Volkslebens und der Wirklichkeit stellte, Nicholas Udalls u. s. w., iiberall keimkraftige Elemente in sich auf- nehmend. Freilich war es noch immer ein rohes und wildes Naturkind ! Und es mussten nun feinere Geister auftreten, welche es unternahmen, „dem englischen Volkstheater, ohne seine wesentlichen Eigenthumlichkeiten zu verwischen, die Friichte griindlicher klassischer Studien zu Gute kommen zu lassen, die es unternahmen, den romantischen Geist des englischen Dramas, ohne Wurzeln, Stamm und Aeste zu beschadigen, mit der Scheere ihrer feineren Bildung von seinen Auswiichsen zu befreien, seine rohen Kraftausserun- gen zu miissigen, seine Bewegungen zu regeln und mit mehr Anmuth zu umgeben, kurz, die dahin strebten, das Volks- theater, ohne ihm seinen popularen Charakter zu rauben, zu einem Theater fur Gebildete zu erheben, den rohen — XXIX — Edelstein, ohne sein Gewicht zu mindern, zu schleifen und in die rechte Fassung zu bringen, ffir den gegebenen Inhalt, ohne ihn zu verandern, die rechte Form zu finden". Es kam eine Zeit gewaltigen Gahrens, imponirenden Wollens, eine Zeit kuhner, naturwiichsiger Bestrebungen, welche an die Tage unserer Sturm- und Drangperiode erinnert. Kyd, Lodge, Peele, geniale, zerrissene Naturen, wie Robert Greene, der leidenschaftlich gliihende, wilde Marlow, arbeiteten an diesem grossen Werk, und wie sich Goethe majest^tisch iiber seine Jugendgenossen erhob, so liess William Shakespeare alle weit zuruck, um das Begon- nene mit titanischen Kraften zu vo lien den, er, die Krone aller Dramatiker. Aller dichterischen Gewalten machtig, die das Herz des Volkes zu packen verstehen, von hin- reissendster Leidenschaft und Wucht der Begeisterung, ebenso kraftvoll, wie zart und tiefinnig in seiner Empfin- dung, gedankenvoll und voll von Tiefsinn, furchtbar in seiner Tragik, hinreissend in seinem Humor, iiberall im Boden der Wirklichkeit wurzelnd, ein scharfer Charak- teristiker und Beobachter des Volks-, Menschen- und Natur- lebens, seine StofFe aus den tiefsten Tiefen des Herzens hervorholend, ein Meister dramatischer Composition, hob er das volksthumliche, nationaie Drama auf den Gipfel der Yollendung. Um ihn schaarte sich eine Schule, reich an kraftigen Talenten, die in seinem Geiste, wenn auch nicht mit seinem Konnen, weiter arbeiteten, wie Heywood, Dekker, Chapman, Middleton, Webster u. s. w. u. s. w., welche die Biihne mit einem Strom packender Dramen uberschiitteten. Mit einer gewissen Feindseligkeit stand dieser Richtung die Schule Ben Jonson's gegeniiber, eines Dramatikers, der von franzosischen Litterarhistorikern iiberschatzt, von Deut- schen meistens unterschatzt wird. Kritiker, welche vor dem modernen Pariser Drama in Bewunderung versinken, sollten sich Letzteres am wenigsten einfallen lassen. In der sati- rischen Komodie und dem socialen Gesellschafts- Drama leistete er wegen seiner scharfen Menschenbeobachtung und bei dem Blick fur alle Schaden und Thorheiten der Zeit Vortreffliches, aber seine Tragodien sind kalt und frostig. Mehr schriftstellerisch, als dichterisch begabt, mehr gelehrt, als tief und phantasievoll, suchte er dem aus der Volksseele hervorstromenden Drama seine nach den Regeln der Antike eingeschnurten Dichtungen gegeniiber zu stellen ; aber es ist zu viel gesagt, wenn man ihm jede Empfindung und — XXX - alles Gefiihl abspricht. Beaumont und Fletcher, Field, Mas- singer und Ford sind die bedeutendsten unter seinen Jun- gern, und ihre Erzeugnisse diirfen sich wohl denen aus der Shakespeare'schen Schule an die Seite stellen, besonders die der beiden Erstgenannten, deren dichterische Kraft auch die Jonson's iiberragt. Die englische Buhne schuf sich in dieser Zeit ein Re- pertoire, welches an Reichthum und Fulle dem spanischen fast gleich kommt, die dramatische Litteratur dieses Volkes aber iibertrifft an Freiheit und Tiefe der Lebensauffassung, sowie an Realismus und Sinn fur die Wirklichkeit. — Nach dem Tode Elisabeth's und unter der geistlosen. schwachlichen Regierung der Stuart's, ling die Bluthe der Dichtkunst bald zu welken an ; die Lyrik verfluchtigte sich in die etwas diinne, zierliche und schwachbriistige Cavaliers- poesie, welche zuweilen wohl einen frischen Ton anzu- schlagen wusste, aber im Ganzen das verwaschene Geprage aller Hofdichtung tragt. Einzelne wenige Geister nur hoben sich iiber die allgemeine Mittelmassigkeit empor und zeich- neten sich auch durch tiefere Empfindung oder grossere Kraft und Gedankenfiille aus . . . Aber nur in John Milton reckt sich die englische Poesie zu Ende dieses Zeitraums noch einmal straff zu imponiren- der Kraft und Grosse auf. Die derbe Lebenslust und die kraftvolle Genusssucht der Elisabethischen Zeit artete unter den Stuart's und vor allem unter Karl I. zur leichtfertigen Ueppigkeit und Frivolitat aus. Unter dem Adel des Hofes herrschte ein frecher und ubermuthiger Ton, und man sah mit Hochmuth und Ver- achtung auf das Volk herab. Der Krone geliistete es, die Hande nach den politischen und religiosen Freiheiten aus- zustrecken und iiber ihren Triimmern eine absolute Mo- narchic aufzurichten : aber das ward ihr zum Verderben ! Jene diisteren, missmuthigen Gesellen, die man seit den Tagen der Reformation kannte, die bitteren Fanatiker des Glaubens, welche sich aus der Bibel eine herbe und finstere Lebensanschauung herausgelesen und ein israelitisches Got- teskonigthum in England herstellen wollten, jene Heiligen Gottes, denen jedes Lachen ein Greuel, jede Freude eine Beleidigung Jehovah's dunkte, die gliihende Feinde aller Theater und Kunst, welche so lange das Stichblatt fur die Witze aller Kinder der Welt abgegeben, — die Puritaner, — mit einem Male erhoben sich die Verspotteten und Ver- — XXXI — lachten mit furchtbarer Kraft auf, Bibel und Schwert in den nervigen Fausten : und unter den Fiissen der Rund- kopfe brach der Thron jahlings zusammen, vor den Hieben der Cromwell'schen Eisenreiter staubte die ganze leicht- fertige Flitterherrlichkeit der Stuart's und ihrer Hofcavaliere auseinander, wie Spreu im Winde. Wohl legte sich mit der Herrschaft der Puritaner eine schwere Faust auf das seufzende Inselreich. Die segens- reichen Friichte einer machtvollen ausseren Politik wurden zu schwer durch die innere Unfreiheit aufgewogen ; wie jede Reaktion und Revolution naturgemass in der ersten Zeit nach dem Siege fanatisch und tyrannisch aufs Aeusserste ist, so wollte auch die Puritanische iiber Nacht alles Grauel- wesen des Satans ausroden. Die Theater wurden geschlos- sen, die Schauspieler gestaupt, alle Volksbelustigungen ver- boten, die Sonntage zu Qualtagen. Rings erhob sich Heulen und Zahneklappern. Die Poesie aber Avar machtiger, als ihre Feinde und sie sog auch aus den Puritanismus Quellen der Kraft und des Lebens. An die Stelle der leichtfertig ausgearteten, frivolen dramatischen Muse trat die feierliche und ernste priesterliche Gottin Milton's, erhaben und kiihn in ihrer diisteren Pracht. Die gewaltige Zeit fand in ihm ihren gewaltigen Sanger. Die puritanische Revolution, — vollig konnte sie sich nicht ausleben. Gestellt auf zwei Augen starb sie mit ihrem grossen Helden Oliver Cromwell ; allzustraff* hatte sie die Ziigel angezogen und das Volk, seufzend unter dem Druck des starren Fanatismus, warf sich jubelnd in seiner Kurz- sichtigkeit von Neuem den Stuart's in die Arme, freilich um auch von Neuem bald wieder entniichtert zu werden. Karl II. war nichts, als ein luderlicher Flachkopf, und die Litteratur seiner Zeit von gleichem Charakter. Butler's witzige Satire „Hudibras" ist das Einzige, was sie an hohe- rem Werthe hervorgebracht hat und wie sehr klein erscheint sie doch gegen die imponirende Poesie Milton's! Sonst herrschte auf dem Theater und in den Buchern dieselbe schamlose Zote, die freche Nacktheit und Lascivitat, wie in den Raumen des Konigsschlosses und in den Salen des Adels, eine greisenhafte, widerliche Sinnlichkeit, abgestan- den und schaal nach jeder Richtung hin. Es schien, als wollte die goldene Periode der englischen Poesie in einem triiben, eklen Morast ersticken. Eine neue Zeit war eben angebrochen ! — XXXII — Die nationale und volksthumliche Dichtung hatte sich fur eine Weile in den grossen Schopfungen der Elisabethi- schen Zeit ausgegeben, das, was ihr innerstes Empfinden ausmachte, in unverganglichen Gebilden ausgesprochen und wusste augenblicklich nichts Neues mehr zu sagen. Sie musste warten, bis ein neuer Geist aufkam und sie wiederum mit machtigen Gefuhlen und Gedanken erfullte. Sie ruhte sich aus von ihren heiligen Kampfen. In solchen Zeiten der schlummernden Volksseele tritt der Einfluss fremder Litteraturen machtig hervor. Und wie das 15. und 16. Jahrhundert unter der Herrschaft der ita- lienischen und spanischen Poesie stand, so breitete sich zu Ausgang des 17. und wahrend des 18. Jahrhunderts der franzosische Pseudoclassicismus iiber die europiiische Welt. Das 16. Jahrhundert bot das Bild schaumender, jugend- licher Kraft ; die Phantasie regierte in siegeszuversicht- licher Ungebundenheit und beherrschte alle Geister, die Litteratur beseelte ein wahrhaft dichterisches, realistisches Empfinden. Die neuangebrochene Zeit sieht dagegen etwas kahl und abgelebt aus! An Stelle der Phantasie tritt der niich- terne, krittelnde Verstand, Herz und Empfinden verlieren Gluth und Tiefe. Die Leidenschaft des Dichters wird von der kuhlen Beobachtung des Schriftstellers verdrangt und die Muse verlasst das Haus des Volkes, um sich in der Gelehrtenstube hinter BCichern zu verschanzen. Sie schopft ihre Begeisterung nicht mehr aus der Fiille der Erlebnisse, sondern aus der Lecture, sie wird leer und nachempfindend. Die franzosische Poesie ist ganz von diesem Geiste zersetzt ! Sie weiss nichts Eigenes und Originelles zu schaffen und holt sich ihre Belehrung aus den Theorieen der Alten, die sie falsch versteht. Sie erbaut sich an einem leeren ausseren Formelkram und schnurt sich in tausend falsche Regeln ein, unter denen sie erstickt. Ein kalter, gespreizter Formalismus muss Phantasie und Leidenschaft ersetzen. Mit den Stuart's kam die Bew underung fur diese hofische, schmeichlerische und klingende Dichterei nach England heriiber, — sie blieb auch nach der letzten endgiiltigen Vertreibung dieses liiderlichen Geschlechtes in Folge der Abwesenheit aller echt volksthumlichen Poeten in Gunst und Gnade bestehen. John Dry den, schwankend als Mensch, wie als Aesthe- — XXXIII — tiker, nuchternen und verstandigen Geistes,, ohne Tiefe und wahres Gefiihl, stellte zuerst die Correctheit und Glatte als Haupterforderniss aller Dichtung auf und holtc sich sein Riistzeug von Paris hcriiber. Formale Vollendung war das All' und Einzige, was er erreichte. Er fiihrte diesen ver- derblichen Geist auch in das Drama ein. Thomas Otway, Nathanael Lee, Nicholas Rowe, die letzten Nachziigler der Shakespeare'schen Schule, konnten ihre Tendenzen dem Zeitstrome gegeniiber nicht durchbringen, iiber sie hinweg ging die Fluth einer liisternen, sinnlichen und wolliistigen, witzigen und boshaften Tagescomodie, deren „Dichter Sorgo trugen, ihre ziigellosesten Verse Weibern in den Mund zu legen". Dass neben Etherege, Wycherley, Congreve und Farquhar auch Frauen , wie Aphra Behn und Susanne Centlivre einhertanzten, erhoht den widerlichen Eindruck dieses Hollensabbaths. In der Lyrik und poetischen Er- zahlung, wie im Lehrgedicht trat Matthew Prior hervor, John Gay dichtete seine „Bettleroper", aber die formalen Bestrebungen seiner Zeit fiihrte im 18. Jahrhundert, wie es im 16. Spenser gethan, Alexander Pope, der bedeutendste Kopf unter all' diesen Dichtern, auf den Gipfel seiner Voll- endung. Von der Siisse und der Arimuth seiner Verse berauscht und hingerissen von der Eleganz seiner Satire, wagte es sogar Byron, ihn iiber Shakespeare zu stellen ! Eine der undefinirbaren, litterarisch - kritischen Schrullen des Lords. Im Uebrigen wehte in all' diesen Werken die kalte Luft des Salons, und die kleinen Leiden und Freuden einer nicht geist- und witzlosen, aber gefiihls- und seelen- baren, frivolen und leichtlebigen Gesellschaft fanden hier ihre Verherrlichung. Das erschiitternde Ereigniss, dass ein Lord Petre in einem ubermuthigen Kreise der schonen Arabella Fermor eine Locke abgeschnitten, gab Pope den Stoff zu seiner vortrefflichsten Dichtung, — ein Beweis, mit welchen Nichtigkeiten sich die „vornehmen" Geister des 1 8. Jahrhunderts beschaftigten. Gliicklicher Weise hatte sich der Mittelstand von der Verderbniss des Adels ziemlich fern gehalten und noch nicht alien Sinn fur ernste Lebensanschauung eingebiisst. Es lebte in ihm noch eine tiefe Liebe zur Natur, eine warme Anhanglichkeit an's Vaterland, ein edler National- stolz und frommer Glauben. Aus diesen Kreisen gingen Thomson's „Jahreszeiten", Young's „Nachtgedanken u . Glo- wer's und Cowper's nationale Balladen und Gesiinge hervor. Engl. - Amerik. Dichter. Ill — XXXIV die freilich zum Theil noch in den Fesseln des Franzosen- thums gefangen sind, aber doch Elemente eines neuen Lebens in sich bergen. Der Salonpoesie stellten Thomson und Gray die frische Naturdichtung entgegen, die malerische Schilderung des bewegten Lebens in Wald und Feld, Young fuhrte gegeniiber der Frivolitat und Lascivitat der vor- nehmen Gesellschaft den schweren, diisteren Ernst seiner moralischen Betrachtungen iiber die Verganglichkeit alles Irdischen in's Treffen und Cowper's fromme Seele folgte seinen Spuren. Glower's tapferes Herz ergliihte in edler Warme fur nationale Grosse, Freiheit und Recht und Goldsmith entwarf in seinem „Verlassenen Dorfchen" freundliche Bilder eines gliicklichen, vom Verderbniss der Stadte entfernten Landlebens und geisselte mit Muth alle Arten der Tyrannei. Freilich war das alles etwas gedrirckt und eng, zu lehrhaft und moralisirend, zu rein didactischer Art. Es fehlte der Strom der Leidenschaft, das aus der Empfindung hervorquellende, vulkanische Feuer. Verspurt man bei Pope die kalte Luft des Salons, so bei der Volks- partei, wenn man sie so nennen darf, den etwas stickigen Dunst der Biirgerstube und Gelehrtenkammer. An allgemeiner, cultureller Bedeutung steht die Poesie dieser Periode weit hinter der Prosa zuriick ! Auf letzterem Gebiete wurden die eigentlichen Schlachten geschlagen , welche das in der Reformation begonnene Werk, die Befreiung des Geistes, siegreich weiter und zur Erklarung der Menschenrechte fuhrten und auf diese Weise aber auch der Poesie eine neue Gedanken- und Gefuhls- welt erschlossen. Shaftesbury und der geistvolle , witzige Staatsmann Bolingbroke offheten mit ihren glanzend stvlisirten Schriften einer freigeistigen Philosophic die Thiiren der vornehmen Salons, und war auch vieles Seichte und Oberflachliche in ihren Anschauungen, so legten sie doch breite Breschen in die Mauer einer verxlumpfenden Orthodoxie, an denen die franzosischen Encyclopiidisten weiter arbeiten konnten. Josef Addison und Richard Steele verbreiteten in ihren in klassischer Prosa geschriebenen popular- philosophischen und litterarisch-kritischen Wochenschriften, die in tausenden von Exemplaren unter das Publikum flatterten, Verstand- niss und Bildung, — „die Metallbarren des Wissens zu vielfaltig gangbarer Miinze auspragend" — in weitesten Schichten des Volkes. Jonathan Swift kampfte in genialen — XXXV geist- und witzsprtihenden Satiren fur politische und religiose Freiheit, Richardson aber lehrte in seinen Ro- manen das Volk, wieder bei sich selbst Einkehr zu halten und das Heiligthum der Familie zu ehren und hochzuachten. Mitten in die bunte Fiille des Tages, in das wilde Treiben und Drangen des Volkslebens grifFen mit keeker Hand Fielding und Smollet, die cchten Vertreter englischen Hu- mors, und holten sich einige Prachtexemplare hervor, um sie mit realistischen und charakteristischen Strichen auf dem Papier festzubannen, — beide Meister der Sitten- schilderung .... Die Riickkehr zu den frischen Quellen der ewig neu schopfenden Natur begann. Sie waren niemals ganz ver- schuttet worden, und selbst durch das Rauschen der steifen Prachtgewander der Pope'schen Muster vernahm man, wenn auch leise, ihr munteres Geplauder. Der gesunde Sinn des englischen Volkes Hess sich nicht allzu lange unter das franzosische Joch knechten, besonders da auch in den nationalen Kreisen die Demuthigung dieses Volkes durch englische Kriegsheere erhebend einwirken musste. Als mit dem Tode Pope's der despotische Druck, den er auf die Kritik ausgeiibt, aufhorte, begann die jiingere Welt aufzuathmen, und ihr jugendfrischer Geist sehnte sich nach nahrhafterer und erquickenderer Kost, als sie der Pseudo- classicismus bieten konnte. In den Kreisen des Mittel- standes , der durch Addison und Steele seine Bildung erweitern und vertiefen lernte, sahen wir durch Thomson, Young und eine Reihe Anderer den Sinn fur die Natur wachhalten, und der Letztgenannte war es, der noch als siebzigjahriger Greis die Riesengestalt Shakespeare's fur seine Zeit heraufbeschwor und auf die wahren Quellen aller Dichtung, die Natur und das menschliche Herz, hin- wies. Robert Wood erschloss das Verstandniss der Ho- merischen Poesie, David Garrick erweckte die Dramen Shakespeare's aus einem langen Schlafe fur die englische Biihne auf und der Bischof Thomas Percy veroftentlichte seine Sammlung altenglischer und schottischer Balladen, die so miichtig von nationalem Leben und Blut strotzten, und die Liebe fur die ruhmvolle Vergangenheit neu erstehen liessen. James Makpherson beschwor die diisteren Nebel- bilder der alten, galischen Poesie, die Lieder des Barden Ossian, aus ihren moosbewachsenen Grabern, und George Lillo verdriingte die Steifheit und Regelrechtigkeit des III* — XXXVI — franzosischen Dramas durch seine burgerlichen und socialen Komodien. Der eigentliche Erloser aber kam aus Schottiand, in dessen Bergen die erquickende Volkspoesie sich niemals vor den diirren Gespenstern Pope'scher Aesthetik hatte verstecken brauchen. Robert Burns, das frische und origi- nellste Genie seit den Tagen Shakespeare's und Mil- ton's riss mit seinen aus dem innersten Herzen quellenden, bald schmerzlich tiefen, bald ubermiithig jubelnden Lauten die Seelen in stummem Entziicken hin ; er hatte endlich wieder die Tone gefunden, aus denen Shakespeare seine Meisterwerke aufgebaut. Walter Scott's „heroische Ro- mantik" entfaltete ihre glanzenden Schwingen , und die Pracht des versunkenen Mittelalters stieg farbenschimmernd enipor, die weiten, diisteren Haiden Schottlands, die zer- rissenen Felsschluchten, starke Burgen und. Schlosser erstanden unter der Zauberkraft seiner gestaltenden Phan- tasie. Tannahill, James Hogg, Cunningham traten in die Spuren ihrer grosseren Landsleute. Auch in England konnte man sich nicht mehr langer dem gewaltigen Eindruck dieser so natiirlichen, tiefinnigen und gefuhlswahren Poesie entziehen. Auch hier ertonte der Ruf nach Einfachheit, Natur und Wahrheit, und immer mehr nahm die didactische Poesie der Goldsmith, Glower u. s. w. reiche Elemente der Neuromantik und des Subjek- tivismus bei Crabbe, Rogers, Campbell u. s w. in sich auf, die als Vermittler in die Poesie des 19. Jahrhunderts uber- fuhren und nur mit einem Fusse noch in der Vergangen- heit stehen. Die Haupter der „Seeschule", Wordsworth, Coleridge, Southey und Wilson, versenkten sich an den Ufern der schonen Seeen von Westmoreland und Cumberland liebevoll in das Walten und Weben der Natur, was bei Coleridge zu einer gluthvollen, mystischen Natursymbolik wird, die ihre Verwandschaft mit der deutschen Romantik nicht ver- leugnen kann. Southey entfaltete die Pracht seiner Bilder und den Reichthum seiner glanzenden Sprache, aber noch sind alle diese in gewissen Anschauungen des vorigen Jahr- hunderts befangen, — fur einen tiefen, machtvollen Aus- druck ihrer eigensten und modernsten Ideen musste das 19. Jahrhundert noch andere Organe sich suchen. Die gewaltigen Sturme der grossen franzosischen Re- volution, die geniale Gestalt Napoleon's I., der mit der XXXVII — Kriegsfackel ganz Europa entztindete und in hundert ruhm- reichen Schlachten siegte, urn auf einsamer Felseninsel mude und verlassen zu sterben, hatte die Welt mit einer Fiille tragischer Erschiitterungen uberhauft. Eine gewaltige LTmwalzung war in den Anschauungen der civilisirten Menschheit eingetreten, neue Gedanken keimten auf, der politische Absolutismus war gebrochen und das Individuum konnte sich frei nach alien Seiten bin entfalten. Die Re- volution erklarte die Mensehenreehte, die Romantik die Selbstherrliehkeit des Genies, die unbeschrankte Herrschaft des Ichs, die ungebundene Subjectivitat. Wahrend in dem siissen und melodischen Sanger Thomas Moore dieses Element sich noch in sanfteren und milderen Weisen ausspricht , und nur der politische Freiheits- gedanke in zornigen Liedern aurlodert, spruht es bei dem zerrissenen Skeptiker Byron Avie ein dusteres, farbenprach- tiges Feuerwerk in tausend Strahlen empor. Er ist der subjectivste Dichter aller Zeiten und Volker, und alle Ge- stalten, die er schaiift, nehmen die eigene damonische Natur an, aus jedem Verse starrt sein dunkles, schmerzliches Feuerauge. Im Drama, wie im Epos, nie verleugnet er die ausgepragte lyrische Natur. Er spiegelt die ganze Gahrung seiner Zeit wieder, den titanischen und prometheischen Frei- heitsdrang, der sich von alien Fesseln der Bedruckung los machen will, weder den Zwang der Gesellschaft, noch den des Glaubens, noch den eines Gottes duldet und zuletzt wider die eigene Natur wiithet. Shelley fluchtete sich aus diesem Dunkel in die lichteren Raume eines naturseligen Pantheismus hiniiber, und eine Reihe talentvoller Dichter und Dichterinnen schaarten sich in dichten Kreisen urn diese glanzendsten Haupter, in ihren Anschauungen und in ihrer Gedankenwelt weiter arbeitend, hier und da sie, be- sonders nach der Seite der socialen Tendenzdichtung hin, erweiternd, oder auch sie in demuthigerem Geiste mildernd. Die besten Namen von ihnen sind neben Ebenezer Elliot, Barry Cornwall, Charles Wolfe — Thomas Hood, Felicia Hemans, Robert und Elizabeth Browning u. s. w. u. s. w. Dass die Zeit der Gegenwart, die Victorianische Periode, gegen den Farbenglanz, der im Anfange des Jahrhunderts ausstromte, etwas schwachlich und farblos sich ausnimmt, kann mit Trauer erfiillen. Das Drama liegt vollig darnieder, der Roman, — ■ nicht immer der werthvollste, hat iiberall die Oberhand bekommen, in der lyrischen, wie epischen — XXXVIII — Poesie macht sich mehr der etwas zimperliche und prude moralisirende Geist Wordsworth'scher Poesie geltend, als die satanisch-damonische Gluth Byrons. Tennyson bequemt sich dem Geiste der modernen Gesellschaft an, welche alle Extravaganzen hasst und sich lieber angenehm unterhalten, als packen und hinreissen liisst. Er ermangelt der ausge- sprochenen Originalitat, gluthvoller Leidenschaften und neuer Gedanken. Ob die Wege, welche Swinburne betreten hat, und die parallel dem in Italien durch Carducci und Stecchetti glanzend vertretenen Verismus laufen, zu einer Neugeburt und Umgestaltung fuhren, bleibt zur Zeit dahin- gestellt. Die Gegenwart ist in einem ahnlichen Gahrungsprocess begriffen, wie er das Ende des vorigen Jahrhunderts durch- setzte. Der nationale Drang, der sich iiberall bemerkbar macht, birgt gewiss Keime poetischen Lebens. Mancherlei Zeichen deuten aber darauf hin, dass der Individualismus und Subjectivismus, welche in unserem Saculum die Lyrik fast zu einer einzigartigen Bliithe brachten , sich seinem Ende zuneigt. Die Masse tritt an die Stelle des Indivi- duums, das Ich wird sich in die Allgemeinheit zu schicken haben, der Socialismus predigt die Herrschaft der Menge. Der Dichter wiirde alsdann nicht mehr fur die genialen Einfalle seiner engeren Subjectivitat Horer und Bewunderer finden, sondern er hatte auszudriicken das, was in der Ge- sammtheit des Volkes lebt und nach Gestaltung ringt. Sollte nicht die Lyrik ihre Alleinherrschaft an ein neues Drama, eine neue originale Epik abtreten mussen? Berlin, im September 1884. Julius Hart. Erstes Buck Die Anfange der englisehen Litteratur. Yon Beowulf bis Chaucer. Beowulf. Das umfangreichste und interessanteste angelsaehsische Epos und eines der iiltesten Erzeugnisse dieser Poesie, herb und furchtbar, ganz die Wildheit seiner Zeit athmend. Die Dichtung erziihlt die Abenteuer Beowulf's oder Bar- welfs, welcher zum Lande des Danenkonigs Rudigar hin- (iberfahrt, urn dessen Land von dem scheusslichen Riesen Grindel zu befreien. . Es gelingt ihm, diesen im Kampfe so zu besiegen, dass Grindel mit Verlust seiner Hand in seine heimischen Moore zuruckrlieht und dort an seinen Wunden stirbt. Grindel's Mutter, ein nicht minder scheuss- liches Ungeheuer. sucht ihren Sohn zu rachen und todtet in der Nacht Askher, den Freund Konig Rudigar's, und Beowulf zieht in Folge dessen hinaus, die Unholdin in ihrer eigenen Wohnung anzugreifen. Das untenfolgende Bruchstiick schildert diesen Zug und den darauf folgenden Kampf. Das ganze Epos schliesst mit einem Drachen- Kampfe, den Barwelf in spateren Jahren als Konig zur Befreiung seines Landes unternimmt. Wohl gelingt es ihm, das Thier zu todten, aber auch er selber erliegt den erhal- tenen Wunden. Grindel's Mutter. . . . . Es uberschritt der edle Spross*) Auf steilem Steinweg schmale Steige, Nach enger Pfade unklaren Fahrten, Wo in hangenden Klippen die Hauser der Nixen. Allein mit nur wenigen weiseren Leuten Ging er vorauf um den Grund zu prufen, Bis dass er auf einmal von dunkeln Felsen Zur Tiefe sich beugende Biiume traf *) Barwelf oder Beowulf. Engl. - Amerik. Diehter. 1 Unci schaute ciort unter dem schrecklichen Walde In blutiger Wallung ein Wasserbett. Schaurig gemahnt es die Schildingenmanner, Noch Manches zu dulden so manchen der Degen ; Und Angst iiberkam sie, dass Askher's*) Kopf Sie hangend begrusste am Grindelholme. Voll kochenden Blutes erkannten die Leute Den wogenden Moorgrund. Ein wehmutig Marschlied Sang wohl ihr Horn; doch sie setzten sich Alle Und sahen im Wasser des Seedrachen Wurmvolk Seltsam gewunden im Sumpfe sich walzen Und Nixen sich kauern an Klippennasen, Die erst zu Mittag von dannen schwimmen Auf Suche nach Speise im Segelweg. Fort tobten die Wiirmer und wilden Thiere, Erbost und erbittert beim bangen Geton Des Herrscherhornes. Der Held erlegte Eines im Wogengewiihl mit der Armbrust. Es traf in das Herz ihm der harte Stahl: Dass saum'ger es ward im Gewoge des Sundes, Vom Lenker der Gauten**) urn's Leben gebracht; Und eilig mit spitzigen Eisenspiessen Ward es im Wasser gewaltig besturmt Und zuletzt erlegt ans Ufer gezogen. Da schauten die Manner des schrecklichen Moorgeistes Wunderbar Aussehn. Mit Edelgewanden Schmiickte sich Barwelf, nicht bang urn sein Schicksal: Zum Sunde nun sollte die sicher geflochtene Breite bunte Briinne sich tauchen, Die ihm die Brust wohl zu decken vermochte, Dass kaum eines Gegners umklammernder GrifF An Leib und Leben ein Leides ihm thate ! Auch hegte das Haupt ihm ein heller Helm, Damit er dem Moore sich wagen sollte Zum Wassergefecht, mit furstlicher Kette Und Schmuckwerk geziert, das vor Zeiten ihm schafFte Ein Wunder wirkender Waffenschmied, *) Askher, s. o. Freund des Konigs Rudigar und von Grindel's Mutter heimlich in der Nacht aus Rache erschlagen. **) Gauten (Gothen), die Krieger Beowulf's. — Lenker der Gauten Beowulf selber. — 3 Der den Schutzhelm mit Ebern audi schmuckte, dass nimmer Ein brennendes Kampfschwert ihn beissen konnte. Nicht hatt' ihm die massigste Hilfe der Macht Rudtgar's Redner*) zur Riistung verliehen: Rausching, so hiess das herrliche Schwert. Eines der alten Erbkleinodien, Ein treftliches Eisen getrankt mit Gift. Gehartet im Schweisse der Schlacht. In Handen Trug es so Mancher, doch trog es noeh keinen, So grausige Gange zu gehn sie audi wagten Im feindliehen Volk. Nicht fuhrt es zum ersten Mai Wider die Riesen ein wiirdiger Recke .... Und Barwelf sagte, der Sohn des Egdio : „Entsinne dich, hochster der Halfdansohne**). Da zur Fahrt ich nun fertig, erfahrener Fiirst. Du Goldfreund der Manner, was gestern wir sprachen: Lass' ich in deinem Dienst mein Leben, Wolltest auch dann du dem Weggerufenen Stets dich fuhlen an Vaterstell'. So bleibe denn Schutzherr auch Barwelf's Mannen, Nimmt ihnen den treuen Genossen der Tod ! Doch die Schatze, die du mir geschenkt. Rudigar, Lieber, die lasse dem Hugileich.f) Mag dann am Golde der Gautenherr staunend. Rodilo's Sohn, an dem Reichthum es sehen. Bei welch' einem guten, bei welch' einem gnad'gen Konig ich lebte, so lang ich gekonnt. Du aber, Hunfried, fur deine Gabe, Lass, Kund'ger, dir werth sein dies kunstvolle, wuchtige Scharfe Schwert. Ich schwore beim Scheiden : Mit Rausching erring ich mir Ruhm oder Tod! a Das waren die Worte des Wetterfursten. Lnd ohne die Antwort abzuwarten Stiirzt' in den Schlund er mit sturmischer Schnelle, Wo ihn die wiihlende Woge verse hlang. — Tagweit war's, ehe die Tiefe erreicht ward ; Doch gleich bemerkt es die Mordbegier'ge, *) Konig Rudigar, dem Barwelf zu Hiilfe gezogen. **) Hunding, Sohn des Eckleif. einer der vornehmsten Edeln am Hofe Konig Rudigar's. f) Der Konig, in dessen Diensten Beowulf steht. 1* Die zahllose Zeiten mit zornigem Muthe Dies Wasser bewohnt, das ein waghals'ger Mann Auserkundet, das Eigen der Geister. Sie fahrt ihm entgegen und greift nach dem Fiirsten Mit scheusslichen Krallen ; doch schadet' es wenig, Der Leib blieb ihm heil; denn es hegten sein Leben Die Ringe der Rustuhg, des ruhmlich besungenen Flechtwerks, das fruchtlos ihr FaustgrifF bedrohte. So schleppt ihn das wolfische Scheusal zum Grunde. Den eisernen Helden in ihren Hof, Und so muthig er war, er vermochte der Waffen Nicht mehr zu walten ! Doch weckten ihn Wunder Ringsher im Sunde : manch Seegethier ritzte Mit Hauern den Harnisch. Der Held aber sah, Wie eine Halle ihn weit umhegte, Die Schutz ihm wider das Wasser bot ; Denn es durchbrach nicht das Dach dieses Saales Mit gieriger Fluth. — Da glanzt' ihm ein Feuer Mit kleinem Geflacker funkelnd in's Aug', Und das machtige Moorweib vermocht' er zu schauen, Die Wolfin des Schlundes. Er wagt es und schwingt Die spaltende Klinge und spart keinen Schlag Und lasst urn das Haupt ihr die heillosen Lieder Das Heldenschwert singen ; doch sieht er behende : Kein Schlachtenblitz wird Schaden ihr bringen, Kein Schwert sie verletzen ; zu schwach war die Waffe Im Dienste des Herren und duldete sonst Doch genug im Gefechte und vernichtete Fallender Helm und Riistung. Das herrliche Kleinod, Die Ehre verlor es zum ersten Male. Doch des eigenen Ruhmes nun achtete muthig Mit hartem Gemuthe des Hugileich Mann: Fort warf er das kunstvoll gewundene Kampfschwert, Zu Boden erbittert das beste der Eisen, Aber er traute der eigenen Starke, Der Kraft seiner Faust, wie ein kuhner Held, Der langnachwahrendes Lob zu gewinnen Schreitet zur Schlacht ohne Scheu vor dem Tod. — So furchtbar erfasst er der Feindin Achsel, Der machtige Gaute die Mutter des Grindel, Und schwang sie im Zorne, ein zagloser Kampe, Dass nieder zum Grunde die Grauliche fiel. Doch reichte behend sie zuriick ihm den Handlohn, Fing ihn mit grimmigem Griffe von Neuem, Riss ihn, den Starksten der Ringer und Streiter, Ermattet hinab, — und er musste ihr nach! Aufsass sie dem Saalgast, den einzigen Sohn An dem Recken zu rachen. schon reckt sie ihr Schwert, Das braunlich und breit war, — das Brustnetzgeflecht, Das Waffen und Wehren Widerstand bot, Deckt' ihm die Achsel, ihm dankt er sein Leben. Gesunken ware der Sohn des Egdio, Im Moorgrund begraben der muthige Gaute. Bot ihm die Briinne nicht bergende Hilfe, Das harte Geweb\ und der heilige Gott. Der waltende Kampfherr, der weiseste Konig. Der Berather der Hohn, der nach Recht entschied ! Als aufgerafft bald sich der Edle vom Boden. Gewahrt er im Saal unter Waffen ein Siegschwert Mit tuchtiger Schneide, ein treflfliches Stuck, Reich gefertigt fur Riesenfauste, Weit gewuchtiger, wie es ein And'rer Im Getummel des Kampfes ertragen konnte. Ein werthvolles, gutes Gigantenwerk. Und des Volkes Befreier erfasste den Griff. Miihevoll schwang er, doch machtig das Schwert, Zorn der Verzweiflung entzuckte der Hand. Am Halse haftet' ihr hart der Hieb, Die Beinringe brach er, durchbohrte das Fleisch Der Lebensverlust'gen, — sie lag zu Boden: Gerothet die Waffe. gewonnen der Ruhm ! Hans vo?i Wolzogen. Cad mon. Die Sage erzahlt von diesem bedeutendsten religiosen Dichter der Angelsachsen, dass ihm Gott im Traume befohlen habe, den Anfang der Schopfung und die Grossthaten Christ! zu besingen. Ohne' jede Erziehung, ein armer Diener im Kloster zu Whitby, fand er in dieser Nacht plotzlich die Kraft, den unordentlichen, leidenschaftlichen Gefuhlen, Empfindungen und Gedanken, die schon immer in ihm wogten, einen machtigen poetischen Ausdruck zu leihen. Die Monche, iiber dieses Wunder erstaunt, regelten seine Erziehung und nahmen ihn in ihre Schaar auf, in deren Mitte er denn, schaflend und dichtend, seine Tage etwa urn das Jahr 680 beschloss. Nicht mit Unrecht hat man ihn einen Vorlaufer Milton's genannt ; wenn er auch dem Genie des Nachgeborenen bei Weitem nicht gleichkommt, so hat er doch Stellen voll markiger Kraft und reicher Phantasie. Satan. Ich war einst in den Himmeln ein heiliglicher EngeJ Und meinem Herren theuer, hatte hohen Jubel Vor dem Schopfer droben und diese Schatten mit ! Doch begann ich da in meinem Geiste zu denken, Dass ich zerwerfen wollte den Wonneglanz der Glorie, Den Geborenen des Heilands, und der Burgen Gewalt Mir all' zu eigen haben und diese armen Haufen, Die ich habe zu der Holle heim geleitet : Gedenkt des Zeichens und des Drangsalfluches, Als ich gesendet wurde aus dem Sitz des Himmels Nieder unter Klippen in diesen niederen Grund ! Nun hab ich euch zur Haftnoth heim geleitet Zusammen aus dem Sitze : hier ist nicht der Seligen Ruhmglanz., Der Wackeren Freundsal noch auch der Welt Jubel, Noch der Engel Schaar, noch diirfen wir den Obenhimmel Als Eigenthum besitzen, diese unheilvolle Heimath Ist mit Feuergluth entziindet : ich bin Feind wider Gott J Es wohnen ewig Drachen an dem Eingang der Holle, Heiss im Busen, die uns nicht heifer m5gen. Diese wehevolle Wohnung ist mit Wchqual erffillt : Wir haben keine Hullestatte, dase wir uns behiiten mochten In dieses Nebelqualmes Tiefen ! hier ist der Nattern Zisehen, Hier sind gewohnte Wurmer; dieser Wehqualen Bande Sind gar fest gebunden, es sind die Feinde rude. Schwarz und duster: vor des Schattens Dunkelschimmer Leuchtet hier kein Tag. kein Licht des Schopfers! Einst hatte ich Gewalt iiber all' die Glorie, Ob ich in dieser hcillosen Ileimath harren musste, Was mir Gott der Herr nun geben wolle, Dcm Feinde in dem Fluge, da ich gefahren kam Mit der Schaar der Teufel zu dieser schwarzen Heimath. Auf der Flucht soil ich im Fluge nunmehr Den Aufenthalt erkunden und Euer mehr. Die wir den Anfang angestellt des Uebermuthes. Das diirfen wir im Geist nicht hoffen, dass der Glorienkonig Uns je irgend wieder den Aufenthalt erlaube Den Erbsitz zu eigen, wie er ehe that, Und ewigliche Macht : iiber Alles hat Gewalt Ueber Wehqual und Glorie des Waltenden Sohn. Drum soil ich nun gebeugt und elend in Verbannung wandern Und gehen urn so weiter. aller Glorie benommen. Aller Kraft beraubt, soil keinen Jubel Oben mit den Engeln haben, weil ich einstmals sprach, Ich ware selbst der Wart des Himmels, Das Walten aller Wesen : das selling mir wehvoll aus ! .... Ich bin an Wachsthum schlaff. so dass ich mich nicht weg kann bergen Von Siinden wund in diesem Saal, dem weiten ! Bald mengt sich hier beides, Heiss und Kalt, Bald hore ich der Holle Knechte, Die jammervolle Schaar, den Grund beklagen Hienieden unter Klippen, bald urn nackte Manner Winden sich hier Wurmer : dieser windreiche Saal Ist all innenwarts mit Angstgraus erfullt ! Nicht darf ich hofrhungsvollere Heimath brauchen, Nicht Ban noch Burgen, und an die blinkende Schopfung Darf ich nie irgend wieder mit den Augen schauen. Nun ist mir's leidvoller, dass ich das Licht der Glorie Je oben mit den Engeln irgend kannte Und Sang in den Himmeln, wo den Sohn des Schopfers. Den Seligen die Kinder selber haben All mit Sang umfangen ! Ich darf der Seelen keiner — 8 — Der Auserwahlten irgend schaden, Ausser nur den einen, den er nicht eignen will: Die darf zu Haftlingen ich heim geleiten, Bringen zu dem Bau in diesen bitteren Grund. Wir alle sind dem ungleich nun geworden, Wie wir einst hatten in den Himmeln droben Edelgestalt und Ansehn : wir brachten da gar oft als die Kinder Zu des Heilands Busen den Hochgesang der Glorie. Wo wir aussen una ihn all erhuben, Um den Lieben, als die Glieder der Lobgesange Worte, Sie dem Fursten sagend : Ich bin nun befleckt durch Thaten, Wund durch Schandwerk, soil diese Wehqualbande An meinem Buckel nunmehr brennend tragen Heiss in dieser Holle ohne Hoffhungsfreuden ! O du Helm der Herrschaaren ! o des Herren Glorie ! O du Macht des Schopfers! o du Mittelkreis! O du Glanzes lichter Tag ! o du Gottes Jubel ! O ihr Engelschaaren ! o du Obenhimmel ! O dass ich all bin ledig des ewiglichen Jubels! Dass ich nicht mit den Handen mag zum Himmel reichen Noch auch mit meinen Augen aufwarts schauen Noch auch mit meinen Ohren irgend horen Den hellen Hochklang der himmlischen Posaunen, Weil ich den Sohn des Schopfers von dem Sitze wollte. Den Herrn, vertreiben und haben mir des Hochjubels Gewalt, Der Glorie und der Wonne ! Da erging mir's wehvoller. Denn ich zur Hoffnung vorher haben durfte ! Ich bin geschieden von der Schaar der Glanzenden Entleitet von dem Licht in diese leidvolle Heimath. Des mag ich nicht gedenken, wie in den Dunst ich kam. In dieses niedere Genebel, befleckt mit Neidsunden. Geworfen aus der Glorie! ich weiss das nun da, Dass der ist alles bar des ewiglichen Jubels, Der nicht den Himmelskonig zu gehorchen denkt. Zu gefallen seinem Schopfer ! Fiir das Frevelwerk Soil ich nun bittere Wehqual und Verbannung tragen, Befleckt durch fruhere Thaten, der Freudezeiten bar, Da ich vom Thron den Herrn zu treiben dachte. Den Wart der Weltvolker ; wandeln soil ich nun in Elend Eine weite Fahrt in Weh und Kummer. C. W. M. Grew. Konig Alfred. Der Erretter seines Volkes von der Herrschaft der Danen war auch der geistige Fuhrer und Heifer der Angel- sachsen. Von seinen poetischen Schopfungen ist leider das Meiste untergegangen ; was wir an ihnen verloren, zeigt seine Bearbeitung des Metra des Boethius. Mit welcher Frische, mit welcher Kraft wandelt er die didaktischen Betrachtungen des Philosophen (dessen Schrift heisst „De consolatione philosophiae) zu lebensvollen Gesangen urn, wie versteht er sein eigenes grosses, weites Herz mit dem edlen Geiste des Westromers zu einer wirksamen Einheit zu verbinden. Alfred's Leben fallt in die Zeit von 84S bis 901. Klage. (A us den Metra des Boethius.) I. Wie habe ich mit Lust einst der Lieder viele Gesungen in meinem Gluck! Seufzend soil ich nun Von Klagen bewegt in Kummer und in Elend Schmerzlieder singen. Dieses Schluchzen hat mich, Dieses Seufzen gehindert, dass ich die Gesange nicht So lieblich kann fugen, wie ich der Lieder viele Kunstvoll setzte, als ich im Gliicke war. Oft verkehre ich nun die bekannte Sprache Und fand doch unbekannte ehedem zu Zeiten ! Es hat das Gliick der Welt mich ganzlich Blinden. Mich Thorichten, gebracht in diese diistere Hohle Und mich beraubt zugleich des Rathes und des Trostes Ob der Untreue derer, denen ich immer doch Am besten sollte trauen : sie haben bitter nun Mir zugewandt ihren Rucken, entzogen ihre Freundschaft. Warum wolltet ihr, ihr meine Weltfreunde, Sagen oder singen, dass ein gliickseliger Mann Ich ware in der Welt ? nicht wahr sind die Worte, Nun da njcht bestandis^ kann bestehen das Gliick ! II. Wenn auf's sichtlichste die Sonne scheint, Auf's heiterste vom Himmel, dann sind hurtig verdunkelt Ueber die Erde alle die anderen Gestirne ; Denn durchaus nicht ist ihrer aller Glanz Zu setzen in Vergleich zum Sonnenlichte. Wenn sanft weht von Suden und von Westen Der Wind unter den Wolken, dann wachsen rasch Des Feldes Blumen, erfreut dass sie durfen ; Aber wenn der starke Sturm streng herankommt Von Norden und Osten, dann nimmt er schnell Der Rose ihre Schonheit, und auch die geraumige See Zwingt nothigend der nordliche Sturm, Dass sie stark erregt an die Gestade anschliigt. Ach ! dass doch auf Erden durchaus kein festes Werk in dieser Welt weilet irgend ! C. W. M. Grein, Judith. Eins der schonsten Gedichte der angelsachsischen Poesie, Leider ist es nur fragmentarisch auf uns gekommen, denn von den zwolf Abschnitten, die das Ganze enthalten, haben wir nur noch den zehnten, elften und zwolften und einen Theil des neunten. Es behandelt die bekannte biblische Erzahlung. Holofernes' Tod. Es Avar des Nothretters Hehre Dienstmagd *) da bedacht gar eifrig, Wie sie am leichtesten das Leben mochte Dem Uebelen benehmen, bevor der Unsaubere, Der Schandvolle, erwachte, Da nahm die Schongelockte Ein scharfes Schwert, des Schopfers Magd, Ein schauerhartes, riss aus der Scheide es Mit ihrer rechten Hand und rief zum Himmelswart ; Bei Namen nannte sie den Nothretter Aller Weltbewohner und sprach das Wort allda : „Gott Schopfer! Geist des Trostes ! Geborner des Allwaltenden ! dich bitten will ich Urn deine Milde jetzt fur mich Bedrangte, O du, der Dreieinigkeit Glorie ! in Bedrangniss bin ich hier : Mein Herz ist erhitzt, in herbem Kummer Mein Sinn von Sorgen triibe. Beschere mir, o Himmelsfurst, Siegruhm und sicheren Glauben, dass ichmit diesem Schwerte moge Diesen Mordswalter hauen ! gonne mir jetzt Rettung, Festmuthiger Fiirst der Menschen! Zuvor war mir niemals Deine Milde mein Bediirfniss : rache du nun, machtreicher Herr, Hellgemuther Hochruhmspender, dass heftiger Kummer *) Judith. So heiss in meinem Herzenist!" Da starkte sie der hochste Richter Mit Thatkraft auf der Stelle, wie er thut einem jeden Von den hier wohnenden, der Hilfe bei ihm sucht, Mit Rath und rechtem Glauben. Da ward es ihr geraum im Muthe ; Der Heiligen Hoffnung ward erneut. Sie nahm den Heiden- mann Bei seinen Haaren fest und mit den Handen zog sie ihm Gar schimpflich zu sich hin : den Schandwerkvollen Legte sie da listig so, den leidigen Mann, Wie sie den Unguten am -ersten konnte Wohl bewaltigen. Drauf schlug dann die Gewundenlockige Mit funkelnder WafTe den Feindschadiger, Den hassgesinnten. dass sie ihm halb den Nacken Durchschnitt mit dem Schwerte, dass er im Schwindel lag Trunken und todtwund : doch todt war er noch nicht, Noch nicht entseelt durchaus. Da schlug die Kraftberuhmte Mit aller Kraft zum andernmale Den heidnischen Hund, dass ihm das Haupt entrollte Fort in die Flur : es lag der faule Rumpf Geistlos dahinten ; der Geist floh anders hin Zum niedern Abgrund, wo er geniedert war Geseilt mit Schmerzqual seitdem immer. Von Wurmern umwunden, mit Wehqual gebunden. Hart gehaftet in der Holle Brandgluth Nach seinem Hingang von hier. Nun darf er hoften nimmer, In Duster gehiillt, dass er von dannen wieder Aus dem Wurmsaal durfe : wohnen soil er da Immerdar und ewig ohne Ende fort In der hullumdunkelten Heimath, der Hoffnungswonne bar! C. W. M. Grew. (*%&< Cynewulf. War um das Jahr 922 Abt des Klosters zu Peterborough, ein hervorragender geistlicher Dichter der Angelsachsen. Ausser der Legende vom heil. Andreas bearbeitete er auch die der heil. Juliana und Elene. Gebet des heiligen Andreas n a ch der M arte r. „Ich erfuhr noch niemals nach des Fiirsten Willen Unter des Himmels Wolbung harteres Schicksal, Wo ich die Gebote Gottes predigen sollte! Zerlost sind mir die Glieder, derLeib schmerzvoll gebrochen, Blutgefarbt das Beinhaus; blutig wallen Die Sehnenwunden ! Du wurdest selbst, o Heiland, Du Obherr des Triumphes, an einem Tage Unter dem Judenvolke jammermuthig, Als von dem Galgen du, o Gott des Lebens, Furst der Schopfung, zu dem Vater riefest, Du der Konige Glorie, und klagtest also : „„Fragen will ich dich, o Vater der Engel, Lichtfurst des Lebens, was verlassest du mich? au Und ich sollte dulden drei Tage jetzt Solch grimme Marter? Ich bitte, Gott der Volker, Dass meinen Geist ich geben diirfe, Ernahrer der Seelen, nun in deine Hande ! Du hast ja verheissen durch dein heilig Wort. Als du uns Zwolfen zusprachst mit Trost, Dass uns nicht der Hassberuhmten Heerkampf sollte schaden: Es sollte kein Theil des Leibes getrennt von ihm, Weder Knochen noch Sehnen, auf dem Kampffeld liegen, Noch eine Locke von dem Haupte verloren gehen, Wenn wir nur halten wollten deine heiligen Lehren. Nun sind zerborsten meine Sehnen, es ist mein Blut verspritzt. _ I4 _- Die Locken liegen iiber das Land zerstreut, Das Haar auf dem Feldc. Mir ware, o Herr, weit lieber Des Lebens Verlust als dieser Lebenskummer !* Zu dem Starkgesinnten sprach die Stimme drauf Des waltenden Gotts. und dieses Wort ertonte : „Beklage nicht das Leidgeschick, liebster der Freunde ! Nicht ist's zu schlimm fur dich : ich schirme dich Und mit dir ist mein machtreicher Schutz ! Ich besitze Macht iiber Alles auf dem Mittelkreise Und Siegruhms Fulle : sicher wird das Mancher Verkiinden vor Gericht am grossen Tage. Dass es geschieht, dass diese schone Schopfung Der Himmel sammt der Erde iiber den Haufen stiirzt, Bevor der Worte eins zum Wanken kame, Die ich durch meinen Mund den Menschen sage. Sieh nun deines Weges Spuren, wo durch Verwundung sich ergoss Dein Blut auf die Gefilde ! Sieh die blutigen Stiche Und auch des Leibes Striemen ! Sie diirfen nicht langer mehr Leid dir anthun durch der Lanzen Schlage, Die dir so vielen harten Harm bisher bereitet/' Da schaute auf das Land zuriick der liebliche Kempe, Wie ihm das Wort gebot des waltenden Gottes : B'aume sah er bliihend stehen Und mit Frucht beladen, wo geflossen war sein Blut. Da sprach dies Wort der Schirm der Krieger : „Dir sei Lob und Dank, du Lenker der Volker, Und durch den Gang der Zeiten Glorie in den Himmeln, Dass Du in deinem Schmerze mir. o Siegherr mein, Nicht deine Huld entzogst. dem Heimathlosen ! u C. W. M. Grein. Klage der Frau. Dieses ergreifende Gedicht, welches die Klage einer Frau urn ihren im Grolle von ihr fortgezogenen Gatten wiedergiebt, gehort zu den wenigen Ueberbleibseln rein- Iyrischer angelsachsischer Poesie. Ein entsprechendes ande- res Lied fiihrt den Titel : Botschaft des Gemahls. Von mir gar Sinnbetrubten singe ich diese Worte, Erzahle mein eigenes ^Schicksal ; ansagen kann ich. Was ich fur Elend erfuhr, seitdem ich aufwuchs, Neues oder altes, nie mehr denn nun : Immer erfuhr ich Qualen meiner Elendgeschicke ! Mein Hen* ging zuerst von hinnen von den Leuten Ueber der Meereswogen Getriebe : ich hatte Morgenkummer, Wo wohl des Landes sei mein Leutefiirst. Ich begab mich freundlos und fliichtig auf die Fahrt darauf, Ihm nachzufolgen vor meiner Nothbedrangniss : Das begannen auszusinnen die Anverwandten des Mannes Tiickischen Gedankens, dass sie uns trennten beide. Dass wir gar weithin in dem Weltreiche Leidigst lebten, und Veiiangen trug ich. Es hiess mich mein Herr Hainwohnung nehmen ; Ich hatte der Lieben wenig in dieser Landesstatte, Der holden Freunde. Drum ist mein Herz gar traurig, Da ich nur einen so engverbundenen Edeling fand, Einen ungluckseligen, innen traurigen, Der sein Gemiith verhehlte und auf Mordwerk sann, Yon Antlitz freundlich. Gar oft gelobten wir, Dass ausser dem Tode allein uns beide trennen sollte Durchaus nichts anders: das ist nun umgewendet! Es ist nunmehr so, als sei es nie gewesen, DieFreundschaft von unsbeiden. Ich soil nun fern und nahe Meines Vielgeliebten Feindschaft tragen ! Man hiess mich wohnen in des Waldes Haine — 16 — Unter dem Eichenbaum in einer Erdhohle : Alt ist dieses Erdhaus, und ich durchaus voll Sehnsucht ; Finster sind diese Schluchten, die Felsen hochragend, Eine bittere Burgumzaunung bewachsen mit Brombeer- strauchern, Eine Wohnung ohne Wonne ! Es brachte mir hier Weh gar oft Der Fortgang meines Fiirsten. Die Freunde sind auf Erden, Die lieben, lebend und auf dem Lager ruhen sie, Wenn ich in erster Friihe einsani gehe Unter dem Eichbaum durch diese Erdschluchten, Wo ich sitzen soil den sommerlangen Tag, Wo ich beweinen mag mein Wehgeschick, Des Elends viel, da ich durchaus niemals Kann von meines Geistes Kummer ruhen Noch von all' der Sehnsucht, die mich ankam in diesem Leben, Stets soil der junge Mann jammermuthig sein, Hart des Herzens Sinn, sowie er haben soil Geberden frohlich, dazu auch Brustkummer, Andrang immerwahrender Sorge : es stehe allein bei mir selber All' seine Weltvvonne! er sei weithin feind In fernem Volkslande, dass mein Freund sitzt Unter einem Steingehange, von dem Sturm bereift, Der Freund voll Kummer, befluthet von dem Wasser In trauriger Behausung! Es tragt mein Freund Grosse Trauer des Gemuthes : er gedenkt zu oft Der wonnevolleren Wohnung. Weh ist dem, der soil Mit verlangender Sehnsucht der Geliebten harren. C. W. M. Grein. Meilyr. Walischer Barde aus der zweiten Halite des ri. Jahr- hunderts. Er war Barde des Usurpators Trahacarn, der den rechtmassigen Fiirsten, Gruffyd ab Rynau, vom Throne stiirzte, und spater in derselben Stellung am Hofe des letzt- genannten Fiirsten thatig, als dieser von Irland zuriickge- kehrt, mit Hilfe von Iren und Schotten, den Thron von Trahacarn zuriickerobert hatte. Das Sterbelied des Barden. Dem Konige der Konige endlose Anbetung ! Dem Hochsten will ich vortragen mein Gebet. Herrscher im Reich des Bestehenden, Du hochster Inbegrift der Seligkeit, Gnadenvolles Wehen, lass Versohnung walten Zwischen Dir und mir. Ruckkehrende Erinnerung erneuert das Seufzen, Dass du sollst urn mich verurtheilt sein, doch in Reue geschah's. Verdient war meine Scham Vor Gott, dem Herrscher der Welt, Dass ich nicht diente ihm treu In meinem Gottesdienste. Du wirst mir dennoch helfen, mein Beschiitzer und Konig, Bevor ich zur Erde wieder Averde ! Eine glaubwiirdige Vorhersagung Geschah Adam und seinem Geschlecht In alien Tagen Von den Propheten : Dass kommen Jesu in den Schoos des Martyrtums. Maria die Gute, trug die Biirde. Eine Biirde habe ich auf euch gehauft Engl. - Amerik. Diehter. 2 — lS — Von qualender Siinde ; Schrecklich bin ich erschiittert worden Durch ihre Anfechtungen. Herrscher alles Lebens, wie gutig bist du dem, der dich anbetet! Mocht' ich dich anbeten; mocht' ich rein werden von der Prufung! Der Konige Konig weiss, Dass er mir nicht entziehen wird Seine Barmherzigkeit Urn ineine Missethaten. Ich habe Haufen Goldes und Sammet empfangen Von schwachen Fiirsten, weil ich sie liebte. Aber nach der reichbegabten Miihe fuhl' ich ein and'res Streben. Stammelnd ist meine Zunge und heisst mich schweigen. Ich, Meilyr, der Sanger, bin ein Pilgrim zu Petrus, Dem Pfortner, der da ordnet das wahre Verdienst. An jenem gewissen Tag, da auferstehn werden Die da sind in den Grabern, will ich vorwarts blicken, Wenn ich an meinem Ruheplatze bin, Dort er wart end den Ruf, Zu kiimpfen und zu gewinnen das Ziel In der Zeit der Noth. Lasst einsam ihn sein, nicht getreten vom Wandrer, Seinen Hiigel rings umschirmt von der salzigen See, Maria's schone Insel, Das geweihte Eiland des Heiligen, Das Bild der Wiedergeburt, Dort zu ruhen in Gliickseligkeit. Christus, der geweissagte Konig, Wird er kommen auch dort Und schiitzen vor dem Zorn der Holle, Des Orts der verbannten Wesen ? Der Schopfer, der mich schuf, wird mir einen Platz anweisen In der Gemeinschaft der Bewohner von Eulli. Sa?i Marte. Gwalchmai. Walischer Barde, Sohn des Vorigen. Ode an Owain Gwynedd, Konig von Nordwales. Dem hochherzigen Ffirsten sing' ich, von Rhodri's Ge- schlecht, Den ffirstliche Gaben schmucken. dessen Hand Oft hat gebandigt das Nachbarland, Owain, den hohen Erbcn von Britannien's Thron, Den edler Ehrgeiz sich erkor, Den Keiner jemals weichen sah, Noch Schatze haufen im Schrein des Geizes. Drei machtige Heere kamen fiber die See, Drei Flotten zu plotzlichem Ueberfall : Die Eine von Erin's grtiner Kiiste, Die andere mit Lochlin's bewaffnetem Heer, Lange Burden des wogenden Pfades ; Die Dritte trug fern her normannische Mannen Zu fruchtloser Arbeit und durftigem Ruhm. Gegen Mona's tapfern Herrn, der, sieh, dort halt, Seine kriegerischen Sonne zur Seite gestellt, Rauscht die dunkle, sturmische Fluth heran, Der schimpfliche Aufruhr der feindlichen Banden. Kuhn schlagt er ab den wuthenden Sturm ! Vor ihm die wilde Verwirrung flieht, Wahrend der Mord erhebt seine Grauengestalt, Und den Geist aushaucht im Sturz das Gemetzel, Kampf auf Kampf von Neuem wachst, Blut auf Blut in Stromen fliesst, Geschrei auf Geschrei ertont und wildes Schlachten wuthet. Und hoch fiber Moelvre's Stirn an tausend Banner wogen, Und dichter wird der rasende Streit. Es blitzt der Todesstreich weithin, Speer klingt an Specr, Flucht treibt die Flucht, Ertrinkende Opfer versinken in Nacht : Bis Menai's schwer beladene Fluth, Gerothet weit von Stromen Blut's, Gehemmt durch Leichen, nicht mehr fliesst, Wahrend gepanzerte Krieger sich schlagen voll Qual Mit tiefklaffenden Wunden am Ufer entlang. Und vor des Konigs rot hen Fiirsten*) sich hauft das Metzelgedrang'. So wird Longia's AngrifF Longia's Flucht ; Der Kampf, der zahmen sollte seine Macht, Vereint mit ihren geworfenen Sohnen, wird Erheben des grossen Owain's Schwert zum Ruhme, Und siebenmal zwanzig Zungen werden seine Thaten Und all 1 ihren hohen Ruhm durch kiinft'ge Zeiten tragen. San Alarte. *) Die walische Nationalfarbe war roth, roth auch der Drache im Reichsbanner. {cy Howel ab Owain. Ein walisischer Fiirst und trefflicher Barde, als letzterer ein heiterer und lieblicher Sanger. „Die kurzen Gedichte, die er uns hinterlassen hat, sind das Reizendste, was seine Zeit hervorgebracht hat, und frei von aller Wortkiinstelei und gesuchten Bildern. Bis zum Ueberstromen erfiillt von inniger Liebe zur Natur und voll heiterer Laune sind sie kostliche, wahre kleine Leckerbissen." Sehr jung, bereits 1 1 44, kampfte er mit den Flamingern und Normannen und bestieg 1169 den Thron seines Vaters Owain Gwynedd. Doch ein jiingerer Halbbruder, Davidd, bemachtigte sich in seiner Abwesenheit der Herrschaft und rief sich zum Konig von Nord-Wales aus. Howel kehrte in moglichster Eile zuriick, erlag aber mit seinen rasch zusammengerafrten Schaaren der grosseren Truppenmacht des Gegners und starb an den in der Schlacht erhaltenen Wunden. Liebeslied. Im griinen Mantel das schone Kind, Das siisse, gieb mir, das schlanke. Ihres weiblichen Sinnes Ernst gewinnt In der Tugend Liebreiz die Schranke. Gieb mir das Kind, dess Herz mit dem meinen All' Sinnen und Hoffen wird vereinen. Kind, schon, dem Meeresschaume gleich, An Kymrogeist so glanzend reich, Sprich, bin ich dein ? Und bist du mein ? Du schweigst ? — Mein Herz Entflammt dein Schweigen mit gluhendem Schmerz. Weil gottlich begabt du, wahlt' ich dich. Gewahlt muss sein ! — Du, Schonste, so wahle mich! San Matte, sjgs, Rhys Goch ab Rhiccert. Einer der vorziiglichsten walischen Dichter, der mit Davydd ab Gwilym vor allem die Liebespoesie pflegte, ein Barde voller Anmuth, Zartheit und Frische der Em- pfindung. „Im Dienste des rosigen Gottes" entfalten Beide solch' eine Fulle von Phantasie, Eleganz des Ge- schmackes und Reichthum der Erfindung, wie uns ein Blick auf die Werke ihrer Vorfahren nicht wiirde haben erwarten lassen. Rhys Goch lebte um 1350 zu Tir Jarll in Glamorganshire. Lied an die Seemove. Schone Move auf der Oberflache der Wogen, Inmitten des Schaumes der spiilenden Wellen, Weisse Konigin der Moven der Severn -See, Mit deinem Reich auf der neunten Woge des Oceans, Von den Korpern der Fische lebend : Du bist eine zarte Schone, schnellen Fluges, Du bist es, nach der ich verlange. Trag' von mir ein Lied voll kalter Klagen Zu meinem Madchen von zartem Wuchs mit schonem Gruss! Ich leid' um Eine, von der Weisse des frisch gefallenen Schnee's, Die einen Pfeil mir in den Busen gesenkt hat, Der mich schmerzt, indem ich ihn mit mir herumtrage. Sage, o Move, zu der Farbe der Schneeflocken, Dass ich sie Hebe, die liebensw iirdige Gwen ! Gen' zu dem Schlosse des klaraugigen Madchens Und sing von meinem Munde der Schonen Lob ! Wenn ich ein Lied der fiinf metrischen Herrlichkeiten dichtete, Wiirde es nicht hinreichen, ihr Lob zu singen Oder den hundertsten Theil des Verdienstes ihrer Schonheit. — 2 3 — Wenn ich die Eine nicht habe, wird mein Ilerz brechen. In irgend eine Wildniss will ich gehen mit meincm Gram, Und verborgen in den Waldern, fern den Menschen, Will ich sterben urn dieses siissen Madchens willen. San Martc. Liebesruhe. Urn uns ergossen sich die Strahlen der Sommersonne Und langes griines Gras bedeckte die Felder, Klee in grosser Menge und laubreiche Baume zierten den Platz. Dort lag ich und Gwen in voller Seligkeit, Lehnend beide unter den Blumen, Umgeben von einer Fulle von Klee. Lippe an Lippe verbrachten wir die Zeit. Von den Lippen des Madchens ward mir ein Schmaus Gleich dem des heiligen David in dem Chor von Hoduant, Oder Taliesius am Hof Elphin's, Oder der Tafelrunde zu Caerlleon, Oder gleich den Engelfreuden im Paradiese. Und wir Beide schwelgten so Ohne eine Sorge um das, was gewesen, Ohne einen Gedanken an das, was kommt. Diese Hohe der Seligkeit war ohne Ende, Denn wir hatten Beide nur einen Gedanken Und sangen nur den ganzen Tag : Dass wir wollten leben und lieben einander, Leben nur von siissen Kiissen Und sterben Beide auch in ihnen. San Marte. Davydd ab Gwilym. ^Der walsche Petrarka," „die Nachtigall von Dyved." Seiner Lebenszeit nach ware er allerdings in das folgende Buch zu verweisen, doch schliessen wir mit ihm die Reihe der Kymrysehen Dichter, die sich bis in die Gegenwart verfolgen liesse, und setzen ihn gleich mit seinem Geistes- verwandten Rhys Goch zusammen. Es sind uns von ihm nicht weniger als 262 Gedichte iiberliefert, von denen ein Theil von A. J. Johnes in's Englische iibersetzt worden. An den Sommer. ,,0 Sommer, Vater du der Wonne, Mit deinem dichten Laub und dunklen Zweigen, Monarch, gekront mit holder Strahlensonne, Weckst aus dem Schlaf die Thaler, die dir eigen. Stolz im Triumphe sehen wir dich ziehn, Prophet und Herrscher du von Waldesgrun, Kunstreicher Schopfer du von Wald und Baum. Du Maler unerreicht im Erdenraum, Wer streut gleich dir Juwelen, webt so fein Die Silberschleier urn Gebirg' und Hain, Bis Thai und Haus von Farbengluth durchwaltet, Zum andern Paradiese sich gestaltet? Du malest bunt so Blum' und Blatt wie Rinde, Ziehst bluhmde Ketten iipp'ger Laubgewinde, Und deiner jugendfrohen Sanger Klang Tont her von Eich' und Wipfel Lenzgesang. Der Amsel Ton begeistert klingt im Chor Aus dichtem Geisblatt laut hervor, Bis alle Welt von Wonne tief durchdrungen Mit ihrer Fiille die Trauer hat bezwungen. O Sommer, fleht umsonst mein Leid ? Willst du in deiner Herrlichkeit - 2 5 — Mich wiird'gen. Bote mir xu sein ? Hinweg denn, weg von diesem Binnenland Des wilden, wilden Gwvnedd zu dem Strand Dos schonen Glamorgan, der See Stirnband, Dem Meeresufer, reizend, klar und rein ! ■Zum theuern Glamorgan in Scheidens Schmerz, Ach, trage tausendmal mein Her/! Gieb tausendmal ihm meinen Segen ! Lass Lust sich dort in warmen Ltiften regen ! In seinen holden Thalern lass dich nieder Und wandle in dem Lande hin und wieder Zum schonen Ufer, dessen Ernte reift, Von Himmels Ungunst ungestreift, Prangend mit Korn und siissen Weingelanden, Fischreichen Seeen, freundlich-hellen Weilern, Wo Giite wohnt in festen Steingewanden, Gastfrei der Lord in seines Schlosses Pfeilern Dem Fremden reichlich auftischt ohne Saumen, Und voile Becher Weines kreisend schaumen : Mit Baumen, die die siisse Birne tragen, So dicht, dass Zweig' in Zweig' hiniiberragen, Und meiner Liebe schones Land Nur als ein einz'ger Lustwald wird erkannt. Von Sangern wimmeln seine hehren Walder, Von Blumen seine stromerquickten Felder ; Voll seine Thaler Segens mancherlei, Acht Arten Korn, drei Arten Heu : Prachtsaal ! Der Teppich dichter Klee ! Ein reizender Garten am Strand der See ! Glarmorgan's Ritter spenden hold Mir hellen Meth und lichtes Gold; Ja, Glamorgan noch preist und liebt Einen Barden, in HarP und Sang geiibt. Von ihm sein taglich Brod bezieht Das nachbarliche Grenzgebiet : Milch, Weizen, seine mannigfachen Schatze Nahren entfernter Gestade Platze, Und Hof und Dorfer geben Wohlstand kund, Gestiitzt auf Siidbrittanniens reichem Grund, Willst, Sommer, du gehorchen meiner Macht, In deiner schonsten Glanzespracht ? Entfalt' ihm deiner Farben Ruhmesfulle, Als ein Gesandter reich in gold'ner Hiille, — 26 — Gieb semen Morgen Glanz und Segensgriisse ! Die weissen Hauser freundlich kusse ! Streu' Griin und Reichthum iiber seine Auen, All', deine schonsten Blumen lass es schauen ! Befruchtend strahl' dein Licht erhaben nieder Und von den kalk - geweissten Schlossern wieder ! Setz' auf die griine Kiiste deine Fusse, Auf's stolze Hiigelland und seine Waldessiisse ! Lass Blfithen reich verschwenden deine Hand An alle Walder in dem Land ! Gleich wallender Fluth ergiesse deine Gaben Ueber Thai und Hiigel, alle sie zu laben, Und Fruchtbaumpflanzung, Garten, Weingehange Zeig deiner Full' und Fruchtbarkeit Geprange ! Lass iiber's ganze Land der Schonheit gehn Mit Spuren kostlich deines Fittichs Wehn!" „Inmitten so all' deiner Bliithenpracht, Der Blatterfiill' und hehren Laubennacht Wird der Beruf des Dichters sein, zu pfliicken Die Rosen und der Blumen Glanzgefunkel (Juwelen licht aus deinem Waldesdunkel) Und Klee gewebt zu Teppichs Griin, zu schmucken Den Ort in ernstem Treuemuth, Wo gern sein gold'ner Joor ruht. a San Marte. &4$* Layamon. Ein Geistlicher aus Ernlev am Severn ; er lebte gegen Ende des 12. Jahrhunderts und dichtete eine metrische Uebertragung des normannisch - franzosischen Epos von Maistre Wace aus Jersey „Lis romans de Brut". Brutus von Troja soil der Sage nach der erste Konig von England gewesen sein. Konig Arthur's Mahl. Da die Messe war gesungen, Drangten sie sich aus der Kirche, Der Konig mit seinem Volke Zu seinem Mahle fuhr, Und viele seines Adels : Freude war im Hause. Die Konigin auf ihrer Seite Suchte ihre Herberge ; Sie hatte Weibsleute Wunderbar viele. Da der Konig sich gesetzt hatte Mit seinen Mannen zu seinem Mahle, Kam zu dem Konige der Bischof, Der heilige Dubrig, der war so gut ; Und nahm von seinem Haupte Seinen hohen Konigshelm — Wegen des vielen Goldes Wollte ihn der Konig nicht tragen — Und setzte eine .kleinere Krone Auf des Konigs Haupt, Und darauf that sich an Eine andere auch die Konigin . . . Die Manner wohlgethan, Alle die Waffenleute, Sassen bei ihrem Mahle, Gesondert bei einander ; Das dauchte ihnen wohlgethan. Und audi die Weiber Hatten ihre Wohnung. Da nun der Konig sass Mit allem seinen Add bei dem Mahle, Graf en und Barone Am Tische des Konigs, Kam der Hofmeister geschritten, Der Cajus war geheissen, Der hochste Ritter im Lande Unter dem Konige, Von all' dem Haufen Von Arthur's Haushalt. Cajus gebot vor sich Manchen hochgebornen Mann. Da waren tausend kiiline Ritter, Wundervoll wohl gezahlt, Die dem Konig dienten Und zu seinem Dienst sich drangten. Jeder Ritter hatte einen Mantel urn Und mit Golde besetzt Und alle ihre Finger Eingefasst mit gold'nen Ringen ; Die trugen das Gesendete Aus der Kuche zum Konige. Auf der andern Seite war Beduer, Des Konigs Oberkellner; Bei ihm waren Grafensohne, Aus adeligem Geschlecht geboren, Und da hoher Ritter Sonne, Die hin gekommen waren, Sieben Konigssohne, Die mit ihm sich bewegten. Beduer ging zuerst Mit goldener Flasche, Nach ihm tausend Drangten sich zum Dienst Und mit aller Art Getranke, — 29 — Die man sich nur denken kann. Und die Konigin hatte aui ihrer Seite Sehr schone Frauen : Tausend gingen vor ihr, Reiche und auserlcsene Manner, Zu dienen der Konigin l^id Damen, die bei ihr waren. O. Behnsch. Volkslieder und Balladen. Edward. (Schottisch.) „Dein Schwert, wie ist's von Blut so roth, Edward, Edward? Dein Schwert, wie ist's von Blut so roth, Und gehst so traurig her? O ! u „0, ich hab' geschlagen meinen Geier todt, Mutter, Mutter! O, ich hab' geschlagen meinen Geier todt, Und keinen hab' ich, wie er — O !" „Dein's Geiers Blut ist nicht so roth, Edward, Edward ! Deines Geiers Blut ist nicht so roth, Mein Sohn, bekenn' mir frei — O !" „0, ich hab geschlagen mein Rothross todt, Mutter, Mutter! O, ich hab' geschlagen mein Rothross todt, Und's Avar so stolz und treu — O ! u „Dein Ross war alt, und hast's nicht noth, Edward, Edward ! Dein Ross war alt, und hast's nicht noth, Dich driickt ein and'rer Schmerz — O !" „0, ich hab' geschlagen meinen Vater todt, Mutter, Mutter! O, ich hab' geschlagen meinen Vater todt, Und weh, weh ist mein Herz — OI u „Und was fur Busse willst du nun thun, Edward, Edward ? Und was fur Busse willst du nun thun ? Mein Sohn, bekenn' mir mehr — O ! u „Auf Erden soil tnein Fuss nicht ruhn, Mutter, Mutter! Auf Erden soil mein Fuss nicht ruhn, Will geh'n tern iiber's Meer — OJ u „Und was soil werden dein Hof und Hall, Edward, Edward? Und was soil werden dein Hof und Hall ? So herrlich sonst und schon — O !" „Ich lass es steh'n, bis es sink' und fall', Mutter, Mutter! Ich lass es steh'n, bis es sink' und fall', Mag nie es wiedersehn — O!" „Und was soil werden dein Weib und Kind, Edward, Edward? Und was soil werden dein Weib und Kind, Wenn du gehst uber Meer? — O ! tt „Die Welt ist gross, lass sie betteln drin, Mutter, Mutter! Die Welt ist gross, lass sie betteln drin, Ich seh' sie nimmermehr — O !" „Und was willt du lassen deiner Mutter theu'r, Edward, Edward? Und was willt du lassen deiner Mutter theu'r? Mein Sohn, das sage mir — O !" „Fluch will ich euch lassen und hollisch Feu'r, Mutter, Mutter ! Fluch will ich euch lassen und hollisch Feu'r, Denn ihr, ihr riethet's mir! — O ! u Herder. $& Herr Patrick Spence. (Schottisch.) Der Konig sitzt in Dumferline's Stadt. Er trinkt den blutrothen Wein : „Wo find' ich einen Schiffer gut, Zu fiihren dies Schifflein mein?" — 3^ — Und auf und sprach ein greiser Ritter, An Konigs Knie sass er : „Herr Patrick Spence ist der beste Schiffer, Der jemals schifft' auf dem Meer! u Der Konig schrieb einen breiten Brief, Gesiegelt von seiner Hand, Und sandt' ihn an Herrn Patrick Spence, Der wandelt am Uf errand. Die erste ZeiP Herr Patrick las, Gar laut er zu lachen begann ; Die zweite ZeiP Herr Patrick las, Vom Aug' ihm die Thrane rann. „0 wer, wer hat die That gethan, Wer that mir gar so weh ? Mich auszusenden in dieser Zeit, Zu schiffen auf der See? Auf, auf, meine wackern Mannen all, Wir segeln beim Morgenroth!" „Nicht also, nicht also, mein theurer Herr, Ich fiirchte Sturmesnoth ! Gestern Abend sah ich den neuen Mond, Hielt den alten Mond im Arm, Und ich furcht', ich fiirchte, mein theurer Herr Wir fahren Leid und Harm." O (ibel gefiePs unsern schottischen Herrn, Dass sie netzten die Korkholzschuh, Doch lang' eh' das Spiel zu Ende gespielt, Da schwammen ihre Hiitlein dazu. O lang, lang mogen ihre Frauen steh'n, Den goldenen Facher zur Hand, Eh* dass sie gewahren Herrn Patrick Spence, Der wieder kehrt zu Land. O lang, lang mogen ihre Frauen stehen, Den goldenen Kamm im Haar, Und harren ihrer guten Herrn, Sie sehn sie nimmerdar. — 33 — Halb iiber hinuber nach Aberdour, Tief fiinfzig Faden im Meer, Da liegt der gute Herr Patrick Spence, Die schottischen Herrn urn ihn her. Rosa Warrens. Beichte der Konigin Eleonore. Krank lag die Konigin Eleonor', Zu sterben sie sehr bangt, Da schickt sie eilig nach Frankreich hin, Zwei Monche von dort verlangt. Der Konig rief seine Edlen all', Rief einen und zwei und drei : ,,Ich selbst will beicht'gen der Konigin, Graf Marschall, du sei dabei!" „Eine Gnad', eine Gnade," Graf Marschall sprach, „Hier knie ich, was es auch sei, Was euch bekenne die Konigin, Dass mir's nicht zu Schaden gedeih' !" „Mein Land verpfand' ich," der Konig sprach, „Meine Krone und furstliche Treu ; Was auch bekenne die Konigin, Dir solPs nicht zu Schaden gedeihn ! „Eine Moncheskutte, die wirf nun um, Ich zieh J eine and're an ; So sieht uns wohl die Konigin Fur zwei heilige Pfaffen an ! u So zogen sie beide verkappt dahin, Traten ein in das Schloss Whitehall, Die Glocken klangen, die Chorknaben sangen, Die Kerzen, die brannten all ! Vor die Konigin, da traten sie hin Und knieten und wiinschten ihr Heil; „Hier sind wir, gnadige Konigin, Nach denen gesandt du in Eil'." Engl.-Amerik. Dichter. 3 — 34 — „Seid ihr die Monche aus FVankreich, Nach denen ich that' verlangen ? Doch seid ihr zwei engliche Pfaffen, So sah' ich euch lieber hangen!" „Wir sind die Monche aus Frankreich, Nach denen ihr thatet verlangen. Wir kamen eilig iiber das Meer, Eure Beichte hier zu empfangen!" „Die erste Siinde, die ich beging, Die soil euch enthullet sein ! Graf Marschall empling meine erste Gunst Vor dem Konige ganz in Geheim. a „Eine arge Siinde!" der Konig sprach, „Die Gott vergeben euch mag!" „Amen, Amen!" Graf Marschall rief, Mit schwerem Herzen er sprach. „Die zweite Siinde, die ich beging, Die sei euch nicht verhehlt, Eine Biichse hab' ich mit Gift gemischt, Fur den Konig, dem ich vermahlt." „Eine arge Siinde," der Konig sprach, „Gott mag sie dir verzeihn!" „Amen, Amen!" Graf Marschall sprach, „Und also soil es sein!" „Die dritte Siinde, die ich beging, Die sei euch nun bekannt, Schon Rosamund, die starb an Gift In Woodstock von meiner Hand." „Eine arge Siinde." der Konig sprach, „Gott mag sie dir verzeihn ! u „Amen, Amen!" Graf Marschall sprach, „Und also soil es sein!" „Seht ihr die beiden Knaben dort, Der Aeltste wirft den Ball. Das ist des Grafen Marschall Sohn, Und den lieb' ich vor All'n. — 35 — Seht ihr den kleinen Knaben auch, Der fiingt den Ball im Spiel ? Das ist des Konigs Heinrich Sohn. Der kummert mich nicht viel. Sein Kopf, der gleicht dem eines Stiers, Die Nase, wie'n Riissel so krumm — „ „Was thut's, was thut's," der Konig rief, „Mir ist er nur lieber darum! u Der Konig warf die Kutte ab. Stand vor ihr in rothem Kleid. Die Konigin schrie und rang die Hand', Dass sie verrathen sei. Der Konig sich um nach dem Marschall sah, Blickt' an ihn mit grimmigem Blick : r Graf Marschall, war's nicht um meinen Eid, Du hingst noch heut' am Strick !" Taloj. Der Douglas Untergang. „Steh auf, steh auf, Lord Douglas," sprach sie: „Leg an deine Rustung sofort ; Werd' es nimmer gesagt, dass die Tochter dein Zur Nachtzeit freit einen Lord. u „Steht auf, meine sieben Sonne kiihn. Legt an eure Rustung sofort, Habt scharf auf die jiingste Scrnvester Acht, Denn die alt'ste ist diese Nacht fort." Er schwang sie auf ein milchweiss Ross Auf ein apfelgraues sich. Ein Jagdhorn hing an der Seite ihm. So ritten sie lustiglich. Lord William iiber die Schulter blickt. Ob er was konnt' erspahn ; Da hat er ihre sieben Briider kiihn Wohl ihm nachjagen sehn. 3* - 36 - ,,Steig' ab, steig' ab, Lady Marg'reth, a sprach er, „Und nimm mein Ross an der Hand, Damit ich deinen sieben Briidern kuhn Und dem Vater halte Stand." Sie hielt sein Ross an der milchweissen Hand Und weinte nimmermehr, Bis ihre sieben Briider fallen sie sah Und den Vater hart fechten, der sie liebte so sehr. ^O hemme die Hand, Lord William," sprach sie, „Deine Hiebe sind wunderbar schwer. Treue Liebsten kann ich Viele bekommen, Doch keinen Vater mehr." Sie nahm ihr weisses Tuch heraus Von hollandischem Linnen so fein, Und legt auf des Vaters Wunden es auf, Weit rother, als der Wein. „0 w'ahle, Lady Marg'reth," sprach er Willst du gehn oder bleiben hier?" „Ich will gehn, will gehn, Lord William," sprach sie, Du liessest sonst keinen Fiihrer mir." Er schwang sie auf ein milchweiss Ross, Auf ein apfelgraues sich, Ein Jagdhorn hing an der Seite ihm, So ritten sie trauriglich. Sie ritten fort, sie ritten fort, So lange der Mondschein wahrt, Bis dass sie an ein Wasser kamen, Da stiegen sie vom Pferd. Sie beugten sich, einen Trunk zu thun Aus dem Quell, der klar dort entsprang, Da floss sein gutes Blut mit dem Strom, Und ihr ward angst und bang. „Halt ein, halt ein, Lord William," sprach sie, „Du bist getroffen furwahr." — „Meines Scharlachmantel's Schatten ist's nur Dort auf dem Wasser klar." — 37 — Sie ritten fort, sie ritten fort. So lange der Mondschein wahrt, BivS sie kamen zu seiner Mutter Thfir Da stiegen sie vom Pferd. „Steh auf, steh auf, Frau Mutter," sprach er. „Steh auf und lass mich ein; Steh auf, steh auf, Frau Mutter, " sprach er, „Ich gewann heute Nacht das Liebchen mein. „0 mache mein Bett, Frau Mutter," sprach er, „0 mach' es tief und breit, Und desto fester wird sein mein Schlaf, Legst du Lady Marg'reth mir zur Seit'. u Lord William starb lange vor Mitternacht, Lady Marg'reth lange vor Tag : Und jedes Paar, das zusammen kommt, Mehr Gliick als sie haben mag. In St. Marie'skirche begrub man ihn Und sie in St. Marie's Chor, Aus ihrem Grab eine Rose sprosst, Aus dem seinen ein Weissdorn hervor. Die trafen sich, verzweigten sich. Um sich recht nah zu sein. Dass Jeder sah, man senkte dort Zwei treue Liebende ein. Doch der schwarze Douglas ritt vorbei Und war so grausam — weh ! — Er riss den guten Weissdorn heraus, Warf ihn in St. Marie's See. O. L. B. Wolff, Murray's Ermordung. O Hochland und o Siidland ! Was ist auf euch geschehn ! Erschlagen der edle Murray. Werd' nie ihn wiedersehn. - 3S - O weh dir! weh dir Huntlei! So untreu, falsch und kiihn, Sollst ihn zuriick uns bringen, Ermordet hast du ihn. Ein schoner Ritter war er In Wett- und Ringelauf; Allzeit war unser Murray Die Krone oben drauf. Ein schoner Ritter war er Bei Waffenspiel und Ball. Es war der edle Murray Die Blume uberall. Ein schoner Ritter war er In Tanz und Saitenspiel ; Ach, dass der edle Murray Der Konigin gefiel. O Konigin, wirst lange Sehn iiber Schlosses Wall, Eh' du den schonen Murray Siehst reiten in dem Thai. Herder. Die Judentochter. Der Regen, er rinnt durch Mirrylandstadt, Rinnt ab und nieder den Po ! So thun die Knaben in Mirrylandstadt, Zum Ballspiel rennen sie so. Da 'naus nun kam die Judentochter, Sprach : „Willst du nicht kommen hinein?" „Ich will nicht kommen, ich kann nicht kommen Von alien Gespielen rnein." Sie schalt einen Apfel, war roth und weiss, Zu locken den Knaben hinan, Sie schalt einen Apfel, war weiss und roth, Das siisse Kind den gewann. 39 Und aus nun zog sic ein spitzig Mess'r, Sie hatt's versteckt beiher ; Sie stach's dem jungen Knaben in's Herz, Kein Wort sprach nimmer er mehr. Und aus nun kam das dick, dick Blut, Und aus nun kam es so diinn, Und aus nun kam's Kind's Herzensblut, Da war kein Leben mehr in. Sie legt' ihn auf ein Schlachtbrett hin, Schlacht't ihn, ein Christenschwein, Sprach lachend : „Geh und spiele nun da Mit alien Gespielen dein!" Sie rollt ihn in ein'n Kasten Blei. „Nun schlaf da! u lachend sie rief; Sie warf ihn in ein'n tiefen Brunn', War funfzig Faden tief. Als Betglock' klang und die Nacht eindrang, Jede Mutter nun kam daheim ; Jede Mutter hatt' ihren herzlieben Sohn, Nur Mutter Ann' hatt' Kein'n. Sie rollt' ihren Mantel um sich her, Fing an zu weinen sehr, Sie rann so schnell in's Juden - Castell, Wo Keiner, ach ! wachte mehr ; „Mein liebster Honne, mein guter Honne, Wo bist du? antwort' mir!" „0 Mutter, o rennt zum Ziehbrunn' tief, Euren Sohn da findet Ihr! a Mutter Anne rann zum tiefen Brunn', Sie fiel danieder auf's Knie : „Mein liebster Honne, mein guter Honne, O antwort', bist du hie? u „Der Brunn' ist wundertief, o Mutter, Der Bleikast' wunderschwer; Ein scharf, spitz Messer geht durch mein Herz ; Kein Wort sprech' nimmer ich mehr. — 4 o " „Geh' heim, geh' heim, mein Mutter theu'r, Mach' mir mein Leichenkleid ! Daheim, da hinter Mirrvlandstadt Koram' ich an eure Seit'. u Herder. Der liebe Wilhelm und schon Gretchen. Es begab sich an einem Sonntag einst, Zwei Liebende sassen am Hang' ; Sie sassen und konnten sich sprechen nicht satt Den ganzen Sommertag lang. „Ich sehe, Gretchen, an dir keinen Fehl, Und du siehst keinen an mir : Vor morgen friih um acht Uhr zeigt Eine reiche Hochzeit sich dir!" Schon Gretchen im Kammerfensterlein sass Und k'ammt ihr goldenes Haar, Den iieben Wilhelm und seine Braut ward Im Voriiberziehn sie gewahr ; Sie legte hin den Elfenbeinkamm, Zwei Zopfe vom Haar flocht' sie ; Sie ging aus der Kammer lebend hinaus. Doch lebend herein wieder nie ! - Als Tag verrann, und Nacht brach an, Und Jedermann schon schlief, Da kam schon Gretchens Geist und stand Zu Wilhelm's Fiissen tief. „Wachst du wohl, lieber Wilhelm, jetzt? Schlafst du wohl?" so sie frug : „Gott gebe dir Freude zu deinem Brautbett, Mir aber zum Leichentuch!" — Als Tag brach an, und Nacht verrann, Und Jedermann erwacht'. Da sagte Wilhelm : „Theures Gemahl, Zum Weinen bin ich gebracht ; Ich traumt einen Traum, mein theures Gemahl, vSolch' Traume sie thun nichts Gut's : Die Kammer voll rother vSchweine Bah ich, Mein Brautbett aber voll Blut's." „Der Taum, der Traum, mein werthester Herr, Bedeutet gewiss nichts Gut's, Dass voll rother Schweine die Kammer du sahst, Das Brautbett aber voll Blut's. Er rief herbei seine munteren Leut', Zu einen, zu zwei und zu drei : „Zur Kammer von schon Gretchen geh' ich, Mein Gemahl auch stellte mir's frei!" Als zu schon Gretchen's Kammer er kam, Klopft er am Ringe der Thfir, Wer war so willig, zu lassen ihn ein, Als die sieben Briider von ihr. Er deckte hier das Laken gleich auf: „Lasst mich die Todte sehn ! Mir scheint, sie ist jetzt blass und fahl, Ihr Kirschroth musste vergehn ; Ich will mehr thun, schon Gretchen fur dich, Als deine Sippschaft hier ; Denn ich will kiissen den blass -fahlen Mund, Dankt auch nicht ein Lacheln dafur!" Die sieben Briider, sie jammerten laut Und sprachen wehrend darein : „Geh, kiisse deine braune Braut nur, Lass unsre Schwester hier sein!" „Wenn ich sie kiisse, die braune Braut mein, Ist Recht und Pflicht nur das ; Nie hab' ich dem armen Leichnam gelobt Bei Tag und bei Nacht etwas. Theilt aus, theilt aus meine munteren Leut', Theilt aus den Kuchen und Wein ; Was zu ihrem Bergrabniss vertheilt wird heut', Soil zu meinem moreen auch sein!' ; — — 42 — Schon Gretchen starb, ach, heute, heut', Der Hebe Wilhelm, starb morgen ; Schon Gretchen starb aus treuester Lieb', Und Wilhelm starb vor Sorgen. Begraben ward Gretchen im untern Chor, Im obern Wilhelm's Leiche, Eine Ros' entsprang aus ihrer Brust, Aus seiner ein Dorngestrauche. Sie wuchsen, wuchsen zum Kirchdach auf, Da konnten sie hoher nicht steigen ; Zum Liebesknoten verschlangen sie sich ; Das Wunder liess man sich zeigen. Da kam der Pfarre Kiister daher, Verlasst euch auf mein Wort, Aus Ungeschick schnitt er sie ab, Sonst waren sie noch dort. Adolfih von Maries. ®* Des lieben Wilhelm's Geist. Es kommt ein Geist an Marg'reth's Thiir Mit schwerem Stohnen dort ; Und ach, am Riegel drehet er, Sie spricht kein einzig Wort : „Ist es mein Vater Philipp wohl ? Ist's wohl mein Bruder Johann ? 1st es mein Treulieb Wilhelm gar, Der kommt aus Schottland an ? u „Suss Gretchen, ach, suss Gretchen lieb, Ich bitte dich, sprich zu mir, Gieb, Gretchen, Wort und Treu zuruck, Wie ich's gegeben dir ! Denn kam' ich in dein Kammerlein, Der ich nicht irdisch bin, Und kiisst' ich deine Rosenlipp', Bald war' dein Leben hin ! — 43 — Suss Gretchcn, ach, lieb Gretchen ach, Ich bitte dich, sprich zu mir; Gieb, Gretchen, Wort und Treu zuruck, Wie ich's gegeben dir! u „Dein Wort und Treu erhaltst du nicht, Von mir du's nie gewinnst, Wenn du mich nicht zum Kirchhof ffihrst Und mit 'nem Ring mich nimmst." „Im Kirchhof weithin, iiber der See, 1st mein Leib beigesetzt, Und es ist, Gretchen, nur mein Geist, Der zu dir redet jetzt!" Sie recket aus ihre Lilienhand, Dass sie ihr bestes thu' ? „Wilhelm, nimm hin dein Wort und Treu', Geo' Gott deiner Seele Ruh'! a Nun schiirzet sie ihr grimes Gewand Ein Stiickchen unter'm Knie, Die lebenlange Winternacht Dem Todten nach folgt sie. — „Ist etwas Raum dir zu Hiiupten, Wilhelm ? Ist Raum zu den Fiissen dein ? Ist etwas Raum dir zur Seite, Wilhelm, Damit ich schlupP hinein?" „Kein Raum ist, Gretchen, zu Hiiupten mir, Kein Raum zu den Fiissen mein, Kein Raum ist, Gretchen, zur Seite mir, Mein Sarg ist eng und klein! u — Da, horch, da kraht der roth' rothe Hahn, Und horch, der graue kraht. ,,'s ist Zeit, 's ist Zeit, lieb Gretchen nun, Hinweg, sonst ist's zu spat!" Adolfih von Maries, $* — 44 — Die grausame Sch wester. Es sassen zwei Schwestern in einem Gemach, Binnorie, o Binnorie — Zu ihnen kam ein Freiersmann jach. Beim schonen Miihldamm von Binorie. Es kam ein Freier vom Westen her, Er liebte sie Beid', doch die Jiingste mehr. Er freite die Aelt'ste mit Handschuh und Ring, Doch liebt er die Jiingste iiber jegliches Ding. Er freite die Aeltste mit Schwert und Spang', Doch liebt' er die Jiingste aus Herzensdrang. Die Aelteste ward gar sorgenvoll, Sie schaute die Jiingste mit Neid und Groll. Die Aelteste sprach zum Schwesterlein schon, „Komm mit, unsres Vaters Schiffe zu sehn! u Sie nahm sie bei der Lilienhand, Und fiihrt sie hinunter zum Stromesrand. Die Jiingste, sie stand auf einem Stein. Die Aelteste kam und stiess sie hinein. Sie fasste sie um die Mitte schmal, Und stiess sie hinab in den Wogenschwall. „0 Schwester, Schwester. reich' mir die Hand! Und erben sollst du mein halbes Land. a „0 Schwester, ich reiche dir nimmer die Hand! Und erben werd' ich dein ganzes Land. Schmach iiber die Hand, die ich fassen sollt', Die mien und mein Treulieb trennen wollt! u „0 Schwester, reich' mir den Handschuh allein, Und William siiss soil dein Liebster sein. u „Hoff nicht auf die Hand, noch den Handschuh mein, Siiss William wird besser mein Liebster sein. Deine Kirschenwang' und dein gelbes Haar Liessen Jungfrau mich bleiben immerdar." Ein Weilchen sank sie, ein Weilchen schwamm, So kam sie bis zu des Miillers Damm. — 45 — „0 Vater, halt' die Muhle nur an! Hier kommt ein Meerweib oder milchweisser Schwan." Der Miiller hielt die Muhle wohl an, Da schwamm ein entseeltes Frau'nbild heran. Ihr konntet nicht schauen ihr gelbes Haar, Vor Gold und Perlen so herrlich gar. Ihr konntet nicht sehn ihre Mitte so fein, Vor breitem Giirtel in goldenem Schein. Ihr konntet nicht sehen ihren Fuss so hold, Es hingen so tief die Fransen von Gold. Ein alter Harfner des Weges kam, Er spiels am Konigshof wundersam. Er sah ihr susses, bleiches Gesicht Und seufzte gar so bitterlich. Er macht' eine Harf aus ihrem Gebein, Ihr Klang erweicht ein Herz von Stein. Er macht' aus dem Goldhaar die Saiten schon, Und Jeder ward traurig, der horcht' dem Geton. Er fiihrte die Harf' zu des Konigs Hall', Wo Ritter und Fraulein versammelt all. Er legt' die Harf auf einen Stein, Alsbald begann sie zu spielen allein. „0, dort sitzt mein Vater, der Konig kuhn, Und dort meine Mutter, die Konigin." „Und dort steht Hugo, mein Bruder lieb, Und neben ihm William, mein treues Lieb !" Doch der letzte Ton auf der Harfe klagt' : „Weh', weh' meiner Schwester, der falschen Magd!" Rosa Warrens. Lord Lovel. Lord Lovel vor seinem Burgthor halt Auf seinem Graurosselein ; Des Weges kam Lady Nancibel, Sie wiinscht ihm Gliick und Gedeihn. - 46 - „0, wohin doch gent ihr. Lord Lovel, Mein Theurer, gebt mir Bescheid!" „Wohl muss ich von hinnen reiten In fremde Lande weit!" „Doch ich kehr' iiber sieben lange Jahr. Ich kehre dir sicherlich!" „0 sieben, sieben, sieben lange Jahr. Die wahren zu lange fur mich!" Doch als ein Jahr vergangen war. Ein einzig Jahr, nicht mehr. Da konnt' er nicht langer sauinen. Da ward ihm das Herz so schwer. Da sass er auf in eiligem Lauf. Bis dass er kommen nach Haus. Da hort er so bang einen traurigen Klang Von alien Glocken durchaus. „Fiir wen doch lauten die Glocken?" er sprach; Sie sprachen : „Fiir Nancibel ! Sie starb vor Gram urn den treulosen Mann, Sein Name ist Lord Lovel. u Er offnet' die Kist' zu dieser Frist. Er liiftet die Linnen fein. Und er kiisst sogleich ihre Lippen bleich, Und weinte vor bitterer Pein. r \Vohl mag ich sie kiissen. die Lippen bleich, Denn nimmer kiissen sie mich : Ich thu' einen Eid und ich halt' ihn allzeit, Nie andre Lippen kuss' ich." Ladv Nancie starb in der Dienstagnacht, Lord Lovel am nachsten Morgen, Lady Nancie starb vor acht', achter Lieb. Lord Lovel vor bittern Sorgen. Rosa Warrens. a^ — 47 Lord Gregory. O schwarz, schwarz ist die Mitternacht, Laut brullt der Sturmwind drein. Vor deinem Schloss ein Wand'rcr wacht, Lord Gregory, lass mich ein. Verbannt von Vaters Hans bin ich, Weil Lieb' ieh dir geschenkt, Aus Mitleid denn erbarme dich. Wenn Liebe dich nicht drangt. Denkst, Gregory, du des Hains, o sag', An Irvines' schonem Strand, Wo vor die junge Liebe brach, Die lang' ich nicht bekannt? Da schworest du mir stets auf's Neu'. Fur immer mein zu sein, Mein Herz — so liebend Avar's und treu, Nie kam ihm Argwohn ein. Hart ist, Lord Gregory, dein Herz. Und eisernen Sinns bist du, Der Blitz, der zucket himmelwarts, O. so gieb du mir Run'! Seht, Donner hoch am Himmelszelt, Eu'r willig Opfer hier ! Doch ihm verzeiht, was er gefehlt Am Himmel und an mir. Fiedler. Lady Anna Bothwell's Klage. Schlaf sanft, mein Kind, schlaf sanft und schon ! Mich dauert's sehr, dich weinen sehn. Und schlaf st du sanft, bin ich so froh, Und wimmerst du, das schmerzt mich so ! Schlaf sanft, du kleines Mutterherz. Dein Vater macht mir bittern Schmerz. Schlaf sanft, mein Kind, schlaf sanft und schon! Mich dauert's sehr, dich weinen sehn. - 4 8 - Dein Vater, als er zu mir trat Und suss, so suss um Liebe bat, Da kannt' ich noch sein Truggesicht, Noch seine siisse Falschheit nicht. Nun, leider ! sen* ich's, seh' ich's ein, Wie nichts wir ihm nun Beide sein. Schlaf' sanft, mein Kind, schlaf sanft und schon! Mich dauert's sehr, dich weinen sehn. Ruh' sanft, mein Siisser, schafe noch! Und wenn du aufwachst, lachle doch, Doch nicht, wie einst dein Vater that, Der liichelnd mich so trogen hat. Bendf dich Gott! — Doch macht's mir Schmerz, Dass du auch tragst sein G'sicht und Herz. Schlaf sanft, mein Kind, schlaf sanft und schon! Mich dauert's sehr, dich weinen sehn. Was kann ich thun? Eins kann ich noch: Ihn lieben will ich immerdoch ! Wo er geh' und steh', nah und fern, Mein Herz soil folgen ihm so gern. In Wohl und Weh, wie's um ihn sei, Mein Herz noch immer ihm wohne bei ! Schlaf sanft, mein Kind, schlaf sanft und schon! Mich dauert's sehr, dich weinen sehn. Nein, schoner Kleiner, thu' es nie ; Dein Herz zur Falschheit neige nie ; Sei treuer Liebe immer treu, Verlass' sie nicht, zu wahlen neu ; Die gut und hold, verlass sie nie — Angstseufzer, schrecklich driicken sie ! Schlaf sanft, mein Kind, schlaf sanft und schon ! Mich dauert's sehr, dich weinen sehn. Kind, seit dein Vater von mir wich, Lieb' ich statt deines Vaters dich ! Mein Kind und ich wir wollen leben ; Im Trubsal wird es Trost mir geben — Mein Kind und ich voll Seligkeit, Vergessen Manner Grausamkeit — - Schlaf sanft, mein Kind, schlaf sanft und schon ! Mich dauert's sehr, dich weinen sehn. — 49 — Leb' wohl denn, falscher Jiingling. wohl ! Der je kein Madchen tauschen soil ! Ach, Jede, wiinsch' ich, seh' auf mich, Trau' keinem Mann und hiite sich ! Wenn erst sie haben unser Herz, Forthin macht's ihnen keinen Schmerz — Schlaf sanft, mein Kind, schlaf' sanft und schon! Mich dauert's sehr, dich weinen sehn. Herder. O weh! o weh! O weh ! o weh, hinab in's Thai Und weh und weh den Berg hinan ! Und weh, weh jenem Hiigel dort, Wo er und ich zusammen kam ! Ich lehnt' mich an ein'n Eichenstamm Und glaubt', ein treuer Baum es sei ; Der Stamm gab nach, der Ast, der brach, So mein Treulieb ist ohne Treu'. O weh, weh, wann die Lieb' ist wonnig Ein' Weile nur, weil sie ist neu ! Wird sie erst alt, so wird sie kalt Und ist wie Morgenthau vorbei : O, wofur kamm' ich nun mein Haar ? Od'r wofur schmuck' ich nun mein Haupt? Mein Lieb' hat mich verlassen, Hat mir ein Herz geraubt ! Nun Arthur's Sitz soil sein mein Bett, Kein Kissen mehr mir Ruhe sein ! Sanct Anton's Brunn' soil sein mein Trank, Seit mein Treulieb ist nicht mehr mein ! Martinmesswind, wann willst du wehn Und wehen's Laub von'n Baumen her ? Und lieber Tod, wann willst du komm'n ? Denn ach ! mein Leben ist mir schwer. 's ist nicht der Frost, der grausam sticht, Noch weh'nden Schnee's Unfreundlichkeit, 's nicht die Kalt', die macht mich schrei'n! 's ist seine kalte Hartigkeit. Engl.- Amerik. Dichter. 4 Ach, als wir kamen in Glasgowstadt, Wie wurden wir da angeschaut ! Mein Brautigam gekleid't in Blau. Und ich in Rosenroth, die Braut. Hatt' ich g'wusst, bevor ich kiisst', Dass Liebe bringet den Gewinn, Hatt' eingeschloss'n in Goldenschrein Mein Herz und's fest versiegelt d'rin. O! o, war's nur um mein Knablein da. Und sass' auf seiner Amine Knie, Und ich war' todt und war' hinweg, Denn w r as ich war, werd' ich doch nie ! Herder. <&* Nachruf. Mild strahlte auf die Wangen dein, Als wir uns trennten, Mondenschein. Die Blumen bluhten lustig fort, Wo Lebewohl dein letztes Wort. Man zahlte zu den Todten dich, Eh' noch der Mond vom Himmel Avich, Und eh' die Bliithen fielen ab, Sank Thau der Nacht dir auf das Grab. Ich sah dich nicht, als Feindeshand Den Weg zu deinem Herzen fand, Ich horte nicht den Seufzer dein, Der dir entquoll in Todespein. Weh' mir, dass ich nicht bei dir war, Als du lagst auf der Todtenbahr', Wo Staub sie streuten iiber dich, Weh' mir ! da war kein Platz fur mich ! Das warmste Herz, das jemals schlug, Liegt kalt jetzt unterm Leichentuch, Und ach, die lieblichste Gestalt Verschwand, wie Seufzerlaut verhallt. O. L. B. Wolff. Klage der Granzerwittwe. Mein Lieb' baut' mir ein schemes Haus Und ziert' es all' mit Lilien aus ; Ein schmucker Haus ward nie erschaut, Als mir mein treues Lieb erbaut. Da kam ein Mann um Mittag her Und spurt' und holt' den Konig her ; Den Konig her, dieselbe Nacht, Der meinen Herrn urns Leben bracht'. Genug nicht war's an seinem Blut, Beschlag legt' er auf Hab und Gut ; Dem Tod entflohn die Diener mein, In hochster Noth blieb ich allein ! Ich n'aht' sein Grabhemd, all' die Nacht Hielt ich allein die I>eichenwacht ; Stimmt' Leichenklag' an, Nacht und Tag, Kein lebend Wesen kam mir nah ! Auf meine Schultern ich ihn lud, Ein Weilchen ging, ein Weilchen ruht', Ich grub ein Grab, legt' ihn zur Ruh, Deckt' ihn mit griinem Rasen zu. Doch meint ihr nicht, mein Herz war wund, Als Erd' ich warf auf den sussen Mund ? O, meint ihr nicht, mein Herz war weh, Als ich mich wandt', um weg zu gehn ? Kein Lebender geht mich mehr an, Seit Tod traf den geliebten Mann! Mit 'ner Locke von seinem gelben Haar Fessl' ich mein Herz auf immerdar. Talvj. Die beiden Raben. Ich wandelt' einsam auf griinem Pfad, Zwei Raben hort' ich, die hielten Rath ; Der eine sprach zum Gesellen sein : „Wo nehmen wir heut' unser Fruhmahl ein ? 4* 52 __. v In jener Thalschlucht moosigem Raum, Da liegt ein Ritter, erschlagen kaum, Und Keiner auf Erden weiss. wo er blieb, Als nur sein Falk', sein Hund und sein Lieb. Sein Hund ging zum Jagen durch Wald und Au, Sein Falke sucht nach Beute im Blau, Einen andern Liebsten nahm sein Gemahl, So halten wir friedlich das siisse Mahl. Du sitzest auf seinem Nacken beim Schmaus, Ich hack' ihm die schonen Blauaugelein aus ; Mit einem Goldlocklein von seinem Haar Kleiden wir unser Nest, vom Herbstwind bar." Gar Mancher klagt und weint um ihn, Doch Keiner weiss. wo er fuhr hin. Und uber sein bleiches, naktes Gebein Geh'n ewig die Winde aus und ein. Rosa Warre?is. Die Liebe weiss den Weg. Ueber den Bergen Und uber dem Meer ; Unter den Sargen Und Brunnen daher; Ob der tiefsten der Seeen In Neptun's Reich hinweg. Zu den schroffesten Hohen — ■ Weiss die Liebe den Weg ! Wo nicht zum Liegen Der Gliihwurm hat Raum. Konnten auch Fliegen Sich setzen dort kaum. Wo die Miicke nicht waget Durchzuschiiipfen, — den Steg Geht die Lieb' unverzaget Lmd bald weiss sie den Weg ! Sei's, dass dem Saugling An Starke sie gleicht, Dass euch ein Feigling Die Fliichtige deucht : — 53 — Ob vor'm Tagslicht verstecket Auch ihr Gegenstand lag', Rings von Wachen bedecket, — Weiss doch Liebe den Weg ' Der will sie binden, Urn los sie zu sein ; Der kann der Blinden Sein Mitleid nur weihn ; Doch, sei fest sie ummauert In dem engsten Geheg: Die als blind ihr bedauert — Weiss doch immer den Weg ! Falken wohl lernen Zur Faust her den Flug ; Moget ihr kornen*) Den Phonix so klug, Und die Lowin bewegen, Dass den Raub hin sie leg': Ihm, der liebet, verlegen Konnt ihr nimmer den Weg ! Adolph v. Marees. $& Lords Marie. Des Lords Marie strich die Locken auf Mit einem Kamm von Gold, Sie zog die seid'nen Strumpfe an Und ging zum Tanz, so hold. Suss fiel auf ihre Locken der Thau, Sanft auf die Stirn' hinab ; Ein Tropfen fiel auf den siissen Mund, Ich glaub', ich kusst' ihn ab. „Wo hast du die holde Dime her, So zierlich und so schlank ? Sie macht, — sprich ! wo hast du sie her? — All' unsern Madchen bang. *) Kornen, Weidmannsausdruck fur das Herbeilocken der Vogel. - 54 — Wo hast du her das Hebe Kind? Sein Blick, wie der Himmel so rein! Sprich ! willst du kosten, siisse Maid, Diesen Becher mit rothem Wein?" Weiss, weiss ihr schlanker Nacken war, Wie des Schnee's heller Schein ; Doch rothlich, rothlich ward ihr Hals, Als sie schliirfte den blutrothen Wein. „Komm, fremdes Taubchen! auf dein Wohl ! Du mit dem gold'nen Kamm ; Gar Mancher weiss deinen Namen nicht, Trinkt doch dein Wohl, du Lamm." Nun spielt mir auf „Mariechen", sprach ich, Der Pfeifer that nach meinem Wort ; Doch der Fiedler, der strich ganz verkehrt Und warf den Bogen fort. „Hier auf dein Wohl in rothem Wein, Du Maid aus fremden Land ; Denn trimmer verwirrt' ein Paar Augen vorher Mir meine sichere Hand." Einer Kirsche glich ihr susser Mund, Einen lieblichern sah ich nicht, Und unter den dunkeln Locken schien Hire Stirn wie Morgenlicht. Ihr susser Odem macht wehen ihr Haar, Als sie flog im Tanze rund ; Aus den blauen Augen die Liebe griisst Und weilt auf ihrem Mund. „Dein goldgesticktes Strumpfband ist los ! Nicht wahr, du ziirnst mir nicht?" — Da hob sie zitternd die weisse Hand Zum errothenden Angesicht. „Deine goldene Schnalle iiel dir hin, Du lustige Tochter des Lord!" Da drangten sich Thranen in ihren Blick : „0, fort von hier ! schnell fort!" „0 Magd, schieb' den silbernen Riegel weg, Dass ich kann in's Kammerlein ! Nimm diesen Kuss, du Bauernknab' ! Darf dich nicht lassen ein. — 55 — Und nimm," sprach sie, „den gold'nen Kamm Und die Locke von meinem Haar; Denn ach ! wohl sagt es mir mein Ilerz, Nie treff ich dich wieder, fiirwahr!" — O. L. B. Wolff. Ein Puritanisches Brautpaar. Du schwurst bei deinem Gott, Jeanie, Bei den weissen Handchen dein, Bei den Sternen alien am Himmelszelt, Du wollest bleiben mein ! Und ich schwur bei meinem Gott, Jeanie, Und bei dem Herzen dein, Bei den Sternen reich am Himmelszelt, Du solltest werden mein ! Fluch treffe die Hand, die da lost soldi' Band, Und das Herz, das uns mocht' entzwein, Aber keine Hand kann losen das Band, Als Gottes Finger allein. Ob niedrig auch mein Hiittchen ist, Und mein Kleid weder zierlich noch fein, Ich hiille in den Mantel der Liebe mich, So reich in den Armen dein ! Ihr weicher Arm war' ein Kissen fur mich, Weich, wie das weichste Vliess ; Ihren Fliigel iiber uns Liebe schwingt, Da schlaf ich fest und suss. Maid meiner Liebe, komm her zu mir, Komm her und knie bei mir, Der Morgen ist voll von Gottes Sein, Und ich kann nur beten mit dir! Der Morgenwind spielt mit den Bluthen so lind, Die Vogel singen so traut! Der alte Herr lehnt an dem Gartenzaun, Die gute, ehrliche Haut! Wir nehmen die Bibel, wenn er kommt heim, Dann singen die Psalmen wir, Du sprichst von mir zu deinem Gott, Und ich, ich spreche zu dir! O. L. B. Wolff. - 56 - Schon Mary. O, dass ich lag' in Mary's Gruft ! Bei Tag und Nacht sie nach mir ruft ; O, dass ich lag' in Mary's Gruft Am schonen Kirkonnell See! Verflucht sei, wer die That gedacht ! Verflucht die Hand, die sie vollbracht ! In meinem Arm des Feindes Macht Traf sie mit Todesweh. O, glaubt nicht, dass mein Herz war schwer, Als sie erbleicht und sprach nicht mehr — O, schwer ward ihr der Tod so sehr Am schonen Kirkonnell See. Ich ging entlang dem Wasser klar, Der Feind allein mein Fuhrer war, Der Feind allein mein Fuhrer war Am schonen Kirkonnell See. Ich fasst' ihn, hub die Klinge mein, Ich hackte ihn in Stiicke klein, Ich hackte ihn in Stiicke klein Fur sie, die fur mich starb. Die uber Alles lieblich war; Ein Kranz von ihrem schonen Haar Umschling' mein Herz fur immerdar, Bis ich den Tod erwarb. O, dass ich lag' in Mary's Gruft ! Es todtet mich des Himmels Luft, Bei Tag und Nacht sie nach mir ruft: „0 komm' und still mein Weh!" O Mary schon, o Mary fein ! Froh war' ich, durft' ich bei dir sein, Wo du schlafst, in dem Bett so klein Am schonen Kirkonnell See! Ich wollt', mein Grab war' griin genug Mein Aug' umzog' das Leichentuch, Dass ich in deinen Armen ruht', Am schonen Kirkonnell See. 57 ' Ich wollt, ich lag' in Mary's Graft ! Bei Tag unci Nacht sie nach mir ruft ! Und ich bin mud' des Himmels Luft, Seit sie traf Todesweh ! A rentsschildt. Die goldene Hochzeit. Vor manchen, manchen Jahren, Als ich zuerst dich sah, War deine Locke rabenschwarz, Braun deine Wange da. Jetzt ist die Wange blasser, Wie Silber glanzt dein Haar, Und dennoch bist du lieber mir, Ja lieber, Als mir der Jiingling war. Des Lebens schroffen Hiigel Erstiegen Hand in Hand Wir, wie es Wind und Wetter gab, Hin uber Fels und Sand. Jetzt ist der Abend milder, Wir stiegen sanft hinab, Und dort am Fuss erwartet uns Zusammen Ein Brautgemach, das Grab. Wohl auf, ihr Sohne und Tochter, Singt unsern Hochgesang, Und streuet Myrthen vor uns her Den kurzen Weg entlang. Und preiset jede Stunde, Die uns der Himmel gab, Je langer und Je lieber, Je lieber, Umschatt' einst unser Grab. Herder. ~ 58 - Marianne. Gehst du mit nach der Schafbucht, Mariann', Dass mit dir ich die SchaP einthu'? Schon scheinet die Sonn', o Mariann', Doch nicht halb so schon, wie du ! O, Mariann' ist eine wack're Maid, Lust blinkt ihr im Aeugelein, Und langst hatt' ich Mariann' schon gefreit, Wenn Mariann' mich Avollte frein. Gold hast du im Strumptband. Mariann', Am weissen Hals seidene Sauna', Wohl mocht' ich dich kussen, o Mariann', Sobald ich nur komme heim ! 's giebt Burschen in Earnslaw, Mariann', Die gucken und glotzen nach dir, Sehn sie in der Kirche dich. Mariann', Doch liebet dich Keiner gleich mir! Neun Milchschaf hab' ich, o Mariann', Eine Kuh und ein braunes Rind, Sie alle geb' ich an Mariann', Wenn ihjr Hochzeitstag beginnt. — Einen Latz von achtem Londonbraun, Eine griine Schiirze sie hat, Und tuchtig schwitzen mag sie, traun, Wann sie geht nach der Stadt! Ich bin jung und rustig, o Mariann', Keiner tanzt gleich mir auf dem Plan ; Wenn du mir es abschlagst, o Mariann', Zieh' ich auf zum Tanze die Hann' ! So leg' an die Perlen. o Mariann', Und das Mieder von Carmoisin ; Sieht mein Kinn erst sich nicht mehr haarig an, Komm' ich gleich und fuhre dich hin. Adolph von Marees. — 59 — Hanschen und Hannchen. Hanschen sprach zu Hannchen : „Hannchen, willst du's thun? tt „Nimmermehr, u sprach Hannchen, „lass das Ding nur ruhn ! Und gait's mein Heirathsgut, dich mocht' ich doch nicht frein!" „Wie's beliebt," sprach Hanschen, „kannst es lassen sein! u „Ich hab' Geld und Gut, ich nab' Land genug, Ich nab' sieben Ochsen, die gehen dort im Pflug. Dort im Pfluge, siehst du ? dort am griinen Rain, Wenn du mich nicht haben willst, kann ich's lassen sein, Ich hab' Haus und Hof, 'nen Kuhstall und 'ne Scheuer, 'Ne Schober vor der Thiir, und drinn ein lustig Feuer ! O, ein lustig Feu'r ! da woll'n wir frohlich sein! Doch wenn du mich nicht nehmen willst, kann ich's lassen sein." Hannchen sprach zu Hanschen: „Unter uns gesagt, Willst du es so gerne, mir's ganz wohl behagt, Bist ein hubsches Biirschchen, ich ein Magdlein fein, Besser doch du nimmst mich, als du lasst es sein." Talvj. Der gefiigige Ehemann. Hat mein lieb' Weibchen Lust zu gehen Zur Stadt in dieser Zeit, So bring' ich in einen Laden sie, Kauf ihr ein neues Kleid — Doch wenn lieb' Weibchen sparsam thut, — Ich warte d'rauf im Stillen — Und spricht: „Das alte ist noch gut, u So lass ich ihm seinen Willen. Hat mein lieb' Weibchen Lust zu gehen Zu einem Staatsbesuch, Seh ich mich nach einem Wagen urn, 's giebt deren ja genug. Doch wenn lieb' Weibchen mit sparsamem Sinn — Ich warte d'rauf im Stillen — Spricht: „Ei, ich geh zu Fusse hin," So lass ich ihm seinen Willen. — 6o — Wenn Liebchen mir ein Sohnchen schenkl, Sie scheint mir so gesinnt, Besorg' ich Wein und Kuchen gleich, Und eine Amme fur's Kind ! Doch hat lieb' Weibchen zu sparen Lust, — Ich warte d'rauf im Stillen — Und spricht : „Ich geb' ihm selber die Brust," So lass ich ihm seinen Willen. O. L. B. Wolff. Zweites Buck Die englisehe Litteratur im Zeitalter der Renaissance. Yon Cnaucer bis Milton. Geoffrey Chaucer. Als die Normannen England eroberten, bildete langere Zeit hindurch das Franzosische die Sprache des Hofes, der Gesellschaft, der Gerichte und der Litteratur. Aber das Volk hielt das Angelsachsische aufrecht und erwirkte diesem, wenn es auch in der Grammatik verandert, im Wortschatz bereichert wurde, nach und nach den Sieg, bis im 14. Jahrhundert das Franzosische fast ganz aus dem offentlichen Leben verdrangt wurde, und das heutige Englisch zur Entfaltung gelangte. Der machtigste Forderer dieser Entwicklung, die Bliithe des alten, der Keim des neuen Englands war Geoffrey Chaucer; durch seine Dichtungen machte er die Sprache des Volkes zur Schrift- sprache und pragte sie zugleich geistig und kunstlerisch aus. Geboren etwa urn das Jahr 1340, wurde er unter Eduard III. koniglicher Junker und spaterhin Squire; auch ging er mehrere Male, sowohl unter Eduard, wie unter Richard II. als Botschafter auf den Continent. Vermahlt war er mit der Ehrendame der Konigin, Philippa von Rouet. Als die politischen Wirren in England uberhand nahmen, verlor Chaucer sein Amt und blieb von pekuniaren Kiim- mernissen nicht verschont ; was aber im Sonstigen von seinen Schicksalen (er soil gefangen gewesen sein u. s. w.) erzahlt wird, ist blosse Erfindung, welche sich auf nichts, als eine missverstandene und falschlich ihm zugeschriebene Dichtung „Das Liebestestament" stutzt. Sein Hauptwerk bilden die Canterbury - Erzahlungen, deren Einleitung und Umrahmung ein prachtiges Spiegelbild des alten Englands abgeben ; das hier mitgetheilte Stuck hat eine der kost- lichsten Figuren, die Frau von Bath, zur Erzahlerin. Chaucer starb am 25. October 1400. Die Erzahlung der Frau von Bath. In unsers Konigs Arthur alten Tagen, Von dem viel Riihmliches die Britten sagen, War dieses Land erfiillt mit Feerei. - 64 - Der Elfenkon'gin lust'ge Compagnei Tanzte gar oft auf manchen griinen Matten ; Dies Avar die Meinung, die die Alten hatten. Das ist schon manche hundert Jahre her. Doch jetzo sieht man keine Elfen mehr. Jetzt ist durch Beten und durch fromme Lieder Der Bettelmonch' und and'rer heil'gen Bruder, Die Strom' und Land durchzieh'n so dicht an Zahl, Wie Staubchen wimmeln in dem Sonnenstrahl, Und Hallen segnen, Kammer. Kuch' und Scheuer, Flecken und Stadte, Thurm' und Burggemauer, Gemach und Speicher, Dorf und Meierei — Dadurch ist nun das Land von Feen frei ; Da jetzo auf den friihern Elfen - Wegen Die Bettelmonche selbst zu Avandeln pflegen, Und morgens friih und an den Nachmittagen Die Metten lesen und Gebete sagen, Und ordnungsmassig ihr Revier durchschreiten. Ein Weib kann sicher jetzt nach alien Seiten Jedes Gebusch und jeden Wald durchziehn, Und iindet keinen Incubus als ihn, Und der wird nie ihr eine Schmach anthun. In Konig Arthur's Haushalt lebte nun Ein Rittersmann, ein Bursch' von lockern Sitten, Der kam einst von der Reiherjagd geritten L^nd sah ein Madchen einsam auf dem Pfad Yor ihm dahergehn, den auch er betrat, Und hat sogleich, Avie sehr sie sich auch wehrt, Das arme Madchen mit Gewalt entehrt. Urn dies Vergehn ward solch' ein Larm gemacht Und solche Klag' an Arthur's Hof gebracht, Dass er verdammt -ward, Avie das Recht es Avollte, Dass er's mit Haupt und Leben bussen sollte. Denn also war's damals Gesetz und Brauch. Doch bat die Konigin, es baten auch Viel and're Damen urn des Ritters Leben, Bis Arthur ihm Begnadigung gegeben. Er hiess die Konigin frei mit ihm schalten, Sie mocht' ihn todten oder ihn erhalten. Sie dankt dem Konig, Avie sie immer kann, Und spricht darauf s o zu dem Rittersmann, Als eines Tags sie ihre Zeit ersehn : - 65 - „Du bist noch so gestellt durch dein Vergehn, Dass dir noch nicht gesichert ist dein Leben. Ich schenk' es dir, kannst du mir Auskunft geben, Was jedes Weib am eifrigsten begehrt. Bewahre dein Genick wohl vor dem Schwert. Und kannst du's mir nicht auf der Stelle kiinden, Geb' ich dir Urlaub. urn es zu ergriinden, Ein Jahr und einen Tag. Lass dir's gelingen, Die rechte Antwort mir zuriickzubringen ! Auch stellst du mir, eh' du von dannen fahrst, Biirgschaft, dass du personlich wiederkehrst." Weh ward dem Ritter und er seufzt betrubt. Was hilft's. Er kann nicht thun, wie ihm beliebt. Und so entschliesst er sich zuletzt zur Reise, Am Jahresschluss die Antwort in der Weise Zuriickzubringen, wie es Gottes Rath, Nimmt Abschied dann und ziehet seinen Pfad. Er forscht in jedem Haus, an jeder Stelle, Wo er zu flnden hofft die Gnadenquelle. Aus der des Weibes hochsten Wunsch er lerne. Doch kam an keinen Strand er, nah und feme, Wo er auch nur zwei Menschenkinder fand, Die in dem Punkte gingen Hand in Hand. Der sprach, der hochste W T unsch der Frauen ware Reichthum, Der: Scherz und Jubel, Jener: Ehre. Ein And'rer: Putz, Der: Liebesschiikerei'n. Und Wittwe oft und neu vermahlt zu sein. Der sprach, dass es am meisten uns behage, Wenn man uns Lob- und Schmeichelworte sage: Und wirklich trifft das nah am Ziel vorbei : Man lockt am besten uns mit Schmeichelei. Dienstfertigkeit und Eifer ist die Schlinge. Die fangt uns Alle, Hohe wie Geringe. Ein And'rer sprach, das hochste uns'rer Ziele Sei Freiheit, und zu thun, was uns geiiele. Dass Niemand mochte uns're Fehler schelten. Dass wir fur klug stets, nie fur albern gelten. Und wirklich, keine von uns Allen ist. Die. kratzt *nan sie am wunden Widerrist. Nicht umschlagt. weil man ihr die Wahrheit spricht. Versuch's und du wirst sehn, ich luge nicht. Eno-l. - Amerik. Dichter. 5 — 66 — Mag sie im Innern noch so schadhaft sein, Will klug sie scheinen und von Sunden rein. Auch sagte man, dass es uns sehr gefallt, Wenn man fiir fest uns und verschwiegen halt, Standhaft bei einem Vorsatz zu verweilen, Und Anvertrautes Keinem mitzutheilen. Ein Pappenstiehl, wer euch das mag erzahlen ! FCirwahr, wir Weiber konnen Nichts verhehlen! Soil ich von Midas' Zeugniss euch berichten ? Ovid erzahlt nebst anderen Geschichten, Dass Midas unter seinem langen Schopt Zwei Eselsohren trug an seinem Kopf. Doch schlau sucht' er den Fehler zu verstecken, Dass ihn kein Menschenauge konnt' entdecken ; Auch hat sie Niemand, als sein Weib, geschaut, Die er sehr liebt und der er d'rum vertraut. Er bat sie, dass sie keiner Menschenseele Von seiner Missgestalt etwas erzahle. Sie schwor, niemals, und wurde ihr die Welt Zum Preis fur solche Schandlichkeit gestellt, Die Schmach des eig'nen Mannes anzuzeigen : Aus Scham schon wurde selbst sie davon schweigen. Und dennoch dunkt' es sie wie Todespein, Sollte so lange sie verschwiegen sein. Es schwoll ihr so das Herz, als sollt' es brechen, Ein Wortlein musste sie nothwendig sprechen. Und da sie's keinem Menschen durfte sagen, Hat sie es rasch zum nahen Sumpf getragen. Ihr Herz, eh' sie dahin kam, brannte fast. Und wie Rohrdommeln trommeln im Morast, So ruft ihr Mund tief in des Wassers Schwall : „Verrath' mich, Wasser, nicht mit deinem Schall ; Nur du bist zum Vertrauten mir erkoren : Mein Mann — er hat zwei lange Eselsohren ! Nun ist mein Herz frei, nun ist es heraus, Und sicher, langer hielt' ich es nicht aus. u Ihr seht, wenn wir auch ein'ge Zeit uns qualen, Es muss heraus, wir konnen's nicht verhehlen. Verlangt es euch nach der Geschichte Schluss, So lest sie selbst nach im Ovidius. Als nun der Ritter, dem jetzt mein Bericht Ausdriicklich gilt, S ah, er erfuhr' es nicht — - 67 - Namlich, was Weibern gilt als hochste Lust — Da ward sein Geist bekiimmert in der Brust. Doch geht er heim ; er darf nicht lringer weilen. Der Tag ist da, wo er zuriick muss eilen. Und als er kummervoll auf seinem Wege Dahin ritt, sah an einem Waldgehege Er viele Damen sich zum Tanze reih'n, Es mochten mehr als vierundzwanzig sein. Er nahte sich dem Tanzplatz mit Verlangen, In Hoffnung, dort Belehrung zu empfangen. Doch eh' er noch zu seinem Ziele ganz Gekommen, sieh, verschwunden war der Tanz. Er sah nichts Lebendes dort in der Runde. Nur sass ein Weib da auf dem Rasengrunde, So hasslich, wie man sich's kaum denken kann. Das alte Weib erhob sich und begann Zum Ritter : „Herr, hier geht kein Weg hinaus ; Doch sagt mir treulich : Worauf geht ihr aus ? Am Ende kann es euer Gluck noch machen, Wir altes Volk versteh'n gar viele Sachen. u „Ja, Miitterchen," sprach drauf der Rittersmann, .,Mich trifft der Tod, wenn ich nicht sagen kann. Was alle Frau'n am eifrigsten erstreben, Lehrst du mich das, will reichen Lohn ich geben. a „Gieb mir die Hand," sprach sie, „bei deiner Ehre Mir das, was ich zuerst von dir begehre, Zu thun, steht irgend es in deiner Macht ; Dann geb' ich dir Bescheid, noch eh' es Nacht." Der Ritter sprach : „Nimm Wort und Handschlag hier." ^Dann, u sagte sie, „verheiss' ich sicher dir, Du sollst nicht sterben ; denn, bei meinem Leben, Die Konigin wird dieselbe Auskunft geben, Wie ich. — Ihr mogt die Stolzeste nur fragen, Von alien, die Kopftuch und Hauben tragen, Sie wagt mein Wort gewiss nicht zu bestreiten. Doch jetzt lasst unverweilt uns fiirbass schreiten. u Worauf ein Spriichlein sie in's Ohr ihm raunt, Und heisst ihn furchtlos sein und wohlgelaunt. Bei Hofe hat der Ritter dann berichtet, Dass er den Tag, zu dem er sich verprlichtet, Einhalte und zur Antwort sei bereit. Gar manche edle Frau, manch' holde Maid — 68 — Und manche Wittwe, die als weise galten, (Die Konigin will selbst Gerichtstag halten) Waren, den Spruch zu horen, hier vereint. Alsdann ruft man den Ritter, der erscheint. D'rauf heisst man schweigen Jedermann und horen ; Der Ritter solle die Versammlung lehren, Was in der Welt das Weib am liebsten will. Nicht, wie ein Thier, steht unser Ritter still, Vielmehr giebt er mit mannlich starkem Ton, Den Jeder hort, d i e Antwort vor dem Thron : 7 ,Gnadigste Frau, im Allgemeinen steht Der Weiber Wunsch nach Souveranitat, Dass den Geliebten oder Mann in Haft Sie halten unter ihrer Meisterschaft. Dies wiinscht am meisten ihr. Nehmt mir mein Leben, Wenn's euch gefallt ; euch ist's anheim gegeben." Kein Weib, kein Fraulein, keine Wittwe wagte Am ganzen Hof zu leugnen, was er sagte. Sie sprachen ihn vom Tode frei sofort. Auf sprang die alte Frau bei diesem Wort, Die auf dem Rasen sitzend er erblickt : „Gnade, Frau Konigin," so rief sie, „schickt Den Hof nicht fort, eh' mir mein Recht gewahrt. Die Antwort habe i c h den Herrn gelehrt. Er hat dafur sein Ritterwort gegeben, Zu thun, was ich zuerst von ihm im Leben Erbate, wenn in seiner Macht es stehe. Nun denn, Herr Ritter, vor dem Hof hier flehe Ich euch, gebt mir als euerm Weib die Hand. Vom Tod erlost' ich euch, wie euch bekannt. Lug' ich, so saget nein bei meinem Eid. u Worauf der Ritter Ach und Wehe schreit : „Ich weiss gar wohl, was ich versprochen habe. Urn Gott, erheische eine and're Gabe, Nimm all' mein Gut und lass mir meinen Leib. tt „Den Fluch uns alien Beiden!" rief das Weib; „Ob ich gleich alt und arm und hasslich bin, Gab' alles Gold und Erz ich gern dahin, Das in der Erde liegt und auf der Erde. Wenn ich dafur dein Weib und Liebchen werde." 69 „Mein Liebchen du ? Nein, meine Hollenqual ! Ach, dass jemals aus meines Volkes Zahl Ein Mann also beschimpft wird und geschandet!" Doch half ihm nichts ; der Streit ward so beendet : Er musste sie zu freien sich verstehn Und mit dem alten Weib zu Bette gehn. Zum Tadel ist wohl mancher schon bereit Und meint, ich wolle aus Nachlassigkeit Nichts sagen von dem stattlichen Gelage, Das frohlich man gefeiert an dem Tage. Darauf antwort' ich kiirzlich dieses nur : Von Freud' und Festgelag' war keine Spur ; Es gab hier nur Bekummerniss und Sorgen, Er liess sich in der Stille trau'n am Morgen, Hielt sich am Tag wie eine Eule hauslich ; So weh war ihm ; die Braut war gar zu scheusslich. Und gross ward erst des Ritters Weh zur Nacht, Als mit der Frau er ward zu Bett gebracht. Er walzt und wendet sich nach hier und dort, Das alte Weib lag lachelnd immerfort Und sprach: ,,Mein theurer Mann, Gott helfe mir! Thut jeder Ritter seiner Frau, wie ihr ? 1st dies Gesetz bei Konig Arthur's Schaar? Macht jeder seiner Ritter sich so rar ? Ich bin ja euer Liebchen, euer Weib. Ich rettete vom Tode euern Leib Und niemals nab' ich Unrecht euch gethan. Miisst ihr mich so die erste Nacht empfahn ? Ihr treibt's wie Einer, dem's im Kopf nicht recht. Was that ich euch? Urn Gotteswillen, sprecht ! Und wenn ich's kann, so soil's gebessert sein." „Gebessert ?" sprach der Ritter. „nein, o nein! Dafiir wird Besserung nimmermehr geschafTt, Du bist so alt und bist so ekelhaft Und stammst von gar zu niederem Gesinde. Kein Wunder drum, wenn ich mich walz' und winde. Ach, wollte Gott, es brache mir das Herz!" „Ist das," sprach sie, „der Grund zu deinem Schmerz ; „Ja, u sagt er, „und kein Wunder ist's furwahr." „Nun," sprach sie, „Herr, das alles konnt' ich zwar, Wollt' ich es, iindern in noch nicht drei Tagen ; Nur miisst ihr gegen mich euch gut betragen. 70 - Doch was ihr da erwahnt von edelm Blut, Als angestammt von alt-ererbtem Gut, Woher ein Edelmann ihr selber war't : Die Anmassung ist keinen Heller werth. Auf ihn sieh hin, der tugendhaft stets lebt, Daheim und offentlich am meisten strebt Nach edlen Thaten, wo und wie er kann : Ihn halte fur den grossten Edelmann. Christ will, dass wir durch ihn geadelt sein, Nicht durch den Reichthum langer Ahnenreih'n. Denn ob sie uns vererben all' ihr Gut, Darum wir ruhmen unser hohes Blut, Doch konnen sie als Erbschaft nie uns geben — Keinem von uns — ihr tugendhaftes Leben, Darum man sie als Edelleute preist Und das auf ihrem Pfad uns wandeln heisst. Schon giebt der weise Dichter von Florenz, Der Dante heisst, die selbige Sentenz. Es lauten Dante's Vers' in dieser Weise : Gar selten spriesst aus eig'nem schwachen Reise Der Menschen Tugend ; denn nur dem gewahrt Den Adel Gott, der ihn von Ihm begehrt. Nur zeitlich Gut wirst du vom Ahnherrn erben, Das man verstiimmeln kann und ganz verderben. Auch weiss es Jedermann so gut, Avie ich : Pflanzte der Edelsinn von selber sich In einem Hause weiter, Mann fur Mann. Geheim und often, Jeder wiirde dann Des Adels schonen Pflichten stets entsprechen, Und keinen Schimpf begehn und kein Verbrechen. Suche von hier zum Kaukasus ein Haus, So dunkel, als du irgend magst, dir aus ; Thu' Feuer drein ; verschliess die Thiiren dann, Geh fort : Und wie wenn zwanzigtausend Mann Dariiber wachten, brennt es fort und bleibt Treu dem Gesetz, das die Natur ihm schreibt, So wahr ich lebe, bis es hin geschwunden. Nicht ist der Adel innerlich verbunden Mit dem Besitz, wie ihr hierbei gewahrt. Da nicht die Menschen, wie in seiner Art Das Feuer thut, stets ihrem Werk nachgehn. Gar oft kann eines Herren Sohn man sehn, Weiss Gott, der niedrig handelt und gemein. Und wer als Edelmann geehrt will sein, Weil er aus einem edeln Haus entspross, Weil seine Vater tugendhaft und gross Gewesen, — und doch selbst nichts Edles schafft, Und nicht nachfolgt der edlen Ahnherrnschaft, Der ist — ob Furst, ob Graf — kein Edelmann. Gemeine That macht den gemeinen Mann. Denn Adel ist nur deiner Ahnherrn Ruf, Den ihnen ihre hohe Tugend schuf; Dir selbst personlich ist er fremd und fern. Dein Adel kommt allein von Gott. dem Herrn. Drum wird der wahre Adel uns gesandt Aus Gnade, nicht vererbt mit unserm Stand. Wie edel war, von dem Valerius Berichtet, Tullius Hostilius. Den aus der Armuth so erhoht man sah. Lest den Boetius und Seneca, Da steht ausdrucklich, dass unzweifelhaft Der edel ist, der edle Thaten schafft. Und darum. lieber Mann, schliess' ich jetzt so : Sind meine Ahnen niedrig auch und roh Gewesen, kann doch Gott mir Gnade geben — Und also hoff ich — tugendhaft zu leben. D a n n bin ich edel, wenn der Tugend Pfad Ich folg' und meide jede bose That. Dann Averft ihr mir auch meine Armuth vor : Der Gott, zu dem wir glaubig flehn empor, Hat selbst der Armuth Loos erwahlt auf Erden ; Und Alle, Mann und Frau und Jungfrau, werden Gestehn, dass nicht ein Stand verwerflich ist, Den sich erkor der Himmelskonig Christ. Vergniigte Armuth ist ein Stand der Ehren, Wie Seneca und andre Meister lehren. Wen seine Armuth nicht im Frohsinn hemmt, Gilt mir als reich und hatt' er auch kein Hemd. Wen Habsucht qualt, der ist ein armer Mann ; Denn er begehrt, was er nicht haben kann. Doch wer nichts hat und nichts begehrt, ist reich, Und hieltst du ihn auch einem Schelmen gleich. — 7 2 — Die wahre Armuth ist ein sundhaft Herz. So spricht von Armuth Juvenal im Scherz: Hat iiber's Feld der Arme einen Gang, Mag er vor'm Dieb herziehn mit Sang und Klang. Gehasst wird Armuth und bringt doch Gewinn ; Sie ist gar mancher Kunst Erfinderin. Sie kann den Menschen grosse Weisheit lehren, Der in Geduld sie ruhig lasst gewahren. Die Armuth, klingt's auch in der That verkehrt, Ist ein Besitzthum, das kein Mensch begehrt. Oft hat der Mensch erst in der Armuth Stand Sich selbst und seinen Schopfer recht erkannt. Die Armuth mocht' ich eine Brille nennen, Wodurch die echten Freunde wir erkennen. Drum lasst mich, Herr, da ich euch ja nichts thue, Mit meiner Armuth kunftig auch in Ruhe. Nun, Herr, wollt ihr auch noch mein Alter schanden. Wenn sich auch nicht Autoritaten fanden, In keinem Buch : verlangt ihr Herrn von Ehre Nicht selber, dass man alte Manner ehre ? Sie Vater nenne nach dem Ritterbrauch ? Und, traun, Autoritaten fand' ich auch. Doch sagt ihr, dass ich alt und hasslich sei : Nun dann, so werdet ihr kein Hahnenrei. Alter und Garstigkeit, bei meinem Eid, Sind gute Biirgen fur die Ziichtigkeit. Doch da ich einmal weiss, was euch ergetzt, Sei eure weltliche Begier geletzt. Wahlt euch denn eine Gabe von den zwei'n : Soil alt und hasslich bis zum Tod ich sein, Doch euch als Gattin treu und hold ergeben, Dass ich euch nie betriib' in meinem Leben ; Oder wollt ihr mich schon und jung nur sehn, Und wollt den Kampf mit dem Besuch bestehn, Der meinetwegen eures Hauses Pforte Umlagern wird — vielleicht auch and'rer Orte ? Nun wahlt selbst, was am meisten euch ergetzt. u Der Ritter sinnet nach und spricht zuletzt, Nach dem er tief geseufzt in dieser Weise : „Gattin, geliebtes, theures Weib, so weise Ist euer Wort, ich will mich gern euch fiigen. Wahlt selbst, was euch und mir zumeist Vergnugen — 73 — Und auch die meiste Ehre scheint zu bring Ich will zu keinem euch von beidcn zwingen. Wie's euch gefallig, amit ich lache und mich freue, Wenn Einen mit Thrrinen Du wirst ersehnen, Welcher kalt, Oder bald Sich zeigt, wie du jetzt, ohne Treue ! Christopher Marlow. Unter Shakespeare's dramatischen Vorlaufern der Ge- nialste, im Leben wie im Dichten von ungezahmter Leiden- schaft und Gluth. 1562 geboren, starb er 1593 an einer Wunde, welche er beim Angriff auf eihen Nebenbuhler empflng. Sein „Doctor Faust", sein „Tamerlan". seine „Pariser Bluthochzeit", sein „Jude von Malta" und seine englischen „K6nigstragodien" sind reich an grossartigen, erschiitternden, aber auch an unnaUirlichen und gewaltsamen Scenen. Faust's Tod. (Es schlagt elf Uhr.) O Faustus, Jetzt hast du nur ein Stiindlein noch zu leben, Und dann bist du verdammt in Ewigkeit. Steht still, ihr nimmermuden Himmelsspharen, Und hemmt den Lauf der Zeit, eh' zwolf sie schlagt ! Natur, schlag' wieder auf dein schones Aug' und gib Uns ew'gen Tag! O, lass zum Jahr die Stunde werden, Zum Mond, zur Woche, nur zu ein em Tag, Dass Faust bereu' und seine Seele rette ! O, lente, lente currite, noctis equi ! Fort geh'n die Stern', es rinnt die Zeit, der Pendel schwingt, Der Teufel naht, die Holle thut sich auf. — O, auf zum Himmel, Faust! — Wer reisst mich nieder? Sieh, wie's da oben wogt von Christi Blut ! Ein Tropfen kann mich retten — o, mein Christ! Ich ruf ihn an — o hilf mir, Lucifer! Wo ist er nun ? — 's ist aus ! Und sieh, ein draun'der Arm, ein iinst'res Braun ! — O Berg und Hiigel, kommt, kommt, fallt auf mich, Und deckt mich vor des Himmels schwerem Zorn ! Nicht ? — Nun so stiirz' ich hauptlings in die Erde ! Thu' auf dich, Erde! Willst mich nicht verschlingen ? — — 94 — Ihr Sterne, die mir die Geburt regiert, Die mich dem Tod, der Holle preisgegeben, Jetzt zieht mich auf, gleich einem Nebeldunst, In jener schwarzen Wolke schwangern Schooss, Dass mein Gebein aus ihres Schlundes Dampf Sie speie, wenn die Sturme sie zerreissen — Doch meine Seele lasst zum Himmel schweben. (Die Uhr schlagt halb zwolf.) Die eine Halft' ist hin, bald auch die and're. — O, muss die Seele fur die Sunde leiden, So setz' ein Ende fur die stete Qual ! Lass tausend Jahr' mich in der Holle leben, Ja, hunderttausend, aber rette dann ! Ach, den Verdammten ist kein Ziel gesteckt! Warum bist du kein seelenloses Wesen ? Warum ist diese deine SeeP unsterblich ? O Seelenwand'rung, o Pythagoras ! Wenn diese Seele von mir flog' und sich Zu einem Thier verkehrte! — Glucklich sind alle Thiere, denn sie sterben Und ihre Seelen fliegen in die Liifte, Doch meine lebt zur ew'gen Hollenqual! — — Verflucht die Eltern, welche mich erzeugten ! Nein, fluch' dir selber, Faust, fluch' Lucifern, Der um des Himmels Freuden dich betrogen! (Es schlagt zwolf Uhr.) Es schlagt, es schlagt! Nun, Leib, zerfliess' in Luft! Sonst tragt dich flugs zur Holle Lucifer! O Seele, schmilz zu kleinen Wassertropfen, Fall' in den Ocean, damit dich keiner finde ! (Donner. Die Teufel kommen.) O Gnade, Himmel! Schau' so stolz nicht nieder! Ottern und Schlangen, lasst mich athmen noch ! KlafP, schwarze Holle nicht! Fort, Lucifer! O Mephostophiles ! In's Feu'r die Biicher! (Die Teufel zerreissen ihn.) Dingehtedt. Hirtenliebe. O komm' zu mir und Hebe mich! Was Feld und Berg und Thai gewahren, Du sollst es haben auf Begehren, Und ich will ewig lieben dich. — 95 — ]m Griinen wollen sitzen wir, Betrachtend uns'rer Schafe Springen; Die lieben Voglein sollen dir Die allerschonsten Lieder singen. Ich winde dir viel tausend Strausse; Auf Rosenbetten sollst du liegen; Aus Myrthen soil sich auf Geheisse Ein Mieder deinem Leib anschmiegen. Und Kleider aus den feinsten Wollen, Die uns're hiibschen L'ammer beu'n, Sind dir bestimmt, und Schuhe sollen Mit gold'nen Spangen dich erfreu'n. Einen Giirtel auch will ich dir geben Aus Epheuknospen und Bernstein Mit Perlenschloss. Nun denn, mein Leben, Sag* an, willst du die Meine sein ? Im Mai wird mit Gesang entzucken Und Tanz die Schaar der Hirten dich. O, mochte dich all' dies beriicken ! O, komm' zu mir und Hebe mich ! Leopold Katscher. William Shakespeare. William Shakespeare, ein Brunnen wie ein Gipfel poetischen Sinnens und Schaffens und ein Stern, zu welchem die Dichter aufschauen, welche nach ihm gekommen sind, ist ein Spross des Fleckens Stratford am Avon, wo er den 23. April 1564 geboren wurde. Ebendaselbst auf seiner Besitzung New -Place, wohin er sich 161 3, Londons mude, zuriickgezogen, starb er den 23. April 1616. Seine Sonette, gerichtet an eine Geliebte, (nach Andren fur einen Freund an dessen Geliebte verfasst), zumeist aber an seinen Freund Heinrich Wriothesley Grafen von Southampton, erschienen zuerst 1609; sie zeigen die Klaue des Lowen, der im Drama seine ganze Majestat entwickelt. An Heinrich Southampton. Kein goldgeschmuckter Fiirstenmarmor soil Das Leben meiner Lieder iiberdauern. Hier bleibt dein Bildniss stehn, mehr strahlenvoll, Als altersgraue, moosbedeckte Mauern. Ein Steinbild wird der Krieg in Schutt versenken, Der Aufruhr sprengt das festeste Gemauer; Doch ewig leben soil dein Angedenken Und hier geborgen sein vor Schwert und Feuer. Tod und Vergessenheit sollst du durchschreiten Mit deinem Ruhm; dein Name klinge laut Hiniiber zu der Nachwelt fernsten Zeiten, Bis einst der Erde jiingster Morgen graut. Bist dann auch du dich wirst vom Schlaf erheben, Sollst du dem Liebenden im Liede leben. — 97 — II. Wenn ich nach Trost fur mein verachtet Loo^. , Fur meines Standes Schimpf in Thranen suche, Zum tauben Himmel schreie hoffnungslos. Mich selbst betrachtend mein Geschick verfluche Und Anderen ihr hoffnungsreiches Leben, Ihr Aussehn, ihren Freundeskreis beneide, Dem seine Kunst und d e m sein thatig Streben, Mir aber meine beste Lust verleide, So komm' ich mir beinah' verworfen vor. Dann denk' ich dein — und wie die Lerche singt, Wenn sie dem Staub im Fruhroth sich entschwingt, So jauchzt mein Herz am off'nen Himmelsthor. In deiner Liebe bin ich reich und gross Und tausche nicht mit eines Konigs Loos. III. Schon manchen Morgen sah ich glorreich bliih'n, Mit stolzem Glanz die Bergeshaupter schmiicken, Bestreun mit rothem Licht der Wiesen Griin Und Silberstrome golden uberbriicken, Um gleich darauf mit finstern Wolkenziigen Sein Himmelsantlitz h'asslich zu beflecken, Es hinter Schleiern vollig zu verstecken Und sich gen Abend ruhmlos fortzuliigen. So hat auch mir ein Morgensonnenschein Die Stirn umstrahlt in lichter Siegesfeier: Doch ach, er blieb nur eine Stunde mein, Die Sonne hiillte sich in Wolkenschleier. Doch ziirnen darf darum die Liebe nicht, Denn Flecken triiben selbst der Sonne Licht. IV. Mein trages Fleisch. o warst du doch Gedanke ! Entfernung hatte keine Hemmgewalt, Mein Wunsch, befreit von jeder Raumesschranke. Versetzte mich an seinen Aufenthalt. Engl. - Amerik. Dichter. 7 - 9 s - ■ Verweilt mem Freund am andern Erdenrande, Was ficht es mich noch an ? Den Ort nur denk' ich — Im Nu dahin, weit iiber Meer und Lande, Springt der Gedanke, ^vundersam gelenkig. O Qualgedanke, dass des Denkens Fluent Versagt mir blieb ! Zu viel von meinen Theilen 1st Erd' und Wasser, deren trage Wucht Mein Sehnen schmerzlich bannt in Zeit und Meilen. Dies Elementenpaar der triiben Schwere, Was gab es mir? — Sein Sinnbild nur: die Zahre. In wiister Schmach des Geistes Kraft verschwenden 1st Lust in That. Die Lust ist bis zur That Bereit mit Mord und Meineid sich zu schiinden, Wild, roh und grausam, falsch in ihrem Rath ; Doch kaum genossen, weckt sie schon Verdruss. Sinnlos erjagt und, wenn man sie erhascht, Sinnlos gehasst, vergiftet ihr Genuss Zur Tollheit Jeden, der am Koder nascht. Toll im Erstreben, im Besitz zumal, Ein Ungethiim in gluhender Begehr, Im Kosten Wonne und gekostet Qual, Als kunftig Seeligkeit — ein Traum nachher : — Das weiss die ganze Welt, doch Jeden blendet Der Himmel, der mit dieser Holle endet. Willi elm Jordan. Liebe. i. Der Liebsten Augen sind kein Sonnenpaar, Auch nicht korallenroth die Lippen traun ; Dem Schnee verglichen ist ihr Busen braun, Drahtringeln gleich ihr schwarzes Lockenhaar. — 99 — Nicht nenn' ich ihren Athcm balsamreich; Nicht der Damaskusrose buntes Prangen, Halb roth, halb weiss, erwahl' ich zum Vergleich Des Farbenschmucks auf meiner Liebsten Wangen. So gern ich hore ihrer Kehle Laut, So weiss ich doch, Musik hat bessern Klang. Noch hab' ich keiner Gottin Gang geschaut, Doch f u lilt der Boden stets der Liebsten Gang. Mir diinkt sie doch nicht minder auserlesen Als irgend ein vergleichgeschminktes Wesen. II. Dein x\uge lieb ich. Diesem thut es leid, Dass mich dein Herz mit Kiilte treulos qualt ; Drum tragt es liebevoll ein Trauerkleid Und fragt voll holden Mitleids, was mir fehlt, Nicht schoner schmucken kann die grauen Wangen Des Ostens je der jungen Sonne Licht, Den Westen je des Abendsternes Prangen, Als diese Traueraugen dein Gesicht. Wohlan, wenn dir's so reizend steht, zu trauern, Lass auch dein Herz des Mitleids Stimme horen. An jedem Theil beweise dein Bedauern Durch gleiche Trauertracht. Dann will ich schworen : Die Schwarze sei zur Schonheit unerlasslich Und jene andre Antlitzfarbe hasslich. Willi elm Jordan. III. Soil durch dein Bild, in Niichten voller Kummer. Der Schlaf von meinem muden Auge weichen ? 1st es dein Wunsch, zu storen meinen Schlummer, Derweil mich Schatten hohnen, die dir gleichen ? 1st es dein Geist, den du aus weiter Feme Mir sendest, dass er spahend mich versucht, Und meine Schuld und Thorheit kennen lerne Zum Ziel und Inhalt deiner Eifersucht ? 7* O nein ! so gross ist deine Liebe nicht! Treu lasst mich meine eig'ne Liebe wachen : Sie ist's, die nachtens meinen Schlummer bricht. Urn deinethalb den Wachter stets zu machen. Weit von dir lieg' ich um dich wachend da — Du wachst wo anders, Andern viel zu nah. Fr. Bodenstedt. Gliick. Gliick ist gleich einem Schalle fliichtig, Wie Schatten wandelbar, wie Traume kurz, Schnell, wie der Blitz, der in geschwarzter Nacht In einem Nu Himmel und Erd' entfaltet ; Doch eh' ein Mensch vermag zu sagen: schaut ! Schlingt gierig ihn die Finsterniss hinab; So schnell verdunkelt sich des GKickes Schein. A. IV. Schlegel. Des Dichters Aug. Des Dichters Aug', in schonem Wahnsinn rollend, Blitzt auf zum Himmel, blitzt zur Erd' hinab, Und wie die schwang're Phantasie Gebilde Von unbekannten Dingen ausgebiert, Gestaltet sie des Dichters Kiel, benennt Das luft'ge Nichts und gibt ihm festen Wohnsitz. ■ A. W. Schlegel. O, Avurden Giiter. O, wiirden Giiter, Rang und Aemter nicht Verderbter Weis' erlangt, und wiirde Ehre Durch das Verdienst des Eigners rein erkauft ; Wie Mancher deckte dann sein blosses Haupt! Wie Mancher, der benehlt, gehorchte dann! Wic viel des Pobcls wfirde ausgesondert Aus reiner Ehrc Snail und wie viel Ehre Gelesen aus der Spreu, dem Raub der Zeit, Um neu zu glanzen! A. W. Scklegel Der gute Name. Der gute Name ist bei Mann und Frau Das eigentliche Kleinod ihrer Seelen. Wer meinen Beutel stiehlt, nimmt Tand; 's ist Etwas Und Nichts ; mein war es, wird das Seine nun, Und ist der Sklav' von Tausenden gewesen. Doch wer den guten Namen mir entwendet, Der raubt mir das, was ihn nicht reicher macht, Mich aber bettelarm. A. W. Schlegeh. Ben Jonson. Der Fuhrer einer dramatischen Richtung, welche, ent- gegen Shakespeare, mehr Regelmassigkeit erstrebte, mehr verstandesgemass, als phantasievoll arbeitete, mehr geist- reich, als ideengross. Diese Richtung endete zuletzt in blasser alexandrinischer Classicitiit , obwohl sie anfanglich durch so bedeutende, markige Talente vertreten wurde, wie Fletcher, Massinger und Jonson selbst. Jonson (1573 — 1 ^>S7) stammte aus Westminster und hat 18 Dramen und eine Menge allegorischer Schau- und Singspiele hinterlassen. Das Beste leistet er im Lustspiel (,,Jeder Mann in seiner Laune," „ Volpone" oder „DerFuchs, u „Der Alchemist") und in der Satire; auch seine lyrischen Gedichte bezeugen oft den Meister, seine Trauerspiele („Sejan," „Catilina") sind im All- gemeinen verfehlt, da er die historische Treue iibertrieb zu Schaden der tragischen Verwicklung. Auf den Tod seines Kindes. Sieben Jahre warst du mir gelieh'n, Und ich zahle dich zu rechter Stunde, Da der Tod gebeut mit strengem Munde. Seid vergessen denn, ihr Wonnetage, Da ich dich gewiegt auf meinem Schooss ! Seid vergessen denn ! Ach, ich beklage Nicht, ich neide nur dein selig Loos. Ungetriibt von Hass und Leid der Erde. Von des Alters schleichender Beschwerde. Ruhe sanft, du lieber Knab' und sage, Tritt an deinen Stein des Wand'rers Frage : „Hier liegt Jonson's edelstes Gedicht. Was er liebt, so Lieb' ihm noch beschieden, Glaube mir, er liebt zuviel es nicht." Masius. — io3 — Die Geliebte. O, schau' ihr Auge ! Die Nacht Der liebenden Welt umlichtet's : O, schau' ihr Haar! Die Pracht Des Morgengestirns vernichtet's. O, schau' ihre Stirn : sie ist eben, Wie schmeichelnde Worte sich weben: Die Grazien selber zogen Der Brauen gewolbte Bogen ! Ihr Antlitz verkiindet die Herrlichkeit, Die erbliiht aus der Elemente Streit. Sahst du knospende Lilien je, Eh' rauhe Hande sie krankten ? Erblicktest du den fallenden Schnee, Eh' sich Erd' ihm und Staub vermengten ? Fiihlst du des Bibers sammtnen Flaum. Oder des Schwanengefieders Saum ? Oder duftete dir die Rose bliihend ? Oder in Flammen die Narde gliihend ? Oder schmecktest du den Raub der Biene ? O, so weiss, o, so sanft, o, so siiss ist sie ! JV. V. Baud is sin. Der Projektenmaeher. (Aus dem Lustspiel „Der dumme Teufel a .) Fintenheim (auf seiueii Diener Flink zeigend). Betrachtet Den schlichten Burschen hier. die Mappe tragt er Von schwarzem Steiflein ; die verkauf ich Euch Nicht fur die Grafschaft Pancridge. Nehmt einmal Ein Heft heraus, wie's eben trifft. Lasst sehn ; 's ist Nummer 4. Projekt mit Hundeleder ; Zwolftausend Pfund ; das allerkleinste just ! G impel. Ei. lasst doch sehn ! Fintenheim. Ein Tand. me Lumperei. — 104 — Gimpel. Ein Tand, zwolftausend Pfund fur Hundeleder? Fintenheim. Ja doch, wie ich's behand'le, musst Ihr wissen, Mein Leder raffinirend bis zur Hohe Der feinsten Sorten, gleich dem spanischen. Borachio, Herr, zahlt mir neuntausend Pfund — Schraube. Des Konigs Handschuhmacher? Fintenheim. Ja HoP Dir ein zweites ; zeig' mir, ob Du's jetzt Nicht besser treffen kannst. (Flink holt ein and'res Heft aus der Mappe.) Ei, dacht' ich's doch, Ein recht geringes wieder : Flaschenbier ; Und doch bringt's zweiundzwanzigtausend. Bitt' Dich, Such' ein paar and're ! Gimpel. Herr, erlaubt! Fiir Bier In Flaschen zweiundzwanzigtausend Pfund ? Fintenheim. Ja Herr, 's ist calculirt bis auf 'nen Drever, Pfennig und Heifer ; auf der zweiten Seite Konnt Ihr die Rechnung finden, lest sie durch ; An jener Summe fehlt auch nicht ein Deut. Ich mach's aus meinem Wasser, meinem Malz, Durch meine Oefen, Stellung meiner Kessel, Durch's Fiillen und durch Feinheit meiner Barme. Dann grab' ich selbst den Thon zu meinen Kriigen, Stampf ihn und wirk' ihn, gliih' und lautr' ihn mir, Wie Porcellan. Ihr sollt erstaunen, Herr, Bei der Summirung, was die Rechnung thut In sieben Jahren ; denn die Zeit verlang' ich Fiir mein Patent. Allein an Kork erspar' ich, An Stopseln bloss mehr als dreitausend Pfund In jener Frist und zwar durch Bohrer, Herr, Just nach der Kriige Form, nicht wie bisher Sie schneidend, — da verliert man unerhort. (Flink gibt ihm ein neues Heft.) — i<>5 — Was hast Du hier? Wein aus Rosinen? Richtig, Die Sache nab' ich eben jetzt begonnen. Schraube. Ist's nicht merkwfirdig, Herr, Wein aus Rosinen? Fintenheim. Ja und so achten Wein, als Wein aus Frankreich, Welschland und Spanien ; seht, von welcher Traube Mir die Rosine fallt, den Wein bereit ich : Als wie Muskat von Muskateller Trauben, Claret und Sekt, je wie's die Beere gibt. Und so mit alien ; und so driick' ich euch Den Preis des Wein's herab, Sir, durch ganz England Unter die Halfte. Schraube. Doch wenn die Rosinen Nachher urn soviel steigen, Herr, wie dann? Fintenheim. Dann fabrizir' ich ihn aus Heidelbeeren ; Es kommt auf eins, 's ist nur mehr Kunst dabei, Die Kosten sind geringer W. v. Baudissin. Der Alchemist. (Aus dem Lustspiel ,,Der Alchemist".) Dun st. (Dei* Alchemist.) Wie ist Euer Name, sagt Ihr ? Abel Dreyer? Dreyer. (Tabakshandler.) Ja, Herr. Dunst. Tabaksverkauf er ? Dreyer. Ja, Herr. Dunst. Hum! Mitelied. der Gilde ? — io6 — Drever. Zu Befehl. Dunst. Sehr wohl ! Was wunscht Ihr, Abel ? Drey er. Dies: Ich bin ein junger Anfanger, mit Verlaub,' und baue just Mir einen neuen Laden, wenn's Eu'r Wurden Gefallig, an der Strassenecke ; seht, Hier ist der Grundriss. Nun erfuhr' ich gern. Wo ich nach Kunst und Nekromantik mir Die Thiir erbau'n soil? Wo die Schranke stellen, Die TopP und Biichsen ? Guten Fortgang wunscht' ich, Und bin hierher bestellt zu Eu'r Hochweisen Durch einen Herrn — 's ist ein gewisser Hauptmann, — Der meint, Ihr kenntet aller Menschen Sterne, Und gut und schlimme Engel — Dunst. Ja, das thu' ich, Sobald ich sie erblickt*). (Lips, Dunst's Complice und Yorstadt -Hauptmann, kommt.) Lips. Siehda! FreundAbei! Mich freut's, Dich hier zu sehn. Drever. Wahrhaftig. Sir. Ich sprach, als Eu'r Gnaden trat herein, Just von Eu'r Gnaden. Seid so gut und legt Ein Wortchen fur mich ein beim Meister Doctor. Lips. Ja, was du willst. Doctor, habt Ihr's gehort ? Dies ist inein Freund ; ein wack'rer Mann, Herr Abel. Er schafft mir immer trefflichen Tabak, Und falscht ihn nicht mit Oel noch Satz von Sekt, Wascht ihn auch mit Muskat nicht oder Trebern, *) Drever meint die himmlischen. Dunst die niiinzten Ensrel. Ens^el- Ancrelot, ein Geldstiick. Noch grabt er in den Sand ihn, eingeschlagen In stinkend Leder oder schmier'ge Tucher. In schone Lilientopfe legt er ihn, Die aufgemacht nach Rosenblattern duften Oder franzoVschen Bohnen. vSeinen Block Von Masern fiihrt er, seine Silberzangen*), Winchester Pfeifen und Wachholderkohlen; Ein netter, draller, wack'rer Bursch', kein Wuchrer. Dunst. Er ist ein wahres Gliickskind, das ist sicher! Lips. Habt Ihr das schon ermittelt? Sieh' mal Abel! Dunst. Auf gradem Weg zum Reichthum. Lips. Sir — Dunst. Zum Sommer Gelangt er in die Amtstracht seiner Zunft Und nachstes Jahr zum Scharlach**), wenn er nur Zahlt, was er kann — - L ips. Was, mit so wenig Bart ? D unst. Ihr miisst bedenken, Sir, er hat vielleicht Ein Mittel, urn das Haar zu treiben, doch Er wird verstandig sein, die Jugend schonen Und lieber zahlen : denn auf anderm Pfade Bluht ihm sein Gliick. Lips. Blitz, Doctor, sag', wie kannst du So schnell das Alles schaun ? Das macht mich staunen. *) Ein wohlassortirter Tabaksladen jener Zeit wurde zugleich als Rauchkabinet benutzt; auf dem Block wurden die Blatter klein gehackt, die Kohlen mit silbernen Zangen gefasst und das Feuer mit dem lange brennenden Wach- holderholz unterhalten. **) D. h. zum Sheriff. — 108 — Dunst. Durch einen Satz der Metaposkopie, Der nimmer fehlt : auf seiner Stirne schwebt, Fur Euch unsichtbar, ein gewisser Stern ! — Soldi' braunes oder auch olivenfarb'nes Gesicht triigt nie ; auch langes Ohr verspricht. Dann wusst ich's an gewissen Flecken auch Auf seinen Zahnen und am Nagel seines Mercuriusfingers — Lips. Welcher Finger ist das? Dunst. Sein kleiner Finger. Seht nur ! Kamt Ihr nicht Zur Welt auf einen Mittwoch? Drey er. Ja, wahrhaftig. Dunst. Der Daum' ist Venusfinger, nach den Regeln Der Chiromantik ; dann der Zeigefinger, Des Jupiters ; der mittlere, Saturnus ; Des Sol der Ring -, Merkurs der kleine Finger. Und der regierte, Sir, sein Horoskop ; Und libra stand im Lebenshaus, wodurch Verkundet ward, er sollt ein Kaufmann werden, Ein Mann der Waage. Lips. Ei, 's ist doch merkwurdig, Nicht wahr, mein kleiner Abel ? Dunst. Ich erspah' Ein Schiff im Geist, das jetzt von Ormus kommt Und solchen Vorrath ihm von Spezerein Verheisst — dies ist doch Westen, Sir? Dies Suden ? Dreye r. Recht, Sir. Dunst. Und dies die Seitenwande? Dreyer. Ja. Herr. — 1 09 — Dun st. So legt die Thiir gen Sud ; die lange Seite Gen Westen ; auf des Ladens Morgenseite Schreibt an die Mauer oben mir die Worte : Mattai, Sarmiel und Baraborat, Und auf die Nordwand : Rael, Velel, Thiel. Die Namen der Merkuriusgeister, die Vom Ring die Fliegen scheuchen. Drey er. Ja. Herr. Dunst. Legt 'nen Magnet mir unter Eure Schwelle, Der zieht Euch junge Herrn mit Sporen an : Die andern werden folgen. Lips. Abelchen, Das lasst sich horen. Dunst. Und als Ladenzeichen 'ne Gliederpuppe und ein Topf mit Schminke ; Das lockt die Frau'n der City. Mineralien Werdet Ihr stark verkaufen, — Und Herr, ich habe Dreyer. Zu Hause schon — D unst. Ich weiss ! Ihr habt Arsenik, Nitrum, Grunspan, Salpeter, Vitriol Und Mennig; alles weiss ich. Glaubt mir, Hauptmann, Der junge Mann wird noch zu seiner Zeit Ein grosser Chemiker und macht 'nen Angriff. Wenn nicht direkt, doch hochst geniigend, auf Den Stein der Weisen. Lips. 1st das wirklich vvahr? Abel, was sagst du dazu? — no — Drever. Lieber Hauptmann, Was muss ich geben ? Lips. Rathen will ich nicht ; Du horst ja, welcher Reichthum Deiner wartet. Drejer. Ich wollt' ihm einen Gulden — Lips, Einen Gulden ? Und solchen Schatzen nah? Nein, Sohnchen, lieber Den ganzen Laden. Hast kein Geld bei dir? Drever. Ja, den Portugaloser *) hier, ich spart' ihn Das ganze Jahr — - Lips. Pfui, scham' dich, Abelchen ! Blitz ! solche Aussicht ! Her damit ! Ich geb' ihn Statt deiner. Doctor, Abelchen ersucht Eu'r Wiirden, fur die Kleinigkeit zu trinken Und schwort, er will sich besser noch bedanken . . . IV. v. Bandissiti. *) Goldmunze, etwa gleich 60 Mark. John Fletcher. Geboren zu London 1576, gestorben 1625. Die meisten seiner Dramen hat Fletcher gemeinsam mit seinem Freunde Francis Beaumont (1586 — 1615) gedichtet, sie gehoren theils dem komischen, theils dem tragischen Gebiete an. Die Lustspiele arten oft zu Possen aus und sind nicht immer lebendig an Geist und Witz, die Trajodien ver- harren im Allgemeinen auf einer mittleren Stufe der Poesie und der Kraft, am besten treffen sie den hoheren Conver- sationston. Der Gelehrte. (Aus dem Lustspiel „Der alt're Bruder".) Andres. Raumt aus den Biichersaal und schafft uns Platz Fur noch ein Dutzend Karr'n ; ich komme gleich. Koch. Was, noch mehr Biicher ? Andres. Noch zehn Markte vo'il. Kellermeister. Und kennt er all' die Titel ? Andres. Ihre Titel? Wie's Vaterunser! Ei, das ist noch nichts. Er hat sie durchgelesen Blatt fur Blatt, Dreitausend Mai. Doch dies ist erst das Wunder ! Obgleich die Last ein spanisch' Kauffahrteischiff Zum Sinken brachte, ohne andern Ballast, Doch tragt er all' das Zeug im Kopf und geht D'rum nicht gebiickt. Kellermeister. Das nenn' ich ein Gehirn. Andres. Denk' alle deine Fasser dir voll Biicher Aus Palmenblattern oder Hieroglyphen Auf wurmzernagtem Pergament — er nippte Dir deinen Keller leer und wiirde stets Noch durstig bleiben. Und fur seine Kost Isst und verdaut er taglich Euch mehr Bande, Als man in einem Monat in Paris An Lerchen speiste, fiel der Himmel ein. Doch deshalb keine Furcht, ihr edlen Sonne Des Kellers und der Kiiche ! Lasst sich schon Sein Weisheitshunger nie ersattigen, Er wird Euch d'rum nicht sehr in Arbeit setzen. Sein Biicherdurst verachtet deine Pinten Und Kruge, Kellermann. und Kiicrienfurst, Dein Backwerk, dein Gesott'nes und Gebrat'nes. Koch. Wie lebt er denn ? Andres. Nicht wie wir andern Menschen, Kein Furst speist so wie er. Zum Morgenimbiss Geniesst er Plato, Cicero zur Mahlzeit ; Trinkt mit den Musen, isst zur Nacht mit Livius, Spaziert sodann ein wenig auf und ab In der Milchstrasse ; und nachdem er noch Sechs Stunden mit den Sternen conferirt. Nimmt er den Erra Pater*) mit zu Bett. W. v. Baudissin. *) Erra Pater, eine in vielen englischen Komodien erwahnte Figur, die Stereotypbezeichnung eines Astrologen. Philipp Massinger. Geboren 1584 zu Wilton bei Salisbury, gestorben 1639; schrieb „Der Herzog von Mailand" (Tragodie) , „Der Renegat", „Die Martyrerin", „Die Biirgerfrau als Dame" (Lustspiel), in Gemeinschaft mit Nathaniel Field „Die unselige Mitgift" (Trauerspiel) u. A. m. Ein kraftvolles Talent, oft duster und schwer, nicht immer klar und natur- lich ; seine Charakteristik spitzt sich manchmal bis zur Carrikatur zu. Liebessiegelung. (Aus „Die unselige Mitgift".) So schreib' ich meine Treu\ Geliebteste, Und sieg'le sie vor Gott ; mit diesem Druck Schlingt deine Hand die Bande meines Herzens Zum Liebesknoten, den der Tod allein Auflosen soil. Und diese Thriinen lass Ein Sinnbild uns'rer Liebe, sich vermischen, Und wie krystall'ne Quellen, erst gesondert, In einem Strom gemeinsam untergehn, Nie unterschieden, minder noch getrennt. Athem vermahle sich dem Athem ! Kiisse Vereinen uns're Seelen ; lass zwei Herzen Und Korper sich zu einem Korper gatten. Und hab' ich jetzt gesiegt nach kurzem Werben, Sei alP mein kunftig Leben eine Werbung, Und jeder Tag aufs neu ein briiutlicher. W. v. Baudissin. Lr.gl. - Amerik. Dichter. 8 - 1 1 4 — Die Soldaten. (Aus „Der Herzog von Mailand a .) Medina. Die Beute thut's ! Um Beute fiihrt man Krieg ; Was hat der Sieg bis jetzt uns noch geschafft, Als hohle Ehr' und Wunden. Wir bestanden Die Schrecken eines blut'gen Tags ; erzwangen Mit uns'rem Schwert uns Bahn durch die Gefahr, Die Pagen gleich dem Gliick des Krieges folgt, Und warten nun des Lohns. Hernando. Der Teufel leg' es Dem Feind in's Herz. hartnackig auszuhalten ! Nachgeben und verhandeln ruinirt uns ; Und was dabei gezahlt wird, fliesst allein Dem Schatz des Kaisers zu, wie's immer heisst, Die Kosten solcher grossen Schlacht zu decken. Das weiss man schon ! Irgend ein Wicht von Gunstling, Der nie Kanonenlarm gehort, als etwa Beim Fest, erschnappt fur sich und sein Bemiihn Alles. warum wir fochten ; und den armen Soldaten lasst man Hungers sterben, oder Steckt ihn in's Hospital. Alphonso. Doch zieh'n wir ein Im Sturm und sorgen selbst fur unsern Antheil, Dann offnet Lust am Raub und edler Wein Die welken Adern uns und schwellt sie neu Mit Kraft und Gluth. Medina. O, wack're Lust! Dann sehn jwir Die reichen Knauser. die an einem Tage Das Jahrgeld eines Offiziers verdienen Und mit ein paar Rosinen satt sich essen, Die Schwamme, die des Landes Mark einsaugen, Im Schlamm des Friedens sich wie Kafer miistend, Von rauher Faust des Kriegers ausgedriickt ; Und was sie aufgescharrt im ganzen Leben, Durch Trug und Lug und niedertracht'gen Wucher, Mit einem Griff s^eraubt! Hernando. Ich will sic zausen, Die schmucken Weiblein, die in Papageien, Hiindchen und Affen Tausende verthun, Und wenn's ein gutes Werk zu fordern gilt, Yon einem lump'gen Piaster kaum sich trennen. Des Kriegs Verderben treffe sie ! Sie stopfen Die Nasen sich und woll'n in Ohnmacht fallen, Seh'n sie ein ledern Koller. ohne Tressen Und Bisam : und dieselben ek'len Piippchen, Yon Lust gespornt. wenn's gilt, 'nen schlechten Laffler Vom Hofe schon zu thun, sie wagen's d'rauf, Vermummt in jede Kneipe sich zu schleichen, Wo alle Sorten von Gestank gehauft sind, Und finden's allerliebst. Medina. Dti sollst erleben, Wie die zerlumpt'sten Burschen meiner Schaar Sie aus den Kammern ziehn, beim Element ! Und weder Droh'n noch Schmeicheln, Knien noch Winseln. Ein arm Geschmeide ihnen retten kann, Noch sie befrein von ihrem dreisten Werben. Hernando. Mein einzig Hoffen ist, den Tanz zuerst In Mailand zu beginnen ; dort ist Vorrath Und alle Lust, die wir uns wiinschen mogen, Die Habsucht selbst zu stillen. Alphonso. Jeden Tag Envarten wir den Aufbruch .... W. v. Baudissin. ^»? 8* W. Drummond of Hawthornden. Ein geborener Schotte , lebte von 1585 — 1649. Er gehdrt zu den besten Lyrikern der sog. Cavaliersepoche und ubertrifft die meisten an Gedankentiefe und auch an Empfindung. Freilich hat auch er sich nicht ganz vom Klingelnden und Gemachten freihalten konnen. Dennoch! Ich weiss, dass alles unterm Mond vergeht, Und dass, was Sterbliche hervorgebracht, Der Zeiten Umschwung wieder sturzt in Nacht, Dass vor dem Schonsten auch das Ende steht ; Dass alles Liebliche, was der Poet Mit Geistesmuh, zu theuren Kaufs, erdacht, Die Welt, als eitler Tone, kaum hat Acht ; Dass leichter nichts als nicht'ger Ruhm verweht Ich weiss, die Schonheit gleicht der Purpurbluthe, Die oft ein Tag entstehn lasst und verbliihen ; Weiss, Liebe stort der Seele Harmonien, Da die Vernunft beherrscht wird vom Gemiithe ! Wohl weiss ich dies, doch riihrt es mich mit nichten, Und immer lieben werd' ich, ach ! und dichten ! F. Freiligrath, Von einer Biene. O Siisse, nicht erschlag' Das Bienchen, das dich stach. Nicht bose Tiicke war's, — ii7 — Die Farb' hat's tiiuschen mussen : Es dacht', ein Roslein sei Dein Lippenpaar! verzeih ! Sieh, blind vor Lust und arm an Kopf und Wissen Wollt's kiissen und hat freudetoll gebissen. Use Frapan. George Wither. Wither's Gedichte gehoren zu den anmuthigsten in englischer Sprache und sind von zarter Phantasie, rein in Geschmack und von lauterer, moraiischer Haltung. Vor Allem verdienen die Hirtengesprache „Des Sch'afers Jagd u grosse Anerkennung. Er ward geboren 1588 und starb 1667. Des Schafers Entschluss. Soil verzweifelnd ich vergehn, vSterben, weil ein Weib ist schon, Bleich gar harmen meine Wangen, Weil auf andern Rosen prangen ? Mag sie schon und schoner sein, Als die Blihnlein all' im Mai'n, Ist sie mir nicht hold, o sprich, Ob sie schon sei, kummert's mich ? Soil mein Herz sich schmachtend sehnen Nach dem Liebreiz einer Schonen, Oder weil Natur ihr neben Anmuth Freundlichkeit gegeben ? Ob ich sanft und hold sie seh', Wie ein Taubchen oder Reh, 1st sie's gegen mich nicht, sprich, Ob sie sanft sei, kummert's mich ? Soil ich in das Grab mich legen Eines Weibes Tugend wegen ? Soil von ihres Werthes Scheine Ganz verdunkelt sein der meine ? Mag sie gut und engelrein, Auch der Schonsten Schonste sein, Ist sie's gegen mich nicht, sprich, Ob sie gut sei, kummert's mich ? — ii9 " Soil ich, weil sie hoch geboren, bend spielen einen Thoren? Adliche Gemuther wissen, Dass, die Geld und Guter missen Und dem Weh doch halten Stand. Nicht bediirfen solchen Tand. Hat sie solch' Gemiith nicht, Sprich, Ob sie vornehm, kiimmert's mich? Vornehm, sanft, schon oder gut, Nie verlier' ich d'rum den Muth, Liebt mich Eine, die bedenke, Dass ich sterb', eh' ich sie kranke ; Will mein Werben sie verschmah'n, Dann lass ich sie lachend gehn. Dann ist sie fur mich nicht, sprich, Warum noch bekummert's mich ? Friederike v. Maries, Thomas Carew. Kanzler Karl's L; er wurde geboren 1589 (nach A. 77) und starb 1639. Seine Gedichte (Aufforderungen zum Lieben) sind meist erotischen, oft unsittlichen Inhalts. Die Silberquelle. Hast, liebes Madchen, frisch und jung, Du jenen Mann geseh'n, In heissem Durst nach Labetrunk Zur kiihlen Quelle geh'n ? Voll Sehnsucht bog er ihr sein Knie, Und Gottin, Gottin nannt' er sie, Und als sie seinen Durst gestillt Mit ihrem sussen Trank, Und neubelebt und krafterfiillt Er ihr zu Fiissen sank, Da schlief er ein und ohne Dank Trug ihn hinweg ein loser Gang. O Madchen. wie die Quelle rein, Unschuldig, frisch und schon, Ach. lass es nicht dein Schicksal sein, Lass nie dir\s also gehn, Dass, wenn du Andere erfreust, Du selbst dir Thriinenquelle seist. Herder. 3fi Unsterbliche Liebe. Wer aus Wangen, rosig bliih'nd, Oder sternengleichen Augen, Aus Korallenlippen, gluh'nd, Nahrung seiner Gluth a\ ill saugen, Wird die Flamm' erloschen sehen, Wie sie mit der Zeit vereehen. Doch ein sanft und test Gemiith Mildes Dcnken, ruhig Werben, Herzen, gleich in Licb' ergliiht, Ziinden Feuer, die nie sterben. Fehlen d i e, nicht werden taugen Schone Wangen, Lippen, Augen. Daniel Sanders. £K Robert Herrick. Herrick (geboren 1591, gestorben um 1660) leitet die Reihe jener Dichter ein, welche wie Carew, Lovelace, Suckling, die Sprache immer mehr verfeinern, ohne auf einen bedeut- samen Inhalt auszugehen. Sie charakterisiren die Cavaliers- Epoche bis auf Milton durch ihre Grazie und Eleganz, aber deuten auch durch Schliipfrigkeiten bereits auf das Zeit- alter Karl's II. hin. Herrick's anmuthige Kleinigkeiten lassen in ihrer Anspruchslosigkeit noch am wenigsten den hoheren Geist vermissen. Reife Kirschen. Reife Kirschen . . . reif . . . reif . . . kommt heran, Voile, saft'ge Kirschen — schaut sie an ! Ei, nun kommt ihr, mich zu fragen, Wo sie hangen, soil ich sagen ? Wo mir Julia's Lippen lachelnd gliihen, Liegt das Land, wo meine Kirschen bluhen, Lasst es euch in seinen Garten sagen, Wo die Baume allzeit Kirschen tragen. J. Hart. An Julia. Sein Aug' der Gluhwurm leih' dir, Sternschnupp' sei leuchtend bei dir Und der Elf en Schaar, Mit Gluhiiuglein klar, Ein feurig Geleite sei dir! Kein Irrwisch, der bethor' dich ; Nicht Schlang', noch Schleiche stoV dich ; Vor-, vorwarts im Lauf, Halt' dich nicht auf, Kein Nachtgespenst versehr' dich ! Musst nicht im Finstern bangen ; Halt Schlaf den Mond umfangen, Die Sterne der Xacht, Sie leihen dir sacht Zahlloser Kerzen Prangen. So, Julia, dich beschwoV ich ; So komm, o komm, erhor' mich, Und nahst du zum Gruss Auf silbernem Fuss, — Meine Seele in deiner verlor' ich. lis e Fr apart. An die Wiesen im Winter. Ihr waret frisch und griintet, Ein reicher Blumenschatz: Den iieben Madchen dientet Ihr einst zum Tummelplatz. Ihr sahet, wie sie kamen Nach Gansebliimchen aus, Und kiissten sie, und nahmen Im Korbchen sie nach Haus, Und sangen suss und helle Und hielten Ringeltanz, Und jede gleich der Quelle, Umrankt vom Geisblattkranz. Wo sind sie, deren Fiisse Die Spur in's Gras gedriickt, Und die die glatte Wiese Mit losem Haar geschmiickt? Gleich Prassern, die vergeudet Ihr Gut und wurden arm, So liegt ihr da und leidet Der Armuth Noth und Harm. John Suckling. Geboren 1609 zu Whitton, kampfte unter Gustav Adolf als Freiwilliger und starb 1641. Abenteue/lich und regellos war sein Leben, regellos und ziigellos ist auch sein Dichten, doch erfreut er dafur durch kraftige Originalitat. Ein Verliebter. Warum so blass, verliebtes Blut ? Warum so blass, sag' an ! Die Blasse thut. glaub' mir. nicht gut, Wenn sonst nichts „sie" gewinnen kann. Warum so blass, sag' an ! Warum so stumm, jung' Siinderlein ? Warum so stumm, sag' an I Ein stummer Mund muss nutzlos sein, Wenn Rede „sie" nicht reizen kann. Warum so stumm, sag' an ! So wirst die Holde du wohl nicht erreichen, Auf solche Weise nicht ihr Herz erweichen. Will sie von selbst nicht Liebe hegen, Kein Zwang wird sie dazu bewegen. Am besten ist's. du wunschest ganz verstohlen : r Der Teufel moge die Geliebte holen!" Leopold Katscher. Die sonderbare Festimg. Vor einer Feste sonderbar, Vor ein em Herzen, lag Vergebens ich ein ganzes Jahr Und that doch, was man mag. — 12 5 — Ich nahte mich, und von der Hand Kam ich auch bis zum Mund, Der Augen Sprache selbst verstand Und lernt' ich bis zum Grund. Und kunstvoll schritt ich weiter fort, Mein Mund grub Minen vor, Das Herz, dacht' ich, folgt meinem Wort, Gewinn' ich erst das Ohr. Doch das war Nichts. Da Hess ich fein Kanonenschwiire los, Warf Bomben in die Stadt hinein, Doch nichts half das Geschoss. Aushungern wollt' ich nun den Platz : Ich hielt mit Kiissen ein, Mit Blicken pries ich nun den Schatz Und siissen Schmeichelein. Zum Ausfall auch versucht ich sic, Zog fort die Batterien Und legte mich, als hatt' ich nie Belagert, ruhig hin. Nachdem nun Alles dies geschah — Ich glaubte Sieger mich — Da lag der Feind ganz ruhig da, Lacht' aus ob Allem mich. Ich schickt' auf Kundschaft, wer den Ort Denn halt, und spionirt Ward mir, die Ehrbarkeit sei dort, Die das Commando fuhrt. Auf! rief ich, es ist an der Zeit, Dass wir zum Abzug blasen ! D i e Riesin lebt in Ewigkeit, Wird nie die Feste lassen. Zieh'n wir vor einen andern Platz, Wo man umsonst nicht bleibt : Ich hasse Die, die ihren Schatz Durch schnoden Stolz vertreibt. Alexander Buchne Richard Lovelace. Wurde im Jahre 161S zu Woolwich geboren und starb 165S im tiefsten Elende, nachdem er im April 1642 auf Befehl des Parlamentes in den Kerker von Westminster eingesperrt. Auf der Hohe seines Gluckes wurde er von den Damen als einer der elegantesten Hof - Cavaliere ausserordentlich bevorzugt. Seine Sammlung erotischer Gedichte „Lucasta u ward gerichtet an die Lady Sacheverell. Lucasta, aus Lux casta zusammengezogen, gleich keusches Licht. Abschied des Cavaliers. Sag' mir nicht, dass ich lieblos bin, Flieh' aus der Klosterruh', Vom keuschen Busen, stillen Sinn Ich Krieg und Waff en zu. Ja ! eine Liebste such' ich neu : Den Feind im Schlachtgeiild! Und halte fest mit stark'rer Treu' Ein Schwert und Ross und Schild. Doch auch von dir verdienet Preis Ein W T ankelmuth. wie der! Nicht konnt' ich lieben d i c h so heiss, Liebt ich nicht Ehre mehr. Adolph v. Mar ees, Der Cavalier im Gefangniss. Wenn Liebesschwingen ungehemmt Durch meinen Kerker flattern. Auf denen her Althea kommt, Zu flustern an den Gattern : 127 Lieg' ich umstrickt von ihrem Haar, In ihrem Aug' begraben: Kami V 6 g l'e i n, der Luftwildfang . Nicht solche Freiheit haben. Wenn rundum rasch die Becher geh'n, Voll Stoff's. der lindert Schmerzen, Urn uns're Stirnen Rosen wehn, Und Treue flammt im Ilerzen ; Wenn wir, im Wein den Gram ersauft, Am Trinkspruch uns erlaben, Kann Fischlein, das im Meere schweift, Nieht solche Freiheit haben. Wenn, eingesperrt, dem Hanfling gleich, Ich singe hell, volltonig, Wie gnadig, huldvoll, ruhmesreich Und herrlich ist mein Konig; Wenn laut ich zeuge. wie so gut Er sei, der so erhaben : Kann Liiftlein, krauselt es die Fluth, Nicht solche Freiheit haben. Die Mauer macht den Kerker nicht, Den Kafig nicht das Gatter ; Wer ruhig, frei von Schuld sich spricht, Des Klausner's Loos hier hat er! Wenn mich mit Freiheit Liebe so Und Seelenruh' begaben : Kann Englein, schwebt es droben froh, Nur solche Freiheit haben. Adolpk v. Mare.es, John Milton. Einer jener Manner, die als Mensch, wie als Dichter das Hochste geleistet, indem sie sich selbst und der Mensch- heit treu blieben, eines jener Vorbilder, zu denen man aufschauen muss, wenn man den Glauben verlieren will an die Unerschrockenheit, die Energie und die Reinheit des Menschengeistes. Geboren wurde er am 9. Decbr. 1608, wurde unter Cromwell Staatssekretair, vertheidigte mark- und uberzeugungsvoll die Thaten der Republik, verlor unter Carl II. nicht nur sein Amt, sondern auch sein Augenlicht, wies aber jede Bestechung seitens des Hofes trotz seiner diirftigen Lage zuriick und starb, ein Held bis zum Tode, den 10. November 1674. Als Dichter hat er sich die Unsterblichkeit errungen mit seinem Epos „Das verlorene Paradies" ; sein Genie bezeugen aber auch die Trajodie „Samson", das dramatische Spiel „Comus", die Gedichte „L'Allegro u und „I1 Penseroso", sowie seine Elegien und Oden. Aus dem verlorenen Paradies. Satan. Das Haupt der Fluth enthoben und die Augen In Flammen funkelnd, niederwarts gebeugt, Schwamm mehre Hufen weithin ausgestreckt Sein Korper auf den Wogen lang und breit, An Grosse jenen Riesen gleich der Fabel, Wie die Titanen oder Erdgebor'nen, Die Zeus bekriegt, wie Briareus und Typhon, Die einst die Schlucht beim alten Tharsus barg, Wie jenes Seegethier, der Leviathan, Den Gott als allergrosstes Wesen schuf, Das in des Oceans Gewassern schwimmt, Den, wenn er in Norwegens Schaume schlummert, Der Schiffer einer nachtereilten Barke Oft fur ein Eiland halt, und wie man sagt, — 129 — Wirft dann der Seemann in die Schuppenhaut Den Anker und Hegt vor dem Wind geschtitzt An .seiner Seite, wenn noch nachtumhullt Dem Meer nicht der ersehnte Morgen lacht. So ausgestreckt lag jetzt der Satan da, Gekettet an den Feuersee ; wohl nimmer I Illtt' er sein Haupt erhoben, wenn der Wille Und die Erlaubniss des Allvvaltenden Ihm Raum zu seinem finstern Werke Hess, Damit er selbst durch wiederholten Frevel Verdammniss auf sich haufe, da er Andern Zu schaden sucht' und dann voll Grimm gewahrt, Wie alle Bosheit Gutes nur erschuf, Und den durch ihn verfuhrten Menschenkindern Unendlich Iluld und Gnad' erwiesen wird. Doch wiilzt auf ihn sich dreifach Rach' und Wuth ; — Jetzt richtet aus dem Pfuhl er sich empor, Gewalt'gen Wuchses, von den beiden Seiten Zuriickgetrieben, senken sich der Flammen Hochzackige Gipfel, rollen in die Wogen Und lassen mitten in ein schrecklich Thai. Dann steuert er mit ausgespannten Schwingen Im Flug empor, auf finstern Luften schwebend, Die ungewohnte Last empfinden, bis er dann Das trock'ne Land erreicht, wenn Land es war, Wo immerfort ein festes Feuer glimmt, So wie der See von fliissigen Flammen gliihte. Bald kreuzt er nach der rechten Hand die Kiiste, Bald nach der linken, jetzt mit flachen Schwingen Die Tiefe streifend, schwingt er sich empor Hinauf zum hochgethiirmten Flammenbogen. Wie wenn zur See von feme man entdeckt Hoch an den Wolken hangend eine Flotte, Die mit dem Wind der Nacht- und Tagesgleiche Gesellig von Bengalen segelt oder Von Tidor und Ternate, von woher Kaufleute theure Spezereien holen, Durch Aethiopien bis zum Cape fahrend Und nach dem Nordstern Nachts die Richtung lenkend : Also erschien von fern' des Satans Flug. Adolph Bottger. Sk^ Engl.- Amerik. Dichter. — i 3 o — Eden. Siidwarts durch Eden floss ein breiter F'luss, Der seine Richtung nimmer anderte, Durch jene waldigen Hiigel weiter drang, Wo er verschwand. Denn Gott warf dies Gebirg' Als Gartengrund auf diesen schnellen Strom, Der durch die Adern der erweichten Erde Sanft aufgesogen ward und lieblich dann Als frischer Quell emporstieg, und den Garten Mit manchem Bache wassernd, dann vereint Bergabwarts fiel und sich dem Flusse mischte, Der aus dem finstern Durchgang wiederkommt Und in verschied'ne Strome dann sich theilt, Manch' riihmlich Land und Konigreich durchwandert, Die jetzt mein Lied nicht zu verkiinden braucht, Doch kiinden soil es, wenn es Kunst vermag, Wie aus dem Saphirquell die Bache krauselnd Auf Goldsand und auf Perlen weiter rollend Sich unter Buschen schlangeln und wie Nektar Die Pflanzen trankt und Blumen, wiirdig Edens, Die nicht die Kunst in dichte Beete pflanzte. Nein, wie die gutige Natur auf Bergen, Im Thai und auf der Flur sie ausgesa't, Wohin die Morgensonne warme Strahlen Zuerst gesendet und zur Mittagszeit, Die Lauben rings ein dichter Schatten braunt ; So war der Ort ein landlich sel'ger Sitz Mit mannigfacher Aussicht voller Walder, Aus deren Baumen duftige Harze troffen, Wo Friichte gliinzten mit der gold'nen Schale. So lieblich, dass Hesperiens Fabeln hier Zur Wahrheit wurden, kostlich an Geschmack. Dazwischen lagen Au'n und holde Matten, Die fur die Heerden zarte Krauter boten ; Auch Palmenhugel, wo im tiefern Thai Den besten Schatz ein Blumenbusen streut. Und Bliithen jeder Farbe sich erwiesen Und ohne Dorn die Rose selbst erbliiht. Jenseits dann waren Grotten, deren Schatten Die kiihlsten Sitze hegte, driiberhin Der Weinstock seine Purpurtrauben rankt, Und iippig wachsend, sanft empor sich schlingt, — *3* — Indess die Wasser von den Hiigeln rauschen, Sich bald im Wasser, bald im See sich einen, Der dem geschmiickten, mvrthumkronten Strand Krvstall'ne Spiegel zum Bescbauen beut. Die Vogel schmettern Chore voll Musik, Und Friihlingsluft, gewiirzt vom siissen Duft Der Au'n und Walder, stimmen allgemein Die zitternden Blatter, da indessen Pan Mit Grazien und Horen leichten Tanzes Den ewigen Friihling nab' und naher fuhrt. ty ^ Adolph Bottler. Adam erblickt Eva. Jch sah sie Ganz. wie ich sie im Traum erblickt, geschmuckt Mit allem, was sie liebenswerth zu machen, Nur Erd* und Himmel spenden kann. Sie kam. Von ihres unsichtbaren Bildners Ruf Geleitet, naher, eingeweiht durch ihn In Heiligkeit und Brauch des Ehebunds, Anmuth in jedem Schritt, in ihrem Auge Der ganze Himmel, voller Huld und Wurde. Und wonnetrunken rief ich jubelnd aus: „Nun ist mein Wunsch vollendet, ja, du hast Erfiillt, Allgiit'ger, was du mir versprachst, Neidloser Geber alles Schonen, dies Ist deiner Gaben schonste . . . a Sie horte mich ; gefuhrt von Gott, empfand Sie doch jungfraulich Beben, holde Scham, Des reinen Frauenwerthes sich bewusst, Der ungeworben nicht, nicht ungesucht Von selbst sich hingibt, lieblich widerstrebt, Damit Gewahrung doppelt kostlich sei. Unwissend, was sie that, gehorchte sie Der Stimme der Natur und wandte sich Bei meinem Anblick ab. Ich folgte ihr: Mit keuscher Wiirde, stolzer Fiigsamkeit Gab sie mir nach. Zur hochzeitlichen Laube Fiihrt 1 ich die morgengleich Errothende. Der Himmel und die Sterne gossen Licht Des Glucks auf diese Stunde aus, die Erde Rief unserm Bund von iedem Hiigel Heil. — 132 — Die Vogel jauchzten, sanfter Liiftchen Hauch Durchfliisterte den Hain, von ihren Schwingen Streuten sie Rosenduft und wiirz'gen Balsam, Bis uns die Nachtigall das Brautlied sang Und eilen hiess den nahen Abendstern, Damit er uns die Hochzeitsfackel ziinde. Adolph Bottger. Der Abend. Jetzt kam der Abend und das Dammerlicht Hiillt' Alles in ein diisteres Gewand ; Und sein Gefolg' war Stille : Thier' und Vogel, Sie schlichen hin zum Lager und zum Nest, Nur nicht die wache, munt're Nachtigall, Sie sang die ganze Nacht ihr zartlich Lied; Suss war dies Schweigen, gliihend funkelte Das Himmelszelt von lebenden Saphiren, Es fiihrte Hesperus das Sternenheer Und rollt als glanzendster von alien hin, Bis auch der Mond in Wolkenmajestat Emporstieg und, ein sichtbarer Monarch, Sein unvergleichlich Licht entschleierte Und um die Nacht den Silbermantel warf. Da sprach Adam zu Eva: Holdes Weib, Die Stunde der Nacht, wo Alles sanft entschlummert, Mahnt uns zu gleicher Ruh ; da Gott dem Menschen Arbeit und Ruh in gleichem Mass vertheilt, Wie Tag und Nacht; der Abendthau des Schlaf's Fallt nun mit sanftem Druck auf uns're Lider. Eva erwiedert ihm in hoher Schone : Mein Herr! wenn du befiehlst, gehorch' ich gern ; So will es Gott und Gott ist dein Gesetz, Wie du das meine bist ; nicht mehr zu wissen, Das ist des Weibs Erkenntniss, Gluck und Ruhm. Zur Seite dir, vergess' ich ganz die Zeit, Des Tages Wechsel ist mir gleich ergetzend. Siiss ist des Morgens Hauch, und suss sein Kommen Mit seiner friihen Vogel Zaubersang, Hold ist die Sonne, wenn sie auf's Gefild' Zuerst die rothen Morgenstrahlen wirft, Auf Blumen, Frucht' und Baume thaubeglanzt, Siissduftend ist der Boden nach dem Regen, — 133 — Sfiss auch des sanften Abend holdes Nahn, Und dann die stille Nacht mit Nachtigallen Und ihrem schonen Mond, dem Sternenheer; Doch weder Morgenhauch, wenn sanrt er kiihlt Bei friiher Vogel zauberhaftem Sang, Noch auch die Sonne, wenn sie dem Geiild Die Strahlen schenkt, noch Blumen, thaubenetzt, Sammt Baum' und Friicbten, noch der siisse Duft Nach Regen, noch des Abends holde Milde, Noch auch die stille Nacht mit Nachtigallen. Noch auch ein Gang im sanften Mondenlicht, Noch auch der Sterne blasser Lichterschimmer 1st suss und lieblich ohne dich, Geliebter! So sprechend, schritten Hand in Hand allein Sie nach der segensvollen Laube hin. Dies war ein Ort, gewahlt vom hochsten Gartner. Als alle Ding' er zu des Menschen holdem Gebrauch erschuf; das dichtbelaubte Dach Wob sich aus Mvrth' und Lorbeer seinen Schatten Und aus den duft'gen Blattern hoh'rer Baume ; Akanth umzaunte rings auf beiden Seiten Bei wiirzigem Pflanzenwuchs die griine Wand ; Die schonsten Blumen, Iris aller Farben, Jasmin und Rosen hoben ihre Kronen Empor und einten sich als Mosaik ; Darunter stickten Veilchen, Hvazinthen Und Crokus reich den Boden, bunter glanzend. Als Steine hochsten Werthes. And're Wesen. Insekten, Vogel, Saugethiere wagten Hier nimmer einzutreten, denn sie ehrten Den Menschen so. Es schliefen nimmer Pan Und Svlphen, nimmer Nymphen wohl und Faun In schattenreich'rer Laube, wenn die Sage Dies heil'ger auch und stillverborg'ner meldet. Hier schmiickte jiingst in traulichem Versteck Mit Blumenkranzen. duftig siissen Stauden Eva ihr erstes Hochzeitslager aus, Hier sang ein Himmelschor das Hochzeitslied, Als uns'rem Ahn der Engel sie gebracht. In nackter Schonheit lieblicher geschmiickt. Als einst Pandora, die der Gotter Huld So reich mit alien Gaben ausgestattet. ^ Adolph Butfoer. — 134 - An Cromwell. Cromwell, du unser Haupt, der du gedrungen Durch der Verlaumdung Sturm, der Schlachten Blut, Gefuhrt vom Glauben und des Herzens Muth, Der Frieden uns und Wahrheit kiihn errungen ; Der Gottes Siegesbanner du geschwungen, Geziigelt des gekronten Feindes Wuth, Als deinen Ruhm gerauscht des Darwen Fluth Und Dumbars Hoh'n von deinem Ruhm erklungen, Und Worcester dir den Lorbeerkranz geflochtcn : Es bleibt uns vieles was noch nicht erfochten, Und seine Siege hat der Frieden auch. Ein neuer Feind /will uns're Seele ketten, O, hilf ein frei Gewissen uns erretten Vor Miethlingswolfen, deren Gott ihr Bauch. Moritz Carriere. Auf Shakespeare. Wozu braucht meines Shakespeare's hehr Gebein Ein hochgethurmtes Monument von Stein ? Wozu soil sich sein heiliger Staub hienieden, Verbergen unter stolzen Pjramiden ? Du theurer Sohn des Ruhms, sein grosser Erbe, Was brauchst du Stein, dass nicht dein Name sterbe ? In uns'rem Geist, der dich bewundernd nennt, Schufst du dir selbst ein dauernd Monument. Wir schopfen aus den Blattern deiner Werke Gleich wie aus Gottermunde Trost und Starke ; Du machst durch deines Geistes hohen Schwung Uns selbst zu Marmor vor Bewunderung, Dass, solch' erhab'nes Grabmal zu erwerben, Selbst Konige wiinschten, so wie du zu sterben. Bodenstedt. — i35 — Auf seine Blindheit. Betracht' ich, wle mein Licht schwand, eh' mein Leben Hall) hin, in dieser dunkelri, weiten Welt, Wie jene Habe - Tod ist's, wenn sie fehlt — Mir nutzlos, wenn mein Geist auch ganz gegeben Do Schopfers Dienst allein und .-ill mein Streben Auf Rechenschaft, die seinem Blick gefallt, Wenn er erscheint und fragt — nach Licht dann qualt Der Wunsch mieh. Doch dann mahnt mich zum Ergeben Geduld und spricht: Gott hat nicht Noth der Werke Ues Menschen, seiner Gahen nicht, verwandt 1st ihm. wer tragt sein sanftes Joch, sein Wesen 1st ftirstlich, Schaaren dienen seiner Starke Und eilen rastlos fiber Meer und Land ; Doch auch wer harrt, ist seinem Dienst erlesen. A. Buckner. $r* Der Blinde. („Verlorenes Paradies." III. Ges.) Die Jahreszeiten kehren jedes Jahr, Mir aber kehrt der Tag nicht, noch der siisse Anblick des Morgens und des Abends wieder, Die Schonheit nicht der holden Fruhlingsblumen, Der Sommerrosen und der Heerden nicht, Xoch auch das gottliche Gesicht der Menschen. Dafur umziehn mich Wolken ew'ger Nacht, Ganz abgetrennt vom Umgang froher Leute, Und statt des Buches herrlicher Erkenntniss Ward mir ein weisses Blatt nur vorgelegt. Die Werke der Natur sind todt fur mich, Der Weisheit Pforten ganzlich mir verschlossen. Drum scheine heller du, o himmlisch Licht, Im Innern mir. durchflamme jede Kraft Des GeisteSj prlanze da hinein die Augen Und reinige sie von jedem Xebelflor, Dass solche Ding' ich singen kann und schau'n, Die unsichtbar dem sterblichen Gesicht. Adolph Bottger* in Abraham Cowley. Der puritanischen Zeit angehorig (er lebte von 1618 — 67), zeichnet er sich durch grossere Tiefe vor den Dichtern der Cavaliersepoche aus. Seine Oden und Elegien athmen oft grosse Gefiihle, doch verdirbt er den Eindruck durch Geschrobenheit der Sprache, der Bilder und manchmal auch der Gedanken. Im Walde. Heil euch, Patricierbaume, gross und test! Heil euch, des Walds Plebejerrest, Von lust'ger Vogel Chor erfullt, Der reiches Futter und ein stilles Nest Mit sussem Sang vergilt! Hier setz', Natur, mir einen Palast hin. Natur, die weise Meisterin, Beschamend jener Kiinstler Stolz, Die. fur der Baume Laubdach ohne Sinn. Nur schatzen todtes IIolz. Hier will ich sorglos. traumerisch mich strecken, Wenn uber mir die Winde necken Sich mit den Wipfeln hoch im Hain : Ich hore, wie der Vogel Chor sie wecken, Und stimme selbst mit ein ! Ein Silberbach dort seine Wellen rollt, Durchfunkelt von der Sonne Gold, An dessen Ufern will ich gehn, Und horen will ich, wie sie schwatzen hold. Und will ihr Liicheln sehn. ~ i37 ~ Ach, elend ist und allzu sehr allein, Wer nicht sein eigner Freund mag sein ! Er wird sich selbst zu Lust und Leid, Es hiilfe denn ihn von sich selbst befrein Der Siinden Eitelkeit. Die Diebin. Von Lust und Arbeit raubst du mich bei Tag, Bei Nacht vom Schlummer, ach ! Was willst du, holde Diebin, thun ? Nimmst du mir auch den Himmel nun ? Auch meine Andacht raubst du hier, Denn gotzendienerisch kehrt mir Von Gott sich mein Gebet hinweg zu dir! Ist Liebe Siinde denn, dass Rast sie, wie Ein bos' Gewissen gonnt uns nie ? . Was ich auch thu', wohin ich geh\ (Wann litt so ohne Schuld man je?) Erscheint mir stets dein Angesicht, Hor' ich dein Wort, das zu mir spricht, Als hatt' ich dich crmordet, du mich nicht. In Biichern such' ich Trost, allein im Strich Der Feder zeigt dein Name sich, Bei jedem Worte steht er nah, Wie Punkte oder Komma, da; Fur Segen seh' dies Niemand an! Mir geht es, wie dem Midas dann, Der durch das Gold verdarb, das er gewann. Warum versuch' ich wohl umsonst. zu fliehn ? Zu fliehn? Vor dir? Ach! und wohin? Zu meiner Gottheit macht' ich dich. Allgegenwart hast du fur mich, Darum duld' ich der Holle Pein, Denn dort auch ist der Gottheit Sein, Doch nicht zur Lust, zur Qual uns, wohnt sie drein. 138 Trinklied. Die durst'ge Erde trinkt den Regen Und sehnt sich neuem Trunk entgegen, Die Pflanze saugt der Erde Saft Und stetes Trinken gibt ihr Kraft, Das Meer selbst, das, wie leicht man dachte, Nicht Noth zu trinken haben mochte, Es trinkt zehntausend Fliisse auf, So voll, dass uberstromt ihr Lauf. Die ems'ge Sonne (wie es spricht 'Ihr trunkenrothes Angesicht), Trinkt auf das Meer; hat sie's gethan, Dann saugen Stern und Mond sie an, Sie trinken, tanzen durch die Nacht Mit ihres eig'nen Liedes Pracht. Nichts Nuchternes kennt die Natur, Dort kreist ein ewig Prosit nur. Drum fiillt die Schale, fiillt sie hoch ! Fiillt alle Glaser! Warum doch Soil Alles trinken und nicht ich ? Das, Moralist, das frag' ich dich. ^d^jlkp>- Drittes Buck Die englisehe Litteratur im Zeitalter des Classieismus. Yon Milton bis Burns. Edmund Waller. Lebte von 1605 — 87 und Avar zu seiner Zeit ein ange- sehener Parlamentsredner. Obwohl ein Zeitgenosse Milton's, weist ihn die ganze Art und Weise, sowie der Geist seines Schaffens, die Rhetorik und die glatte Eleganz seiner Poesie in die Periode der Dryden und Pope hinein. Er schrieb ein grosseres erzahlendes Gedicht „The battle of the Summer Islands", die Frucht einer Reise nach den Bermudas Inseln. Als sein bestes Gedicht gilt das nach- stehende, auf den Tod Oliver Cromwell's. Freilich hinderte ihn das nicht, nach der Restauration der Stuarts gleiche Huldigungspoemata Karl II. zu Fiissen zu legen, und er eroffnet so die lange Reihe der characterlosen Schriftsteller aus diesem Zeitraum , zu der man leider auch Swift zahlen muss. Auf den Tod des Lord Protektors. Nun lernt Entsagung ; wie sein Ruhm hob sich Laut auf der Sturm, dass uns sein Geist entwich, Sein Todesseufzer schiitterte dies Land ; Zum Scheiterhaufen stiirzt, von keiner Hand Gefallt, der Biiume Last, ihr knorr'ger Fuss Steigt in die Luft. — So schied einst Romulus! Neu - Romas Fiirst auch ward im Sturm verweht, — Dem wir gehorcht, zu ihm steigt nun Gebet. Von Fichten-, Eichentriimmern rings umdroht, Lag so auf Oetas Joch Herakles todt, Und deren Zweig' sein Siegerhaupt geschmiickt. Die Pappel, lag zerbrochen und zerdruckt. 1m letzten Zorn riess er sie aus dem Grund ; So riss vom Festland, schon zum Sterben wund, Noch Stadte unser Held ; der Spanier Vesten bot Er uns als letzte Gabe vor dem Tod. So lang' hielt uns in Haft der Ocean, Sein macht'ger Geist erschloss auch diese Bahn, Eroberung sann er noch in letzten Stunden; Nicht halt uns diese Insel mehr gebunden : — H2 — Die Tropen lauschen uns'rer Sprache Klang, Das vlamsche Reich tragt uns'res Joches Zwang. Er brach der Biirgerkriege wilde Wuth, Zu bess'rem Streit entflammte er den Muth, Britannien lenkte er init weiser Hand. Wies der Eroberung Weg in fremdes Land. O Undank! gosst ihr Thranen nicht auf's Grab Des Helden, der uns Macht und Frieden gab, Selbst Fursten, die er schreckte. schmerzbesiegt, Weinen, dass soldi' ein Ruhm dem Tod erliegt. Und iiber die Natur kam's bang und schwer, Wild klagend schwoll machtig empor das Meer, Der fernste Strand vernahm so aus dem Munde Rollender Fluth des Herrschers Todesstunde. J. Hart. ®* Der Selbstverbannte. Nicht weil mein Lieben kleiner jetzt, Als da ich lag zu Fiissen dir, Bleib' ich hinweg : nur Schranken setzt Es hofmungslose Liebe mir. Doch ach ! umsonst ! aus alien Dingen, Die ich an dir erkannt, gefunden, Will stets mein Sinn dein Bild mir bringen; Dann bluten frisch die alten Wunden. Wen aus dem Blick der jungen Sonne Des Fruhlings traf ein Fieberbrand, Der flieht umsonst der Strahlen Wonne, Die Phobus in sein Blut gesandt. Zu spat Avill er die Qualen lindern Und in des Dickicht's Schatten fliehn, Nichts mehr kann seine Gluthen mindern. Die ihm das wirre Blut durchziehn. Allein ich schwur's, und nicht mehr trachtet Dein so verbannter Sclave hier Dir nach. weil sonst dein Herz verachtet, W r as ich der Liebe schwur und dir. Alexander Biichner. Samuel Butler. 1612 zu Strensham in Worcestershire geboren, fiihrte Butler ein ausserlich wenig behagliches Leben und starb in diirftigen Verhaltnissen 1690. Gleichwohl war sein Hauptwerk, die komische Dichtung „ Hudibras" (es sind nur neun Biicher von derselben vollendet), welche die antikoniglichen Parteien, Presbyterianer wie Independenten. in dem fahrenden Jammerritter Hudibras und seinem Knappen Ralph verspottet, das Lieblingsbuch der Restau- rationszeit. Das Werk ist reich an satirischen Detail- schilderungen, entbehrt aber jeder Composition, durch- greifenden Handlung und zuletzt auch jeder Poesie. Sein culturhistorischer Werth iibertrifft deshalb bei Weitem den litterarischen. Es erschien von 1663 — 1688. Sir Hudibras. . . . Sein Witz, sowie sein Antlitz ward Geziert durch einen Kupferbart, Den hielt an Farb' und Zuschnitt fast ein Jeder beim ersten Blick fiir'n Dachstein. Der Obertheil war molkenblau. Der Untertheil pomranz und grau. Dies langbehaarte Meteor Stellt' als ein grauer Typus vor, Dass Scepter, Regiment und Kron' Sich nahten ihrem Ende schon Und dass es mit dem mvst'schen Scheite Sich und dem Staat sein Grab andeute. Wie Samsons Haarzopf wuchs es nur Der ganzen Nation zur Schur Und stiirzt' es gleich auch selbst mit hin, So bracht' es doch dem Staat Ruin. Monastisch war's in heiligem Orden Mit Sorgfalt auferzogen worden, Durch ein Geliibd', so streng und schwer, Als Barfussler und Braunkiittler. Es musste sich verfolgen, hassen, Bespeien. brennen, martern lassen ; — i 4 4 — Gleich seinem grassen Eigner bot's Deni Zorn des ganzen Staates Trotz, Ward bald gezwickt und bald zersaust, So lange es sein Kinn umkraust, Bis die verhasste Monarchic Beim Blocke bog ihr stolzes Knie. Dann erst stand ihm bevor sein Fall Durch des Barbiers gescharften Stahl, Ein Opfer dem verfall'nen Staate, Wozu man es gewidmet hatte. Die Parzen hatten in ihren Geweben Des Bartes und des Staates Leben So fest versponnen und verflochten, Dass Zeit und Tod sie nicht vermochten Zu trennen, bis ein Sichelstreich Wegmahte Bart und Konigreich . . . Den machtigen Berg, seinen Riicken, Schien eig'ne Last ganz krumm zu driicken ; Denn wie Aeneas seinen Tatt*) Huckpack durch's Feuer schleppen that. So hing dem Rittersmann ein Packen Von eig'nen Schinken auf dem Nacken, Der ihm aus Mangel an Schwanzriem gar Fast iibern Kopf gewachsen war. Zum Gleichgewicht hing vorne her Ein Wanst, der war nicht minder schwer, Den unser Ritter Hudibras Auch wohl zu fiillen nie vergass Mit Schwartemagen, Komst**) und Wurst, Wie's das Haus gab fur Hunger und Durst. Wovon noch viel zu sagen ist, Wenn von des Ritters Futterkist' In seiner Hose gehandelt wird, Worin er Frass mit sich gefuhrt. Von Biiffelshaut war seine W e s t', Nicht stichfest, aber priigelfest, Denn Streiche, die den Riicken bliiuen, That Hudibras am meisten scheuen. Sein Hos.enpaar von grobem Flauss Hielt schon seit Heinz, dem Achten, aus. *) Fur Vater. **) Saure Milch. - i4S - Daher denn mancher Mann sich irrt Und meint, sie hatten ihm gehort. Sie waren immer vollgestaut Mit Munition an grauem Brod, Speck. Kiis' und Blutwurst, ein Gericht Fur den, der oft mit Blutdurst ficht. Denn, wie gesagt. Sir Hudibras Trug in den Hosen immer Frass, Drum zogen oft ma Is Ratt' und Maus Dahin auf's Fouragiren aus. That er von Umschicht dann die Hand In's Magazin, so widerstand Der kleine Feind ihm oft mit Muth Und zapfte von dem Ritter Blut, Bis er mit Sturm und Kriegsgewalt Ihn trieb aus seinem Hinterhalt . . . Des Ritter Schwert, ein machtig Ding. Ihm dicht am tapfern Herzen hing. Das hohle Heft war zum Gefecht Und Suppenteller gleich gerecht : Auch pflegt' er Kugeln d'rin zu giessen, Um Feind' und Hiihner todt zu schiessen, Denn diesen war der Held so gram, Dass keins von ihm Quartier bekam. Die Klinge war von Azevedo. Dem besten Meister in Toledo. Wiewohl sie. seit sie stille sass, Yor Gram und Rost sich selbst zerfrass. Die fromme Scheide, ihr Quartier, Litt sehr von ihrer Mordbegier ; Sie hatte schon zwei Spannen lang D'ran abgenagt, vor lauter Drang Und Unmuth, weil man sie, gleich feigen Memmen. ihr Antlitz nie Hess zeigen. Wohl hatte sie sonst ihre Kraft In Exekution, Verhaft Und andern kiihnen Heldenthaten Bei manchem Anlass oft verrathen. Beut' und Gefangene gemacht. Auch manchen Tropf davon gejagt. Ein D o 1 c h des Sarras Page war. Der war nur klein fur seine Jahr' : Drum prlegt' er ihm nur aufzuwarten. Engl. -Amerik. Diehter. 10 — 146 — Wie Zwerg' auf edle Ritter warten. Sonst war's ein fleissig kleines Ding, Zum Fechten wie zur Arbeit flink. Bald schrammt es Manchem Wanst und Kopf, Bald schrabt' es Teller oder Topf, Schnitt Brod, briet Speck fur Mausefallen Und that euch mehr noch zu Gefallen, War's auch Schuh' putzen, Messer wetzen Und Knoblauch oder Zwiebeln setzen. Ein Brauer, dem es sonst gedient, Hatt' es an dies und mehr gewohnt. Dem lief es weg, wie mancher Mann Aus Lust zum Wechsel jiingst gethan. Zwei Puffer steckten im Arrest Am Sattelknopf seit Jahren fest In Halftern, nebst dem Proviant, Der nicht Platz in den Hosen fand. Somit fing das Pistolenschloss Beim Fouragiren manche Maus, Die, wenn der Hahn war aufgespannt, Sich plotzlich in der Falle fand. Und darum stellt' er sie zur Nacht Beim Hosenmagazin als Wacht, Urn alien Dieben auf vier Fussen Und zweien den Pass zu verschliessen. Also geriistet zog der Held Vom stillen Heerd hinaus in's Feld, Nachdem er sich mit Miih' und Macht Auf sein erhab'nes Thier gebracht. Ein Stegreif nur am Sattel was, Der hing so kurz, dass Hudibras Erst manchen Satz vergeblich machte, Bis er die Zeh' zum Biigel brachte. Drauf setzt' er an und strebt und keichte, Bis er die Sattelpausch' erreichte Und schwang sich dann mit solcher Hitz' Und Kraft hinuber in den Sitz, Dass ihn sein eigenes Gewicht Fast iiberkippte, wenn er nicht Stracks Mann' und Schweif ergriffen hatt', Die er statt Zaum oft brauchen that'. Dietr. W. Soltaiu John Dryden. Wurde geboren am 9. August 1631 zu Aldwincle in der Grafschaft Nordhampton, studierte zu Westminster und Cambridge und wohnte dann in London. Im Leben schwankte er von einer Partei zur anderen, verherrlichte 1658 in den „Heroic stanzas" Cromwell und begrusste 1660 Karl II. in seiner „Astraea redux". 1668 zum Hofdichter ernannt, trat er zur katholischen Kirche iiber, verlor aber unter Wilhelm von Oranien alle seine Stellen und starb in Diirftigkeit am 1. Mai 1701. Dryden nimmt in der englischen Litteratur eine Stelle ein, ungefahr wie Boileau in der franzosischen oder auch Gottsched in der deutschen. Er begeisterte sich an den franzosischen Klassikern und suchte ihre dramatische Form mit der Shakespeare'schen zu vereinigen, ein Unternehmen, welches nur monstrose Gebilde erzeugen konnte. Sein Vers ist von Avunderbarem Wohllaut, aber seine Gefuhle sind kalt, seine Leidenschaften frostig, seine Gedanken zuweilen witzig, aber selten tief. An Tragodien schrieb er „Die indische Konigin", „Der indische Kaiser", „Tyrannin Liebe" oder „Die konigliche Martyrerin", „Die Eroberung von Granada", „Aureng Zebe", „Alles fur Liebe", „Oedipus", „Troilus und Cressida", „Der Herzog von Guise" und „Dom Sebastian" ; an Lust- spielen „Wild Gallant", „The Rival Ladies", ^The Maiden Queen", „The Love in a Nunnery", „Limberham" und ^Amphitryon". 1667 erschien sein historisches Gedicht „Annus mirabilis" ; spater wandte er sich besonders dem Lehrgedicht und der Satire zu, verfasste zur Verherrlichung der katholischen Kirche sein allegorisches Gedicht „The Hind and the Panther" und brachte Uebersetzungen aus Virgil, Horaz, Homer, Theokrit, Juvenal etc. Das Beste. was er geschrieben, sind wohl seine „Fabeln", die noch heute viel gelesen werden und die von Haendel componirtc Ode „Das Alexanderfest". 10* — i 4 8 — Das Alexanderfest. Es war am Konigsfest, wo Persis fiel Durch Philipp's Heldensohn : Hoch in ehrwiird'ger Pracht Der Gottergleiche sass Auf seinem Konigsthron, Umher der starken Freunde Schaar. Die Stirn mit Rosen und mit Myrth' umgrenzt, Der Krone werth ist Heldenmuth, Die holde Thetis neben ihm, Des Morgens bliithenvolle Braut In JugendfiilP und stolzem Reiz. Selig, selig, selig Paar, Der Tapf're nur, Der Starke nur. Der Held allein verdient die Braut. Timotheus hoch gestellt Im klangvoll siissen Chor, Die Saiten schlagt mit rascher Hand, Der Tone Wirbel wallt zur L\ift Und Himmelswonnen gliihn. Das Lied begann von Zeus ; Er ging vom segensreichen Sitz, Das wirkt der Liebe Allgewalt, Des Drachen Feu'rgestalt umhullt den Gott, Auf Strahlenfliigeln schwingt er sich Zur reizenden Olympia; Sucht voll Begier die Schwanenbrust Und schmiegt sich um den schlanken Leib, Und pragt ein Bildniss seiner selbst, Und einen Herrn der Welt. Bewundernd lauscht die Schar dem siiss'en Klang, Ein Gott ! so wiederhallt der Kuppel Wolbung laut. Mit trunk'nem Ohr Horcht der Monarch, Wahnt sich ein Gott, Bewegt das Haupt Und traumt, das Weltall schwankt. Drauf sang des siissen Sangers Mund des Bacchus Lob, Des ewig Schonen, ewig Jungen Lob ! Der Freude Gott, naht im Triumph, - i 4 9 — Tromeien tout! Trommeln schallt! Entgliiht in Purpurroth Zeigt er sein hold Gesicht. Nun schallt! Oboen, schallt! er kommt, er kommt Bacchus ewig schon und jung! Ordnet an ein Trinkgelag', Bacchus Segnungen sind Labsal, Reich das Labsal, Suss die Wonne. Suss ist die Wonne nach dem Schmerz ! Der Tonlaut schwellt des Holden Herz, All' seine Schlachten iicht er durch, Und dreimal schlagt er alle Feind', Und dreimal jeden, den er schlug. Der Wahnsinn stieg : der Meister sah Der Augen Feuer, der Wangen Gluth Ihm, der die Welt zum Kampfe lud Zahmt er und lahmet Hand und Stolz ! Er wahlt ein traurig Lied, Suss Mitleid weckt sein Spiel. Er singt Darius gross und gut, Der unter Schicksals Wuth Von seiner Hone fiel, Gewiilzt in seinem Blut. Verlassen in der hochsten Noth Von Allen, die er einst erhob, Liegt er gestreckt auf nacktem Sand, Kein Freund schliesst ihm die Augen zu. Der Held sass trauernd mit gesenktem Blick, Ervvog in sich gekehrt und still Den ew'gen Wechsel des Geschicks, Und mancher Seufzer ihm entflieht, Und Thran' an Thriine rliesst. Mit Lacheln sah der Meister bald, Dass Liebe nah verborgen lag, Es war nur ein verwandter Klang, Denn Mitleid schmilzt in Lieb' ein Herz. Hoch und mild mit Lvdierweisen \Viegt er seine Seel' in Wonne, Krieg, so klang's, ist Muh' und Unruh. — 150 — Ruhmsucht leere Wasserblasen, Ximmer endend. stets beginnend, Kampfend stets und stets zerstorend, Wollt'st du nur die Welt erobern ? Denk' daran, sie zu geniessen, Thais sitzt zu deiner Seite, Nimm das Gut, die Gotter gaben's. Mil lautem Beifall ftillt die Schar die Luft, Dein' Liebe war der Kranz, dein' Tonkunst war der Sieg. Der Fiirst verbarg nicht seines Herzens Qual, Schaut an den Reiz, Den Schmerzensquell', Und seufzt und schaut und schaut und seufzt, Und schauend seufzt er abermal, Zuletzt von Wein erhitzt und Liebeslust Sinkt der besiegte Held an ihre Brust. Nun schlagt das gold'ne Saitenspiel Und lauter, immer lauter ton' es jetzt, Zerbrechet seines Schlummers Bande Und weckt ihn auf mit lautem Donnerrollen. Horch ! horch ! der wilde Ton Hat aufgeregt sein Haupt, Als erwacht' er vom Tod, Starrt er staunend rings umher. Auf, racht, racht ! ruft Timotheus, Sieh, die Furien dort Sieh, die Schlang' in der Hand, Wie sie zischt in der Luft ! Und die Funken entspriihen dem Aug' ! Welch' schauervolle Schar, Fackeln schwingend im Arm, Das sind griech'sche Geister, im Mordkampf erwurgt. Unbegraben blieben sie, Unruhmlich auf dem Feld, Rache, Rache gieb, Gieb der starken Schar. Sieh', wie sie schwingt die Fackeln in die Hon', Wie sie starrt nach Persien hin, Nach grimmer Gotter pracht'gem Ternpelbau ! Und Beifall jauchzt die taumelnde Schar. Und der Konig ergreift zum Verderben den Brand, Thais leitet ihn, — 15 1 — Sie leuchtet ihm bei'm Raub Unci steckt, Helenen gleich, ein Ilion in Brand. So schwellte schon, Eh' schnaubend blies der Blasebalg, Als noch kein Orgellaut erscholl, Timotheus mit Flotenspiel Und Leierklang Zu Wuth ein Herz und bald zu sanfter Sehnsucht an. Die gottliche Cacilie kam, Erf and melod'scher Laute Bau. Der Schwarmerin geweihte Fulle dehnt Die enggefiillten Schranken aus. Erweitert edeln Hochgesang. Mit angebor'ner Weisheit. ungekannter Kunst, Tritt ab den Preis, Timotheus, Doch lieber theilt den Kranz, Er hob den Menschen himmelan. Sie zog den Gott herab. Willi elm Waiblinger. Grai John Wilmot von Rochester. Das echteste Kind seiner Zeit, nnd Nichts charakterisirt die beispiellose Liiderlichkeit am Hofe Karl's II. besser, als seine Poesie. Von vielen seiner Gedichte ist es unmdg- lich, auch nur den Titel anzugeben. Meistens ist seine Lyrik kalt und niichtern, zuweilen weiss er jedoch auch warmere Tone anzuschlagen. Als Satiriker gebietet er iiber atzende Scharfe, boshaften Witz und — das ist wenigstens anerkennenswerth — Freimuth und Uner- schrockenheit. Seine beissenden Ausfalle auf die Maitressen Karl's II. zogen ihm die Verbannung vom Hofe zu. Er war geboren zu Ditchley bei Woodstock in Oxfordshire im Jahre 1648, machte Reisen in Frankreich und Italien, kampfte gegen die Niederlande und lebte dann langere Zeit, bis zu seiner Verbannung, am Hofe. Gestorben ist er am 26. Juli 1680 an den Folgen seiner Ausschweifungen. Die Verlassene. Wohin entschwand er, der mein Herz erfullt? Sein gottlich Antlitz bleibt mir nun verhiillt : Tyrannisch weckt in meiner stillen Brust Ruhlos sein Reiz unruhig- wilde Lust. Du, theure Ehre, hilf, beschiitze mich, Verloren sonst trotz aller Kraft bin ich, Urn das mein Herz in soviel Freuden schwillt, O reiss, o reiss aus meiner Brust sein Bild. Vernunft, auch du, riist' gegen solchen Feind, Dass er nicht herrl'cher noch einst mir erscheint, Reiss' aus den gift'gen Pfeil verliebter Gluth, Wund ist mein zartlich Herz, hinstromt mein Blut. J. Hart. Matthew Prior. Ein heiterer und witziger Anakreontiker, aber auch nicht frei vom Schmutz und der obsconen Ausgelassenheit der Restaurationsepoche. Verfehlt ist sein ernstes Lehr- gedicht „ Salomon besser die scherzhaften Sachen „Alma tt , „Haus Carvel", „The ladle", „Protogenes and Apelles" etc. Er ward geboren 1664 un< ^ starb 1721. Gesang. Wenn vor Musik und Wein und Sang Entflieht der Seele bitt're Qual, Stimm, Phoebus, du der Saiten Klang Und Bacchus fulle den Pokal ! Denn meine Chloe ist nun weit, Helft tragen meines Kummers Macht, Sinnt tolle Lust, auf dass das Leid Erstirbt solch' endlos langer Nacht. Venus, sei morgen gunstig mir, Wenn wieder mich ihr Gruss begliickt, Zund' Rauchwerk an, streu' Mvrthen ihr, Empfang' den Liebling schongeschmiickt. Verdanken, siisse Gottin, mag Ich solches Gliick nur dir allein, Lieb' fiihr empor den jungen Tag, Der ganze Tag sei dein . . . sei dein ! J. Hart. An die weinende Geliebte. Du weinst, geliebtes Madchen ? Sieh, o sieh Rings um dich die Natur in Sympathie ! Die kleinen, siissen Vogel — horch, sie singen Nicht langer! neigen Haupt und Schwingen -- *54 ~ So traurig nieder! — Jene Wolken wollen weinen, Abneigend, schauernd. mischen zu den deinen Auch ihre Thranen! Jene Bache fliessen Jetzt trauriger! So sanfter murmelnd giessen Sie Seufzer in dein Ach ! Sieh Schaferinnen Und Schafer, wie von ihren Wangen rinnen Des Mitleids zarte Thranen! — Zauberin. Phantastisch Madchen ! • Allerweicherin! So riihren kann dein holder, sanfter Schmerz Die ganze Welt, nur nicht dein hartes Herz. <3X£k Alexander Pope. Der bewundertste Dichter seiner Zeit, von machtigem Einrluss, nicht nur auf die englische, sondern audi auf die deutsche Litteratur, und jedenfalls die hervorragendste Er- scheinung der britisehen Poesie in der Zeit von Milton bis auf Burns und Byron. Geboren ward er 1688 in London von katholischen Eltern, entwickelte sich geistig sehr fruh- zeitig ohne geregelten Unterrieht, begeisterte sieh an den Alten und Franzosen und kniipfte fruh litterarisehe Ver- bindungen an. Sein Leben ist ausserlich wenig reich an Ereignissen, in der Politik schwankte er von einer Partei zur anderen, nur von seinem litterarischen Ehrgeize und seiner Ruhmbegierde geleitet. Eine Staatsunterstutzung schlug er aus, urn sich seine Unabhangigkeit zu bewahren. doch nahm er von der Herzogin von Malborough 1000 L.. urn eine Stelle gegen sie in der „ Satire auf die Frauen" zu unterdrucken. 171 7, nach dem Tode des Vaters, kaufte er sich ein Landgut in Twickenham an den Ufern der Themse an, wo er seine Freunde, darunter vor Allem Swift, haung bewirthete. Spiiter gehorte auch Lord Bolingbroke zu seinen intimen Freunden. Pope starb 1744. Sein Charakter, wohl auch beeinrlusst von seiner korperlichen Missgestalt, bietet der Schattenseiten viele. Zankisch. miss- trauisch und neidisch, verwickelte er sich in zahlreic.he litterarisehe und private Fehden, die von beiden Seiten ausserst erbittert gefiihrt Avurden. Pope ist ein Meister der Form, und in dieser Hinsicht sagt Hettner emphatisch von ihm, dass jeder seiner Verse ein sprachliches Meisterwerk sei und noch Byron wagte es, ihn selbst iiber Shakespeare zu setzen. Geistreich, scharf in der Beobachtung und Charakteristik, voll ziindenden und graziosen Witzes, erhebt er sich doch auch zuweilen zu echter Gluth und Leiden- schaft. Hauptwerke : „Essay on Criticisme", die „Dunciadc kfc . eine grosse litterarisehe Satire auf die Poeten und Schrift- steller seiner Zeit, „Der Lockenraub", und der „ Essay on Man u , ausserdem Satiren, Episteln und Aehnliche>. - 156 - Epistel an eine Dame. Sie haben Recht, Madame, wenn sie meinen, Charakter haben Frauen meistens keinen. Ihr Stoff, zu zart, hat Markiges vermieden, Mit schwarz, braun, blond am besten unterschieden. Wie vielgestaltig jede sich doch zeigt, Stets anders und doch immer sie sich gleicht ! Arkadiens Grafin hier im Pelzgewand 1st dort Pastora an des Brunnens Rand, Dort Fannia, halsend ihren guten Mann, Dort 'ne nackte Leda mit dem Schwan. Lass eine Schone magdalenisch klagen, Gelosten Haars, den Blick emporgeschlagen, Lass wie Ciicilie lacheln sie verziickt, Durch Engel, Harfenton' der Welt entriickt, Ob Buss'rin noch, ob schon mit Engelschwingen, Wenn Narrheit wifd romantisch, muss ich's singen. Drum her den Griffel, her die Staffelei ! Der Regenbogen seine Farben leih', Und auf 'ne Wolke mal', doch ja dich spute ! Eh' sie verweht, die Cynthia der Minute.- Rufa, die scharfen Blicks den Park durchspaht Nach jedem Modeheld, der sich dort blaht, Passt, traun ! so schlecht zu Rufa, lesend Locke, Wie Sappho's Schmuck zu ihrem schmutz'gen Rocke, Wie Sappho bei der Morgentoilette Zu Sappho auf dem Ball in Schmuck und Kette. So Eintagsfliegen, die im Staub begonnen, Sieht schimmern man im Strahl der Abendsonnen. Wie mild ist Silia, Keinen mag sie schmerzen, Der Schwachste steht am nachsten ihrem Herzen, Calista selbst sie nicht zu schmahen wagt, Und Peter Simpel gern um Rath sie fragt. Da plotzlich liucht sie, tobt sie, — Was ihr lacht ? O nein, ihr irrt ! Der Wein hat's nicht vollbracht. Schaut sie nur an ! Was setzt sie in Ekstase ? Seht ihr den Pickel nicht auf ihrer Nase ? Popilia, dem Galan ganz frisch vermahlt, Seufzt auf nach Schatten : „Mir ein Park gefallt." — !57 Er \\ ird gekauft ihr: doch bald seufzt sie wieder: ,,Ach, Baume sind entsetzlich mir zuwider." Vielfarb'gen Tulpen sind die Frauen gleich: Der stete Wechsel macht an Reiz sie reich, Durch Mangel schon, durch Schwachen sic entzficken, Dass der Bewund'rer Sinn sie oft verriicken. So einst Calypso jedes Herz entflammte. Wenn Keiner auch sie schon noch sittsam nannte; Ihr Wort, ihr Blick geiielen gleicherweise Durch Kiinstelei, mehr schlau war sie als weise ; Seltsamen Reizes, aller Launen voll, War sie nicht grade hasslich ; nicht grad' toll; Doch war sie nie so sicher, uns zu fassen, Als wenn sie trieb, was wir am meisten hassen. Narassa's Herz kann ziemlich mild man nennen : Im Bade wiird' sie kaum ein Kind verbrennen, Selbst 'nen Verehrer hat sie mal erhort, Auch Schulden mal bezahlt, ganz unerhort, Gab Ostern Spende, dass man drob erstaune, Begliickte eine Wittwe in 'ner Laune. Warum denn schimpft sie stets auf Herzensgiite, Warum verlacht sie denn ein fromm' Gemiithe, Wenn ohne das, was schmalert ihre Riige, Kein Mensch in seiner Nahe sie ertriige? Was soil ein Qualgeist Milde affektiren ? Warum 'ne Buhl'rin sich mit Sitte zieren ? Jetzt ganz vertieft in Bibel, Rosenkranz, Dann von Champagner voll und toll im Tanz. Wenn Leidenschaft, wenn Reue an ihr frisst, 1st bald sie religios, bald Atheist. Ein wahrer Heide ist ihr Fleisch, allein Ihr Herz, glaubt mir. muss stets gut christlich sein. Schau Jene doch, auf aussern Glanz versessen, Als Pairin stolz, als Buhlerin vermessen, Keusch beim Gemahl, sonst nimmt sie's nicht genau, Als Dime heiss. doch unfruchtbar als Frau. Was thut's ! Ihr heisses Blut liess sie mal wanken ; Rein ist ihr Haupt, der Thron von Lichtgedanken. So lehrt man heut'. Dann auch mal siindigt sie Mit Dichtern, nur aus Hang zur Poesie. - i 5 S - Fur wen hatt' nicht ihr grosses Herz entflammt ? Fur Casar, Karl, die Helden allesammt. Wie Helluo, jiingst der Konig eurer Feste, Dess' Nase fein und Zunge wohl die beste, Laut eure Wein' und Speisen kritisirte, Und doch daheim bei Griitzenbrei dinirte, So Philomele, die so klug zu jedem Von Liebe, Schonheit wusste stets zu reden, Von Zartsinn, von Geschmack, stockt auf einmal, Macht aus 'nem Pinsel sich ihr Liebesmahl. Flavia ist geistreich, viel zu klug zum Beten, Doch kann sie toasten und was sonst von Nothen. Nicht Gott, die Sterne bittet sie, zu geben Das Gliick „zu leben, nur damit wir leben". Spricht dann vom Tod, der jahen Schlaf uns schaffe, Von Rosamunden's Kelch, Lucretien's Waffe — Was ruft bei ihr soldi' tolles Zeug nur wach ? Ein Freund, zu fliichtig, ein Gemahl, zu schwach ? Sie nie gefallt, da sie zu raffinirt, Zu geistreich, dass sie je sich amiisirt, Zu scharf, dass je das Bess're sie bekannt, Zu vieles Denken raubt ihr den Verstand. Doch seht auf Simo's Weib, wie zart und minnig ! Kein Esel ist so sanft — so eigensinnig. Sieh' Jene, die's beweint, wenn sie dich krankt, Doch sich zu bessern, sich zu ehrbar denkt ; Die, deren Sinn auf Kirch* und Klatschsucht steht. In Leidenschaft stets oder im Gebet ; Und Jene, die den Teufel laut verlacht, Und dabei ruft : War nie 'ne H611' gemacht ! Und Die, die siissen Wechsel liisst gewahren : Jetzt Lust, dann Opium, Rheinwein jetzt, dann Zahren : Als Gegengift dient's ihr, taglich zu schenken, Zwei Weiberfeind' zu todten : Zeit und Denken. Ganz and'rer Art liisst sich Atossa schauen : Sich selbst nie gleich, doch alien andern Frauen : Von der Geburt an war ihr Lebensloos Ein steter Krieg mit sich und andern bios; Sie stellt die Schurken bloss und schildert Thoren, Doch ist sie selbst, was sie zum Spott erkoren. Steigt ein Gedank', — ihr wirbelnd Haupt, ach ! dreht Ihn um, bis dass er wieder untergeht. *59 So treibt sie es schon voile sechzig Jahr, Die kliigste Thorin, die die Zeit gebar. Einst nie geliebt und nun geachtet nie, Reizt keine Leidenschaft, als Zorn nur, sie. Dem Witz lief so die Wuth den Vorrang ab, Dass er nie Freud' ihr, nur den Aerger gab. Wer mit ihr bricht, der reizt der Ilolle Wuth, Doch Freund ihr sein, verlangt noch grossern Muth. In Allem ist sie heftig jederzeit, Wild, wie ihr Hass, ist ihre Dankbarkeit. Und Hass muss sie am Ende stets erfassen, Sie wurd' aus Liebe selber endlich hassen. Den Hohern wiinscht sie Tod, Schmach ihres Gleichen, Das Aergste Niedern, die nicht kann erreichen Ihr Herrscherwort. Krankung wird nie vergeben ; Verpflichtung lohnt mit Hass sie durch das Leben. • Doch stirb, so ehrt sie dich, baut dir Trophaen, Um — bald sie einzureissen und zu schmahen. Ihr Mann war gestern edel, gut und wacker, Heut fruh ein Schuft, sein Wilhelm nur ein Racker, So wird durch Mittel sie der Zwecke bar, Durch Geist der Macht, durch Gluth der Freunde gar, Und ohne dass ein Ungliick sie erfasst, Ist sie durch ihre Selbstsucht sich zur Last. Ein jed' erhort Gebet ist ihr Verderben, Trotz Kindern kinderlos entbehrt sie Erben ; Ihr Gut fallt endlich zu der Fremden Schwarme, Kommt auch zum Theil, wie Gott es fugt, an Arme. Bilder, wie diese, theure Frau, zu malen, Braucht's keine feste Hand, noch heller Strahlen. Nur leichte Punkte, etwas fahles Licht, Fliichtige Striche — mehr bedarf man nicht. Nichts niitzen achte Farben; Jeder weiss, Chamaeleon's malt man nicht mit schwarz und weiss, Doch Chloe, traun! hat Fehler nie besessen; Natur hat nicht gefehlt, nur was vergessen. Wenn jeder Liebling sich ihr anvermahlt, Was mangelt ihr? I nun, ein Herz ihr fehlt. Sie spricht, sie handelt stets in weisen Schranken, Doch zeugt ihr Hirn vie! edele Gedanken. Die Tugend fordert, ach! zu ernstes Streben, Zufrieden ist sie schon, decent zu leben. — 1 60 — Stets so vernunftig, stets so unbetrubt. Dass nie sie liebte, nie auch ward geliebt. Und wahrend ihr Galan sie heiss umfangt, An ihrer Brust fast zu vergehen denkt, Bleibt kalt ihr Blut, gesetzt auch ihr Verstand, Sie zahlt ganz ernst die Fliegen an der Wand. Klagt eine Freundin ihr ihr Missgeschick, Spricht sie von Seide, moire antique. Undankbar fur 'ne Gunst sie nimmer ist. Nein, weit gefehlt! Doch Chloe leicht vergisst. Wohl Keiner ein Geheimniss so bewahrt, Doch eh' sie euch vertraut eins, lang ihr harrt. Niemand verleumdet sie, sie halt auf Pflicht, Doch wie viel Freunde starben. weiss sie nicht. Will, ob ihr todt, ob lebend sei, sie wissen, Ihr Diener wird sie dran erinnern miissen. Chloe ist klug; wollt ihr zuruck nicht stehn. . Lasst, wenn sie stirbt, 's euch nicht zu Herzen gehn. Ein hehres Bildniss nab' ich noch iin Sinn, Vom Himmel selbst geschmuckt zur Konigin ; Ja sie for ever ! Ist sie nicht geziert Mit Herzensgiite? Ihr der Thron gebiihrt. Poeten ihre Tugend gern erheben. Mit Edelsteinen Maler sie umgeben : An gutem Willen Keiner bleibt zuruck. Doch nur zu oft an gliicklichem Geschick. *S mag sein ! Doch, Kunstler, die ihr malt und schreibt, Das nackte Zeichnen, danach es euch treibt. Das steife Staatskleid Alles so verdeckt, Dass die Natur sich fast darin versteckt. Wollt Geist und Korper ihr genau ergriinden, Miisst das Modell bei niederm Stand ihr finden. Wenn Herzoginnen allzusehr sich zieren, Bleibt uns die Magd, die Venus, zu studiren. Ein Pair, ein Bischof, eigneten sich wenig Zum braven Mann, treu seinem Gott und Konig. Ach, ich beschreib', damit ich nicht gen' fehl, Den biedern Mohamet, den wackern Hale. Wenn auch der Mann sich offentlich kann zeigen, Des Hauses Kreis nur sei den Frauen eigen. In hellem Licht gern uns're Thatkraft waltet. Im Schatten eure Tugend sich entfaltet. Wenn die Verstellungskunst euch frflh gelehrt, Und offentliches Leben dies rermehrt, Kami Keiner wohl an euch es unterscheiden, Was Scham, was Stolz, und wo gemischt die beiden, Was Schwache, Zartsinn ; alles ist so fein, Fast kann es Tugend, fast audi Laster sein. Verschieden ist beim Mann die Leidenschaft; Doch fiber Frauen haben zwei nur Kraft: Herrschsucht, Vergniigungssucht sind alien eigen, Fruh oder spat bei jeder sie sich zeigen. Die lehrt Natur, und kann wohl. wo sie lehrt. Stets zu erfreuen, Freude sein verkehrt? Erfahrung jene, denn, vom Mann bedrangt, Will herrschen sie. dass sie nicht sei beschrankt. Schliesslich will jede deshalb gern regieren, Nur, um nicht ihr Vergniigen zu verlieren. Der.Mann liebt Arbeit, jener lust'ges Leben. Doch alle Frau'n Vergniigen nur erstreben; Der liebt die Ruhe. der des Ruhmes Schein. Doch jede Frau mocht' Konigin gern sein. Doch sieh ! welch' Loos den meisten wird zu Theil, Macht ist ihr Ziel, dafur ist Schonheit fell, Wenn jung, sie nach Eroberungen jagen. Dass kein Verehrer bleibt in alten Tagen; Nach ausserm Glanz und Freuden so sie rennen, Dass Run' und Glilck zu Hause sie nicht kennen, Denn sich zuruckziehn noch zur rechten Zeit, Dazu sind Frau'n und Helden schwer bereit. Die Schonen gleich Tvrannen. alt. verlassen. Gleichwohl die Einsamkeit und Ruhe hassen. Vernutzt, verlacht, gekommen aus der Mode. Hort keinen Seufzer man bei ihrem Tode. Wie Kinder gern nach Schmetterlingen jagen. So nach Vergniigen Frau'n sich stets abplagen ; Erhaschen sie's, das Spielzeug sie vernichten. Entkommt's jedoch, ist schmerzlich das Verzichten. Im Alter dann sie Thorheiten sich weih'n. Die selbst der Jugend man nicht wiird' verzeih'n. Beschamt sonst, Liebesfreuden zu gestehn, Prahlt jetzt mit solchen man. die nicht geschehn. Enffl.-Amerik. Dichter. 11 — 1 62 — Wie mehr aus Wuth die Hexe Sabbath macht, So feiern sie die elend lust'ge Nacht. Der Geist der Schonheit schleicht noch um die Statten, Wo seine Ehre starb auf Lotterbetten. Sieh, was der Veteran hat zu erwarten : In Jugend wilde Lust, im Alter Karten; Schon ohne Zweck, schlau und doch ungereimt, Jung ohne Liebe, alt dann ohne Freund. Nur Wichte, Narren haben sie besessen, Verlacht im Leben, und im Tod vergessen. Die Eitlen lass verblenden falscher Glanz ; Dich. Freundin, locke ein viel schon'rer Kranz. Den Geist zum Schonen, Edlen zu erheben, Das Herz zu ruhren, dieses sei dein Streben ! Der Reiz wird bleiben. wenn, was lockt die Menge, Bald schal wird und verschwindet im Gedrange. So, wenn verbleicht der Sonne breiter Strahl, Giesst Licht der Mond mild iiber Berg und Thai, Jungfraulich rein, bescheiden zeigt er sich, Wenn unbemerkt der Feuerball entwich. Mit trefflichem Gemuth ist die begliickt, Das heut' erfreut und morgen noch entziickt, Die gern der Schwester Schonheit sieht, nicht grollt, Ob Seufzern, die man ihrer Tochter zollt. Die nie entgegnet, wenn der Mann erregt, Ein schnelles Wort gelassen auch ertragt, In Unterwerfung ihre Macht bezeugt, Und, wenn sie herrscht, die Herrschaft niemals zeigt. Die nicht um Stutzer sich, noch Gluckspiel kummert, Und das verschmaht, was auf der Strasse schimmert, Die Spleen nicht kennt noch Nerven und die nicht In Zorn geriith, selbst wenn Porz'lan zerbricht. Doch glaube mir, ob gut, ob bose sie, Ohn' Widerspriiche sind die Frauen nie. Der Himmel, wenn zu bessern er sich plagt, Sein letztes Werk, men sanftern Mann er macht; Nimmt rechts und links, den Gunstling zu beschenken, Die Lust an Freuden und die Lust am Denken, Mischt euren Hang zu Thorheiten sogar Mit unserm Thorenhass. ohn' Regel zwar. — t63 — Natur init Kunst, Freimuth mit Ziichtigkeit, Mit Milde Muth, Stolz mit Bescheidenheit, Grundsatz' mit Phantasie, stets wandelnd sich, Dies Alles einend, so erschuf er — dich. Dies sei des Weibes Ruhm, denn ohne ihn Lebt doch verachtet selbst 'ne Konigin, Phobus versprach's, (das Jahr vergass ich) da Dies blaue Augenpaar das Licht ersah. Die Stunde hat er sorglich iiberwacht, Urn was die Eltern baten, halb vollbracht; Denn Schonheit hat er reichlich dir bescheerr, Des Reichthums Qualen aber weis' verwehrt. Der edle Gott, der liiutert Gold und Geist> Und Schadel sowie Minen reifen heisst, Gab Herzoginnen Gold, dir nicht vonnothen, Dir gab er Geist, Gemiith und 'nen Poeten. Albrecht Deetz. $& Heloise an Abelard. (Bruchstiicke.) Woher, woher an diesem heiPgen Orte, Wo dumpfe Schwermuth finster grubelnd weilt. Wo nur zum Himmel sich Gedanken, Worte Aufschwingen, wo die tiefste Wunde heilt, Woher der Sturm in der Vestalin-Brust, Hier, wo erstarrt der Schmerz, wo stirbt die Lust? Wie, oder schweifen, trotzend alien Schranken, Hinaus von dannen, weithin die Gedanken? Wie, noch entbrennt mein Herz, noch wallt mein Blut? Hilf Gott, ich Hebe noch mit aller Gluth! Dein Name hat mich meinem Wahn entrissen, Ich seh' ihn hier und muss ihn bebend kiissen. O, nenn' ihn nicht, sprich' ihn nicht aus, o Mund, Den unheilvollen, ach, so theuern Laut! Dem stillen Herzen bleib' er anvertraut, Dort sei gebannt er auf den tiefsten Grund, Wo sich sein Bild mit Gottes Bild vereint. Schreib' ihn nicht nieder, Hand! Doch schon erscheint 11* — 164 — Geschrieben „Abelard". O. stromet nieder, Ihr Thranen, und verwischt die Ztige wieder! Doch Heloise weint umsonst und sorgt, Das Herz gebietet, und die Hand gehorcht. Ihr kalten Mauern, die ihr oft vernommen Der Seele Weinen, Seufzer tief beklommen. Ihr Felsenstufen, unterm Druck geschwunden Wankender Knie, die sich hinauf gewunden. Ihr dumpfen Zellen, wo bei Zwielichtscheine Die Dornenruthe schwankt, ihr heil'gen Schreine. Vor denen bleiche Jungfrau'n wachen, harmen. Ihr Heil'gen, deren Bilder weinen lernen, Zwar ward ich kalt und stumm, wie ihr, allein Noch ward ich nicht entmenschlicht ganz zu Stein ; Noch nicht gehor' ich ganz dem Himmel an ; Ein Theil ist ihm, ihm, dem geliebten Mann. Noch halt in Aufruhr die Natur mit Macht Das halbe Herz ; kein Beten, Fasten macht, Auch Thranen nicht, und war'n's Millionen Tropfen. Den eigensinn'gen Pulsschlag leiser klopfen. Du weisst. wie keusch, wie rein ich Dir genaht, Da Lieb'. verhullt in Freundschaft. vor mich trat, Zum Engel schuf dich meine Phantasie, Ein Ausfluss schienst du ew'ger Poe>ie: Dein Auge, ach ! so ernst und mild zumal, Schien suss verlockend, wie des Himmels Strahl. Arglos schaut' ich hinein und ward berauscht, Hat doch der Himmel. wenn du sangst, gelauscht. Von deinen Lippen hehr verkiindet, schien Mir ew'ge Wahrheit edler als vorhin. Wer kann den Eingang zu dem Herzen wehren, Wenn solchem Mund entstromen weise Lehren? Zu bald er lehrte, dass der Geist sei frei, Und dass die I^iebe keine Siinde sei. Und gern im Geist den Pfad zuriick ich rann : Nicht bleib' er Engel, den ich lieb' als Mann: Nicht locken mich die unbekannten Freuden Der Seligen. Nein, ich mag sie nicht beneiden Urn ihren Lohn. einst auch bestimmt fur mich, Nicht urn den Himmel. den ich liess fur dich. i6 5 - Wie gliicklich doch der frommen Nonnc Loos; Die Welt vergessend, lebet Gott sic bios! Ein ew'ger Sonnenschein ihr rein Gemuth; Treu ihr Gebet, beruhigt ihr Geblfit. Arbeit nnd Musse theilen ihren Tag, lUd siisser Schlummer folgt gehorsam nach. Kein Wunsch sie quiilt, Affekte sie nicht drucken, Und ihre Thranen selbst sie noch entziicken. Von heit'rer Stirne Gottes Gnade strahlt ; Ein Engel rliisternd siissen Traum ihr malt : Die Rosen Edens giaubt sie zu erblicken ; Des Himmels Wohlgeriiche sie erquicken. Sie sieht den Braut'gam, der hinauf ihr winkt, Ein Jungfraunchor den Brautgesang ihr singt. So schlaft sie ein, lost auf sich ohne Leid, Stirbt in Entziickung ew'ger Seligkeit. Ganz and're Traume mich im Schlaf beriicken, Unheil'ge Freuden, siindhaftes Entziicken. Wenn traurig sich der Tag zu Ende neigt, Und Phantasie im Schlat verjiingt mir zeigt, Was schnode Unthat, Theurer, dir entrissen, Dann fliegt, da ja unthatig das Gewissen, Die Seele mein, von alien Banden frei, Zu dir, zu dir und kennet keine Scheu. Verwiinschter, siisser Sehrecken solcher Nacht, Wo noch die Schuld die scharfe Lust entfacht, Und Teufel selbst forttraumen Hindernisse, Dass jede Liebesquelle in mir fliesse. Ich hor' dich, seh' dich, meine Arme drucken Fest an mein Herz dich, loderndes Entziicken. Ich wache auf, ich lausch', ich fasse zu — Ach, das Phantom ist grad' so kalt, wie du ! Ich rufe laut ; es hort nicht, was man ruft, Mein heisser Arm umschlinget kalte Luft. O susses Bild, o Traume kehret wieder ! Doch wen ! nicht mehr — mich dunkt, wir zogen beid ? Durch Wiisten hin, beweinend unser Leid, Wo um Ruinen kriechen Epheuranken, Und Felsen fiber graus'ge Tiefen schwanken. Da schwebst empor du, winkest mir noch mild, Doch eine Wolke raubt mir jah dein Bild, — 1 66 — Der See rollt laut, ein Sturmwind sich erhebt, Und rings das Felsenlabvrinth erbebt. Ich fahr' zusammen, weiss mich kaum zu fassen, Erwach' zu all' dem Leid, das kaum verlassen. Sieh ausgestreckt mich hier auf kaltem Stein. Nah manchem Grab, bei dust'rer Lampe Schein, Will's mir bediinken, dass im Windesrauschen Verwandte Geister Worte mit mir tauschen ; Und wahrend still verloschen will das Licht. Aus jenem Schrein es da auf einmal spricht : „Komm, Schwester, komm'! (dumpf klang das Geisterwort) Dein Platz ist hier! Komm, Schwester, komm' mit fort. Einst so wie du hab' ich geweint, geklagt, Der Liebe Opfer, jetzt 'ne heil'ge Magd. Hier nur ist Ruh, hier sterben alle Triebe, Hier seufzt nicht Kummer mehr, hier weint nicht Liebe. Selbst Aberglauben weckt nicht Furcht noch Scheu ; Denn Menschen nicht. — Gott spricht hier siindenfrei. u Ich komm', ich komm' ! Bereite mir die Hallen, Lass Blumen duften, Himmelspalmen wallen, Dort geh' ich hin, wo Sunder Ruh' erjagen, Leidlos in Seraph's Brust die Herzen schlagen. Du, Abelard, den letzten Dienst mir reiche, Den Pfad mir ebne zu dem Himmelsreiche. Sieh, wie mein Aug' umgiebt schon Todesnacht, Die Lippe bebt, ja bald ist es vollbracht. O. sauge meinen letzten Athemzug! Fang' meine Seele auf, bereit zum Flug ! Doch nein, steh' fern! in dusterm Monchsgewand, Die heil'ge Kerze zitternd in der Hand. Das Kreuz erhebe, wenn ich schau' nach dir, Lehr' mich zu sterben. lerne du's von mir. Dann magst du mich, die du geliebt. ansehn. Mich anzuschaun ist dann ja kein Vergehn. Sieh', von der Wang' die Rosen alle fliehn. Im starren Blick den letzten Strahl ergliihn. Bis stockt der Puis und Nacht mich ganz umgiebt, Und selbst nicht Abelard mehr wird geliebt. Ach ! uberzeugend kann der Tod nur lehren : Wir lieben Staub, wenn Menschen wir verehren. - .6 7 - Und wenn dereinst des Todes Allgewalt Sich wagt an deine herrliche Gestalt, (Die Ursache meiner Schuld, all' meiner Freuden) In himmlischer Verziickung magst du scheiden, Purpurne Wolken mogen niederschweben, Und Engel trostend, liebreich dich umgeben. Des Himmels Glorie auf dich niederscheine, Find' Liebe dort, so treu, so acht, wie meine! Ein Grab soil unsre Asche dann vereinen. Dein hoher Ruhm unsterblich liisst erscheinen Auch meine Lieb'. Wenn dann in spatern Tagen, Wenn dies rebell'sche Herz liingst ausgesehlagen, Zwei Liebende begliickt voriiberwallen An Paraklet's beriihmten Klosterhallen, Vor unserm Grab die Lippen sie dann schliessen, Die Thranen trinkend, die vor Mitleid fliessen. Und beide sagen sie zum Tod betriibt : O. liebten nie wir, so wie sie geliebt. Ja, wenn vom Chor Hosianna schallt mit Macht, Erhohend noch des graus'gen Opfers Pracht. Und auf den Stein dann fall! ein scheuer Blick, Der das verbirgt, was bleibt von uns zuruck, Wird Andacht selbst vom Himmel abgelenkt. Und eine Thrane quillt, die Gott nicht krankt. Albrecht Deetz. Zufriedenheit. Begliickt, wem in der Heimath Schoos Der Hain ergriint, der Himmel blaut. Wer friedlich, wunsch- und sorgenlos, Den Acker baut. Wen seine Heerde milchend nahrt, Wem Korn das Feld und Heu die Matten, Der Baum im Winter Gluth gewahrt. Im Sommer Schatten. Wem edelste Betrachtung spriesst Aus Blatt und Halm im stillen Hag: Wer rastlos th'atig. froh geniesst. Gesund bei Taj? — 1 68 — Mit siissem Schlaf gestarkt zur Nacht; Ein Wirken in beschriinkten Kreisen, Fern von der Stadte Flitterpracht, Wie's ziemt dem Weisen : So mocht' ich leben, ungekannt, So mocht' ich sterben, unbeklagt; Und dass kein Stein, wo Rast ich fand, Den Menschen sagt! Max StempeL Allan Ramsay. Schottischer Volks- und Dialektdichter, welcher der Zopfpoesie seiner Zeit entgegen aus dem Herzen des niedern Volkes wieder zu schopfen wusste und das Gefiihl und die Empfindung in ihre Rechte einsetzte. Er wurde so zum Vorlaufer Robert Burns' , dessen geniale Natur ihm freilich mangelte. Neben manchein frischen und ungekunstelten, aus einem naiven Herzen quillenden Lied hat er auch viel Hausbackenes , Spiessbiirgerliches und Triviales versilizirt. Sein Hauptwerk ist das reizende Idyll „The Gentle Shepherd" (1725), das noch heute nicht bei dem Volke in Vergessenheit gerathen ist. Er war zuerst Perrtickenmacher, spater Buchhandler, auch suchte er, wenn auch ohne Erfolg, das erste schottische Volkstheater zu begrunden. Er Avar geboren 16S6 und starb 1758, Liebeslied. Im Morgenlicht, im Abend wehn, Aus tiefster Seelentreue, Will deine Riickkehr ich erflehn Und Alles, was dich freue. Will wandern in den Birkenhain, Wo Lieb' du mir gestandest, Zu bergen rother W T angen Schein, Mit Armen mich umwandest. Die Oerter such' ich traut und froh, Am Springquell und im Walde, Und wo der Sommertag mir floh Mit dir, auf Bergeshalde. Dort sag' ich's Baum und Bliimelein, Wie zartlich treu ich blieben ; Dein Schwur ist mein, mein Herz ist dein In wandellosem Lieben. The Frapa?i. Edouard Young. 1 68 1 zu Upham bei Winchester geboren, war Hof- kaplan des Konigs und starb 1765. Sein Hauptwerk bilden die „Nachtgedanken", neun Biicher voll Klagen uber die Nichtigkeit des Irdischen und Betrachtungen iiber das, was Noth thut, als Ganzes ungeniessbar, weil jeder Handlung bar, in Einzelnheiten aber reich an Kraft, Bildern und Ge- danken, die leider endlos gedehnt erscheinen. Nicht unbe- deutend sind auch seine kleineren Gedichte und Satiren, dagegen sind seine Tragodien vielfach unnatiirlich und schwulstig; sie heissen „Busiris", „Die Rache", „Die Briider". Durch den innerlichen Ernst seiner Poesie und seiner Sprache gehort er zu den Erneuerern der englischen Dichtung. Vom Tode. (Aus den ,,Xachtgedanken u .) Warum denn Furcht vor'm Tod ! Wo ist er. wo ? Kaum da, ist er vorbei. — jetzt ist er fern. Jetzt schon entflogen, nimmer ist er hier. Schwand das Gefuhl bereits. lebt Hoffnung noch, Und nicht erleidet, es empfangt der Mensch, Der ahnungsschauernde, des Todes Streich. Grab, Grabscheit, Todtenglocke, Leichenhemd Und dunipf Gewolb' und Finsterniss und Wurm — Das sind Gespenster fur die Dammerzeit, Sind Schrecken uns, den Todten sind sie's nicht. Der Mensch, der Traume Narr. des Irrthums Knecht, Macht einen Tod, wie ihn Natur nicht kennt. Dann in das Schwert der eig'nen Phantasie Fallt er und statt des Einmal, das ihn schreckt. Fiihlt tausendmal er Tod. Doch war' es auch. War' Tod so herb, was scheut das Alter ihn! Ist's klug, bewillkommt es den lieben Feind Unci sucht in seinem Schatten gastlich Ruh. Die tausend Maler, welche steinern ruhn Auf Jfing'ren, als ich selbst, sic rufen all : Komm fort, komm fort! — Was aber halt mich hier? Schau' rings die Welt an, und dann sag' mir, was? Liess' ein vom Weib Gebor'ner einmal frei Den Geist durch's ganze, grenzenlose Feld Gerechten Unwillens schweifen, sah' er klar Dei* Dinge Eitelkeit, des Menschen Schmach. Schmach selbst am Besten. und die Masse schier Mit Schmach bedeckt, den wie ein Leopard Gefleckt, den mohrenschwarz, und sah' er dann. Wie lebensstark Gemeinheit, wie gehetzt Die Tugend, wie das Gute siech und krank, Zag wiirde dann sein Herz, war's noch so kuhn, Und nach dcr Zukunft schrie es Tag und Nacht. Doch mag dem Leben auch, wenn's gliicklich ist, Der Zufall kleine Freuden streu'n — es kommt, Es kommt die Zeit, da wie ein Marchen es. Das oft erzahlt, nicht fiirder Reiz gewahrt : Es sei denn Reiz, das Lustspiel zu glossir'n. Und sich der Rollen, die man gut gespielt, Froh zu erinnern, Bess'rung sich zu schwor'n Fur Fehler, die begangen und zuletzt Beifall zu h often und ein mild Gericht, Wenn einst die Seele von der Buhne tritt, Dem Gliicke Flittergold und eitlen Putz Zuriickwirft und die Larve Fleisch zerreisst. Fur mich. die Zeit ist da; die Welt ist todt. Die mich umgab, ein neu Geschlecht steht auf, Schauspieler, die mir fremd, in neuer Tracht. Schon drangen sie mich von der Scene fort Und zischen aus mein Spiel, o, dreist Geschlecht ! Wie wir uns anstarr'n alle. fremd und kalt, Mein Nachbar kennt nicht mich und ich nicht ihn . . . II. Mar:. *Wm James Thomson. Geboren 1700 in Schottland, gestorben 1748, hat mit Goldsmith und Gray die Palme der beschreibenden Dicht- kunst errungen, doch iibertrifft er an Glanz und Frische noch jene Beiden. Seine „Jahreszeiten" hatten einen ausser- ordentlichen Erfolg ; dass sie, gleich wie seine Dichtung „Das Schloss der Tragheit" trotz aller Einzelschonheiten heutzutage einformig wirken, ist erklarlich, weil es ihnen an der Hauptsache, menschlicher Handlung, fehlt. Rule Britannia. Als aus dem Wellenschooss empor Britannia einst der Himmel rief, War dies des Landes Freiheitsbrief, Schutzengel sangen dies im Chor : „Herrsch', Britannia! Das Meer, das Meer sei dein ! Sclave soil kein Brite sein!" Nationen, nicht wie du begliickt. Sind wechselnd Raub der Tyrannei, Indess du bliihest, gross und frei, Zu ihrem Schreck und Neid geschmiickt. Herrsch', Britannia ; Das Meer, das Meer sei dein ! Sclave soil kein Brite sein ! Erhab'ner nur wirst du erstehn, Furchtbarer nur nach fremdem Streich, So wie im Sturm fest steht die Eich', Indess die Wolken leicht verweh'n. Herrsch', Britannia ! Das Meer, das Meer sei dein ! Sclave soil kein Brite sein! Dich zwinge nie Tyrannenthum, Strebt, dich zu beugen, seine Wuth, Sie wecke nur die edle Gluth, Sich zum Verderben, dir zum Ruhm. Herrsch', Britannia ! Das Meer, das Meer sei dein ! Sclave soil kein Brite sein ! — i73 ~ Fur dich die Flur des Landmanns spri Im Handel bliiht der Stadte Pracht, Dein ist des Meeres stolze Macht, I'nd jeder Strand, den es umfliesst. Herrsch', Britannia! Das Meer, das Meer sei d Sclave soil kein Brite sein! Der Musen freier Liederschall Den hochbegliickten Strand verschont, Gliiekselig Land, mit Reiz gekront. Wo Tapferkeit der Schonheit Wall ! Herrsch', Britannia! Das Meer. das Meer sei dein! Sclave soil kein Brite sein ! JL. z\ Plonnies. Ein Sommermorgen. (Aus den Jahreszeiten.) Und bald erscheint. des Tages Nahn belauschend, Der Morgen sanften Augs, des Thaues Mutter; Erst glimmt er matt im buntbeflockten Osten, Bis er den Aether weithin iibergluht. Und vor dem Glanze seines Angesichts Die Wolken sich zerstreun. Mit raschem Schritt Entweicht die dunkle Nacht. Der junge Tag 1st da — und often liegt die weite Welt. Der feuchte Fels, des Berges Nebelzinne, Sie treten hell hervor im Morgenlicht Blau durch die Damm'rung. dampfend liegt der Strom. Hier aus dem Aehrenfelde hiipft so tolpisch Der scheue Hase, auf dem Waldplatz dort Spaziert der Hirsch und dreht den Mais und gafft Den Morgenwand'rer an. Musik Avird wach. Der unverstellten Freude Herzenslaut, Und voll ringsum ertonen Waldeshvmnen. Geweckt vom Hahn. verlasst der Hirt. rasch fertig, Sein Moosdach. wo der Friede mit ihm wohnt, Und treibt in Ordnung aus der vollen Hiirde. Das Morgengriin zu kosten, seine Heerde . . . Doch jubelnd dort im Osten kommt des Tages Erhab'ne Konigin. Die Wolken schwinden. Der Himmel gliiht und fliissioj Gold erleuchtet — i 74 — Ber Berge Spitzen, alles kiindet froh Ihr Nahen ! Sieh ! nun tritt sie voll hervor, Schaut durch den Farbenglanz von Thau und Luft Umher in grenzenloser Majestiit Und giesst des Tages Licht, das blinkend spiell, Auf Felsen, Hiigel, Thiirme, Stromeswellen Hellstrahlend aus. O Freudenquelle, Licht! Du erstes, bestes aller Sinnendinge, Der Gottheit Ausfluss, gliinzend Kleid der Schopfung! Wenn du sie nicht umwalltest, alles war' versenkt In wesenloses Dunkel ! Und du, Sonne, Umkreist von Welten, die du lenkst, des Schopfers Lebend'ger Widerschein, darf ich dich singen ? Thomas Gray. Geboren im Jahre 1716 zu London, gestorben 1761, ist Gray vor Allem als Elegiker ausgezeichnet ; seinem „Dorfkirchhof", den er 1749 nach dem Tode seines Freundes Richard West gedichtet und der vor Allem seinen Ruhm begriindete und erhalt, stehen seine iibrigen Dichtungen, wie ,,Der letzte Barde", „An den Friihling", ,,An die Musik" nur wenig nach. Elegie, geschrieben auf einem Dorfkirchhofe. Des Tages Scheiden kundet Glockenklang, Vom Weidplatz, brullend, zieht die Heerde sich, Der Landmann Avankt nachheim mit miidem Gang, Und Dunkelheit umfangt die Welt und mich. Nun weicht der Schimmer, den die Landschaft trug, Und schweigsam wird es in der Liifte Meer ; Nur noch der Kafer summt im tragen Flug, Der fernen Hiirde Klingeln tont noch her. Und traum'risch noch wird von der Eule dort Vom grunumrankten Thurm zum Mond geklagt. Dass Jemand, nahe ihrem Zunuchtsort, Ihr altes, einsam' Reich zu storen wagt. Dort, wo von Ulmen sich der Schatten senkt, Wo, modernd, Hugel sich an Hiigel reiht, Ruh'n Jedes in sein schmales Bett geengt, Des Dorfchens Ahnen fur die Ewigkeit. Des weihrauchduft'gen Morgens Windesweh'n, Der Schwalbe Zwitschern von der Hiitte Dach, Des Homes Klang, des Hahnes schrilles Krah'n : Nichts weckt sie mehr aus ihrem Schlafe wach. - i 7 6 - Fur sie loht nicht des Heerdes Flamme mehr, Des Abends sorgt kein treues Weib fur sie. Kein Kind lauscht freudig ihrer Wiederkehr Und klimmt urn Kiisse buhlend auf ihr Knie. Manch' Saat hat ihre Sichel umgefallt. Die harte Scholle brach gar oft ihr Pflug : Wie trieben ihr Gespann sie froh in's Feld ! Wie sank der Wald, wenn ihre Axt ihn schlug! Holm', Ehrsucht. nicht ihr nutzlich Muhen du, Ihr arm' Geschick, wie ihre Freuden schlicht ; Nicht lachle, Vornehmheit. in stolzer Ruh', Wenn man zu dir vom Loos der Armen spricht ! Der Wappen Prunk, des Reichthums Ueberfluss, Die Macht. wie auch der Schonheit Eigenthum Verschlingt die Stunde, die einst kommen muss! Den Weg des Grabes wandelt auch der Ruhm ! Nicht tad'le sie, o Stolz, wenn ihnen Rang Auf's Grab nicht Denkmal und Trophaen stellt, Wo sich in Griiften und im Kirchhofsgang Das Lied von Lob und Preis zum Chore schwellt. Ruft wohl die Urne den entfloh'nen Hauch In ihre Statte ? Ruft die Buste ihn? Weckt stummen Staub des Macht'gen Stimme auch? Dringt Schmeichelei zum Ohr des Todes hin ? Hier ruh'n vielleicht in manch' vergess'nem Grab Jetzt Herzen, die einst Himmelsgluth durchdrang, Und H'ande, die getaugt zum Herrscherstab. Wie zur Begeisterung durch Leierkiang. Doch ihnen hat das Buch der Wissenschaft Von seinem Reichthum nichts geoftenbart. Die kalte Noth hielt ihre Willenskraft Und ihrer Seele Schopfungsstrom erstarrt. Gar manchen Edelstein von Strahlenpracht In finst'rer Tiefe birgt der Ocean: Gar manche Blume bliiht wohl ohne Acht, Die in den Wind den Duft nur hauchen kann. Manch' schlichter Hampden, der einst widerstand Dem kleinen Zwingherrn seines Feld's mit Muth, Mag ruhen hier ; manch' Milton ungekannt. Manch' Cromwell, schuldlos an des Landes Blut ! 177 Sich des Senates Beifall zu erfreu'n, Zu trotzen droh'ndem Leid und Missgeschick, Dem Lande lachelnd Ueberfluss zu streu'n, Und sich zu spiegeln in des Volkes Blick : Verbot ihr Loos; dort schloss es nicht nur aus Vom Ruhm sie, sondern auch von Missethat; Verbot zum Thron zu zieh'n durch Schlachtengraus Und Menschenmilde abzuwehr'n den Pfad, Der innern Wahrheit scheinbar feind zu sein, Zu diimpfen das Errothen edler Scham, Und Glanz, wie Ueppigkeit zu full'n den Schrein Mit Weihrauch, der vom Herd der Muse kam ! Fern von der tollen Menge rohem Streit, Durch nichts beirrt in ihrem schlichten Drang, Behielten sie in stiller Einsamkeit Des Lebensweges gleichgemess'nen Gang. Vor Schimpf zu schiitzen selbst noch ihr Gebein Fleht manch' zerbrechlich stehend Grabkreuz hier, Mit plumpem Vers geziert und Schnitzerei'n, Um eines stillen Seufzers Zoll zu dir. Ihr Name nur und Alter deckt den Platz, Wo Inschrift sonst den Ruhm durch Nachruf ehrt, Und rings herum manch' frommer Bibelsatz, Der Bauerneinfalt leicht zu sterben lehrt. — Wer. wenn er der Verganglichkeit verfallt, Entsagen muss des Daseins Leid und Gluck : Wirft, scheidend aus dem froh'n Bereich der Welt, Nicht einen Blick der Sehnsucht noch zuruck? Ein sterbend Herz noch birgt der Treue Schwur, Von Mitleid heischt ein brechend Aug' Tribut ; Vom Grab selbst ruft die Stimme der Natur, In unsrer Asche noch glimmt ihre Gluth. Von dir, der hier der ruhmlos Todten denkt Und sie in diesen Zeilen schlicht beklagt, Wenn ein verwandter Geist, in sich versenkt, Durch Zufall einst nach deinem Schicksal fragt, Erziihlt vielleicht ein alter Hirt bewegt : „Wir sah'n ihn oft, wie er im Morgengrau'n Mit hast'gem Schritt vom Gras den Thau gefegt, Der Sonne Nah'n vom Hochland zu erschau'n. Engl. - Amerik. Dichter. 12 - i 7 S - An jener Buche Fuss, die unverdeckt Die aiten Wurzein wunderlich verspriesst, Fand ihn der Mittag sorglos hingestreckt, In's Bachlein lugend, das vortiberfliesst. Am Waldsaum dort ward seine Phantasie Oft laut : bald lachend, wie im Spott und bald Yerzweiflungsvoll und traurig, schien's, ob sie Dem Kummer hoffnungsloser Liebe gait. Doch eines Morgens nicht am Hugel fand Ich ihn, am Feld nicht und beim Lieblingsbaum ; Auch Morgens drauf nicht an des Bachleins Rand, Nicht auf den Hoh'n, noch an des Waldes Saum. Am dritten Morgen sah'n am Kirchhof wir, Wie man ihn trug, vom Trauerchor umringt. Tritt her und lese (da du's kannst), was hier Am Grabstein steht, um den ein Dorn sich schlingt:" Die Grabschrift. Hier barg im Erdenschooss sein Haupt zur Ruh Ein Jungling, nicht von Gliick und Ruhm gekannt ; Die Musen nickten seiner Wiege zu, Und Schwermuth hat ihr Eigen ihn genannt. Sein Herz war gut und rein sein bied'rer Sinn, Der Himmel brachte ihm dies reichlich ein : Er gab zum Elend ihm die — Thrane hin Und einen Freund (sein einz'ger Wunsch im Sein) ! Such' zu enthiillen nicht am Grab sein Thun, Verdienst und Schwache : lege sie nicht bios, Da sie mit gleichem Zittern fleh'n, zu ruh'n In seines Vaters, seines Gottes Schooss! Z. V. Fischer. ^k Tobias Smollet. Hervorragender Roman - Schriftsteller, ein geborener Schotte, Verfasser des ^Roderick Random", ^Peregrine Pickle", ^Humphrey Clinker" u. A. Seine drastische Komik und sein grotesker Humor schrecken vor keinem Cynismus und N'aturalismus zuriick ; er ist derb bis auf's Aeusserste. Doch auch die pathetische Tragik gelingt ihm vollkommen. Als lvrischer Dichter nimmt er keinen besonderen Rang ein, aber das folgende Gedicht, der ungekiinstelte Zornruf eines mannlichen, gliihenden Geistes, verdient noch immer gelesen zu werden. Es bezieht sich auf die grausame Ver- wiistung Schottland's durch den Lord Cumberland, der nach der Unterdriickung des Autstandes der Schotten unter Karl Eduard Stuart 1746 in den aufriihrerischen Bezirken wie ein Schlachter und Mordbrenner hauste. Als Smollet nach Vollendung der sechs ersten Strophen des Gedichtes dieselben seinen Freunden vorlas, riethen diese ihm von der Veroffentlichung ab, um sich nicht mit der englischen Re- gierung zu entzweien. Als Antwort darauf schrieb der Dichter die siebente Strophe, die kraftigste und zornigste von alien. Er lebte von 1720 — C771 . Schottland's Thranen. Traur\ armes Kaledonierland, Dein Frieden ward, dein Ruhm verbannt, Erschlagen deine Sohne liegen, Einst hochberiihmt ob ihren Siegen. Nicht laden deine Dacher mehr Den Fremden gastlich zu sich her, Denn Asche sind sie weit und breit, Ein Monument der Grausamkeit. 12* — i8o — Der arme Landmann sieht sein Gut Vernichtet durch der Feinde Wuth, Und wenn an Weib und Kind er denkt, Zum Fluch ihn die Verzweiflung drangt. Der Hirt verhungert auf den Hoh'n, Wo upp'ge Heerden sonst zu sehn; Umsonst kreischt die bedriingte Maid, Umsonst das Kind nach Nahrung schreit. Was hilft's, dass durch die Welt so weit, Durch's weite Wiistenmeer der Zeit Dein Kriegesruhm mit Lob bekranzt Mit ungeschwachten Strahlen glanzt? Dein kiihner Geist ist nun gezwangt, Dein Nacken von dem Joch bedrangt, Was fremden Waffen nie erlag, Die Wuth des Burgerkrieges brach. Nicht frohe Kinder, nicht SchallmePn Begrussen mehr des Tages Schein. Nicht wird in frohem Kreis verbracht Hinfort die traurige Winternacht. Nur Trauerlieder sind zu horen, Nur Klageton' die Ruhe storen, Und nachtlich iiber stille Matten Flieh'n der Erschlag'nen schwarze Schatten. Furchtbarer Kampf! O traur'ger Tag! Fluch ruft noch spate Zeit dir nach. Des Sohnes Arm dem Vater droht, Der Vater sucht des Sohnes Tod. Nicht, als die Wuth der Schlacht geruht, Gesattigt war des Sieges Wuth. Hilflos und Nackte ohne Wahl Trifft Feuersgluth und Morderstahl. Die Mutter schweift umher auf Haiden, Schutzlos, verdammt den Tod zu leiden. Der Wind fahrt ihr durch Mark und Bein, Nach Brod die armen Kleinen schrei'n. Und ohne Nahrung, Schutz und Gatten Sieht sinken sie die nacht'gen Schatten; Beweinend ihrer Kleinen Noth Ringt sie am Boden, bis sie todt. — iSi — So lang' Blut durch die Adern treibt Und ungeschwaeht Erinn'rung bleibt, Soil Rach' ob meines Landes Plagen In meinem Kindesherzen schlagen. Und trotz der Feinde wildem Driiu'n Soil immer sich mein Lied erneu'n: Traur', armes Kaledonierland, Dein Frieden ward, dein Ruhm verbannt. E. Fiedler. -* Oliver Goldsmith. Der Dichter des noch immer anmuthenden Prosawerks „Der Vikar von Wakefield", ist zugleich der Verfasser einer der besten Schilderungspoesien : „Das verlassene Dorf." Goldsmith stammte aus Pallors in der irischen Grafschaft Langford und lebte von 1728 bis 1774. Das verlassene Dorf. (Bruchstuck.) Mein Aubrunn, lieblichstes der Dorfchen auf der Flur! Du, dessen emsigen Bewohnern die Natur Gesundheit, frohen Muth und reiche Nahrung schenkte; Und ihr, auf die zuerst der Lenz sich lachelnd senkte, Von denen spater stets des Sommers Anmuth wich, Ihr holden Lauben! ihr, in deren Schoosse mich Der Unschuld siisse Ruh in leichte Traume wiegte, Als sich an jedem Tand des Knabens Sinn vergniigte: Wie oft streift' ich umher und sah mit trunk'nem Blick, Der Gegend Reiz, erhoht durch Fleiss und stilles Gliick! Wie oft hemmt' ich den Schritt und nahm zum Augenziele, Das grunumhegte Dorf, die raschgeschaft'ge Miihle, Des Pachters Weizenfeld, den Bach, der niemals schwieg, Die Kirche, deren Thurm die Hiigel iiberstieg. Den kahlgetret'nen Steig, der sich waldeinwarts lenkte, Den Brunnen, wo der Hirt' die Heerd' am Abend trankte; Der Schleedornbusch, die Bank, die dort im Schatten stand, Wo Alter schwatzend sass, und Liebe Hand in Hand. — Wie oft begriisst' ich hier den Tag in fruh'ster Kuhle, An dem, der Arbeit Joch mit Zeitvertreib und Spiele Vertauschend, Jung und Alt hinaus ins Freie zog, Zum Baum, der weit umher die Aeste wolbend bog. Hier sah der Greis mit Lust die starke Jugend ringen, Der Wettlauf wechselte mit kuhnen Gaukelsprungen, Und ehe noch ein Spiel der Neuheit Reiz verlor, Trat auf den Schauplatz schnell ein anderes hervor : - 1 83 - Ein tanzend Paar erschien, dem Ruhm's genug es deuchte, Bei Athem noch zu sein, wenn jedes andre keuchte ; Ein Hirt, mit Russ geschwarzt, sah argwohnlos sich um, Dann lachendes Gekreisch lief rings im Kreis herum; Dort stahl ein Lacheln sich von schamgefarbten Wangen, Und ward vom Spaherblick der Mutter aufgefangen. — Dies, Dorfchen, war dein Reiz; so ward bei Tanz und Spiel Vergessen Sorg' und Muh', und aller Wiinsche Ziel Erreicht in sussem Rausch der arbeitsfreien Stunden ; Dies, Dorfchen, w r ar dein Reiz; — doch ach, er ist ver- schwunden. Mein Aubrunn, holdes Dorf, du Liebling der Natur ! Verwelkt ist all dein Schmuck, verodet deine Flur; Nun wird dein Feld nicht mehr mit reichen Saaten griinen; Denn Freiheit ist verbannt. und Tyrannei erschienen. Ein Herr ist's, der allein dein ganz Gebiet umspannt, Schon liegt unangebaut dein halbes Ackerland, Nicht mehr wird auf dem Bach das Bild der Sonne schwimmen, Durch hemmendes Gestrauch muss er sich muhsam krummen ; Einsiedlerisch erbaut sein Nest in deinem Wald Der menschenscheue Kauz, Gekrachz der Raben schallt In deinem Lusthain jetzt aus oden Gangen wieder, Die Lauben sind zerstort, die Hiittchen sanken nieder, Und langes Gras bew^achst verfall'ner Mauern Rand ; All deine Kinder floh'n verscheucht von Rauber's Hand; Die Zitternden — sie zwang die Geissel des Tyrannen Aus ihrem Heimatsitz sich selber zu verbannen! Weh einem Staate, dem nur Reichthum Starke dunkt, Der an Vermogen steigt und an Bevolkerung sinkt ; Erloscht ein Fiirstenhaus im letzten seiner Glieder, Ein Hauch erschuf es einst, ein Hauch erschafft es wieder; Allein zerstort ein Volk von Bauern stark und kiihn, — Bald fiihlt ihr den Verlust, und nie ersetzt ihr ihn. Es war einst eine Zeit, o, dass sie wiederkehrte! Wo eine Hufe Grund schon ihren Eigner nahrte ; Nur leichte Arbeit wars, durch die der Ackersmann Der Nothdurft Maass, nicht mehr noch weniger gewann; Ihm wiirzte Frohsinn und Gesundheit jeden Bissen, Sein grosster Reichthum war, — von Reichthum nichts zu wissen. Die Zeiten sind nicht mehr! Der Handel strebt empor; Sein fiihllos Heer verdrangt der Hirten muntern Chor ; — 184 — Wo Hiitt' an Hiitte sonst sich reihte, langs der Weiden, Da wohnet Reichthum nun in hohen Prunkgebauden, Und jeder Mangel, der dem Ueberfluss entspriessl, Und jede Qual, mit der ein Thor den Hochmuth biisst. - Die frohen Stunden, die in holder Bliithe prangten, Die sanften Neigungen, die wenig Raum verlangten, Die Spiele, die den Leib gesund. die Seele froh Erhielten, all dies Gliick, ail dieser Reiz entfloh ; Des Dorfes Munterkeit und Sitteneinfalt wichen, Und suchten Wohnungen in fernen Himmelstrichen! Die ihr aus edlem Trieb des Staates Wohl zu grtinden, Nach Wahrheit forscht, ihr seht, des Armen Freuden schwinden, Je mehr der iippige Genuss des Reichen steigt ! — Wohlan, bestimmet selbst das rechte Maass und zeigt, Wie weit der Abstand sei von einem reichen Lande Zu einem gliicklichen. Zwar, Thorheit griisst am Strande Mit jauchzendem Geschrei das Schiff, so reich beschwert Mit Schatzen, dass sogar der Geiz nicht mehr begehrt. Ein Heer von Reichen kehrt zum Vaterlande wieder, Und legt in seinem Schooss die gold'ne Beute nieder ; — Welch ein Gewinn fur uns! — Gewinn ? — ein Name bios Sind diese Schatze; nichts von allem, was der Schooss Der Erde Nutzliches erzeuget. wird vermehret, Des Goldes Ueberfluss, der uns verschwenden lehret, Verlust ist er fur uns. Ein Reicher nimmt allein Den Umfang eines Dorfes voll rust'ger Bauern ein ; Raum braucht er. seinen Park zu grossen Landschaftscenen Mit Bergen, Thalern, Seen und Tempeln auszudehnen ; Der Ernte halben Theil entbehrt das nahe Land, Dafur umrauschet ihn ein seid'nes Prachtgewand ; Sein stolzes Marmorhaus, in dem mit tragem Schritte Die lange W T eile schleicht, verdrangt die Schaferhiitte. Rings um den Erdball fliegt zum Tausch fur fremden Tand, Was unser Boden trug, was unser Fleiss erfand, Und prachtig ausgeschmuckt, Bewund'rung zu erregen, Eilt das entnervte Land dem Untergang entgegen. So zeigt die Schone sich, so lang' in frischer Pracht Noch ihre Reize bliihn, in einfach netter Tracht ; Sie pruft nicht, welch' Gewand sie vortheilhafter schmiicke, Zieht nie die Kunst zu Rath, und siegt durch ihre Blicke, «8 S Erst wenn die Reize fliehn, — denn Reiz ist wandelbar! — Wenn Alter sie beschleicht und der Verehrer Schaar Sich mindert, erst alsdann verbirgt sie ihren Morgen Am Putztisch, von der Kunst ohnmacht'gen Glanz zu borgen. So bluht ein Land, eh' es die Ueppigkeit beriickt, Mit anspruchlosem Reiz von der Natur geschmiickt ; Doch nahet sich sein Fall, dann sucht es die Geschmeide Der Kunst und hauft den Pomp der Garten und Gebiiude. Das Landvolk, dem sein Feld nicht mehr die Nothdurft gab Entweicht; die Landschaft bluht, — ein Garten und ein Grab. Wo soil der Arme jetzt sich eine Hiitte bauen ? Verdrangt hat ihn der Stolz von seines Dorfes Auen, Die Weide, die zur Hut der Heerde offen stand, Wo sie statt fetten Klee nur diirre Graser fand, Auch diese mag're Trift entreissen ihm die Sonne Des Reichthums! — Nimmt die Stadt ihn auf, welch' eine Scene Harrt seiner dort ! Zu sehn den iippigsten Genuss Verbreitet rings umher, indess er darben muss ; Zu sehn die schnode Kunst, die durch gemischte Gifte Des Schwelgers Gaum en reizt, erfinderisch, die Griifte Zu fiillen ; hier den Mann des Gliicks im gold'nen Saal, Der Freuden sich erschafft aus seiner Bucher Qual ; Und dort den Handwerksmann, der siechend, fruh veraltet Von ungesunder Miih', zum Kruppel umgestaltet, Bei angestrengtem Fleiss, die Nothdurft oft entbehrt, Zu sehn, wie dort der Stolz im Pomp voriiberfahrt, Hoch thronend wie ein Gott, von reicher Pracht umfunkelt, Indess das Hochgericht die Gasse dort verdunkelt. Doch sieh ! die Freude wallt mit Hoheit und mit Pracht, Zu dem erleuchteten Palast um Mitternacht ! Ein buntgemischter Schwarm erfullt die Reih' von Zimmern, Der Wagen Donner rollt, und tausend Kerzen schimmern. Gewiss darf solch' ein Fest nichts Widriges entweihn ! Hier herrscht die Freude, ja, hier herrscht sie allgemein ! — O, traue nicht dem Schein. der schmeichelnd dich betriiget! Komm, wende deinen Blick! Sieh, dort am Boden lieget Ein weibliches Geschopf, das, herberglos, die Nacht, Von Hunger und von Frost gepeinigt. hier durchwacht. — Die Gute weinte sonst bei nur erzahlten Leiden Der Unschuld ; aufgebliiht im Schoosse stiller Freuden — j 86 — Des Dorfes glanzte sie, in ihrer Schwestern Chor, Wie unter Wiesenklee die Lilie hervor. Jetzt stohnt sie arm und bloss, kein Freund erbarmt sich ihrer, Kalt spottet ihres Grams ihr schandlicher Verfuhrer ; Zu spat beweint sie nun, zu spat den Augenblick, Wo sich am gold'nen Traum von schimmerreichem Gluck, Das ihr die Stadt verhiess, ihr eitles Herz berauschte, Und sie mit seid'nem Putz ihr woll'nes Kleid vertauschte. Mein Aubrunn, holdes Dorf ! sprich, theilt, entfernt von dir, Dein Volkchen, jung und schon, die gleiche Noth mit ihr? Ach ! muss es, hungernd, jetzt von Thur zu Thiire gehen, Um einen Bissen Brod den Stiidter anzuflehen ? — Nein, nein, fern athmen sie die diinsteschwang're Luft Des heissen Himmelsstrichs ; die ungeheure Kluft Des Weltmeers scheidet sie von ihrer Heimathkuste ; Ihr miider Fuss durchirrt die grenzenlose Wiiste, In der, Gespenstern gleich, ein Heer von Schrecken haust, Und der Altama wild in ihre Klagen braust. O, jammervoller Tausch ! Fiir jene Lustgefilde Dies unwirthbare Land ! Fiir ihres Himmels Milde Den Brand des Sonnenstrahls, der senkrecht auf das Haupt Des Wand'rers niederschiesst und Kraft und Athem raubt. Fiir jenes heit're Grim der saatenreichen Felder, Die bange Dunkelheit der wildverwachs'nen Walder, Wo nie ein Vogel sang, wo nur, in Schlaf versenkt, Der Fledermiiuse Schwann sich an die Aeste hangt; Wo Tod die Pflanze haucht, und Giftgewachse prangen, Und Scorpione drohn, und ungeheure Schlangen ; Wo, lauernd, im Gebiisch der Tiger sich verbirgt, Der Wilde, grimmiger als er, den Fremdling wiirgt, Und plotzlich der Orcan, mit rasendem Getiimmel, Die Riesenfliigel schwingt, zerreissend Land und Himmel. — Wie anders gegen hier war dorten die Natur ! Der Himmel rein und mild, gefahrlos Wald und Flur ; Da wolbten Lauben' sich aus bluthenvollen Hecken, Nichts, als den siissen Raub der Liebe zu verstecken. — Gott ! welch ein diist'rer Tag, getriibt von Angst und Qua], Der dies verbannte Volk dem vaterlichen Thai Entriss! da scharfte noch ihr Wehgefuhl beim Scheiden Das Bild entfloh'ner -Lust, die Ahndung kiinft'ger Leiden i8 7 - Da hing ihr nasser Blick an dem bemoosten Dach Der Hutten, da erstarb in einem langen Ach Das letzte Lebewohl; da wiinschten sie, wie sehnlich ! Jenseits dem Ocean Gefilde, diesem ahnlich Zu finden ; schaudernd stets sah'n sie hinaus auf's Meer, Und gingen weinend hin und kamen weinend her ! Ein bied'rer Greis begann dem Zug voranzuwandern ; Ihm gab die Tugend Muth und Starke ; nur der andern Bedrangniss presste ihm des Mitleids Thranen aus ; Ihm lag das bess're Land dort iiber's Grab hinaus. Die seinem Alter sich zur treusten Pflege weihte, Die holde Tochter, ging, sanftweinend, ihm zur Seite . Sie eilte, des Triumphs der Tugend sich bewusst, Aus ihres Liebsten Arm an ihres Vaters Brust. Die Mutter folgte, laut ihr Loos bejammernd, Beiden, Und segnete das Haus, den Wohnsitz ihrer Freuden, Und kusst' und druckte oft ans Herz das jiingste Paar Der Kinder, das im Schmerz ihr zwiefach theuer war; Indess ihr Gatte — Wiird' und Gram in seinen Blicken, — Gesch'aftig war, mit Trost die Arme zu erquicken. Trugvolle Ueppigkeit, vom Himmel selbst verflucht! Weh dem, der Freud' und Gluck bei dir, Sirene, sucht ! Du reichst den Taumelkelch, die Menschen zu bethoren, Lehrst sie, von blindem Wahn berauscht, sich selbst zerstoren ; Durch dich schwillt mancher Staat zur siechen Gross' empor, Ersetzt durch Umfang sich, was er an Kraft verlor; Doch todtlich schleicht das Gift durch die erstorb'nen Glieder, Das Ganze lost sich auf und sturzt in Trummern nieder. S. G. Burde. "^k William Cowper. Einer der bahnbrechenden Geister der englischen Litteratur und Vorlaufer Robert Burns'. Von der kalten Verstandes - und Witzespoesie wendet er sich wieder zur Natur zuriick, wenn auch diese seine Natur „geknickt und gebrochen ist". „Tiefe Herzenstraurigkeit, gesteigert und durchgliiht von methodistischer Strenge und Frommigkeit ist seine Muse, . . . die triiben Nebel erdriicken uns, es fehlt der suhnende Lichtstrahl." Geboren wurde er am 26. November 1731 zu Hertfordshire und war schon in seiner Jugend ausserordentlich menschenscheu und schwer- muthig. Mehrere Male machte er einen Selbstmordversuch und veriiel ebenso verschiedene Male in Geistesverwirrung. Die schonsten Bliithen trieb seine Poesie, die komische Ballade „ John Gilpin" (1784) und das ausgezeichnete Lehr- gedicht „The task" (1785), als der Umgang mit der geist- reichen Lady Hauston befreiend auf ihn einwirkte. 1796 erkrankte er von Neuem so schwer. dass sich sein Geist nicht wieder erholte und so starb er in volliger Geistes- umnachtung am 27. April 1800. Seine Gedichte erschienen, 4 Bande stark, London 181 5, eine andere Ausgabe besorgte Southey, des Dichters Briefwechsel gab Johnson heraus und seine Biographie schrieb Taylor. An Marie. Nun sind* es zwanzig Jahre schon, Seit uns'rem Himmel Wolken droh'n ; O. ware dies das letzte schon, Marie ! O Gott, du bist so krank, so schwach, Ich sen' dich matter jeden Tag; Mein Harmen war es, das dich brach, Marie ! — 189 — Die Nadeln, einst so blank und rein, Rastlos bewegt, mich zu erfreun, Sie rosten glanzlos nun im Schrein, Marie ! O, freudig noch dieselbe Pflicht Vollzogst du, Lacheln im Gesicht; Doch triib ist deiner Augen Licht, Marie ! Gleichviel! du gingst mir treu zur Hand Und deiner Faden magisch Band Hat mir das Herze fest umspannt, Marie ! Leis' jetzt und lallend ist dein Wort; Doch, wie ein ruhrender Accord, Entziickt sein Ton mich fort und fort, Marie ! Deine Silberhaar', einst dunkelbraun, Ich mag sie gern und lieber schaun, Als gold'nen Strahl des Morgens, traun, Marie ! Denn sah' ich weder sie noch dich, Welch' and're Schau erfreute mich ? Umsonst erhob' die Sonne sich, Marie ! Auch deine Hand ist nun erschlafft ; Doch liegend in der meinen Haft, Zu sanftem Druck noch hat sie Kraft, Marie ! Zu schwach, einher zu gehn allein, Wirst du durch's Haus gefuhrt von Zwei'n, Doch ohne Lieb' kannst du nicht sein, Marie ! Und lieben trotz des Unglucks Draun, Und alt sein, ohne kalt zu sein, Das ist bei mir noch lieblich sein, Marie ! — 1 90 — Doch, ach, wenn das mich auch erfreut : Ich weiss, dass meine Traurigkeit Dein L'acheln oft verkehrt in Leid, Marie ! Und wenn das Leben mich verletzt : Mehr noch hinfort, als einst und jetzt, Dann bricht dein miides Herz zuletzt, Marie ! Ferd. Freiligrath. James Macpherson. Die Lieder Ossians, welche er zuerst 1760 veroffent- lichte, haben einen gewaltigen Einfluss auf die Entwicklung der europaischen Litteratur ausgeiibt. Er gab sie als Dich- tungen eines alten galischen Sangers, des Ossians (Sohnes des Konigs Fingal von Morven) heraus, doch riihren sie von ihm selbst her und lehnen sich nur in den Motiven an alte Volkslieder der Schotten und irische Sagen an. In vielen Einzelheiten, besonders in den Naturschilderungen, von bezwingerider, echt realistischer Schonheit, sind sie als Ganzes einformig, verschwommen und iiberfullt mit theils siisslichen, theils bombastischen Scenen. Macpherson war Schotte, er starb 1796, und seine Geburt fallt in das Jahr 1737. Vinvela und Shilrik. V in vela. Des Hugels Soh'n ist mein Geliebter, Verfolgt im schnellen Lauf das Reh ; Zur Seit' ihm schnauben seine Hunde, Des Bogens Sehn' ertont im Wind. Ruhst du am kuhlen Quell des Felsens, Ruhst beim Gerausch des Bergstroms du ? Hoch iiberm Hiigel fliegt der Nebel, Die Binsen nicken in dem Wind. Ganz unbemerkt will ich ihm nahen. Will ihn am Felsen liegen seh'n. Zuerst sah ich dich, mein Geliebter, Bei Branno's altem Eichenstamm, Der Schonste unter deinen Freunden, Kamst schlank du von der Jagd zurCick. Shilrik. Welch' eine holde Stimme tonet, Sie gleicht der lauen Sommerluft ! — 192 — Ich sehe nicht die Binsen nicken, Ich hore nicht den Felsenquell ! O Vinvela, ich ziehe feme In meines Konigs Fingal Krieg. Nicht mehr erwarten mich die Hunde, Und diesen Hiigel meid' ich nun; Ich seh' dich nicht mehr von der Hohe Am Strom der Eb'ne lieblich gehn, Schon wie des Himmels lichter Bogen, Wie Mondstrahl, der im Westen glanzt. Vinvela. Bist du, o Shilrik, fortgezogen, Dann bin am Hiigel ich allein ! Das Wild bleibt ruhig auf dem Gipfel, Grast ohne Furcht am Felsenhang. Nicht schreckt es mehr des Baumes Rauschen, Nicht mehr des Windes lautes Weh'n ; Der Jager ist ja fortgezogen, Weit auf das Feld der Graber hin. O, schonet, fremde Wogensohne, O, schonet den Geliebten mir ! Shilrik. Und sterb' ich in dem Schlachtgefilde, O, dann erhebe mir ein Grab Von grauen Steinen und von Erde, Das mich bezeichne kiinft'ger Zeit. Wenn dann der Jager sitzt am Hiigel Und zieht sein Mittagsmahl hervor, Dann sagt er wohl : Hier ruht ein Krieger — Und leben wird mein Ruhm durch ihn. O Vinvela, gedenke meiner, Wenn tief ich run' im Erdenschooss ! Vinvela. Gedenken, Shilrik, will ich deiner! Ach, fallen wird mein Shilrik nun. Was soil ich thun, mein Heissgeliebter, Wenn du auf immer von mir gehst ? Ich wandle dann durch diese Hiigel Und durch der Haide Einsamkeit ; — *93 — Ich suche dort dein Ruhepliitzchen, Wenn von der Jagd du kommst zuriick. O weh! mein Shilrik wird nun fallen, Doch ich vergesse Shilrik's nicht. L. G. Fbrster. Fingal. Wie hundert Winde, die durch Morven sausen, Wie Stiirme, die von hundert Hiigeln kommen, Wie Wolken, die am Himmel eilig ziehn, Und wie das dunkle Meer, wenn es die Ufer Der Wiiste mit der schwarzen Fluth umbraust, So rauschend laut und schrecklich trafen sich Die Heere dort auf Lena's wilder Haide. Des Volkes Jammern tonte auf den Hiigeln — Es war dem niichtlichen Gewitter gleich, Wenn seine Wolken iiber Kona wiithen, Und tausend schreckenvolle Geister dann Mit einem Mai im wilden Sturmwind heulen. In seiner Starke brauste Fingal her, So schrecklich, wie des hohen Tremnor Geist, Wenn er im Wirbelwind nach Morven kommt, Urn seines Stolzes Kinder dort zu schauen. Die Eichen wiederhallten auf den Bergen, Die hohen Felsen sturzten vor ihm nieder. Nur halb gesehen, wie der Blitz bei Nacht, So schritt er auf den Hiigeln langsam hin ; Mit Blut bedeckt war meines Vaters Hand, Wenn er den Schimmer seines Schwerts erregte. Der Schlachten seiner Jugend dachte er, Verwiistet war um ihn herum das Feld. Voran schritt Ryno, eine Feuersaule, Und diister war die Stirn des wackern Gaul. Mit Windeseile stiirzte Fergus vor Und Fillom glich des Hiigels Nebelwolke. Auch Ossian wie ein Felsen kam herab ; Ich freute mich der Starke meines Konigs, Und viele Todeswunden schlug mein Arm, Denn schrecklich war der Glanz von meinem Schwert. Engl. - Amerik. Dichter. 13 — 194 — Ach, damals war mein Haupt noch nicht so grau, Es zitterte nicht meine Hand vor Alter, Es schloss nicht Finsterniss das Auge mir, Und nicht im Laufe strauchelte mein Fuss! Wer mag sie zahlen wohl des Volkes Todte? Wer kann die Helden zahlen, die da fielen, Als Fingal wild in seinem Zorn ergliihend Die Sonne Lochling's seinem Schwerte weihte. Von Hiigel hin zu Hiigel schallte Stohnen, Bis sich die Nacht verhullend niedersenkte. Von bleicher Furcht erstarrt, so wie die Heerde Des Wildes, sammelten die Sonne Lochlin's Sich dort auf Lena's grauenvoller Haide ; Wir aber sassen an dem Strome Lubar's, Des lieblichen, den frohen Harfen lauschend. L. G. Forster. An den Mond. Schon bist du, o Kind des Himmels, Lieblich ist dein schweigend Antlitz. Hold kommst du hervor, die Sterne Folgen deiner blauen Bahn Hin nach Osten, und die Wolken Freu'n sich deiner Gegenwart. Mond, dein Lichtglanz ubersaumt Silbern ihre dunklen Rander. Wer am Himmel ist dir gleich, Du, o schweigend Licht der Nacht ! Schamerfiillt in deiner Nahe Ist der Sterne zahllos Heer, Alle wenden sie hinweg Ihrer Augen helles Funkeln. Wohin aber gehst du dann, Wenn auf deinem Angesicht Sich die Dunkelheit verbreitet ? Hast du eine stille Halle So wie Ossian, wohnest du In des Kummers tiefem Schatten ? Fielen von des Himmels Hohn Nieder deine schonen Schwestern, *95 Sind sie nicht mehr, die mit dir Sich in stiller Nacht erfreuten ? Ja, du schones holdes Licht, Ja, die Schwestern sind gefallen Und du trauerst oft urn sie. Doch du selbst wirst auch einst fallen Und den blauen Pfad verlassen, Den am Himmel jetzt du wandelst. Und die Sterne werden dann Hoch empor die Haupter heben, Die, die deine Gegenwart Sonst beschamte, werden jubeln. Jetzt bist du von Glanz umflossen, Also bljcke aus den Pforten Deines Himmels auf mich nieder. Spalte Wind, die finst're Wolke, Dass das Kind der stillen Nacht Mag aus seiner Hohe schauen, Dass die waldigen Berge glanzen Und der Ocean im hellen Lichte seiner Wogen rolle. L. G. Forster. 3^ Darthula's Grabesgesang. Madchen von Kola, du schlafst! Um dich schweigen die blauen Strome Selma's; Sie trauern um dich, den letzten Zweig Von Thrutil's*) Stamm. Wann erstehst du wieder in deiner Schone ? Schonstes der Madchen in Erin, Du schlafst im Gr.abe langen Schlaf, Dein Morgenroth ist feme. Nimmer, o nimmer kommt mehr die Sonne Weekend an deine Ruhstatte : „Wach auf! Wach auf, Darthula ! *) Kola, Darthula's Vater, Thrutil ihr Ahnherr ; Selma, festes Schloss in Alster. 13* — 196 — Fruhling ist draussen. Die Liifte sauseln. Auf grunen Hiigeln, holdseliges Madchen, Weben die Blumen ! Im Hain wallt spriessendes Laub." Auf immer, auf immer, so weiche denn, Sonne, Dem Madchen von Kola, sie schlaft. Nie ersteht sie wieder in ihrer Schone, Nie siehst du sie lieblich wandeln mehr. Herder. Peter Pindar. Pseudonym fur John Wolcott. Ein witziger und an- muthiger Dichter, der auch eine Reihe von Satiren schrieb, die allerdings fur uns nur noch wenig Interesse bieten und dazu von allerhand Cochonnerien und Schliipfrigkeiten durchsetzt sind. „In den vielen, trefflichen lyrischen Stricken , welche sich zwischen den satirischen Compo- sitionen Wolcott's zerstreut finden, erkennt man kaum den- selben Autor wieder, so zart, duftig und elegant sind die- selben." Geboren ward er 1738 in Devonshire, studirte Medizin, lebte langere Zeit in Jamaica und kam dann nach England zuriick. Er starb 1S19. Sein bekanntestes Werk ist „The Lousiad". An einen Kuss. O, Kind der Liebe ! Hochgenuss ! O, sage mir, du siisser Kuss, Warum so eilig du entfliehst Dem Augenblick, der dich geniesst? Doch geh ! was seufz' ich ? da entziickt Mein Aug' auf ihre Lippe blickt, Und auf den Mond, der rosig gliiht, Noch tausend solcher Kusse sieht. Madrigal. Wie heiter klang des Schafers Sang, Als Lieb' und Wahrheit noch Gespielen ! Wie munter ging die Zeit entlang ! Wie gliicklich war der Landmaid Fiihlen ! Doch aus dem Thai die Liebe schwand, Die Wahrheit schweigt und ist verbannt. — 198 — Und Eifersucht spielt wachsam sich Jetzt leise hin von Ort zu Ort, Und Misstraun, bleich und angstlich schlich Sich horchend, ach ! an jeden Ort, Denn aus dem Thai die Liebe schwand, Die Wahrheit schweigt und isl verbannt. O, sehn wir nicht die Stunde mehr, Die Freude tragt auf ihrem Fliigel, Indess das Bachlein murmelt her, Frohglanzend mit krj'stall'nem Spiegel ? Ach ! aus dem Thai die Liebe schwand, Die Wahrheit schweigt und ist verbannt. ^» Thomas Chatterton. Eine genialische Begabung und friihreife Entwickelung. Seine Wiege stand in Bristol, wo er am 20. November 1752 geboren wurde. Wie Macpherson mystificirte er eine Zeit lang die litterarische Welt, indem er seine in alterthumelnder Sprache verfassten Gedichte, so die kr aft voile, markige Schilderung der Hastingsschlacht, die Tragodie „Aella a u. s. \\\, als die Erzeugnisse mittelalterlicher Poeten, vor Allem als die eines Monches Rowley, ausgab. Das Aufsehen, welches diese Gedichte erregten, ermunterte ihn 1770 nach London zu gehen, in der Hoffnung, sich dort durch littera- rische Arbeiten zu ernahren. Leider fand er hier nur Ent- tiiuschung iiber Enttauschung, und dem Hungertode nahe, vergiftete sich Chatterton mit Arsenik am 24. August 1770 im 17. Jahre seines Lebens. Die Ungunst der Verhaltnisse, die kalte Herzlosigkeit der Gesellschaft brachen hier einen jungen Baum, der schon reife, echte Friichte der Poesie versprach. Ueber Kraft und Zartheit verfugt Chatterton in gleicher Weise. Klagelied. O ! stimmt in meine Klagen ein ! O ! lasst die bittern Thranen fliessen, Tanzt nie mehr Festtags frohen Reih'n, Auf alle Lust soil Nacht sich giessen. Mein Lieb ruht todt, Frei aller Noth, Dort unter dem Weidenbaum. Schwarz war sein Haar. wie Winternacht, Sein Antlitz weiss, wie Schnee an Friihlingstagen Und rosig, wie des Morgens Pracht — Ach, all' die Lust, hat nun der Tod zerschlagen. Mein Lieb ruht todt, Frei aller Noth, Dort unter dem Weidenbaum. Siiss war sein Mund, wie Drosselsang, Sein Tanz so fliichtig, wie Gedanken, Zierlich sein Tambourin erklang, Nun halten ihn des Grabes Schranken. Mein Lieb ruht todt, Frei aller Noth, Dort unter dem Weidenbaum. Horch, wie des Raben Fittich schwirrt Dort unten in des Thales Kriimme, Der Nachtmahr still durch's Dunkel irrt, Und schrillend kreischt des Uhus Stimme. Mein Lieb ruht todt, Frei aller Noth, Dort unter dem Weidenbaum. O sieh, wie weiss des Monds Gesicht! Doch weiss, sowie sein Grabtuch nimmer: Das weisser, als des Morgens Licht, Und weisser, als des Abends Schimmer. Mein Lieb ruht todt, Frei aller Noth, Dort unter dem Weidenbaum. Am Grabe meines stillen Lieb' Soil fruchtbar keine Blume bliihen ; Umsonst der Heil'gen Trost verblieb, Nie wird mein kaltes Herz ergluhen. Mein Lieb ruht todt, Frei aller Noth, Dort unter dem Weidenbaum. Rund um des Todten heil'gen Leib Soil meine Hand Dornrosen pflanzen ; Hier weil ich, unglucksel'ges Weib; — Kommt, Elfen, nachtens hier zu tanzen ! Mein Lieb ruht todt, Frei aller Noth, Dort unter dem Weidenbaum. Und lockt, gereizt von spitzem Dorn, Mein Blut hervor aus krankem Herzen ; ■-■ Des Lebens Lust ist mir verlor'n : Des Abends Tanz, des Tages Scherzen. Mein Lieb ruht todt, Frei aller Noth, Dort unter dem Weidenbaum Ihr schilfbekranzten Wasserfei'n, Nehmt mich in euer Fluthengrab ! Ich komme, Treulieb, ich bin dein ! — So sprach die Maid und sank hinab Mein Lieb ruht todt, Frei aller Noth, Dort unter dem Weidenbaum. //. Puttmann. Lady Ann Lindsay. Ihr Ruhm beruht auf der untenfolgenden Ballade von „Auld Robin Gray", die zu dem Trefflichsten der schottischen Volksdichtung gehort. Als eine Vorlauferin Robert Burns' gebiihrt ihr eine ehrenvolle Erwahnung. Sie war die Tochter des Grafen von Balcarras in Fifeshire und 1750 geboren. 43 Jahre alt, vermahlte sie sich mit dem Sir Andrew Barnard, den sie 1807 durch den Tod verlor. Sie selber starb achtzehn Jahre spater zu London. Der alte Robin Gray. Wenn die Schaf in der Hiird' und im Stall ist die Kuh, Wenn all' die miide Welt sich begeben zur Ruh, Dann fliessen Thranenstrome vom Aug' vor bitterm Leid, Indess in tiefem Schlafe mein Mann mir ruht zur Seit'. Jung Franzchen liebte mich, zur Frau er mich begehrt', Sein ganzes Gut war hochstens wohl eine Krone werth. Um draus ein Pfund zu machen, da ging er in die Weit', Und die Krone wie das Pfund, fur mich sie waren beid'. Kaum war er fortgewesen 'ne Woche oder zwei, Da brach im Fall mein Vater den Arm entzwei, Meine Mutter, die war krank, mein Franzchen, der war weit, Robin Gray, der Alte da, um mich freit. Mein Vater konnt' nicht schaffen, meine Mutter konnt' nicht spinnen, Ich konnt' mit allem Fleisse doch nicht ihr Brod gewinnen, Und Rob erhielt sie beide ; er frug mich voller Leid : „Willst du um ihretwillen mich nehmen, gute Maid?" Mein Herz, es sagte Nein, Franz war gar in der Welt ; Doch die Winde bliesen scharf und sein Schiff war zerschellt, Sein Schiff war zerschellt — lag' ich im Todtenkleid, So war' von meinen Schmerzen ich jetzt befreit. — 203 — Mein Vater sprach gar bitter, meine Mutter die sprach nicht, Doch schaut' sie mir in's Auge, dass mir das Herze bricht ; Sie gaben ihm meine Hand, mein Herz war fort gar weit, Und Robin Gray, der Alte, ward mein Eh'mann scit. Sein Weib war ich gewesen, drei Wochen oder vier, Als trauernd auf dem Steine ich sass vor der Thiir, Da sah ich Franzen's Geist — todt glaubt ich ihn zur Zeit, Er sprach : Bist du, mein Liebchen, zur Hochzeit nun bereit. O, bitter weinten wir und Vieles sprachen wir; Wir kiissten uns einmal. ich hiess ihn geh'n von mir. Ich wiinscht', ich ware todt, doch ist der Tod noch weit; Ach. warum muss ich leben trotz meinem Leid? Ich wand'le, wie ein Geist, ich denk' an's Spinnen nicht. Dart" nicht an Franzen denken, 's war gegen meine Pflicht Doch will ein braves Weib ich sein nach Moglichkeit, Denn der alte Robin Gray ist giitig jederzeit. Ed. Fiedler. Robert Burns. Einer der frischesten, mannhaftesten und zugleich zartesten Lyriker der Weltlitteratur, mit Recht der Stolz Schottland's, dessen Herz und Mund er war. Als der Sohn eines Gartners wurde er 1759 geboren und starb bereits 1796, ohne des irdischen Gliicks viel genossen zu haben ; der grosste Sohn seines Volkes hat fortw'ahrend mit Noth und Sorge kampfen miissen. Seine herrlichen Liebeslieder sind gedichtet auf die friih dahingegangene Mary Campbell (Hochlands Mary und Mary im Himmel), auf seine Frau, Hannchen Armour und auf Mrs. Maclehose (Clarinda). Mein Herz ist im Hochland. Mein Herz ist im Hochland, mein Herz ist nicht hier, Mein Herz ist im Hochland und jaget das Thier, Und jaget das Wildthier und folget dem Reh, — Mein Herz ist im Hochland, wohin ich auch geh' ! Leb' wohl, du mein Hochland, leb' wohl, du mein Nord, Geburtsland der Helden, der Edelsten Hort ! Die Irrfahrt des Lebens, wohin sie mich trieb, Stets blieben die Berge des Hochlands mir lieb. Lebt wohl nun, ihr Berge, mit Schnee hoch bedeckt, Lebt wohl nun, ihr Thaler, so griin und versteckt, Lebt wohl nun, ihr Walder, die uppig ihr spriesst, Lebt wohl nun, ihr Strome, die rauschend ihr fliesst ! Mein Herz ist im Hochland, mein Herz ist nicht hier, Mein Herz ist im Hochland und jaget das Thier; Und jaget das Wildthier und folget dem Reh, — Mein Herz ist im Hochland, wohin ich auch geh' ! H. D. Heintze. 3* Abschied vom Ufer des Air. Schon steigt herab die diist're Nacht, Und heulend ist der Sturm erwacht, Mit Regen droht der Wolke Grau, Die hinfliegt iiber Fold und Au, Ein Obdach sucht der Vogel Chor, Der Jager flieht aus Sumpf und Moor, Und ich, die Seele schmerzentbrannt, Wandl' einsam an des Air Strand. Der Herbst beweint die reife Saat. Der allzufruh der Winter naht, Er sieht, wie Sturme wild und rauh, Verdiistern seines Himmels Blau. Mein Blut erstarrt bei ihrem Droh'n, Denn an die Wogen denk' ich schon. Auf die mich bald mein Schicksal bannt, Fern von des Air schonem Strand. Jedoch die Brandung schreckt mich nicht, Die sich am Ungliicksufer bricht, Wo rasch des Lebens Qual und Noth Erlischt in vielgestalten Tod, Ach nein, ein Band umschlingt mein Herz, Durchwuhlt von mancher Wunde Schmerz, Das qualt mich, den sein Loos verbannt, Fern von des Air schonem Strand. O, Coilas Moor und Berg und Thai, Ich sen' euch jetzt zum letzten Mai, Der Liebe Gliick, das ich verlor, Taucht hier auf's Neu dem Geist empor. Lebt wohl, dem Feind will ich verzeih'n, Dem Freunde ew'ge Liebe weih'n, Ich seufz' und rufe schmerzentbrannt : Leb' wohl, des Air schoner Strand. Adolf Laun. ®» Hochlands Mary. O, Feld und Fluss und Wiesenbord Am Schlosse von Montgomery, Dort grun' und bluh' es immertort Und klar sei'n stets die Seeen. — 206 — Zuerst zieht dort der Sommer ein Und weilet dort am langsten, Dort muss es, ach ! geschieden sein Von meiner Hochlands Mary. Wie bliihte froh der Birkenbaum, Wie reich des Weissdorns Blume, Als still im duftig-schatt'gen Raum Ich an die Brust sie druckte. Auf Engelsfliigeln schwebten klar Vorbei die gold'nen Stunden, Denn lieb wie Luft und Leben war Mir meine Hochlands Mary. Mit manchem Kuss und Druck der Hand. Wie zartlich war das Schweigen ! Wir gaben uns manch' Wort zum Pfand Des frohen Wiedersehens. Doch ach ! in kalter Todesluft Verwelkte bald die Blume ! Es grunt das Gras schon um die Gruft Von meiner Hochlands Mary. Blass ist der Lippe Rosenroth, Die oft mich zartlich kiisste, Und ach! des Auges Blick ist todt, Das liebend auf mir ruhte. Im Staub schon modert einsam hin Das Herz, das heiss mich liebte, Doch ewig lebt'im treuen Sinn Mir meine Hochlands Mary. Adolf Laun. 9* 0, standest du. O, standest du, von Frost erstarrt, Im Felde dort, im Felde dort, Dann war' ich mit dem Mantel warm Dir Schutz und Hort, dir Schutz und Hort. Und brache wild des Ungliicks Macht Auf dich herein, auf dich herein, Dann sollte stets mein Busen dir Ein Obdach sein, ein Obdach sein. Weilt' ich in fremder Einsamkeit Wohl fern von hier, wohl fern von hier, Sie war ein Paradies fur mich, Warst du bei mir, warst du bei mir. Und war' ein Konig ich der Welt, Und warst du mein und warst du mein, Dann sollte stets mein Kronjuwel Die Kon'gin sein, die Kon'gin sein. Adolf Laic?i. Mein Herz ist schwer. Mein Herz ist schwer, Gott sei's geklagt! Mein Herz ist schwer fur Einen ; O Gott, eine lange Winternacht Konnt' wachen ich fur Einen ! O Leid, fur Einen! O Freud', fur Einen! Die ganze Welt konnt' ich durchzieh'n Fur Einen! Ihr Machte, reiner Liebe hold, O, lachelt mild auf Einen ! Schiitzt vor Gefahr ihn, bringt gesund, Zuriick mir meinen Einen ! O Leid, fur Einen ! O Freud', fur Einen ! Ich that, o Gott, was that' ich nicht Fur Einen! Ferd. Freiligrath. Beim Scheiden. Noch ein Kuss und dann geschieden ! Noch ein susses Wort hinieden ! Dann in Thranen grimmer Schmerzen Trink' ich Abschied deinem Herzen. Nenne nie das Gliick zertrummert, Wenn der Hoffnung Stern noch schimmert : Meine Sterne sind verstoben Und Verzweiflung zieht da oben. -- 208 — Nimmer schelte ich mein Hoffen : Keiner Hoffnung Pfad blieb offen ! Sie zu sehen, war sie lieben, Endlos ihrem Selbst verschrieben. War' so suss nicht soldi' ein Finden, War' so suss nicht solch' Erblinden, Hatten so wir nie gesprochen: War' das Herz uns nicht gebrochen ! Lebe wohl du siisse Eine, Lebe wohl du theure Meine, Jedes holde Gliick der Erden, Wonn' und Liebe mog' dir werden. Noch ein Kuss und dann geschieden ! Noch ein susses Wort hienieden ! Dann in Thranen grimmer Schmerzen Trink' ich Abschied deinem Herzen. Notter. An Mary im Himmel. O, milder Stern mit bleichem Strahl, Begriisst vom gliihenden Abendroth, Du mahnest wieder mich einmal An meiner guten Mary Tod. O theure Mary ! sel'ger Geist ! Wo schwebst du jetzt in Himmelslust? Siehst du, was mir das Herz zerreisst ? Fuhlst du die Leiden meiner Brust? Konnt' ich vergessen jenen Tag, Wo ich, nicht ahnend Scheidens Kluft, Begliickt an deinem Herzen lag? Vergessen deine fruhe Gruft? — Nie raube mir der Zeiten Fluss Dein susses Bild, so rein und klar- O, fiihlt' ich wohl im letzten Kuss, Dass es der letzte, — letzte — war? Das Bachlein rieselt iiber'n Sand, Die Busche gaben sich're Hut, Und urn die duft'ge Birke wand Waldrebe sich in Liebesgluth ; — 209 — Der Vogel sang im stillen Nest, Zum Pfiihle boten Blumen sich, Bis — ach ! — zu friih in gliih'ndem We6t Des Tages Seligkeit entwich. Noch briitet der Erinn'rung Schmerz Auf dem, was mich so suss durchbebt', Und tiefer fuhlt es nur das Herz, Wie tiefer stets ein Strom sich grabt. — O theure Mary! sel'ger Geist! Wo schwebst du jetzt in Himmelslust? Siehst du, was mir das Herz zerreisst? Fuhlst du die Leiden meiner Brust ? W. Gerhard. John Anderson. John Anderson, mein Lieb, John, Als ich zuerst dich sah, Wie waren schwarz die Locken, Wie glatt die Stirne da! Jetzt ist so kahl dein Haupt, John, Jetzt sind die Locken weiss, Doch segne Gott dich, Greis ! John Anderson, mein Lieb, John ! John Anderson, mein Lieb, John, Wir klommen Hand in Hand Bergan, und mancher Tag, John, Hat Freud' uns zugewandt. Jetzt aber strauch'le nicht, John, Vereinigt gehn wir nun In's Thai, um dort zu ruhn. John Anderson, mein Lieb, John! Adolf Lau?i. Hans Gerstenkorn. Drei Konige sassen im Morgenland, Drei Konige frisch und roth ; Die schwuren einst mit schwerem Eid Hans Gerstenkorn den Tod. Engl. - Amerik. Dichter. 14 Sie stiirzten ihm mit scharfem Pflug Erd' iiber's blonde Haupt: Und sagte man, er lebe noch, Doch hob, sobald der milde Lenz Mit warmen Schauern kam, Hans Gerstenkorn sich wieder empor, Was Alle Wunder nahm. Die Sommersonne brannte schwiil ; Er wurde dick und schwer, Und schirmte sein bedrohtes Haupt Mit manchem scharfen Speer. Allein so giinstig war ihm nicht Des Herbstes milder Strahl ; Sein Knie erschlafft, er hing den Kopf Und wurde bleich und fahl. Geschwunden war die junge Kraft, Der Jugend frischer Muth : Das niitzten seine Feinde gleich Und zeigten ihre Wuth. Sie fallten grausam ihn am Knie, Durch scharfer Waffen Hieb ; Auf einen Karren banden sie Ihn fest wie einen Dieb. Sie legten auf den Riicken ihn Und blauten auf ihn los Und hingen umgekehrt ihn auf, Dem Wind und Wetter bloss. In Wasserkufen tauchten sie Den Leib schon todeswund ; Und wenn er da nicht schwimmen kann, So sinkt er auf den Grund. Und hin und her noch stiessen sie Ihn auf der Tenn' im Haus Und loschten ihm von Lebensgluth Das letzte Fiinkchen aus. Und iiber'm Feuer rosteten sic Hans Gerstenkorn's Gebein ; Ein boser Miiller aber quetscht' Ihn unter hartem Stein. Nun tranken sie sein Herzensblut, Des Sieges sich bewusst ; Mit jedem Schlucke mehrte sich Ihr Jubel, ihre Lust. Hans Gerstenkorn mag wohl ein Held, Ein Held gewesen sein : Denn wer von seinem Blute trinkt, Dem gltiht's in Mark und Bein. Der Mann vergisst bei solchem Trank Sein Leid und Missgeschick, Und selbst das Herz der Wittwe jauchzt, War 7 auch die Thran' im Blick. So lebe denn Hans Gerstenkorn — Den Becher in die Hand ! — Nie sterbe sein beruhmt' Geschlecht Im lieben Vaterland. W, Gerhard. &* Trotz alledem! Ob Armuth euer Loos auch sei, Hebt hoch die Stirn trotz alledem ! Geht kiihn dem feigen Knecht vorbei, Wagt's, arm zu sein trotz alledem ! Trotz alledem und alledem, Trotz niederm Pork und alledem ! Der Rang ist das Geprage nur, Der Mann das Gold trotz alledem ! Und sitzt ihr auch beim kargen Mahl In Zwilch und Lein und alledem, Gonnt Schurken Sammt und Goldpokal — Ein Mann ist Mann trotz alledem ! Trotz alledem und alledem ! Trotz Prunk und Pracht und alledem ! Der brave Mann, wie durftig auch, Ist Konig doch trotz alledem ! 14* Heisst „gnad'ger Herr" das Biirschchen dort, Man sieht's am Stolz und alledem ; Doch lenkt auch Hunderte sein Wort, 's ist nur ein Tropf trotz alledem ! Trotz alledem und alledem, Trotz Band und Stern und alledem ! Der Mann von unabhang'gem Sinn Sieht zu und lacht zu alledem ! Ein Fiirst macht Ritter, wenn er spricht, Mit Sporn und Schild und alledem: Den braven Mann creirt er nicht, Der steht zu hoch trotz alledem ! Trotz alledem und alledem, Trotz Wiirdenschnack und alledem — Des innern Werthes stolz Gefiihl Lauft doch den Rang ab alledem ! D'rum Jeder fleh', dass es gescheh', Wie es geschieht trotz alledem, Dass Werth und Kern, so nah wie fern, Den Sieg erringt trotz alledem, Trotz alledem und alledem ! Es kommt dazu trotz alledem, Dass rings der Mensch die Bruderhand Dem Menschen reicht trotz alledem ! Ferd. Freiligrath. «5<>K Robert Tannahill. Tannahill gehort mit Hogg, Motherwell und Cunning- ham zu den begabtesten schottischen Dichtern, welche den Spuren Robert Burns' folgten. Er stammte aus Paysley, wo er 1774 geboren wurde, war seinem Berufe nach Weber und starb 1810 im Wahnsinn. Schottisches Standchen. „0, schlafst du schon, lieb Else? O, schlafst du schon, lieb Else? Oeffne bald, denn furchtbar hallt Der Wasserfall am Teufelsfelse. Schwarz und regnig ist die Nacht, Nicht ein Stern am Himmelszelte, Blitze zucken, Donner kracht, Sturmwind braust mit Winterkalte. Aengstlich stohnt am Bach die Weid', Und der Wind achzt wild und traurig ; Laut die Eisenpforte schreit, Und der Uhu heult so schaurig. Und nicht laut ich reden kann, Denn dein Vater schlaft daneben, Eisig saust der Wind mich an, O, steh auf, mein theures Leben." Sie macht' ihm auf, sie liess ihn ein, Den nassen Plaid warf er darnieder: „Wind und Regen sturmet drein, Bin bei dir nun, Elschen wieder. tt — 214 — njetzt, da du wachest, Elschen, Jetzt, da du wachest, Elschen, Kummern mich nicht Waldgestohn, Eulenschrei und Teufelsfelsen." Fiedler. <3X&< Samuel Rogers. Das Lebensalter dieses Dichters greift in die Zeit der Scott'schen und Byron'schen Romantik hiniiber, der Geist seiner didaktischen und schildernden Poesie jedoch, Mangel an Leidenschaft und Phantasie, sein correkter, ele- ganter, etwas frostiger Stil verweisen ihn noch in die Zeit des Classicismus. Geboren wurde er im Jahre 1762 als der Sohn eines reichen Londoner Banquiers, fur den kaufman- nischen Stand erzogen und spater Theilhaber des Geschafts. Nachdem er nach Vollendung seiner Erziehung sich einige Tage auf dem Continent aufgehalten, nahm er seinen stan- digen Aufenthalt in London. In seinem Hause verkehrten alle bedeutenden Geister des Englands der damaligen Zeit, seine grossen Reichthiimer erlaubten ihm, nach alien Seiten hin wohlwollend zu unterstiitzen. 1786 trat er zuerst mit einem Biindchen Gedichte auf: ,,Ode to Superstition and other Poems", spater folgten u. A. ^Pleasures of Memory", „Human life", „Italy u , ^Poems". Er starb am 18. De- cember 1855. Auf Lord Byron's Tod. Er hatte viel erlebt, Seit wir zuletzt uns sah'n. Funf kurze Jahre, Viel hatten sie gethan. Die dicken Locken Grau, keine Spur von jenem Jungling mehr, Der nach Abydos schwamm von Sestos. Aber Noch suss klang seine Stimm', und wie ein Blitz Zuckt' aus den Augen der Gedank' ihm, harrend Auf Worte nicht. So sassen wir und sprachen Tief in die Nacht hinein — willkomm'ne Stunde, Die uns vereint ! — und mit der Morgenrothe Erklommen wir den rauhen Apennin. — 2l6 — Noch seh' ich vor mir, wie die gold'ne Sonne Mit ihrem Strahl die tiefen Schliinde fiillte An unserm Weg, und wie den Berg entlang Durch Cistus, welsche Eichen, wilde Feigen Sein bunt' Gefolge zog. Der ersten einer Battist, der auf der mondbeglanzten See Venedig's ihm so eifrig, so geschickt Gedient hatt' und sein Ruder weggeworfen, Ihm durch die Welt zu folgen ; der so lange Das Ehrenzeichen eines Gondoliers Im Hause eines Nobile getragen, Werth unbegrenzten Zutrau'ns. Dann auch du. Wenn schon nicht mehr in voller Kraft und Schonheit, Getreuer Mohr, du bis zur letzten Stunde Der Wachter seiner Kammerthur, und nun Durch Missolunghi's ode, linst're Gassen Heulend vor Schmerz. Verlassen hatt' er eben Die Stadt des alten Ruhms am Meeresstrand, Ravennas, wo von Dante's heil'gem Grabe So oft er, wie es mancher Vers bezeugt, Begeist'rung eingesogen, wo im Zwielicht Mit schlaffem Ziigel durch den Pinienwald Er ritt und sich verlor ; da sah er oft — Denn was sieht eines Dichters Auge nicht? — Des Ritters Geist, der Hollenhunde Jagd, Die Beute, die Zerfleischung und die Festlust In Grau'n verwandelt. Dieses Thema liebt' er, Doch And're traf die Reihe. Mancher Thurm, Zertrummert von dem Felsen weggerissen, Einst eines Heldenalters Stolz und Hort, Erschien und schwand, und manch' ein Stier gejocht Und ungejocht, indess sein Geist hinaus In schon're Tage schweifte. Alles, Freude, Vergangenheit vergessen, wolkenlos Die Gegenwart und Zukunft! Und nun ruht er. Und Preis und Tadel fallt ihm gleich in's Ohr, Das taub im Tode. Byron, ja du bist Dahingegangen, wie ein Stern am Himmel 'Herabschiesst und versinkt, in seinem Sturze Verblendend und verwirrend. Doch dein Herz — 2i 7 — War gross und edel — edel in dem Ilohn Der kleinen, niedern Dinge ; nichts in ihm Gemein und knechtisch. Wenn die Einbildung Erlitt'ner Unbill dich verfolgt' und drang, Zu thun, was lange ward von dir bereut, Wer weiss nicht, — Keiner so wie ich — wie gern Auf leichtem Grund dein dankbar Herz gebaut ? Im Leben gliicklich nicht, bist du's im Tode ! Du hast's erreicht, bist in dem Land gestorben, Wo einst entzundet ward dein junger Geist, In Hellas, und in wie glorreicher Sache ! — Ach, keiner des Gefolges um dich her Gedachte damals, dass sobald sie sassen In Trauer bei dir, und ein V o 1 k in Trauer Um dich sein Freudenfest in Leichenjammer Verwandelte und des Geschiitzes Donner Am Morgen, der beschien, was Irdisches Von dir geblieben, iiber See und Land Aussprach' die Zahl der Jahre deiner Freuden Und Leiden ! Ja, du bist dahingegangen ! Lasst ruhen ihn und greifet ihn nicht an Im Grabe ! Denn, wer von uns Allen, wer Versucht, wie er, schon von den ersten Jahren, Als er, ein unverdorb'ner Hochlandsknabe Umherzog, wer, wie er, ein Feuergeist, Dem ihren Zauberbecher an die Lippen Die Lust gedriickt, als Flaum sein Kinn noch deckte Wer von uns Allen mag von sich wohl sagen: Er hatte nicht soviel geirrt? — und mehr? Wilhelm Muller. James Montgomery. Geboren am 4. November 1771 zu Irvine in Ayrshire, ward in der Herrnhuter Anstalt zu Fulneck in Yorkshire erzogen und zum Geistlichen bestimmt. Doch hegte er grossen Widerwillen gegen diesen Beruf, wandte sich ohne Hulfsmittel nach London und ward spater Theil- nehmer an einem Sheffielder Journal. Seine Gesinnungen zogen ihm zweimal Gefiingnissstrafe zu. Er starb 1854. Seine Hauptwerke sind „The West-Indier", „The Wanderer of Switzerland", „ Greenland", „The world before the flood". Seine dichterischen Arbeiten zeichnen sich durch Warme des Gefiihls , tiefe Frommigkeit , Reichthum der An- schauungen und elegante Diktion vortheilhaft aus; aber des Dichters melancholische Stimmung, wohl die Frucht der Kampfe seines Lebens, drangt sich zu haufig und zu sehr auf, und seine Neigung zu moralisirender Reflexion stort den Eindruck und ermudet durch zu oftere Wiederkehr. Macht der Poesie. Ja, ein lebend'ger Geist webt in der Lyra, Ein Hauch der Tonkunst, eine Flammenseele ; Die Welt kennt nicht die Sprache, die sie redet, Denn diese spricht sie zu dem Sanger nur, — Wenn Symphonieenklang sein Ohr entziickt, Hort er in jedem Ton des Geistes Stimme ; Sein ist die Pflicht, den Zauberspruch zu deuten, In Liedesgluth Orakel hinzustromen, Der Helden That auf Jahre zu verlangern, Und denen, die in der Natur gestorben, In dem Gesange Leben zu verleih'n, Ob Felsen auch des Kriegers That verkunden, Ob Berge zu Gestalten ausgehauen. Gleich seinen Namen tragen, ob auch immer In Demantschreinen lieget sein Gebein, — 2i 9 — Bedeckt von Pyramiden himmelhoch: Was Hande modelten, es wird zerfallen, Verschwinden wird einst, was den Blick entziickte ; Der Fels, des Helden Hoffnung, bricht zusammen, Erdbeben gleichen Berg' und Thaler aus, Der Demantschrein verrath, was ihm vertraut ward, In Staub zerfallt die stolze Pvramide ; Allein die Lyra sichert ew'gen Ruhm, Gesang nur halt der Dinge Wechsel aus, Von Brust zu Brust ergossen, wie das Leben Ergluhet er und geht, ein sich'res Erbe, Vom Vater zu dem Sohn ; beschwingt den Flug Von Land zu Land, und streift den Tod von sich, Getragen auf der Zeiten raschen Schwingen. O. L. B. Wolff. Das Grab. Fur Weinende giebt's einen Ort, Wo Rast des muden Pilgers Fund, Sanft ruhen sie und schlummern dort, Tief in dem Grund. Der Sturm des Winters peitscht die Luft, Schreckt sie nicht mehr in jenem Schoosse, Als Sommerabendhauch, der ruft Gut Nacht! der Rose. Wie sehnen sich nach jenem Raura, Mein miider Kopf, mein armes Herz ! Nach jenem Schlummer ohne Traum Sehnt sich mein Schmerz. Denn Elend kam mir friih schon zu Und warf mich hulflos in den Wind ; Ich sterbe! Mutter Erde du, Nimm auf dein Kind. Bllckjier. Allgemeines Loos. In Jahren, die schon langst vorbei, Lebt' einst ein Mensch — und wer war Er Wie auch dein Loos gefallen sei, Der Mensch glich dir, du Sterblicher. — 220 — Man weiss nicht, wo er ward geboren, Und wo er starb, ist unbekannt; Sein Name ging schon langst verloren, — Nur diese Wahrheit hat Bestand : Dass Freude — HofThung — Kummer — Sehnen Im Wechsel seine Brust besiegt; Dass Lust und Weh ihm, Lacheln, Thranen — Das And're langst vergessen liegt. Der Pulse Schwung — die Kraft gebunden, Des Geistes Steigen und sein Fallen, Wir wissen, dass er das empfunden, Weil es empfunden ward von Allen. Er litt — vorbei ist nun sein Leiden, Vorbei ist, was ihm Freude bot, Es mussten seine Freunde scheiden, Sie sind, wie seine Feinde, todt. Er liebte — doch der Tod entruckte Die Holde — auch sie sank hinab, Die Schonheit, die ihn so entziickte, Verschonte nicht das Grab. Sein Auge hat wie dein's gelesen, Sein Herz erlitt wie deines Pein ; Er war, was immer du gewesen, Er ist, was du wirst sein. Die Jahreszeiten, Tag und Nacht, Und Sonne, Mond, der Sterne Heer ; Was Licht und Leben einst gebracht, Das ist fur ihn nicht mehr. Die Wolken und der Sonne Licht, Die ihn beschattet und erhellt, Sie floh'n und liessen Spuren nicht Zuriick auf dieser Welt. Willst gleich du die Geschichte fragen, Die Trummer, seit die Welt begann ; Sie konnen nichts mehr von ihm sagen, Als nur — einst lebt' ein Mann. — O. L. B. Wolff. Thomas Campbell. Campbell's Werke tragen den Tjpus classicistischen Geschmacks an sich, wenn auch Vieles an ihm auf die Neuzeit binweist. Er bildet einen Uebergang zur Letzteren, und wenn er auch jiinger als Burns, so weist ihn doch der Geisl seiner Dichtungen noch in das Zeitalter des Classicismus. Die Sprache und Form werden von ihm meisterhaft gehandhabt, seine Stoffe sind durchgangig bedeutend, die Gedanken edel und kraftvoll, Phantasie und Empfmdung schweifen nie in das Ungemessene hinaus. Eine gewisse Kalte kann man ihm nicht absprechen, den grossen Zug des Genius ihm nicht zuerkennen, aber er steht als Dichter direkt hinter Wordworth und Coleridge und neben Robert Southej. Seine Wiege stand zu Glasgow und seine Geburt fiel auf den 27. Juli 1777 zu Glasgow. Nach ehrenhafter Beendigung seiner Studien ward er eine Zeitlang Hauslehrer, ging nach Edinburg und von da nach Deutschland, wo er mit den ersten Schriftstellern und Ge- lehrten verkehrte. Nach London zuruckgekehrt, ward er einer der Griinder der Universitat dortselbst und dreimal zum Lord Rector von Glasgow erwahlt. Am 15. Juni 1844 starb er zu Boulogne und wurde begraben im Poetenwinkel der Westminsterabtei. Von seinen Werken seien erw r ahnt : „Pleasures of Hope", ^Gertrude oft Wyoming", „Lochiel and the Wizard", ^O'Connor's Chield", ausserdem die in sieben Banden erschienenen ^Specimens of the British Poets". Der letzte Mensch. Was ist, vergeht in Dunkelheit, Die Sonne selbst muss sterben, Bevor sein Theil : Unsterblichkeit Dies Sterbliche ma^ erben. Es kam ein Traum auf mich" herab, Der meinem Geiste Fliigel gab ; Hinab trug mich ihr Weh'n Die Zeit: ich ward zu dem entriickt, Der einst der Schopfung Tod erblickt, Wie Adam ihr Entsteh'n. Bleich war und grau die Erde, wie Ein Greis; der Sonne Scheinen Siech ; — von Nationen lagen die Skelette um den Einen. D i e starben fechtend ; — rostversehrt Halt ihre Beinhand noch das Schwert ; — Die frassen Hunger, Seuchen ; Die Stadte leer, wie ausgefegt ; Nach Ufern, wo kein Laut sich regt, Ziehn Schiffe, voll von Leichen. Doch Jener stand, wie ein Prophet ; Sein Wort furchtlos und kalt, Als kam' ein Sturm herangeweht, Entblatterte den Wald! „Dein Lauf ist aus, dein Aug' ist blind, Du stolze Sonn' ! Im Tode sind Wir Zwillinge ! — Zu rollen Hor' auf! Die Gnade ruft: Bis hie! Aeonen sahst du Thranen, die Nicht langer fliessen sollen. Ob unter dir der Mensch auch Pracht, Und Stolz und Klugheit zeigte, Und Kunste, denen sich die Macht Der Elemente beugte — Doch klag' ich nicht um dich! Zieh' hin, Enthronte Tageskonigin ! Trophaen, ungezahlte Triumphe, die da sah dein Strahl: Ward auch durch sie nur e i n e Qual Geheilt, die Menschen qualte ? Lisch' aus, du bleiche Trauerkerz' ! Lass Nacht das All verschleiern ; Und gen' nicht wieder auf, den Schmerz Des Lebens zu erneuern; Bring' nicht zuriick sein elend Spiel! Week' nicht das Fleisch ! Hier ist das Ziel ! Genug der Folter! Lass Es ruhn, von Siechthum graus entstellt, Vom Schwert im Schlaehtgewuhl getallt, Wie von der Sichel Gras ! Selbst ich bin miide, langer dich Und deiner Gluth Vergehn Zu schauen. — Qualen -Zeugin, mich Sollst du nicht sterben seh'n ! Die Lippe, die dein Grablied spricht, Ihr Beben, Zucken siehst du nicht! Siehst blau nicht diese Wangen ! Die Weltnacht ist mein Todtenkleid — Die Majestat der Dunkelheit Soil meinen Geist empfangen. Zu dem kehrt er zuriick, dess Hauch Sein himmlisch Gltihn entziindet; Glaub' nicht, e r sterbe, weil dein Aug', Du Sterbende, erblindet ! Nein, er lebt fort in Seligkeit, Die du nicht kennst, die der verleiht, Der uns zu losen kam, Litt, starb, hinab zur Holle stieg, Ihr als ein Held entriss den Sieg, Dem Tod den Stachel nahm. Stirb ! — Auf der Schopfung Triimmern steh' Ich stolz ; ich kann nicht sinken ! Den letzten, herbsten Kelch, den je Ein Mensch trank, muss ich trinken ! Geh', sag' der Nacht, die dich begrabt, Du sahst den letzten, der gelebt ; Dein Tod war ihm ein Spott ! Das All' zerfiel, todt war die Zeit — Doch ihm blieb die Unsterblichkeit Und sein Vertrau'n auf Gott ! Ferd. Freiligrath. 3^ — 22 4 — Der Abendstern. O Stern, der heim die Biene weist, Den Miiden von der Arbeit reisst, Vor alien andern bringst du Frieden, Von oben schickst du ihn, Wenn Himmelsluft' um uns hienieden Wie Liebesworte zieh'n. Am pracht'gen Himmel zeig' dein Licht, Wenn einst die Landschaft duftend liegt, Jedoch von fern die Heerde lautet. Die Arbeit ist vollbracht, In Hiitten tont Gesang, es breitet Ihr Rauch sich durch die Nacht. Du Stern fur sanftes Liebesgliick, Getrennt, denkt man an dich zuriick, Der Liebe Seufzen und ihr Leben Hebst du im Himmel auf, Und jeder Trennung Zeit durchleben Sie in der Jahre Lauf. Viertes Buck Die moderne englisehe Litteratur. Von Burns bis auf die Gegen wart. Engl. -Amerik. Dichter. 15 Walther Scott. Der Schotte Burns hat aus dem Herzen des lebenden Volkes herausgesungen, der Schotte Scott hat seinem Volke die Vergangenheit des Heimathlandes wieder zu einer Herzenssache gemacht. Fast all' sein dichterisches Wirken hat dieses Ziel, die Heimath bildet den Hinter- und Vordergrund all' seiner Schopfungen und hierin eben besteht vor allem die Bedeutung und das asthetische Recht seiner historischen Romane. Geboren zu Edinburg 1771, starb er 1832, nachdem er das Leben in all' seinen Mischungen voll durchgekostet ; im Allgemeinen aber war er ein echtes Sonn- tagskind. Von seinen Werken seien nur erwahnt die poe- tischen Erzahlungen „Der letzte Minstral", „Moermion u , „Die Jungfrau vom See", „Rockeby", „Der Herr der Inseln", „Harold", sowie seine Balladen. Durch seine Uebertragungen aus dem Deutschen hat er sich grosse Verdienste erworben urn das deutsche, wie das englische Volk. Constanzen's Lied. Wo soil die Ruhstatt sein Gutem hienieden, Der von der Trauten sein' Treue geschieden ? Da, wo im nacht'gen Hain Stiirme rings schweigen, Duftige Bliimelein Stille sich zeigen, Sei sie ihm eigen! Wo sacht' der Wellen Fall Murmelt zum Schlummer, Lieblich die Nachtigall Singt ihren Kummer. Ewige Ruhe hier 15* Soil dir gehoren, Nichts soil den Schlummer dir Boses je storen ! Nichts soil ihn storen! Wo soil die Ruhstatt sein Falschem Bethorer, Herzens so gut und rein Argem Zerstorer? Von Todwunden umstohnt Nach verlorener Schlacht. Vom Siegruf gehohnt, Erfass' ihn die Nacht, So fass' ihn die Nacht! Der Raubvogel Brut Soil ihn drauend umschweben! Ihm schlurfe das Blut Der Wolf, noch am Leben ! Und Schande nur halte Am Grab ihm die Wacht! Kein Segen dran walte Ihn haltend die Nacht! So lieg' er in Nacht! Emil Neubilrger. Donuil Dhu's Kriegsgesang. Donuil Dhu's Kriegsgesang! Schlachtlied von Donuil ! Tone mit wildem Klang, Wecke blau Conuil ! Kommt herbei, kommt herbei ! Auf zum Gefechte! Horcht auf das Feldgeschrei, Herren und Knechte! Meidet die Schlucht so wild, Felsige Bahnen! Hort, wie die Pfeife schrillt! Schaut auf die Fahnen ! -- 229 — Hiigel - Plaid, Hochlands' Schwert, Kommet hernieder! Und wer sie tragt und ehrt, Muthig und bieder. Lasset die Braut, das Weib ! Lasset die Herde! Lasset des Todten Leib Ueber der Erde ! Lasset diejagd, den Teich, Barken und Schlingen ! Bringt euer Kriegeszeug, Tartschen und Klingen. Kommt, wie der Sturm kommt, wenn Walder erzittern ! Kommt, wie die Brandung, wenn Flotten zersplittern ! Schnell heran, schnell herab, Schneller kommt Alle, Hauptling und Bub' und Knapp', Herr und Vasalle! Seht, wie sie kommen, seht, Wie sie sich schaaren ! Haidkraut im Winde weht, Feder des Aaren ! Weg den Plaid, zieht das Schwert ! Vorwarts, ihr Leute ! Donuil Dhu's Kriegsgesang Tone zum Streite ! Ferd. Freiligrath. $& Jock von Hazeldean. „Sprich, Fraulein, warum harmst du dich? Sprich, warum weinst du laut ? Meinem jiingsten Sohn vermahl' ich dich, Ihm geb' ich dich zur Braut ! Mein jiingster Sohn wird dein Gemahl. Und du, mein Kind, freist ihn ! tt Doch ihre Thranen flossen, ach ! Um Jock von Hazeldean. — 230 — „Bald, Madchen. ist dein Trotz entfloh'n, Versiegt der Thranen Quell! Mein Frank ist Herr von Errington, Ist Lord von Langlay Dale ! Er ist der Erste fern und nah ; Gern mag das Schwert er zieh'n!" Doch ihre Thranen flossen, ach ! Urn Jock von Hazeldean. „Ich gebe dir ein gold'nes Band Wohl in dein braunes Haar. Und einen Falken auf die Hand, Und einen Zelter gar! Als Jagerfiirstin sollst du dann Den Forst mit uns durchzieh'n !" — Doch ihre Thranen flossen, ach ! Um Jock von Hazeldean ! Die Kirche prangt im Sonntagsstaat Friih bei des Morgens Grau'n. Der Priester wartet im Ornat, Und edle Herr'n und Frau'n. Doch nirgendwo die Braut! Man sucht Sie uberall. Doch kiihn Hat uber die Grenze sie entfuhrt Ihr Jock von Hazeldean. Ferd. Freiligrath. $& Das Madchen von Isla. Madchen von Isla, hoch vom Riff, Das Sturmgewolk und Meer umnachten, Siehst du nicht dort das kleine SchhT Die Wuth der Wellen keck verachten ? Jetzt taucht es tief in Schaum und Dampf, Taucht hoch jetzt auf der Wogen Rand ; Spricht, warum wagt es solchen Kampf? — Madchen, es sucht sein Heimathland ! Siehst, Madchen, du die Move dort ? Durch Nebel glanzt ihr weisser Fliigel; Sie schweift sich durch den rauhen Nord Und sucht des Ufers sich're Hiigel. — 231 — Warnni durch Sturm und Wogenschaum Sucht sie der Insel Felsenstrand, Warum des Ufers griinen Saum ? Madchen, es ist ihr Heimathland ! Doch, wie des Schiffs der wilde Sturm, Lachst du der Werbung, die ich bringe ; Kalt, wie des Felsen steiler Thurm, Wo Mov' und Taucher senkt die Schwinge. Sei noch so hart, sei noch so kalt, Doch, Madchen, biet' ich dir die Hand! Wenn nicht dein liebend Herz, dann bald, Ist Allans' Grab sein Heimathland. Ferd. Freiligrath. Abschied. Leb', Norden's Harfe, wohl ! Ein tief'rer Schatten dunkelt Um jene Purpurhoh'n und Klippen ; blaulich funkelt Des Gliihwurm's Silberlicht hervor aus nacht'gem Hain, Halb sichtbar schleicht zur Ruh das Wild im Dammerschein. Du kehr' zur Ulm' ! Es wird der wilde Liifte Schwellen Und Quellgerausch sich deinem wildern Lied gesellen. Ja, singe du dein Lied zum Nachtsang der Natur, Zu Tonen, die so weit von Hiird' und Weid' und Flur Heriiberwallen, zu der Hirten Abendflote, Zum Sumsen heim'scher Bien' in stiller Abendrothe. O Minstrel Harfe, du, noch einmal lass mich sagen Dir innig Lebewohl ! Vergieb mein schwaches Wagen ! Ob iiber dieses Lied der Tadel hohnend spricht, Der Tadel und der Hohn, o Harfe, krankt mich nicht. Wenn trubes Missgeschick begann mich zu umweben, Wenn mud' und krank ich war zu tragen dieses Leben, Wenn folgte triib'rer Tag der gramerfullten Nacht, Und zu einsamem Schmerz mein Aug' war erwacht ; Dass Leben, Herz und Sinn nicht in Verzweiflung sanken. Das hab' ich, Zauberin, nur dir allein zu danken. O horch ! wie zogernd nun mein Fuss beginnt zu scheiden Hat wohl ein Geist der Luft geriihrt an Deine Saiten? Griff nun ein Seraph wohl in deine Saiten kiihn ? Schwebt frohlich iiber dich nun Feennttich hin ? — 232 — Und schwach und schwacher schon ersterben deine Klange Hinab durch das Gekliift der zarten Bergesenge; Ein selt'ner Zauberton fernher verirrt noch klingt, Wenn Berggesausel leis den nacht'gen Fittich schwingt: — Und jetzt ist alles stumm, nichts mehr vernimmt mem Sinn, Leb', Norden's Harfe, wohl, leb' wohl, o Zauberin. A. Storck. James Hogg. „Der Ettrick Schafer" wurde 1772 am Ufer des Ettrick in Selkirkshire geboren und hiitete in seiner Jugend die Kiihe. 24 Jahre alt, ring er an, Verse zu machen und erwarb sich bei den Bauern der Umgegend den Namen „ Jamie the poet". In Edinburg gab er seine ersten Lieder in Druck und machte 1801 die Bekanntschaft Scott's. Als Pachter hatte er Ungliick iiber Ungliick und so wandte er sich der Schriftstellerlaufbahn zu und gab, ziemlich erfolg- los, eine Zeitschrift heraus. 181 3 aber schlug sein Haupt- werk „Queen's wake", aus dem das untenfolgende Marcher) entlehnt, glanzend durch und machte seinen Namen auf's Riihmlichste bekannt ; 1814 erhielt er vom Herzog von Buccleuch die Pachtungen von Altrive Lave, am Yarrow, geschenkt. Er starb am 21. November 1835. Kilmeny. Das Thai durchschweifte Kilmeny schon, Nicht um Duneira's Manner zu seh'n, Und des Inselmonches rosigen Schein, Denn Kilmeny war rein, wie rein kann sein. Sie wollte nur horen die Nachtigall Und pfliicken die Blumen am Wasserfall Und pfliicken die Hagbutt und Himbeer auch Und Niisse, die hingen am Haselstrauch ; Denn lang' mag die Mutter schau'n iiber die Mauern, Lang' mag sie suchen in Waldesschauern, Und lang' mag der Laiad von Duneira weinen, Eh' er Kilmeny sieht wieder erscheinen. Als mancher Tag war genaht und gefloh'n, Als mild schon der Schmerz, todt die HofYnung schon, Als Messe schon war fur Kilmeny gesungen, Als Fiirbitt' und Todten^lock' schon erklungen : — 234 — Spat, spat in der Damm'rung, als Larm war ertodtet, Und der Saum an dem westlichen Hiigel sich rothet : Der Wald war diirr' und der Mond verging, Der Huttenrauch iiber der Ebene hing Wie ein Volkchen allein in dem Weltenring, Das Feuer nur gliihte mit furchtsamem Schein : Spat, spat in der Damm'rung Kilmeny kam heim. Kilmeny, Kilmeny, wo warst du, sprich, Lang' suchten im Holz und im Thale wir dich, Bei Wasserfall, Fuhrt, in Tiefen und Hoh'n ; Doch siehst du aus gar gesund und schon, Woher dein Kleid, wie die Lilie rein, ' Und von griinen Birken das Haarnetz dein ? Und die Rosen mit wunderlieblichem Schein ? Kilmeny, Kilmeny, wo konntest du sein ? Kilmeny schaut auf mit lieblicher Mien', Auf ihrem Antlitz kein Lacheln erschien, Ihren Blick und ihr Aug' eine Stille besiegt, Wie die Still', die auf griiner Ebene liegt, Wie Nebel an's ruhige Meer sich schmiegt. Denn wo sie gewesen, Kilmeny nicht kannt', Und was sie gesehen, sie selbst nicht verstand. Gewesen sie war, wo der Hahn nicht kraht, Wo Regen nicht fallt und der Wind nicht weht. Doch die Himmelsharfe zu klingen schien, Es spielt' urn den Mund ihr 'ne himmlische Mien', Wenn sie sprach von lieblichen, schonen Gestalten, Vom Land, das nimmer noch Sunde enthalten. Ein Baumgang ist in jenem Hain, Und in dem Gang ist ein Wiesengrund, Und in dem Grund ein Wesen stund, Hat weder Blut, noch Fleisch, noch Gebein, Und den Wald durchwandelt es ganz allein. Dort sich Kilmeny niederstreckt. Den Busen mit schonen Blumen bedeckt. Doch die Luft war mild und die Stille tief, Und Kilmeny schon gar bald entschlief. Mehr wusste sie nicht, das Bewusstsein schwand, Bis sie w r eckten die Lieder im fernen Land. Da lag sie auf Lager von Seide so fein, Wo des Regenbogens Farben drein. — 235 — Von lieblichen Wesen war rings sie umkrcist, Die friiher dureh's menschliche Leben gereist. Und sie lachelten stets und begannen zu fragen, Wer hat diese Sterbliche zu uns getragen ? Lang' bin durch die Aveite Welt ich gereist, Erwidert ein sanfter ehrwiirdiger Geist ; Seit tausend Jahren bei Tag und Nacht, Sorgfaltig die Schonen der Erd' ich bewacht, Ich habe beAvacht sie weit und breit, Wo immer nur bliihet die Weiblichkeit. Doch Jungfrau'n, fleckenlos und rein An Korper und Seele, fand ich kein\ Nie fand ich, seitdem regiert die Zeit, 'Ne Jungfrau in frischer Weiblichkeit. Dies Hebe Madchen nur sah ich allein, Wie Morgenschnee so fleckenrein ; Durch zwanzig Jahre so frei sie bestand, Wie die Geister, die Avohnen in diesem Land, Den Mannerschlingen entfiihr' ich sie, Dass Tod und Siinde sie kenne nie. Sie driickten die Hand ihr, umarmten sie gar, Sie kiissten die Wang' ihr und kammten ihr Haar, Manch' schone Gefahrtin trat zu ihr herzu Und sprach : Willkommen, Kilmeny, bist du. Das Weib ist frei von der schimpflichen Schmach, Gesegnet sei, da du geboren, der Tag! Nun ist's zu seh'n, nun wird's bekannt, Was ein Weib sein kann dem Geisterland, Manch' langes Jahr in Sorg' und Leid, Durchschweifen die Welt AA*ir Aveit und breit, Gesandt, zu beAvachen der Weiber Leben, Die Nahrung der eA\-igen Seele zu geben. Wir folgten ihnen beim Damm'rungsschein, Wenn sie gingen in Waldesschatten allein ; Bei der Lilienlaub' und dem Bett von Leid, Entpresst uns unsichtbare Thranen das Leid. Wir lullten in Schlaf ihre brennenden Triebe, Wir schlichen uns weinend vom Lager der Liebe. Wir sah'n, Avir sah'n, — doch die Zeit anbricht, Wo die Engel errothen beim jiingsten Gericht. — 236 — O, dachte der Sterblichen schonerer Theil, An die heil'ge Wahrheit zu ihrem Heil. Verwandte Geister sehn's, wenn sie sich regen, Bewachen sie angstlich auf alien Wegen, Und Schmerz um die Schande der Menschheit sie hegen. O, des Madchens Gebet den Himmel hochhalt, Und den Seufzer, der schone Busen schwellt, Und der Himmel freut sich, thut schoner Mund Worte der Wahrheit und Tugend kund, Und es freu'n sich unsichtbare Lustgestalten Der Seele, die rein sich im Korper erhalten. Kilmeny, von keinem Makel entstellt, Kehrst je du wieder zuruck zur Welt, Zur Welt von Siind' und Noth und Angst, Erzahl' von den Freuden, die hier du erlangst, Von den Zeichen, die hier dein' Augen sah'n, Von den Zeiten, die sind und den Zeiten, die nah'n." Sie erhuben Kilmeny, sie fuhrten sie fort, Sie wandelt im hellen, doch sonn'losen Ort. Der Himmel, ein Dom, war krvstallen und hell, Des Sehens sowohl, wie des Lichtes Quell, Die griinen Felder von strahlendem Gliih'n, Und die Blumen von immerwahrendem Bliih'n. Dann tauchten sie tief in den Strom ihren Leib, Dass ewig ihr Jugend und Schonheit bleib'. Und sie lachelten freudig, als sie umzogen Des Lebensstromes durchsichtige Wogen. Und sie hort' anstimmen da einen Gesang, Sie wusste nicht wo, doch so lieblich er klang, Wie ein Traum am Morgen, so traf er die Ohren, „Gesegnet der Tag, da Kilmeny geboren ! Nun ist's zu seh'n, nun wird's bekannt. Was ein Weib sein kann dem Geisterland. Die Sonne, die scheint in der Welt so hell, Eine Kohle, geborgt von des Lichtes Quell, Und der Mond, der bei Nacht hat den Himmelsthron, Wie ein goldener Bogem wie glanzlose Sonn', Sie werden verschwinden. vom Himmel gerissen, Und die Engel, die Liifte durchfliegend, sie missen ; Doch lange, noch lange nach Tag und Nacht, Wenn schon nicht der Sonn' und der Welt wird gedacht, 237 Wenn der Sunder gegangen in's schwere Gericht, Die Bliithe Kilmeny's auch dann schwindet nicht." Zum griinen Berge dann fuhrten sie sie, Zu sehen, was Sterbliche sahen noch nie, Sie huben auf purpurnein Stuhl sie empor Und hiessen sie spannen so Aug' als Ohr, Und merken die Wechsel durch Geisterhand, Denn jetzo sie lebt im Gedankenland, Sie schaute nicht Sonne, nicht Himmel sie sah, Nur ein Dom von Krystall, vielfarbig, war da. Und wieder sie schaut', doch Land sah sie nicht, Nur endlosen Wirbel von Strahlen und Licht. Und strahlende Wesen gingen und kamen, Viel schneller als Wind und des Blitzes Flammen. Sie vermochte den Glanz nicht langer zu seh'n, Sie blickte von Neuem und neu war die Seen'. Am Sommerhimmel die Sonne stand frei, Und Ambrawolken flogen vorbei, Ein liebliches Land zu Fiissen ihr war, Mit grauen Bergen und Seeen klar, Und das Land hatt' Thaler, bereifte Hoh'n, Und tausend Inseln in blauen See'n. Sie sah im Thai das Getreide wogen, Sah, wie die Hirsche die Flur durchflogen, Sah manchen Sterblichen miih'n sich sehr, Ihjr schien's, sie sah das Land schon eh'r. Eine Dame sah sie auf einem Thron, Die Schonste, die je beschienen die Sonn'. Ein Lowe leckt ihr die milchweisse Hand, Und sie hielt ihn an einem seidenen Band. Und zu Fiissen stand ihr ein Madchen gut, Mit schmelzendem Aug' und 'ner Silberruth' ; Doch es kam ein Freier daher vom Westen, Zu frei'n die, die er liebte am Besten, 'Nen Knaben, ihr Herz zu prufen, er sandt', Sie nahm ihn auf und Lieb' sie ihn nannt'. Doch wie er ihr schmiegt an den Busen sich, Da fuhlt sie den Schmerz, wie vom Schlangenstich. Ein miirrischer, widriger Wicht dann kam, Der hetzte Lowen auf seine Dam', - 2 3 S - Und mit schmelzendem Auge das Madchen treu, Sie weint eine Thrane und ging vorbei. Und sie sah vor dem Leuen die Konigin weichen, Sah die schonste Blume der Welt erbleichen. Und ein Sarg auf ferner Ebene ruht Und es tropfte gleich Regen das rothe Blut. Da wurde Kilmeny das Herz gar schwer, Sie wandte sich weg und blickte nicht mehr. Da lachte gewaltig der grimmige Wicht, Man stampft' ihn zu Boden, doch starb er drum nicht, Er reizte den Lowen zu Thaten von Wuth, Und es floss im Reiche des Wildes Blut. Doch der Lowe ward stark, an Gefahren gewohnt, Als er ward mit der Ros' und dem Kleeblatt gekront. Dann lacht' er des Mannes und jagt' ihn hinweg, Dass auf Bergen mit Hirschen er weiden mog' ; Und dem Himmel der Lowe wollt' widerstreben, Doch sein Ziel war gesetzt und sein Lohn ihm gegeben, Kilmeny wandt' ab ihre Augen vor Scheu, Sie blickt' von Neuem und die Scene war neu. Sie sah um sich, in schoner Entfaltung, Der halben strahlenden Welt Gestaltung; Die Fliisse flossen, die Meere rollten, Die siindigen Menschen ein Ziel sein sollten. Sie sah, wie ein Volk von Wuth und Rach', Aus seinen Schranken wie Teufel brach. Die Lilie wuchs und der Adler flog, Und larmend heran die Raubschaar zog. Die Wittwen klagten und Blut floss roth, Und dem Menschengeschlecht war Verderben gedroht. Nie zeigte der Adler Furcht noch Scheu, Bis ihn fasst mit todtlichen Klauen der Leu. Da hatte der Adler schweren Stand, Und ein Kampf auf Leben und Tod entbrannt', Und flog er nach Siiden oder flog er nach Nord, Der Lowenrachen war da sofort. Mit verstummeltem Flugel und Klag'geschrei Der Adler suchte sein Nest auf's Neu. Lang' mag er sitzen im blutigen Neste, Und pflegen die runde Brust auf's Beste. Eh' er von Neuem auf sich macht, Zu versuchen des nordischen Lowen Macht. — 239 Zu singen, was da Kilmenv geseh'n, Erscheinungen, die nie auf Erden gescheh'n, Des Sangers Stimme nicht konnt' es tragen, Und der Harfen Saiten wiirden versagen. Doch frei von Sorgen die Menschen sic sah, Und Alles war Lieb' und Eintracht da, Und ruhig die Sterne des Himmels erbliehen, Schneeflocken an Wintertagen sie glichen. Da verlangte Kilmenv zu seh'n noeh einmal, Die Freunde, die blieben im Erdenthal, Zu melden vom Orte, wo sie sieh fand, Und den Wundern im unsichtbaren Land. Zu sagen den schonen Miidchen im Leben, Die der Himmel liebt, die die Geister umschweben, Dass, wenn ihre Seele bleibt fleckenrein, Einst ewige Schonheit ihr Lohn wird sein. Bei fernen Kliingen sanft und tief Kilmeny alsbald gesund entschlief. Und als sie erwacht, da lag sie im Hain, Mit Blumen bedeckt, im Thalgrund allein. Als sieben lange Jahre entfloh'n, Als mild schon der Schmerz, todt die Hoftnung schon, Als kaum man noch dacht' an Kilmenv's Nam\ Kilmeny spat Abends nach Hause kam. Und ihre Schonheit war engelgleich, Doch ihr Auge war ruhig und fest zugleich. Solche Schonheit kein Barde besingen mag, Denn drin nicht Stolz und nicht Leidenschaft lag, Und der Madchenaugen sehnendes Strahlen Sah nie man auf ihrem Antlitz sich malen. Und einer Lilie gleich sie bluht, Die Wang', wie die Moosros' im Regen gliiht, Ihre Stimme gleich fernem Sange klingt, Der iiber das Meer in der Dammerung dringt. Doch sie liebt es, zu schweifen im einsamen Thai, Aus der Manner Gesellschaft sie weg sich stahl, Sang heilige Hvranen an einsamer Stell' Und saugt an den Blumen und trinkt von dem Quell : Doch avo uns erschien ihr freundliches Bild, Da freute sich selber der Berge Wild ; Der Wolf spielt frohlich umher im Feld. Der Konigsstier briillend zu Fiissen ihr falit, Der Damhirsch schmeichelnd zu ihr sich wandt' Und schmiegt sich ihr unter die Lilienhand. Wenn Lieder aus anderen Welten sie sang Des Abends, dass rings der Wald erklang, Von siisser Andacht tief bege^stert, Da hatte das ganze Thai sie bemeistert. Die wilden Thiere des Waldes kamen, Es brachen aus Buchten und Hiirden, die zahmen ; Voll Staunen und Lust war der ganze Hain, Das dumme Vieh selbst stimmt mit ein, Und brullt' und schaute gar angstlich umher, Ob keiner ihnen das Geheimniss erklar'; Da kamen zusammen Drossel und Weih', Die Amsel flog mit dem Adier herbei, Vom Felsennest flog her der Rabe, Die Hirschkuh kam uber die Auen im Trabe. Der Wolf mit dem Bockchen zu spielen begann, Und der Fuchs und das Lamm und das Haschen rann, Und Habicht und Reih'r in den Luften hungen, Weindrossel und Stieglitz verliessen die Jungen, Und Alles in friedlichem Kreise sich halt : Es war, wie ein Abend der siindlosen Welt. Ein Mond und ein Tag also verlief, Da suchte Kilmenv des Waldes Tief Und legte sich nieder auf Rasengrun, Und nimmer sie wieder auf Erden erschien. Doch die Worte, die ihren Lippen entfahren, So voller Wunder als Wahrheit waren. Doch das ganze Land war in Angst und Noth, Nicht wissend, ob lebend sie noch, ob todt. 'S war nicht ihre Heimath, drum blieb sie nicht drein, Sie verlies die Welt von Kummer und Pein, Ging wieder in's Land des Denkens ein. Ed. Fiedler. Allan Cunningham. Die Lieder dieses schottischen Volksdichters sind voll Feuers und verrathen gliihende Phantasie. Er war am 7. Marz 17S4 in Blackwood, Dumfriesshire, geboren und ursprunglich Maurer. Spater wandte er sich nach London, wo er eine Anstellung fand als Aufseher in der Werkstatt des bekannten Bildhauers Francis Chantrey, mit dem ihm treue Freundschaft verband. Er starb am 23. October 1842. Cunningham entfaltete eine reiche Thatigkeit. Ausser Gedichten verfasste er mehrere Romane und Erzahlungen, sowie ein episches Gedicht in zwolf Gesangen, („The maid of Elvar"), versuchte sich im Dramatischen und fiihrte nebenbei die Feder des Kritikers und Biographen. Liebe Lady Ann. 'S ist Honig auf meines Liebchens Lippen, Und Gold in ihrem Haar, Ihre Briiste gehiillt sind in heil'gem Schlei'r, Kein Auge sieht sie fiirwahr. Welche Lippe darf kiissen, welche Hand beriihren, Welch' liebender Arm umspannen Die Honiglippen, die miichweisse Hand Und den Leib von Lady Annen. Sie kusst die Lippen des Rosleins roth, Noch nass von Tropfen Thau, Keine Lipp\ ob vornehm oder gering, Ihren Mund zu kiissen sich trau ! Ein besaumter Giirtei mit goldener Schnall' Ihren schlanken Leib muss umspannen. O. ein Arm voll ist fur den Himmel sie, Meine liebe Lady Annen, Engl.-Amerik. Dichter. 1G -- 2 4 2 - Ihr Kammerfenster voll Blumen prangt, Gebunden mit Silberdraht, Und lieblich sitzet sie mitten drein, Dass entzuckt wird, wer ihr naht. Sie schiebt die Locken von ihrer Wang' Mit milchweisser, rnilchweisser Hand, Von Gottes Finger beriihrt scheint die Wang' Meiner lieben Lady Anne. Die Morgenwolke mit Gold ist verbramt, Wie die Miitz' auf Liebchens Kopf, Auf dem Mantel, den meine Liebe tragt, Ist mancher goldige TropP. Ihre Brauen ein heil'ger Bogen sind, Nicht gemacht von Menschenhand, Und Gotteshauch auf den Lippen schwebt Meiner lieben Lady Anne. Bin ihres Vaters Gartnerbursch' Und bin gar arm dabei, Meiner alten Mutter gehort mein Lohn, Meiner Mutter und Waisen zwei, Meine Dame kommt, meine Dame geht, Mit voller und giitiger Hand. O, Gottes Segen fall' auf mein Lieb', Auf die liebe Lady Anne. Ed. Fiedler. Die Maid von Jnverness. Es lebt 'ne Maid in Jnverness, War der Stolz der ganzen Stadt, Froh, wie die Lerch' auf der Blumenkron', Die's Fliegen gelernt erst hat. In der Kirche wusst' sie die Alten an sich, Beim Tanze die Jungen zu ziehn, Die Froheste war sie stets der Frohen Bei Stelldichein und Halloween.*) Als ich eintrat in Jnverness, Die Sommersonn' an zu sinken fing; O, da sah' ich die schone Maid, Wie weinend durch die Stadt sie ging. *) Allerheiligenabend. — 243 — In den Strassen standen die Greise all', Und jammernd schrie'n die alten Frau'n : ,,Die Bliithe der Burschen von jnverness Liegt blutend auf Kullodens Au'n." Ihre gold'ne Halskett' sie zerriss, Und stets weint' sie dabei : „Mein Vater hinsank bei Carlisle, Bei Preston der Briider drei. Ich dacht', nicht triige mehr mein Herz, Nicht weinte mehr das Auge mein. Doch Eines Fall zersprengt mein Herz, Nie wird mir Jemand theurer sein. Erst gestern schwur er Liebe mir, Drei Liebeszeichen er mir schenkt', Jetzt liegt er blut'gem Tod im Arm, Und nimmermehr er mein gedenkt. Waldblumen sollen sein mein Bett, Meine Nahrung sei die wilde Beer', Mit fahlem Laub deck' ich mich zu, Erwachen will ich nimmermehr. O weinet, weint, ihr schott'schen Frau'n, Weint, bis eu'r Mutteraug' wird blind. Kein Schornstein rauchet weit und breit, Nur nackte Leichen rings man find't. Der Lenz ist freudvoll in dem Jahr, Baum sprosst und Blum', und's Voglein singt, Doch welcher Friihling weckt sie auf, Die jetzt der blut'ge Tod umschlingt. O, schwer hing nieder Gottes Hand, Und streichelt der Tyrannen Joch, Den Braven sie zu Boden schlug, Und den Zerstorer hob sie hoch. Doch es kommt der Tag, sprach betend Christ, Wo Lohn empfangt die Rechtlichkeit. Dann sinkt der Gottlos' in den Staub, Der Gut' erwacht zur Seligkeit." Ed. Fiedler. 16* William Mothewell. Ausgezeichneter schotlischer Volksdichter, nach Burns vielleicht der bedeutendste. „Am Gliicklichsten ist er im Ruhrenden, Elegischen ; die Klage zieht sich als Grundzug fast durch alle Gedichte hindurch. Gliihende, dichterische Fuhlung, tiefes, inniges Gefiihl und weiche Zartheit zeichnen sie aus ; dazu ein Wohlklang und eine Schonheit des Vers- baues, die von keinem schottischen Dichter erreicht, viel weniger iibertroffen worden ist." Geboren am 13. Octbr. 1797 in Baronypariss , Glasgow, besuchte er die Glasgower Universitat und (ibernahm 181 9 die Stelle eines Unter- secretairs des Sheriff. 1829 legte er dieselbe nieder und zeichnete sich als Redacteur verschiedener Blatter, zuletzt des „ Glasgow Courier" aus. Er starb am 1. November 1835. Der Mitternachtwind. Schwermuthsvoll, o, schwermuthsvoll Der Mitternachtwind stohnt, Wie siisse Klageweise wohl Aus alten Zeiten tont. Von jungen Jahren er mir spricht, — Wie der Hoffnung Knosp' fiel ab — - Vom Lacheln, d'raus die Thrane bricht, Von Theuren, die im Grab. Schwermuthsvoll, o, schwermuthsvoll Der Mitternachtwind schreit, Und jeder Ton riihrt dumpf und hohl Auf der Erinn'rung Sait'. Der vielgeliebten Todten Stimm' Scheint in dem Tod zu weben, Und was, eh' einsam Todes Grimm Mich liess, ich liebt' im Leben. — 245 - Schwermuthsvoll, o, schwermuthsvoll Der Mitternachtwind schwillt; Als Abschiedslicd sein Sang erscholl Der Hoffnung, ernst und wild. Von junger Jahre frohem Traum, Eh' Kummers Mehlthau sank Auf des Herzens Bliith' — die Thrane kaum Halt' ich beim Scheideklang. Ed. Fiedler. Das Meermadchen. „Die Nacht ist schwarz und der Wind blast scharf, Weisser Schaum netzt meine Brau'n, Und ich furcht', ich furchte, lieb Madchen, Dass nimmer das Land wir schaun. a Drauf sprach das Meermadchen, Sie sprach gar froh und frei: „Nie sagt' ich ja meinem Brautigam, Dass zu Land die Hochzeit sei." „Nie sagt' ich, ein irdischer Priester Sollt' segnen uns ein zur Eh', Nie sagt' ich, ein irdisch' Gebaude Sollt' halten uns beide je. u „Und wo ist der Priester, lieb Madchen, Soil Erdenmensch er nicht sein?" „0, es rauscht der Wind und es brullt die See In uns're Hochzeit drein. u „Und wo ist die Wohnung, lieb Madchen, Ist sie nicht auf Erden zu sehn? u . ,,Dort unten," sprach das Meermadchen, „In den grunen Tiefen der See'n. Gebaut ist von Schiffskielen sie, Und von der Ertrunk'nen Gebein, ' Die Fische das Wild sind in meinem Park, Und die Wasserwuste mein Hain. Meiner Wohnung Dach sind die Wogen blau, Der Boden der gelbe Sand, Weisse Blumen in den Gemachern bluh'n, Die nimmer bluh'n auf dem Land. — 246 — Und hast du gesehen, mem Brautigam lieb, Ein irdisches Land, das je Acker auf Acker gab fruchtbaren Lands, Wie ich sie dir gebe der See ? In einer Stunde der Mond geht auf, Und hell das Sternlein lacht, Dann sinken wir sechzig Klafter tief In der Wasser finstere Nacht. u Wild, wild der arme Brautigam schrie, Laut lachte die Braut darein, Der Mond stieg auf und es sanken die Zwei In die Silberfluth hinein. Ed. Fiedler. Zum letzten Mai. Zerbersten will mein Kopf, Wilhelm, Mein Herz zu brechen droht, Mein Fuss tragt kaum mich noch, Wilhelm, Um dich leid' ich den Tod. Leg' dein' an meine Wang 7 , Wilhelm, Auf meine Brust die Hand, Sag, dass du mein noch denkst, Wilhelm, Wenn Ruh' im Grab ich fand. Such' nicht zu trosten mich, Wilhelm, Schwer Leid austoben will : Nein, lass mich ruh'n an deiner Brust, Und lass mich weinen still. Lass sitzen mich auf deinem Knie, Lass streicheln mich dein Haar, Lass mich dein Antlitz schaun, Wilhelm, Ich sen's nie mehr, furwahr. Ich sitz' auf deinem Knie, Wilhelm, Zum allerletzten Mai, Ein arm verzweifelnd Ding, WiWielm, 'ne Mutter und kein Gemahl. Ja, an mein Herz druck' deine Hand, Und druck' es mehr und mehr, Sonst bricht es durch das seid'ne Band, Verzweiilung wuhit gar schwer. — 247 — Verwunscht die Stunde sei, Wilhelm, Wo wir einander sahn, Die Zeit, da's erste Stelldichein Wir beide setzten an. Verwunscht der griine Feldweg sei, Wo wir zu gehn gepflegt, Verwfinschet sei mein Missgeschick, Dass Lieb' ich so gehegt. O, acht' nicht meines Worts, Wilhelm, Kein Vorwurf lag darein ; Doch, ach, es lebt sich schwer, Wilhelm, Soil Schande dein Loos sein. Die Thrane heiss netzt deine Wang', Fliesst iiber die Knie hinab, Was harmst du um Unwiirdigkeit, Urn Sorg' und Siind' dich ab. Bin miide nun der Welt, Wilhelm, Krank macht mich, was ich sen', Kann leben nicht, wie ich gelebt, Nicht sein, wie ich war eh'. Doch driick' nur an dein Herz. Wilhelm, Dies Herz, noch dir geweiht, Und kuss' meine weisse, weisse Wang', — W r ar roth vor kurzer Zeit. Durch's Haupt fahrt mir ein Schmerz, Wilhelm, Durch's Herz ein arges Weh. O, halte mich, lass kiissen mich Deine Stirn noch, eh' ich geh'. Noch einen zweiten, dritten Kuss ! ! — Wie schnell mein Leben bricht ! Leb' wohl, leb' wohl, mit schwerem Fuss Betritt den Kirchhof nicht ! Die Lerch', die aus der Luft, Wilhelm, Ihr Lied uns schickt herab, Wird singen ihr frohlich Morgenlied Auch iiber der Todten Grab, Und der griine Rasen unter uns, Der vom Thau ergliinzt so schon, Umfangt das Herz, das dich geliebt, Wie's nie die Welt geseh'n. - 2 4 8 - Doch ach ! gedenke mein, Wilhelm, Wo immer du magst sein ! Denk' an das treue, treue Herz, Das dich geliebt allein. O denk\ wie kalter Grabesstaub Mein gelbes Haar macht fahl, Wie er mir Wange kiisst und Mund, Die du kiisst zum letzten Mai. Ed. Fiedler. mm Robert Nicoll. Schottischer Volksdichter. Geboren 1814 zu Auchter- gaven in Perthshire, als der Sohn eines Kleinpachters. Er erhielt nur eine geringe Bildung und trat, dreizehn Jahre alt, bei einem Kaufmann in die Lehre. Im zwanzigsten Jahre trat er mit Zeitungsaufsatzen hervor und durch den Erfolg ermuthigt, verliess er den Kaufmannsstand und ward 1836, da auch seine Gedichte giinstige Aufnahme fanden, Herausgeber der „Leeds Times" in Leeds. Aber nicht lange sollte er sich seiner Errungenschaften erfreuen. Ueberanstrengungen untergruben seine Gesundheit und er starb im December 1837 an der Schwindsuch.t. Seine Muse neigte sich mehr dem Erhabenen, als dem Heiteren zu, ein kraftiger, mannlicher Geist beseelt sie. Menschen sind Briider. O, die alte Welt ware so gliicklich, so schon, Wenn die Menschen hier unten sich wollten verstehn, Wenn Nachbar zum Nachbar in jeglichem Stand Sprach: ^Menschen sind Briider, d'rum reich mir die Hand." Was mussen wir leben so neidisch und feind ? Da leben wir konnten so herzlich vereint, Sprach Einer zum Andern, mit Lieb' und Verstand: „Komm, Menschen sind Briider, d'rum reich mir die Hand." Mein Rock zwar ist grob und deiner ist fein, Ich trinke nur Wasser, dir fehlt's nicht an Wein, Doch mein Herz und dein Herz durch Werth sind verwandt, Und Menschen sind Briider, dr'um reich mir die Hand. Verachtest du Treubruch und Ehrlosigkeit, Stehst du wie ein Felsen der Wahrheit zur Seit', Auch ich bin fur Ehr' und Wahrheit entbrannt, Und Menschen sind Briider, d'rum reich mir die Hand. — 2 5 — Uu wiirdest betriigen nicht Weib und nicht Mann, Auch ich halt' am Rechten, so gut, als ich kann. Nennst Lust du und Lieb' nicht, was ich so genannt? Komm, Menschen sind Briider, d'rum reich mir die Hand. Deine Mutter dich liebte, wie Mutterlieb' kann, Die Meine fur mich, was sie konnt', hat gethan. Ob hoch, ob niedrig, umschlingt uns ein Band, Die Menschen sind Briider, d'rum reich mir die Hand. Wir liebten des Sommertags heitere Gluth, Das Vaterland ist uns das edelste Gut. Vom Himmel ward beiden das Leben gesandt. Komm, Menschen sind Briider, d'rum reich mir die Hand, Hinfalliges Alter uns beide bedroht, Und hinterher schleicht bestandig der Tod, Bald liegen wir beid' in demselben Land, Komm, Menschen sind Briider, d'rum reich mir die Hand. Ed. Fiedler. William Wordsworth. Geboren 1770 zu Cockermouth, gest. am 23 April 1850. gilt Wordsworth fur den Begriinder der sogenannten See- schule, eines Dichterkreises, zu dem Southev. Wilson, Coleridge, Lover u. A. gehorten. weil diese Dichter einc Zeitlang in der Nahe der romantischen Seeen von Cumber- land und Westmoreland wohnten und wetteiferten, die Anschauungen dieser Natur zu gestalten. Ein sinniges und anmuthiges Talent, wenn auch ohne besondere Kraft und Leidenschaft und oft zu breit , hat Wordsworth besonders in der Naturschilderung und der Gedanken- dichtung Treffliches geleistet. Seine lvrischen Gedichte sind reich an Schonheiten, wiihrend die grosseren Dichtungen „Der Ausflug" und „Die weisse Heidin von Rvbstonn" (eigentlich 2 Theile eines Ganzen) vielfach ermudend wirken. Die einsame Schnitterin. O, sieh' sie, einsam im Gelild, Die Hochlandsdirne, kornumwallt! Schneidend und singend ganz fur sich, Bald ruhend, wandelnd bald ! Sie maht und bindet das Getreide Und singt ein Lied dazu voll Leide ; O, lausche ! denn des Thalgrund's Enge Fliesst uber von der Fluth der Klange ! Kein Sprosser je so wonnesam Schlug einer Schaar, die rastend sass Bei Wasserborn und Palmenstamm Im Sand Arabias. Nie sang ein suss'res Lied, als dies, Der Kuckuck, wenn im Lenze siis.- Sein Ruf durchzog der Meere Frieden, Fern bei den fernsten der Ilebriden. — 2 5 2 — Wer sagt mir, was die Dime singt? Ob alten Dingen, voll von Grau'n, Die schmerzlich siisse Weise klingt Und Schlachten, langst gehau'n ? Wie, oder weckt ihr frommes Leid Ein Alltagsgegenstand von heut' ? Ein Kummer, ein Verlust, ein Schlag, Der kam und wieder kommen mag? Gleichviel : die Dime sang und sang, Als wollt ihr Singen nimmer enden ; Sie sang und schnitt und biickte sich, Die Sichel in den Handen ; — Ich lauschte, bis das Herz mir schwoll : Dann schritt ich fort, des Tones voll, Und trug ihn mit, wohin ich wallte, Lang noch. nachdem er mir verhallte. Ferd. FreiligratJu Lied an den Kuckuck. O Friihlingsbote, dich horte ich, H6V dich und froh bin ich schon, O Kuckuck, nenn' ich Yogel dich ? Bist du nur ein wandernder Ton ? Ruh' ich im Gras und trifft nun da Dein lauter Ruf mein Ohr, Dann scheint's, er klinge fern und nah Durch alle Luft empor. Du plauderst dort in Thai und Bach Von Blumen und Sonnenschein, Mir aber rufst du Stunden wach Voll sinniger Traumerei'n. Willkomm, willkomm, du Friihlingssohn. Du bist kein Vogel, wahrlich, Ein Geheimniss bist du mir, ein Ton, Ein Wesen unsichtbarlich. Dasselbe, dem in Jugendtagen Ich horcht' in Feld und Wald, Der Ruf, dem iiberall nachzujagen Mich's trieb, wenn er erschallt. Oft hat cs mich nach dir getrieb Hinaus vie! lange Stunden, Du warst ein HorTen mir, ein Lichen, Ersehnt stets nie gefunden. Und jetzt noch kann ich auf dich horen Und lauschend Liegen im Feld, Bis jener gold'nen Zeit Begehren Sich bei mir eingestellt. O, holder Vogel, der Erde Raum Scheint wieder dann nur ein Unwesenhafter Feeentraum, Ein Platz fur dich zu sein. A. B. 3^ Des wandernden Juden Gesang. Strome rauschen aus den Quellen Manche Felsenstuf, hinab; Doch es finden ihre Wellen Endlich in der Tief ein Grab. Adlerschnell mit kuhnem Satze Schwingt die Gems' ob Klippen sich, Doch an einem kleinen Platze Fiihlt sie wohl sich heimathlich. Gleich dem meergepeitschten Schiffe Schwebt der Rab' im Sturm dahin; Zum geliebten FelsenrifFe Tragt den Schweifenden sein Sinn. Seepferd' in der Wogen Tosen Haben zwar kein eigen Haus ; Dennoch ruh'n die Sorgenlosen Auf der Brust der Fluthen aus. Aber meine Muh' und Plagen, Taglich, nachtlich wachsen sie. Ich muss wandern, ich muss zagen. Denn zum Ziele komm' ich nie. K. L. Kanneg 3& — 254 — Wir sind Sieben. — — Ein einfach Kind, Das athmet ohne Schmerz und Noth, Sein Leben fiihlt in jedem Glied, Was weiss das wohl vom Tod? Ein kleines Miidchen traf ich an, Sie ware, sprach sie, acht Jahr alt ; An Locken reich war recht ihr Haar, Dass dicht sich um ihr Kopfchen ballt. Ein baurisch Wesen hatte sie, Gekleidet war sie auch nur roh, Doch ihre Augen waren hold, Und ihre Schonheit macht' mich froh. Wieviel der Kinder seid ihr wohl, Schwestern und Briider, sag' an. — Wieviel? in Allem sieben, sprach sie, Sah ganz erstaunt mich an. Wo sind sie denn ? — Komm, sag' mir das, Nur sieben und nicht mehr ; Zu Conway wohnen zwei von uns, Und zwei sind auf dem Meer. Zwei von uns auf dem Kirchhof sind, Eine Schwester, ein Briiderlein ; Und in der Kirchhofshiitte nah' bei Wohn' ich mit der Mutter mein. Du sprichst, zu Conway wohnen zwei, Zwei sind zur See — sag' an, Doch seid ihr sieben — mein liebes Kind, Wie geht denn das nur an ? Da sprach das kleine Ding : Nun ja, Sieben Knaben und Madchen sind wir ; Zwei von uns unter dem Baume ruhn, Da, auf dem Kirchhof hier. Du laufst herum, du kleines Ding, Du laufst, das seh' ich ein ; Doch liegen auf dem Kirchhof zwei, Konnt ihr nur funf noch sein. — ^55 — Ihre Graber sind grun, man kann sic sehn, Sprach sie mit Lustigkeit, Zwolf Schritt oder mehr, von uns'rer Thfir, Da liegen sie Seit' an Seit'. — Meine Strtimpfe strickt' ich ofters dort Und hole mein Nahzeug vor Und sitze auf dem Boden dort Und singe ihnen was vor. Und oft nach Sonnenuntergang, Wenn der Himmel hell und roth, Trag' ich mir meinen Napf dorthin Und esse mein Abendbrod. Das kleine Hannchen starb zuerst, Sie lag auf dem Bettchen dort Und stohnt, bis Gott sie hat erlost Vom Schmerz, dann ging sie fort. Sie legten sie auf den Kirchhof hin, Und den ganzen Sommer, Mann, Da spielten bei ihrem Grabe wir, Ich und mein Bruder Johann. Und als der Boden weiss von Schnee, Und ich lief und gleitete hier, Da musste Bruder Hans auch fort, Der liegt nun neben ihr. Wie viele seid ihr denn, sprach ich, Wenn zwei im Himmel sind ; Herr, sieben sind wir, wir sind sieben, Antwortete das Kind. Doch zwei sind todt, die zwei sind todt, Im Himmel sind die Sieben. — Ich sprach vergeblich — sie blieb dabei, Und Hess nicht ab, dass dem so sei. Nein, sagte sie, wir sind sieben. O. L. B. Wolff. ^k Samuel Taylor Coleridge. Ein origineller. kraftvoller, in seiner Sprache bilder- reicher, oft aber auch dunkler Poet und eben solcher Denker. Er wurde geboren 1772 und starb 1834; von seinen Dichtungen sind besonders nennenswerth die visio- nare Romanze „Cristabel", „Kubla Khom", die phantastische Nachbildung eines Traumes, „Der alte Seemann", r Die Reue", eine Tragodie und einige Oden. Inschrift fur einen Heidequell. O, diese Sykomore, bienenumsummt ! . . . Ein Zelt, wie's Patriarchen liebten ! — Mag Ein jeder ihrer Zweige lange noch Das kleine Becken iiberwolben, das Dies Felsstiick hier vor fallenden Blattern schiitzt! Mag dieser Sprudel, ruhig wie ein Kind, Im Schlafe athmend, manchem Wanderer Noch seine Wasser spenden, kalt und frisch ! Und jenes Haufchen Sand, das leis am Grund Gleich einem Elfenpagen — grosser nicht — - Liebreizend hiipft und nie den Spiegel kriiust, Fur alle Tage sich im Tanze drehn ! . . . Zwielicht ist hier und Kiihle ; hier ist Moos, Ein weicher Sitz, und schattig griisst er dich, — Nicht einen Zweiten giebt es weit und breit! — Trink', Pilgrim, hier! hier raste ! und wofern Dein Herz der Flecken bar, wird auch dein Geist Erquickung linden, wahrend iiber dir Ein Bienchen summt und lispelnd rauscht der Wind. Bruno Sa Inter. — 2 57 " Sonett an den Fluss Otter. I)u Hebe Ileimathliuth ! Du wilder Baeh! Wie manches wechselvolle Jahr entfloh, Wie manche Stunde, traurig oder froh, Seit ich auf glattem Fels, dem Wasser nach, Aufklomm zuletzt! Der siissen Kindheit Tag Driickt sieh so tief ein, dass, wenn ich die Augen Nur einmal schliess', an sonn'ger Tage Brand, Gleich deiner Fluthen Farben auf mir tauchen, Der Steg darauf, der weidengraue Rand, Das sand'ge Bett, drob deine Fluthen hauchen Ein duftig Farbenspiel ! Wie oft empfand Ich, Kindheitsbilder, euch in meinem Herzen, Davor des Mannes Schmerz in Thranen schwand. O, war' ein Kind ich wieder ohne Schmerzen. A. Buchner. Beim Anblick einer Bliithe im Februar. Du siisse Blume, furchtsam blickst du aus Dem rothen Stamm (denn sonderbar ! es hat Der diist're, rauhe, klapperkalte Monat Des Zepyr's Hauch geborgt und blickt auf dich Mit blauem Aug', sehnsiichtig!) arme Blume! Dies ist nur Schmeichelei treuloser Jahrszeit ; Vielleicht entrinnt jetzt ferner, nord'scher Hohle Der Nordost schon und braust vom Pol daher. Du Blume, todtgeweiht ! Vergleich' ich dich Mit einer siissen Maid, die allzuschnell Aufbliihend hinzehrt voll unzeit'ger Reize? Mit Bristowas' merkwiird'gem Sangerj tingling, 1 ) Der Bliithe, die, der Erde kaum verwandt, Im triiben Winterstrom der Armuth sprosste, Bis sie Enttauschung und des Unrechts Drang Zerschlug? Vergleich', in schmerzlicher Entrustung, Ich dich mit jener armen Polen Hoffnung, Der noch im Keim geknickten Hofmungsbliithe : Leb', siisse Blume, wohl ! es werde dir Ein besser Schicksal, als mir ahnt. Betriibte *) Thomas Chatterton; vgl. diesen. Engl. - Amerik. Dichter! - 2 5 8 - Vergleiche stahl ich einst, in Sang gewebt, Angstvollem Selbst, dem harten Lebenslehrer. Das warme Weh'n des sonn'gen Xages bebt Mich durch und stimmt die Orgel angemessen, Und mischt betriibteste Gedanken selbst Mit suss'rem Fiihlen. wie im harten Ton, Der sanft gespielt auf zartem Instrument. A. Buckner. &* Auf dem Brocken. Ich stand auf Brockens Herrscherhoh' und sah Walder ob Waldern, Hiigel iiber Hiigeln, Ein wogend Meer, nur von der blauen Feme Begrenzt. Nicht sonder Muhe zog ich abwarts, Den Fuss durch ewig grune Fichtenwalder, Wo hellgriin Moos sich hebt. Grabhiigeln ahnlich, Mit Sonnenschein durchglanzt, und der doch selt'ne Vogelsang zum hohlen Schalle wird, Und ewig gleichen Sauselns feierlich Der Windstrom sein Gesausel nicht vermischt Mit hauf'ger Wasserfalle hauf'gem Platschern Und dem Geschwatz der Quellen, wo auf einzeln' Steinblocken laut die Gais mit hellem Glockchen Froh hiipft, auch wohl ein alter Bock romantisch Mit weissem, leisbewegtem Barte sitzt. Langsam und miide ging ich waiter, denn Ich fand, dass selbst die hehrste, airss're Bildung Nur durch ihr innVes Leben auf uns einwirkt, Als Zeichen hohen Werths, das nicht das Aug' Durchschaut, in dem das Herz nur liest, sei's Andenken oder Ahnung Freundes, Kindes, Des holden Madchens uns'rer ersten Liebe, Des Vaters oder des erhab'nen Namens Des heil'gen Vaterlands. - O Konigin, Du Gottheit. von dem Erdball abgeordnet, Mein theures England, wie mein sehnend Auge Nach Westen blickt, im Wolkenberg dort deine Sandigen Klippen schauend ! Susse Heimath, An dich gedenkend, hob dies Herz sich stolz, Ja, schwamm mein Aug' in Thranen ! Alles was Vom Brocken aus ich sah, Gebirsf und Walder, — ^59 — Es war verschwunden, wie ein flflchtiger Verwirrter Traum. O, Fremdling, tad'le nicht Leichtsinnig dies Gefiihl : acht 1 ich doch auch, Beleidigendem raschen Zweiiel wehrend, Des Mannes hohern Geist, der allenthalben Gott f ii hit, Gott, der gemacht zu einer grossen Familie uns all', zu unserm Vater Sich selber und die Welt zu uns'rer Heimath. K. L. Kannegiesser. Liebe. Gedanken, Leidenschaft, Entziicken, Was immer auch bewegt das Blut, Sind sammtlich nur der Liebe Diener Und nahren ihre heil'ge Gluth. In meinen wachen Traumen leb' ich Die sel'ge Stunde oftmals durch. Wo mitten auf dem Bergespfade Ich lag bei der bemoosten Burg. Sich mit des Abends Licht vermischend, Bestrahlt' uns sanft der Mondenschein ; Und sie war dort, die Heissgeliebte, Die mir ganz eigen, vollig mein. Sie lehnte sich, mir gegeniiber, Dort an das alte Rittei-bild, Und horchte dann auf meine Weisen, Im Abendscheine, still und mild. Sie hatte wenig eig'ne Sorgen — Sie, meine Hoffnung, meine Lust, Liebt' mich am meisten, wenn mein Singen Mit Trauer fullte ihre Brust. Ich spielte sanfte Trauerweisen, Und sang ein alt' und riihrend' Lied, Das gut zu jenen Triimmern stimmte, Die Epheu rings und Moos umzieht. 17* 26o — Sie horcht mit wechselndem Errothen Und blickt bescheiden vor sich hin, Sie wusste wohl, ihr in das Antlitz Dabei zu sehn, trieb mich mein Sinn. Ich sang ihr dann von jenem Ritter, Auf dessen Schild ein Feuerbrand ; Und der einst warb zehn lange Jahre Dort, urn die Herrin von dem Land. Ich sang ihr, wie er litt; — die Tone, Mit denen ich des Andern Schmerz Ihr schilderte — so tief, so klagend, Erklarten ihr mein eig'nes Herz. Sie horcht' mit fliegendem Errothen Und sah bescheiden vor sich hin, Verzieh mir, dass mich, gar zu zartlich. Sie anzuschauen trieb mein Sinn. Doch als ich sang, wie schwer Verachtung Den kiihnen Ritter fortgebannt, Wie er die Berge iiberstiegen, Bei Tag und Nacht nicht Ruhe fand ; ■ Doch oftmals aus den wilden Schluchten Im dunkeln Schatten viele Mai, Und oftmals plotzlich ihm erscheinend Im griinen und besonnten Thai, Ihm in das triibe Antlitz schaute Ein Engel wundervoll und licht ; Und dass er wusst', es sei ein Wesen, Von boser Art, der arme Wicht ; Und dass, nicht wissend, was er thue, Er mitten unter eine Bande Sich stiirzte, und von Schmach errettet Die Herrin von dem Lande. Und wie sie weint und vor ihm kniete. Wie sie vergebens ihn gepflegt, Urn die Verachtung mild zu suhnen, Die seinen Wahnsinn aufeeregt. — 26l — Wie in der Ilohle sie ihn wartet, Und wie sein Toben sich gelegt, Als er auf's gelbe Laub des Waldes, Ein Sterbender, sich hingelegt. Die letzten Worte — doch erreicht' ich Das Zarteste im ganzen Sang, Dann stort das Mitleid ihre Ruhe, Denn zitternd war mein Ton und bang. Und was das Herz nur und die Seele Bewegt, durchschauerte sie auch, Das Trauerlied, die Saitenklange, Des Abends balsamreicher Hauch : Hoffnung und Furcht, die Hoffnung nahret, Wie sich das unerkenntlich regt, Und holde Wiinsche, lang bezwungen, Bezwungen und doch lang gepflegt. — Sie weint aus Mitleid und Vergniigen, Errothete vor Lieb' und Scham, Und hauchte leise meinen Namen, Den wie im Traum mein Ohr vernahm. Ihr Busen wallt' — sie ging bei Seite, Indess mein Blick auf ihr verweilt — Dann ist sie plotzlich, schiichtern weinend, Und zaghaft zu mir hingeeilt. Sie schliesst mich halb in ihre Arme, Umfasst mich, driickt mich an sich dicht, Und lehnt zuriick ihr Haupt, aufblickend, Und schaut mir in das Angesicht. Halb war es Furcht, halb war es Liebe Und halb war es verschamte List, Damit ich lieber fuhl', als sahe, Wie tief ihr Herz erschiittert ist. Ich stillt' die Furcht, da ward sie ruhig, Hat ihre Liebe stolz vertraut. — Und so gewann ich die erkor'ne, Die herrliche, die schone Braut. O. L. B. Wolf. Robert Southey. Mehr ausserlich glanzend, als tief, hat Southey das Verdienst, in der poetischen Erzahlung der Pfadfinder fur Byron und andere Zeitgenossen gewesen zu sein. Seine Phantastik ist nicht immer phantasievoll, seiner Empiindung fehlt es an innerlich warmen Tonen, und die Reflexion uberwiegt oft die Gestaltung. Manchmal aber, besonders in seinen Gedichten, gelingt es ihm jedoch, einfach und naturlich zu sein und dann ist die Wirkung, die er aus- ubt, eine reine und voile. Er lebte. zu Bristol geboren, von 1774 — 1843- Die Schlacht von Blenheim. An einem Sommerabend sass Nach schwer vollbrachtem Thun, Alt Kaspar vor der Hiitte Thiir, Im Sonnenschein zu ruhn. Und bei ihm auf dem Rasen hin Spielt Minchen, seine Enkelin. Sie sah, ihr Bruder Peterchen Rollt etwas gross und rund. Beim Spielen an dem Bachlein dort That er den schonen Fund. Nun kam und fragt er urn den Fund, Der war so gross und glatt und rund. Alt Kaspar nahm's dem Knaben ab, Der fragend zu ihm blickt. Er seufzt: „Das ist ein Schadel, sieh!" Und mit dem Kopf er nickt. „Der arme Teufel fiel, u sprach er. „Beim grossen Sieg voll Ruhm und Ehr. - 263 - Im Garten find' ich manchen so, Sic liegen hier zu Hauf, Und oft, wenn ich zum Pfiiigen geh, Wuhlt sie der Pflugschar auf. Viel Tausend" schlug man todt," sprach er, „Beim grossen Sieg voll Ruhm und Ehr. u Klein Peter ruft: „Nun sag du uns Von Allem Jetzt Bescheid." Klein Minchen sieht zu ihm empor Mit Augen wundernd weit : „Nun sag' vdm Krieg uns Alles, sprich ! O sag, warum sie schlugen sich." „Der Englander schlug den Franzos," Der alte Kaspar spricht, „Doch warum' sie so schlugen sich, Dass weiss ich selber nicht. Doch alle Welt sagt ja, u — sprach er, „Es war ein H Sieg voll Ruhm Und Ehr. Mein Vater wohnt in Blenheim da, An jenem kleinen Bach. Sie brannten nieder ihm sein Haus Und fliehen musst' er, ach ! Mit Weib und Kindern rloh er nun, Behielt nicht, wo sein Haupt zu ruhn. Mit Feu'r und Schwert man weit und breit Ringsum das' Land verdarb, Und manche Frau im Kindbett da, Manch' Neugeborner starb; Doch ohne das geht's mal nicht her Bei einem Sieg voll Ruhm und Ehr. Man sagt, ein Schauderanblick war's, Den auf dem Feld man sah. Viel tausend" Leichen unverdeckt In Faulniss lagen da. Doch ohne das geht's mal nicht her Bei einem Sieg voll Ruhm und Ehr. Der Herzog Malborough Ruhm gewann Und unser Prinz Eugen." Und Minchen rief: „Nein, das ist schlecht, Dass so was- kann geschehn!" 264 — „Nein, meine Tochter! nein !" sprach er. „Es Avar ein Sieg voll Ruhm und Ehr. Und alle Welt den Herzog pries Ob diesem grossen Sieg." „Doch was" -- rief da klein Peterchen, „Was niitzte denn der Krieg?" — „Hm, ja, das weiss ich nicht," sprach er. „Doch 's Avar ein Krieg voll Ruhm und Ehr." Dcuiicl Sanders. Die Rose. Nicht doch, Editha, schone mir die Rose, Sie lebt A r ielleicht und fuhlt der Sonne Strahl Und trinkt erfrischt den Thau der Nacht. — Zerreisse Mit zarter Hand nicht ihres Lebens Faden, Zerstore nicht ihr das Gefuhl des Seins. — Unglaubig lachelst du. — Lass dich erbitten. Und ich erzahle A^on A^ergang'ner Zeit, (In alten Sagen bin ich Avohl beAvandert;) Wenn du sie leben lasst. Es gab einst Tage, Eh' diese frischeste von alien Blumen Der Erde Lauben deckte. — Du hortest nicht, Wie durch ein Wunder erst die duft'gen Blatter Errothend sich dem Sonnenstrahl entfaltet. Es Avohnt' zu Bethlehem ein judisch Miigdlein, Zillah ward sie genannt, sie Avar so schon, Dass ganz Judaa ihres Lobes voll. Wer ihrer Augen dunkeln Glanz gesehn, Der ihre Seele zeigt', und Avelche Seele Strahlt in dem milden Feuer, dem Avard Aveh : Nicht in der Einsamkeit, noch in der Menge Entging er der Erinn'rung, noch vermied er, Das (iberall ihr Bildniss nicht ihm folge, Die Blicke fesselnd und das Herz erfullend. Doch Aveh Avard ihm, sie kannte keine Liebe, Als nur des frommen Eifers tiefe Gluth, Denn alle Neigung ihres Geistes einte Sie in der Liebe nur zu ihrem Schopfer. Die Manner ihres Stammes seufzten stets — 265 Vergebens nach ihr, doch verehrten Bie Die starre Tugend, ihrer Hoffnung Tod. Nur Einer war dort. eitel, schlecht, verderbt, Der sie erblickt, begehrt und dann versweifelnd Sie hasste. Starr auf ihrer Wange haftet Sein sinnlich Auge, bis des Zorns Errothen Ihr neue Schonheit gab, er wilder gliihte. — Sie scheute sich vor ihm, sein Blick war frech Und seine Ziige trugen das Geprage Selbstsucht'ger Wiidheit; noeh mehr furchtet' sic Den bittern Groll verletzter Eitelkeit, Der seiner Mienen schwaches, falsches Lacheln Mit wildem Feuer iibergoss. — Sie furchtet' Ihn nicht umsonst, denn Hamuel schwur Rache Und legte Fallen ihrem keuschen Rut". — Geschickt verbreitete er bose Kunde, Die schnell sich weiter pflanzt' und Glaubcn fand, Wie Zillah's Blick im Tempel himmelwarts Gerichtet, nur entzuckten Eifers strahle. Doch dass es Manchen gebe, der ihn auch Von anderem Gefiihl beseelt, erschaut ; Wie es ein leichtes Werk sei, vor der Menge Am hellen Tag die Heilige zu spielen, Allein, dass alle Augen Nachts sich schlossen ; — Ja, dass ihr Leben schlecht und strafbar sei. — Es schame sich der Mensch, dass er so leicht Der bosen Zunge willig Glauben leiht, Die eines Andern guten Rut" vernichtet. Die bose Kunde wurde, kaum gehort. Auch wiederholt, und Glauben ihr geschenkt, Denn Hamuel erfand durch schnoden Kunstgriff So schweren Schein der wSchuld — dass zu dem Tode Der tiefsten Schmach die Jungfrau ward verdammt. Jenseits der Mauern war ein wiistes Feld, Ein schwer verhasster Platz, denn dort erlitten Verbrecher ihren Tod — dort baute man Den Scheiterhaufen, thiirmte rings den Brennstoff. Der die gekrankte Jungfrau todten sollte. Verlassen schien von Gott und Menschen sie. Versammelt sahn die Bethlehemiten Dem Schauspiel zu, und als sie Zillah nun Gefesselt schauten, an dem Pfahl, wie sie In stiller Frommtekeit den sanften Blick — 266 — Zum Himmel hob, begannen sie zu zweifeln An ihrer Schuld. — Von anderen Gedanken Erfullt, stand Hamuel bei dem Pfahl, ihn hatte Die wilde Lust dahin gefiihrt, doch regten Gefiihle, ungewohnt, sich jetzt in ihm, Die ersten Qualen der erwachten Siinde, Der Holle Boten kundeten sich an. Das Auge Zillah's, als sie rund um schaute, Fiel auf den Morder plotzlich und verweilte Dort einen Augenblick ; es drang ihr Blick In seine Seele, wie ein Dolch, und Hess Drin tiefe Wunden, unheilbar zuriick. Gewissen ! Gott in uns ! nicht in der Stunde Des Ruhmes schonest den Verbrecher du, Nicht in des Todes Stunde, noch der Schmach Fliehst du den Frommen. — Seht, die Fackel dort, Sie nahern sich dem Pfahl — o haltet ein, Erstickt die Flammen — weh, sie steigen auf, Erreichen die Unschuldige. — O Gott, Beschiitze die Gequalte — weh, die Glut Verbreitet sich, sie wirbelt auf und wiithet. — — — Gott sendet seinen Hauch — vor seinem Wehen Beugt sich die Brunst — und alle ihre Flammen In einem langen Blitze sich vereinend, Ergreifen und vernichten Hamuel, Ihn ganz allein — hort ihr das Angstgeschrei Der Menge — doch mehr Wunder noch — der Pfahl Entsprosst — und breitet seine Zweige rings Als eine Laube um die fromme Maid. Und Rosen bluhen rings — zum ersten Mai Erblickt, seitdem das Paradies verloren — Und fullen rings die Luft mit Edens Diiften. O. L. B. Wolf. Der Catarakt von Lodore. Wie kommt das Wasser herab bei Lodore? Hier kommt es funkelnd Und da liegt es dunkelnd, Hier staubend und schaumend, Und trotzig sich baumend — 267 — Stiirzt es herab wic zum Kampf, Dort schnaubend unci stossend, Sich tosend erbosend Durch Hohen unci Fels mit Gestampf. Wogend und hfipfend, Kriechend und schlftpfend, Krachend und klopfend, Rinnend und tropfend, Schreiend und schmetternd, Wimmelnd und wetternd, Rieselnd und kletternd Urn und urn Sich fassend, sich lassend, Nimmer stumm, Bekampft sich mac h tig, Ein Anblick gar prachtig, Zischend sich mischend Mit ohrbetaubendem Fall und Gesumm. Verweilend und eilend, Und schaukelnd und gaukelnd, Und schimmernd und flimmernd, Und spritzend und blitzend, Und prahlend und strahlend, Und ringelnd und ziingelnd, Und platschernd und zwitschernd, Und gleitend und streitend, Und strudelnd und sprudelnd, Und flatternd und knatternd, Und traufend sich haufend, Und rennend sich trennend, Und treftend und affend, Und laufend und schnaufend, Und weichend und keuchend, Sich walzend und schmelzend. Und rasend und blasend, Und jammernd und klammernd. Und pochend und kochend, Und briillend und quillend, Und fliisternd und knisternd, Und krauselnd und sauselnd, Und klappernd und plappernd, — 268 — Und sausend und brausend, Und schiittelnd und riittelnd, Und rasselnd und prasselnd ; Und schwellend und quellend und bellend, Und winkend und sinkend und blinkend, Und klimmend und glimmend und schwimmend, Und wirbelnd und quirlend und perlend, Und fliessend und giessend und schliessend, Und drangend und zwangend sich mengend, Und tonend und stonend und hohnend, Und schmollend und rollend und grollend ; Und wallend und fallend und schallend und knallend, Und spielend und zielend und spulend und wuhlend, Und bebend und strebend und schwebend sich hebend, Und ringend und springend und singend und klingend, Und schlagend und jagend und zagend und wagend, Und streifend und schleifend und keifend und pfeifend, Sich dammend, sich klemmend, sich hemmend und stemmend, Sich riindend, sich windend, sich findend, verschwindend, Und zitternd und splitternd, gewitternd, erschiitternd, Sich wiegend, sich schmiegend, eiiiegend und siegend, Und so nimmer schweigend. stets niederwiirts steigend, Auf einmal dem Aug' und dem Ohr sich bezeigend, Allerwarts. allezeit, ein gewaltiger Chor — Und so kommt das Wasser herab bei Lodore. Rosa Warre??s. &4&< John Wilson. Seine Poesie schliesst sich eng an die Wordsworth's an. Hoheit der Empfindung und eine fruchtbare Phan- tasie, gedampft durch Hinneigung zur Reflexion, charakte- risiren ihn. Besonders seine poetischen Erziihlungen „Die Palmeninsel" und die „Stadt der Pest" gehoren zu dem Schonsten der englischen Dichtung unseres Jahrhunderts. Geboren im Mai 1785 zu Paisley in Schottland, kaufte er sich nach Vollendung seiner Studien am Vinandermeere in Westmoreland an, wo er im Umgang mit Wordsworth dem Genuss eines entziickenden Landlebens und den Freuden dichterischen Schaflfens huldigte. 1820 nahm er eine Pro- fessur der Moralphilosophie an der Universitat zu Edinburg an und behielt diese Stelle bis zum Jahre 1852. Er starb am 3. April 1854. Ein Begrabnissplatz auf der Nordkiiste von Schottland. Wie traurig diese Statte ruht Mitten im Braus der Meeresfluth, Die leuchtend ihrer Wellen Gold Um die tauben, schweigenden Graber rollt ! Hier freut das kalte, bleiche Licht Die krankelnden Wildblumen nicht ! Summt des Gebirges zieh'nde Biene Verirrt einmal um diese Dime : Nicht fesselt sie der diist're Ort, Zu frischern Bliithen stromt sie fort ! Die Move nur mit bangem Schreien Besucht die staub'gen Hiigelreihen, Kront, wie ein Steinbild, stundenlang Die Gruft, auf die sie leis sich schwang — Andeutend so durch Ruh und Flug Den wilden, mystischen Bezug. Der ihre Nordsee fur und fur Vermahlt dem oden Kirchhof hier. Nicht schlaft auf diesem steilen Damm Irgend ein todter Konigsstamm, Dess Name, jetzt nicht mehr gekannt, Dahinflog mit der Diine Sand. Das Grab dort, noch von Erde braun, 1st wie von gestern anzuschau'n; So oft als kiirzlich sah die Welle Das Bahrtuch weh'n auf dieser Stelle, Und jenes Grasflecks sonnige Rast Erwartet den bestimmten Gast. Kein Kirchlein sell' ich — kein Gelaut Weiht Sonntags diese Einsamkeit. Wie schon die Graber und wie hehr. Die, um das stille Bethaus her, In seiner Gnade Schatten schlafen ! Doch ungetheilt zu seineni Hafen Erkor der Tod sich diese Hoh' ! Und nichts sagt, dass die Schlafer je Aufriittelt einst ein Morgenroth: Jetzt todt, sind sie fiir immer todt — Hofmung, Erinnerung, ihr floh't! Wildkreischender Vogel — in die Wogen, Ob auch dich straubend, fortgezogen: Du, wie ein Geist, mit weissen Fliigeln Ob diesen grasbewachs'nen Hiigeln Langsam dich schwingend — dein Geschrei Sagt mir, wess diese Statte sei! Die auf der See ihr Schicksal traf, Letzt endlich hier ein ungewiegter Schlaf. Das alte Meer, die Wasserode, Warf sie auf diese letzte Rhede : Hier ruhn sie — auf dem grabsteinlosen Kirchhof der scheiternden Matrosen. Manch alter Seemann, der schon weiland Verschlagen sass auf wiistem Eiland, 2 7 I — Und den sodann ein rettend Schiff Von seinem gottverlass'nen Riff Heimnahm, fand hier die Klippe scharf, Die auf den Todesstrand ihn warf! Maneh Einer! Alte Manner, denen Kein Freund, keine Furcht und keine Thranen Den Tod erschwerten — test von Knie Und test von Seele starben sic! Andre zugleich — in Jugendpraeht Wandelnd und in der Mannheit Macht, Dreist zu der Wetterwolke Briiten Aufsehauend unter kecken Hiiten, An Sturm und Wogenschlag sich freuend, Berghohe Wellen nimmer seheuend — Sie bebten doch auf diesem Strand ! Wie Seetang flogen sie an's Land, Eine ganze Mannschaft, Ripp' an Rippe, Zu Tod geschleudert auf der Klippe! Er auch, der Mutter Lust und Gram, Der all ihr Hoffen mit sich nahm, (Ach, Tag und Nacht seit Jahren schon Weint sie urn ihren fernen Sohn !) Er auch liegt hier in seinem Grabe, Der schone, blondgelockte Knabe; Indess, ein einzig Mai urn ihn zu kiissen. Sie selbst den Himmel mochte missen ! O, klagen konnt' ich, furchtgepackt ! Denn manche Seele, bleich und nackt, Sitzt hier und weint mit starrem Aug'! Und welch' beklomm'ner Seufzerhauch Aechzt in das spielende Gebrande Der kleinen Wellen rings am Strande : Will gar mit ihren Platschertonen Das Weltmeer seine Opfer hohnen ? Und sieh' ! ein Fahrzeug, schmuck und fein, Segelt dahin im Sonnenschein ! Frisch von der Tanneninsel dort In seine Leinwand braust der Nord. Hinblick' ich auf die todte Schaar, Die erdig und des Sarges baar Daliegt und modert, Mann bei Mann ! Wieder zum sonniijen Schiffe dann — 272 — Mich wendend, das da klingt von hellen Meerliedern seiner Bootsgesellen: Scheint mir's, als hort' ich in die frischen Des Todes Stimme hohl sich mischen, Der grimmig, unbemerkt vom Kreise Der Singenden, Takt halt und Weise, Ausstreckt die diirre Knochenhand Nach den Gespenstern hier am Strand, Dann unter'm Kiel versinkt und lacht, Bis einst in einer dunkeln Nacht, Bei Sturmgeheul und Fluthgetrief, Er ihn hinabreisst tausend Faden tief! Ferd. Freiligrath. Die Vergangenheit. Wie wild und wirr ist dieses Leben, Ein langes, tiefes, schweres Ach ! Wenn, halbertrankt im Thranenbach, Das Auge sieht voruberschweben Der Jugend Bilder, dammerndschwach Vergessen schon, indem sie gehn, Wie wir am Ufer Well' an Welle Zerfliessen sehn ; Sowie an stillen Himmelshohn Die Ambrawolken jetzo weilen, Dann wie ein Traum enteilen. Des Mondes Strahlen spielen schon, Hell auf des hellen Weihers Brust ; Die Seele schaut's mit susser Lust, Doch glauben wir, wenn sie vergehn, Kaum, dass wir sie gesehn. Wie himmlisch tont der Harfe Klang, O, mocht' er nimmer doch verwehn! Er schweigt. Die Seele wird zur Zelle, Wo nie Musik erklang. Traum folgt auf Traum die lange Nacht, Wie schon und schoner immer ! Doch, eh' die Morgenblum' erwacht, Verschwand der Zauberschimmer. — 273 — Und manches Engelsangesicht, Aus welchem Lieb' und Giite spricht, Zieht uns voriiber hier. Die Zeit entflieht, kaum wissen wir, Ob das Gesicht, das uns entziickte, Freud' oder Leid ausdriickte. K. A. Kannegiesser. Engl.-Amerik. Dicbter. 18 Thomas Moore. Einer der popularsten Dichter Englands und der moder- nen Litteratur iiberhaupt. Neben ziindendem Witz und graziosester Komik, steht ihm ebenso viel Zartheit der Empnndung und Tiefe des Gefiihls zur Verfiigung. Eine reiche Phantasie, eine Fulle der glanzendsten und geist- reichsten Bilder und Vergleiche, unendliche Siisse des Ausdrucks und der Sprache charakterisiren ihn ; leider scheitert an letzteren Vorziigen fast jede Uebersetzung. Geboren zu Dublin am 29. Mai 1780, ward er 1803 in Bermuda angestellt und verblieb langer als ein Jahr in Amerika. Zuruckgekehrt nach Europa, machte er Reisen in Italien und Frankreich und verkehrte auf's Intimste mit Lord Byron. Am 26. Februar 1852 starb er zu Sloperton Cottage bei Devizes, Wiltshire, in Geistesumnachtung. Sein Ruhm beruht vor Allem auf den „Irischen Melodieen" und dem romantischen Marchen aus dem Orient „Lalla Rukh". An Irland. Dich vergessen ! So lange mein Herz sich regt, Ist's fur dich, armes Land, stets in Liebe bewegt, Trotz all' deines Kummers. trotz all' deiner Qual Lieb' ich mehr als die iibrige Welt dich zumal ! Warst du glorreich und frei, warst du machtig und hehr, Erste Blume der Welt, schonste Perle im Meer, Ich wurd' auf dich blicken, erfreut und ergotzt — — Aber konnt' ich dich inniger lieben, als jetzt? — — Dein rinnendes Blut und dein schmerzliches Weh, Es macht deinen Sohnen dich theurer, als je : Wir gleichen den Vogeln fast, trinkend voll Lust, Neue Lieb' aus der blutenden Mutterbrust. Oskar Falke. — 275 — O, haucht seinen Namen nicht!*) O, haucht seinen Namen nicht! Lasst ihn im Grab, Wo man ehrlos gesenkt seine Leiche hinab, Und die Thr'ane sei stumm, die dem Aug' sich entpresst, Wie der Thau, der zur Nachtzeit das Grab ihm ben'asst. Doch der Nachtthau, der stumm fallt herab durch die Luft, Soil mit leuchtendem Schimmer umgeben die Gruft, Und die Thriine, die heimlich vom Auge sich senkt, Soil machen, dass stets ihr des Todten gedenkt ! Oskar Falkc. Die letzte Rose. Letzte Rose des Sommers — Noch allein bluht sie dort! All' die lieblichen Schwestern Sind welk und sind fort. Keine Blum' ihrer Gattung, Keine Knospe mehr lauscht, Die spiegelt ihr Errothen, Mit ihr Seufzerduft tauscht. Verlass'ne, nicht sollst du Hinschmachten am Strauch ! Wenn die Lieblichen schlummern, Geh\ schiumm're du auch ! Sanft streu' deine Blatter Auf dem Beet ich umher, Wo duftlos und todt Hegt Der Schwestern suss' Heer. So mog' ich auch bald folgen. Wird Freundschaft dem Staub, Und die Thauperl' am Kelche Der Liebe zum Raub. *) Auf den Tod Robert Emmets , eines innigen Freundes des Dichters, der in dem Kampfe fur die Unab- hangigkeit Irlands noch als Jiingling von den Englandern gefangen gesetzt und hingerichtet wurde. 18* - 2 7 6 Wenn das treue Herz modert Und das zartliche floh : Ach, in oder Welt einsam — Wer noch weilte gern so ? Pfizer. 3^ Dir, dir, einzig dir. Beim Morgenroth, im Abendscheine. Die ganze Nacht traum' ich alleine Von dir, dir, einzig dir. Ob man beim Freund den Wein kredenzt, Wo Jugend lacht und Freude schaumet, Nicht kummert, was da lockt und glanzt Mein einsam diist'res Herz, es traumet Von dir, dir, einzig dir. Was einst entfacht des Geistes Flammen Auf Ruhmeshohen, sank zusammen Vor dir, dir einzig dir. Dem Ufer gleich, dran meerwarts schnell Das Boot vorbeischiesst sonder Weilen, Flieht mir das Sein, triib' oder hell, — Nicht acht' ich's — meine Seufzer eilen Zu dir, dir, einzig dir. Nur Lust, die du bringst, kann mir frommen, Und suss sind Leiden, wenn sie kommen Von dir, dir, einzig dir. Wie Zauber trotzen jeder Macht, Bis zauberkund'ge Lippen sprechen. So kann, ob man's bedraut, verlacht, Mein Herz durch dich, in dir nur brechen, In dir, dir, einzig dir. Wilhelm /del. Die Lieb' ist todt. O, sieh' mich nicht so lachelnd an, Lass ruhn mein Herz einmal : Die Lieb' ist todt, der Jugend Wahn. Der Hoffnung Gliick und Qual. — 277 - Kannst du, wenn ruht des Sommers Tanz Und Eis den Quell umwebt, Bern Blatt erneuen Duft und Glanz, Das diirr im Winde bebt ? O, sieh' mich nicht so lachelnd an, Lass ruhn mein Herz einmal : Die Lieb' ist todt, der Jugend Wahn, Der Hoffnung Gliick und Qual. O, war' in meiner Jugendzeit Tief in mein Herz dein Blick Gefallen, pries' ich gottgeweiht Mein seliges Geschick. Doch jetzt bricht es durch meine Nacht, Wie Sommersonnenstrahl Das Wrack bescheint im Wogenschacht, Und scharft des Elends Qual. O, sieh' mich nicht so lachelnd an, Lass ruhn mein Herz einmal : Die Lieb' ist todt, der Jugend Wahn, Der Hoffnung Gliick und Qual. Arentsschildt. Die Abendglocken. Beim Abendgang der Glockenklang Ertont so suss, wie Wundersang Von Jugendgliick im Vaterhaus ; Bei Glockenklang zog einst ich aus. Die schone Zeit ist langst vorbei ; Manch' Herze brach im Lebensmai, Ruht tief im Grab und hort schon lang. Schon lang nicht mehr der Glocken Klang. Und so wird's sein, wenn ich einst todt : Die Glocke tont urns Abendroth, Nur And're zieh'n das Thai entlang Und preisen laut der Glocken Klang. G. Emil BartheL — 278 — Gef alien ist dein Thron! Nun traur' in Schweigen, Israel ! Gefallen ist dein Thron ! Auf deinen Zinnen lastet Staub, Auf deinen Kindern Hohn. Kein Friihthau mehr befeuchtet Dir Etham's diirr Gestad', Und keine Wolk' erleuchtet Dir furder deinen Pfad! Du liebtest, Herr, Jerusalem — Dein eigen war es ganz ; Zum Throne deiner Herrlichkeit Gereichte dir sein Glanz : Bis zorn'gen Strahls das Wetter In deinen Oelbaum schlug ; Bis Juda falsche Gotter In Salem's Schreine trug. Da sank dein Stern, o Solyma ; Da floh dein Ruhm, wie Spreu ; Wie Haide, die der Wirbelwind Fiihrt durch die Wiistenei. Schweigend und wiist die Hallen, Wo geblitzt der Macht'gen Kleid ! Die Thurm' in's Thai gefallen, Die Baal's Dienst entweiht! „Nun, Assur, wurge!" sprach der Herr; „Zeuch her, du Volk von fern ! Zu Boden ihre Mauern wirf, Denn sie sind nicht des Herrn ! Bis ein Geschrei verkundet Der Tochter Zion Qual ; Bis jammernd sie sich windet In Hinnom's Wiirgethal. a Ferd. Freiligrath. George Gordon Lord Byron. Der umfassendste, tiefste und wirksamste Genius der neueren englischen Poesie wurde geboren 1788 zu London und starb 1824 zu Missolunghi, wohin er den mit den Tiirken kampfenden Griechen zu Hulfe geeilt war. Die neuesten VerofFentlichungen iiber sein Leben beweisen, dass es ein tiefzerrissenes war, aber der Annahme eines siindigen Verhaltnisses zwischen ihm und seiner Schwester entziehen sie den Boden. Das Feuer, das an seiner Seele wie an seinem Leibe frass, hat auch seine Dichterkraft mehr und mehr verzehrt, bis sie auch das Abstossendste in ihren Bereich zog und in der Schilderung des Liisteren, Ueppigen sich schliesslich ausgab. Der „Don Juan" ist dess Zeuge. Seine ubrigen grosseren Dichtungen sind „Ritter Harold's Pilgrimschaft", „Der Giaur", „Die Braut von Abydos", „Der Corsar", „Lara", „Die Belagerung von Corinth", „Parisina", „Beppo", „Mazeppa", „Der Traum", „Der Ge- fangene", sowie die dramatischen „Kain a , w Manfred" und einiges Schwachere. Byron hat trotz seiner Produktivitat seine Kraft vergeudet, indem er sie semen skeptischen Theorien, ja selbst seinen asthetischen truben Anschauungen, die ihm Pope als den bedeutendsten Genius der letzten tausend Jahre erscheinen liessen, aufopferte. Auch fehlt es weder seiner Sprache noch seinen Gedanken an Geziert- heit und an leerem Pathos. An das Meer. Roll' an, tiefblauer Ozean, roll' an, Durch den zehntausend Fluthen spurlos streichen ! Der Mensch verheert das Land, soweit er kann, Dich aber nicht ! Doch d eines Thuns ein Zeichen Schwimmen die Trummer rings ! Nur seine Leichen Lasst dir der Mensch als der Zerstorung Pfand, Wenn er, dem Regentropfen zu vergleichen, — 28o — Gurgelnd und stohnend in der Fluth verschwand, Vergessen, nicht Gelaut', nicht Grab, nicht Bahre fand. D i c h zeichnet nicht sein Schritt ; d e i n e Geiilde Sind nicht sein Raub ! Aufsteigst du, und im Nu Schiittelst du ihn weit weg; und, seine wilde Zerstorungswuth verachtend, schleuderst du Von deinem Busen ihn den Wolken zu ; Wie deinen Gischt lass'st du ihn heulend, fliegen Zu seinen Gottern, wo bald wohl zur Ruh' In naher Bai sich seine Traume wiegen, Und schnellst ihn endlich hin an's Land : — dort mag er liegen ! Kriegsflotten, deren Donner rings die Mauern Der Felsenschlosser, rings die Volker beben, Kon'ge auf ihren Burgen angstvoll schauern; Eich'ne Leviathan', ries'ge, die eben Den Lehmkloss, der sie schuf, zum Wahn erheben, Er sei dein Herr, und Sein der Kriege Loos: Zum Spiehverk sind sie deiner Macht gegeben, Schneeflocken gleich, schmelzend in deinem Schooss, Wie der Armada Stolz, Trafalgar's Wahn zerfloss. Rings schwanden alle Reiche, deines wahrt ; Assyrien, Hellas, Rom — was sind sie worden? Als sie noch frei, hat sie dein Sturm verheert, Seither Tyrannen ! Sclaven, wilde Horden Im fremden Joch, wohnen an deinen Borden ; Lander veroden ; du, trotz wildem Streit Der Wellen, bist noch anders nicht geworden ; Der Stirn' Azur furchte noch nicht die Zeit, Wie dich die Schopfung sah, so nuthest du noch heut\ Glorreicher Spiegel, wo im Wettersausen Blickt des Allmacht'gen Bild ! Zu alien Zeiten, Still und bewegt, im Hauch, im Sturm, im Brausen, Am eis'gen Pol, in gluthdurchflammten Weiten, Nachtdunkel, endlos, hehr, — der Ewigkeiten Erhab'nes Bild, des Unsichtbaren Schrein! Des Abgrunds Ungeheuer selbst entgleiten Bloss deinem Schleim entsprosst! Allwarts herrscht dein Gesetz! So wogst du fort, hehr, bodenlos, allein! Zedlitz. — 28l — Die Nacht auf dem Genfersee. Du Gegenbild der wilden Welt, die ich Bewohnt, o Leman ! Deine Wasser schwellen In siisser Ruh ! Zu tauschen mahnt sie mich Der Erde triibe Fluth fur rein're Quellen. Lautlos entfiihrt der Kahn mich auf dem hellen, Freundlichen See all' meinem Leid ! Wohl lang' Liebt' ich ein tobend Meer ; doch deine Wellen, Sie schmalen sanft, wie Schwesterstimme - Klang, Dass je so rauhe Lust so machtig mich bezwang. Still lauscht die Nacht; dunkel und doch zu sehn, Ganz kennbar, ob auch Schatten es umgeben, 1st Alles zwischen dir und jenen Hohn, Dem finstern Jura ! Seine Gipfel schweben Senkrecht und steil, und wenn wir naher streben, Weht von der Kiiste suss' lebend'ger Duft Der frischen Blumen ; trage Ruder heben Sanft platschernd sich und munter zirpend ruft Im Lied uns „Gute Nacht" das Heimchen durch die Luft! Das schwarmt, ein Kind sein Lebelang, herum Und singt nach Herzenslust! — Es schlagt zu Zeiten Ein Vogel an im Busch — doch bald wird's stumm ! — Am Hiigel scheint ein Liiftchen hinzugleiten. — Doch Tauschung ist's ! Voll stiller Heimlichkeiten Thauen die feuchten Sterne auf die Flur In Liebesthranen nieder und verbreiten, Bis sie selbst weggeweint die eig'ne Spur, Tief ihrer Farben Geist im Busen der Natur. Des Himmels Poesie seid ihr, o Sterne! Verzeihlich, lies't der Mensch, sein Loos zu deuten Und das der Welt, in euren Strahlen gerne ! Verzeihlich ist's, wenn, gross zu sein, zu Zeiten Der Erde Schranken er mocht' uberschreiten, Und er dann wahnt, er sei mit euch verwandt ! Denn ihr seid hold, voll siisser Heimlichkeiten, So, dass, fur euch in scheue Lieb' entbrannt, Gliick, Leben, Ehre, Macht — die Menschen „Stern u genannt. Himmel und Erde ruht ! Nicht schlummertrunken, Doch stumm, wie ernstem Sinnen hingegeben, Lautlos, wie wir, in Running oft versunken ! — Himmel und Erde ruht ! Gesteigert Leben — 282 — Durchwebt die Sternenheere, die dort schweben, Den eingelullten See, den Alpenstrand ! Verloren ist kein Strahl, kein Blatt. kein Beben Der Luft! Ein Theil des Seins. fiihlt sich's verwandt Ihm, der dies All erschuf und schirmt mit seiner Hand. So schwarmt der Geist endlos und fiihlt, allein Sei der am wenigsten, der einsam iebt. D i e Wahrheit schmilzt und reinigt unser Sein ; Ton, Quell und Seele der Musik, erhebt Sie uns zu ew'ger Harmonie und webt, Wie einst Cytherens Giirtel, zauberhaft Liebreiz urn alle Wesen ! Vor ihr bebt Des Todes Schemen selbst ; sein Arm erschlafft, Hatt' er auch in der That, uns weh zu thun, die Kraft. Nicht absichtslos erwahlte sich fiirwahr Berggipfel, die die Erde iiberschau'n, Und Hoh'n der Perser einst, sich den Altar In mauerlosen Tempeln zu erbau'n ! Dort suchte er den ew'gen Geist, dem, traun ! Schwach diinkt der Menschen Werk. Vergleicht den Stein Den Goth' und Griech' zum Gotzenhaus gehau'n, Dem Dome der Natur, der Luft, dem Hain Und pfercht in Mauern nicht eure Gebete ein ! Am Himmel welch' ein Wechsel rings ! — O Nacht, Finsterniss, Sturm, wunderbar ernst seid ihr ; Doch wie ein dunkles Madchenauge lacht, Lieblich zugleich ! — Durch's ganze Felsrevier. Von Hoh' zu H6h\ rollen bestandig schier Die Donner fort, 's ist e i n e Wolke nicht, Die Stimm' erhebt jedwedes Berghaupt hier Und Antwort ruft, durch Nebelhiillen dicht, Jura, der Alpe, die laut jubelnd mit ihm spricht. Welch' eine Nacht! — O. hochst glorreiche Nacht, Nicht Schlummers wegen schmiickt dich solche Zier ! Lass mich geniessen deine wilde Pracht, Der ich ein Theil ja bin vom Sturm und dir ! — Ein Phosphormeer ergliiht der See vor mir; Der dicke Regen tanzt vom Himmel nieder Und wieder finster wird's ; und nun hallt hier Die Bergeslust der lauten Hiigel wieder, Als regt' die Erde froh in jungem Muth die Glieder. . — 2S3 — Dort wo der schnelle Rhon wogt zvvischen Ilohen, Aehnlich zwei Liebenden, die Hass geschieden, Die sich getrennt durch tiefe Kliifte sehen Und ewig fern, sich nimmermehr befrieden; Obgleich sie sich gebroch'nen Herzens mieden Und Liebe nur des Haders Wurzel war, Das Gift war, das die Bliithe frass hienieden, Und die, als sie entflohn, fur manches Jahr Nur Winter hinterliess und Kampfe immerdar. — Dort, wo der wilde Rhon sich Weg bahnt, halten Die machtigsten der Wetter ihren Stand ; Nicht eines nur, nein, viele sieht man walten, Der Donnerkeil entfliegt von Hand zu Hand, Leuchtend ringsher! — Urn diese Bergeswand, Die zwiegespalten, blitzgerothet, thront Das furchtbarste ; als war' es ihm bekannt, Dass in der Schlucht hier, wo Zerstorung wohnt, Nichts, was sich drin verbirgt, der lohe Strahl verschont. Gebirge, Himmel, Blitz, See, Fluss und Nacht, Wind, Wolken, Donner und ein Geist, der, voll Davon, dies fiihlen lehrt — sie sind gemacht Wohl, urn mich wach zu halten ! — Fernher schwoll Rings eure Stimme und gleich ihr erscholl, Was in mir schlaflos, w e n n ich raste ! Sagt, Wo, Sturm', ist euer Ziel ? Gleicht euer Groll Den Stiirmen unsrer Brust oder erjagt Ihr, Adlern gleich, den Horst, der hoch in Wolken ragt ? Konnt' ich entkorpern jetzt, konnt' aus ich sprechen, Was mir am machtigsten den Busen hebt ; Konnt' ich am Ausdruck den Gedanken rachen, Ausspruhen Seele, Herz, was mich durchwebt, Stark oder schwach, was ich erlitt, gestrebt, Gekannt, gefuhlt, in e i n Wort und dies Wort Es war' ein Blitz: — ich sprach's! So aber lebt', So sterb' ich ungehort ; und wie im Hort Der Scheid' ein Schwert, fuhl' sprach - und stimmenlos ich fort ! S^ Adolf Bottger. — 284 — • Lebe wohl! Lebe wohl und war's fur immer, Leb' denn wohl fur alle Zeit ! Ob du nicht vergiebst. soil nimmer Rechten wieder dich mein Leid. Hatt' dein Aug' die Brust durchdrungen, Dran so oft sich barg dein Haupt, Wenn dich siisser Schlaf bezwungen, Der auf immer dir geraubt — Konnt' der Brust geheimstes Denken, Hellbegliinzt dein Blick umfahn, Glauben wurdest du ihr schenken, Dass zu weh du ihr gethan. Mag die Welt dir Lob bekunden, Die ich urn dich lacheln seh\ Selbst ihr Preis sollt dich verwunden, Ruh'nd auf eines Andern Weh. Manchen Fehltritt wohl beging ich, Doch — gab andern Arm es nicht, Als nur den, der einst umfing mich, Zu vollstrecken mein Gericht? Doch nicht selbstgetiiuscht vergiss es : Liebe geht nur nach und nach; Wahne nicht, dass jahen Risses Sich ein Herz vom Herzen brach ! Leben pocht in deinem weiter, Wie das meine blutend brennt, Und der Gram, der ihr Begleiter, 1st doch ewig wie getrennt. O, ein Wort voll tief'rem Kummer, Als der Tod entpresst ihm hatt' ; Beide leben, doch vom Schlummer, Weckt uns ein verwittwet Bett. Hoftst du, Trost mog' dir gewahren Unsres Kindes stammelnd Wort, Wirst du's „Vater u sprechen lehren, Dem kein Vater wacht hinfort ? Wenn ihr Handchen dir begegnet, Sich ihr Mund an deinen presst, Denke sein, der noch dich segnet, Den du liebend segnetest ! Sollt' ihr Antlitz jenem gleichen, 23 5 - Das auf immer du verliesst, Zitternd wird's dein Herz beschleichen, Dass es dennoch treu mir ist. All' mein Fehlen magst du wissen, All' mein Leid ist nur in mir ; A1P mein Hoffen liegt zerrissen, Wo du gehst — doch geht's mit dir. Kein Gefiihl mehr kann ich fassen ; Stolz, der einer Welt nicht wich, Weicht vor dir — von dir verlassen, Auch verlasst die Seele mich. Doch es ist — umsonst die Worte — Eitler, wenn mein Mund sie spricht ; Nur das Denken sprengt die Pforte, Und der Wille zahmt es nicht. Leb' denn wohl ! — So — ohne Hoffen, Ohne Band, dass mich umflicht, Herzwund, einsam, blitzgetroffen — Mehr noch sterben kann ich nicht. Wilh elm Jen sen. Strophen. O, mein einsam — einsam — einsam Kissen, Wo bleibt mein Herzensfreund, der susse, traute ? Ist es sein Schiff, das ich im Traum erschaute, Weit, weit von hier, von Sturmen fortgerissen ? O, mein einsam — einsam — einsam Kissen, Die Stelle kuss' ich, die sein Haupt umfangen, Wie sind die Nachte langsam hingegangen, Seit er mich Hess in diesen Kummernissen ! O, mein einsam, mein betrubtes Kissen, Lass suss mich traumen, lass mein Herz nicht brechen. Mein Liebster kommt — ich habe sein Versprechen, Noch ist der Tod zu fruh — du musst es wissen. Und hab' ich ihn, nicht mehr mein einsam Kissen, In meine Arme will ich heiss ihn pressen, O, dann sei aller Kummer rasch vergessen, Dann sei sein liebend Herz mein Sterbekissen. Dranmor. $& — 286 — Senacherib. Wie Wolfe in die Hiirde, brach Aschur's Macht herein, Und es prangten seine Schaaren in Gold und Purpurschein; Wie auf dem Meere die Sterne, war seiner Speere Glanz, Wenn Nachts die Wellen zahllos sich heben in krauselndem Tanz. Wie Waldeslaub im Sommer, wenn griin die Baume stehn, War noch mit seinen Bannern ain Abend das Heer zu sehn. Wie Waldeslaub im Herbste, wenn kalt der Wind gebeut, Lag dieses Heer am Morgen verwelkt dahingestreut. Denn her auf Sturmesschwingen der Todesengel flog Und hauchte dem Feind in's Antlitz, als er voriiberzog. Da wurde Nachts das Auge der Schlafer stier und kalt, Und es hob sich ihr Herz noch einmal und schwieg auf ewig bald. Mit weitgeofmeter Niister lag da das Schlachtross gut, Doch ihm entschallet nimmer sein Schnauben in stolzem Muth. Der Schaum seines Todeskampfes glanzt rings am Rasen umher. Weiss, kalt, weithin wie Spritzschaum, den aufwirft das sturmische Meer. Bleich liegt mit verzerrten Ziigen der Reiter ausgestreckt, Und es deckt der Thau die Stirne, und der Rost die Riistung deckt ; Und rings die Zelte schweigen, das Banner einsam steht, Unerhoben bleibt die Lanze, ungeblasen die Drommet'. — Und Aschur's Wittwen weinen und klagen laut zumal, Und es stiirzen alle Gotter im Tempel ein des Baal. Die gewalt'ge Macht der Heiden ist sonder Kampf und Streit Dem Schnee gleich hingeschmolzen vor Gottes Herrlichkeit. Emil Neubiirger. Die Ebraerin. Sic geht in Schonheit, gleich der Nacht In wolkenlosem Sternenlicht : Des Schattens und des Lichtes Pracht 2S 7 Eint sich auf ihrem Angesicht, Aus dem ein milder Schimmer lacht, Der stets dem grellen Tag gebricht. Ein Strahl hinweg, ein Schatten mehr Und fort wiird' auch die Anmnth sein, Die aus dem Rabenlockenmeer Die Stirn umglanzt mit sanftem Schein, Wo die Gedanken suss und hehr Verkiinden, dass ihr Wohnsitz rein. Und auf der Stirn. dem Wangenpaar, Spricht von dem reinsten Jugendmuth So sanft beredt, so ruhig klar Des Lachelns Reiz, der Farben Gluth Von einem Herzen wunderbar Wo Liebe voller Unsehuld ruht. Adolf Bottger. S^ Jephta's Tochter. Da unser Land und unser Gott es wollen, Dass deiner Tochter Tage enden sollen, Da deines Sieges Preis mein Opfer war, So triff mein Herz ! Ich biet' es willig dar. Die Tone meiner Klage sind verhallt ; Nicht schauen furder mehr mich Berg und Wald, Und gern reisst sich vom Leib die Seele los, Kommt von so trauter Hand der Todesstoss. Und dessen, Vater, kannst du sicher sein, Dass deiner Tochter Seele rein, so rein, Wie nun dein Segen mir im Tod gegeben, Und wie mein letzter Trostgedank' im Leben. Und ob die Jungfrau'n nun von Salem klagen, Fest bleibt der Held und darf nicht schwanken, zagen. Den grossen Sieg hab' ich euch zugewandt, Frei ist mein Vater, frei mein Vaterland. Wenn nun das Blut verstromt, das du mir gabst, Die Stimme ewig schweigt, d'ran du dich labst, Lass deinen Stolz mein Angedenken sein, Denn lachelnd ging zur ew'gen Ruh' ich ein. Emit Neuburgcr. Am 22. Januar 1824. Zeit ist's, mein Herz, zu schweigen nun, Seit kalt die Welt fur dich geblieben, Doch mag auch Liebe zu mir ruh'n, Will ich doch lieben. Des Lebens Herbst kam mir herbei, Der Liebe Bliithen, Friichte weichen, Und Kummer nur und Schmerz und Reu' Sind nun mein eigen. Das Feuer meines Busens brennt Einsam wie ein Vulkan im Meere — Ein Scheiterhaufen — Niemand kennt Es in der Leere. Furcht, Hoffnung, Eifersucht, das Hoch- Gefuhl der Lieb' und ihre Leiden Darf ich nicht theilen mehr und doch Kann ich's nicht meiden. Allein nicht so, nicht hier, nicht jetzt Passt es, dass sich soldi' Sinnen findet, Wo Ruhm des Helden Grabstein setzt Und Kranze windet. Ich sehe Fahne, Schwert und Feld Um mich, den Ruhm, das Land der Griechen, — Der Sparter, auf das Schild gefallt, 1st neu erstiegen. Wach' auf! (nicht Hellas — du bist wach !) Wach' auf, mein Geist! denk', wem entsprossen Du bist, dem Vorbild strebe nach Der Stammgenossen. Ermanne dich, zertritt in Staub Der Leidenschaften nied'res Streben, Sei fur der Reize Flustern taub, Die dich umschweben. 289 -" Reut dich die Jugendzeit, so stirb ! Ein Ehrentod ist hier im Lande Bereit ; auf, in das Feld ! erwirb Jm Schlachtgewande Den oft gefund'nen, schwarzen Schatz ; Ein Kriegergrab, fur dich das Beste ! Blick urn dich, wahle deinen Platz, Die letzte Feste ! Buchner. ^£> En^l.-Amerik. ©ichter. 10 Percy Bysshe Shelley. Wurde geboren am 4. August 1792 zu Field Place in der Grafschaft Sussex. Seines offen ausgesprochenen Atheismus wegen wurde er, 17 Jahre alt, von der Univer- sitat Oxford ausgestossen und dichtete bald darauf seine „K6nigin Mab u . Seine erste Ehe, die er gegen den Willen der Eltern mit einem unbemittelten Madchen eingegangen, Mel ungliicklich aus, und er trennte sich nach der Ge- burt zweier Kinder von seiner Frau und ging nach Italien. Zuriickgekehrt in die Heimath, vermahlte er sich mit Mary Godwin und verliess von Neuem sein Vaterland, da ihm auf Befehl des Court of Canceiw die Erziehung seiner Kinder entzogen wurde. Am Genfer See lebte er langere Zeit in Gemeinschaft mit Lord Byron, spater ging er nach Lucca, Venedig und Neapel. Am 8. Juli 1822 verliess er in einem kleinen Fahrzeuge Livorno, urn nach Spezzia zuriickzukehren : er sollte dort nicht ankommen . sondern ertrank unterwegs wahrend eines Sturmes. Sein Leichnam wurde verbrannt und auf dem protestantischen Kirchhofe in Rom bei der Pvramide des Cestius beigesetzt. Hauptwerke : r Konigin Mab". „Alastor a , „Der befreite Prometheus'*. Hellas- 1 , „Adonais u , „Die E111- porung des Islam", „Die Cenci* 1 etc. Ode an den WeStwind. 1. O. wilder Westwind, du des Herbstes Lied, Vor dessen unsichtbarem Hauch das Blatt, Dem Schemen gleich, der vor dem Zaub'rer flieht, Fahl. pestergriffen, hektisch roth und matt, Ein todtes Laub, zur Erde fallt! O du, Der zu der winterlichen Ruhestatt — 2 9 l — Die Saaten fuhrt — die Scholle deckt sie zu, Da liegen sie, wie Leichen starr unci kalt, Bis deine Fruhlingsschwester aus der Run' Die traumenden Getilde weckt, und bald Die auferstand'nen Keim' in Bliithen sich Yerwandeln, denen siisser Duft entwallt: — Allgegenwart'ger Geist. ich rufe dich, Zerstorer und Erhalter, hore mich! II. Du. dessen Stromung bei des Wetters Groll Die Wolken von des Himmels Luftgezweig' (Engel von Blitz und Regen sind es) toll Wie sinkend Laub zur Erde schiittelt : — gleich Dem schwarzen Haare. das man flattern sieht Um ein Manadenhaupt, ist wild und reich, ^ T om Saum des Horizonts bis zum Zenith Auf deinem Azurfeld die Lockenpracht Des nah'nden Sturms verstreut ! Du Klagelied Des sterbenden Jahres, welchem diese Nacht Als Kuppel eines weiten Grabes sich Gewolbt mit all' der aufgethurmten Macht Von Dampf und Dunst. die bald sich prachtiglich Als Regen, Blitz entladen : — hore mich ! III. Du, der geweckt aus seinem Sommertraum Das blaue Mittelmeer, das schlummernd lag, Gewiegt an einer Bimsstein - Insel Schaum In Baja's Bucht von sanftem Wellenschlag, Und tief im Schlaf die Wunderstadt gesehn, Erglanzend in der Fluth kristall'nem Tag, Wo blaues Moos und helle Blumen stehn, So schon, \vie nimmer sie ein Dichter schuf! Du. dem im Zorne selbst enttesselt gehn Des Weltmeers Wogen, wenn sie trat dein Huf, Indess der schlammige Wald. der saftlos sich Das Blatt am Grunde fristet, deinen Ruf Vernahm, dass falb sein griines Haar erblich Und er sich bebend neigte : — hore mich! 19* — 2 9 2 — IV. War' ich ein todtes Blatt, von dir entiuhrt, War' eine Wolke, zieh'nd auf deiner Spur, War' eine Welle, die den Odem spurt Von deiner Kraft und selbst sie theilte, nur So frei nicht. Stiirmender, wie du ! Ja, schritt' Ich noch, ein Knabe, auf der Kindheit Flur, Begleiter dir auf deinem Wolkenritt, Als deinen Flug zu iiberholen, mir So leicht erschien : — dann klagt' ich, was ich litt. So bitter flehend nicht, wie heute dir. O, nimm mich auf, als Blatt, als Welle bloss ! Ich fall' auf Schwerter — ich verblute hier ! Zu Tode wund sinkt in des Unmuths Schooss Ein Geist, wie du, stolz, wild und fessellos. V. Lass gleich dem Wald mich deine Harfe sein, Ob auch wie seins mein Blatt zur Erde fallt ! Der Hauch von deinen macht'gen Melodein Macht, dass ein Herbstton beiden tief entschwellt, Siiss, ob in Trauer. Sei du. stolzer Geist. Mein Geist! Sei ich, du sturmevoller Held! Gleich welkem Laub, das neuen Lenz verheisst, Weh' meine Grabgedanken durch das All, Und bei dem Liede, das mich aufwarts reisst, Streu. wie vom Heerde gliihender Funkenfall Und Asche stiebt, mein Wort in's Land hinein ! Dem Erdkreis sei durch meiner Stimme Schall Der Prophezeiung Horn! O Wind, stimm' ein: Wenn Winter naht, kann fern der Friihling sein ? Strodtmcuiti. Die Wanderer der Welt. Sag' mir, Stern, des helle Pracht Sich im Feuerflug entfacht, Welche Hohle du der Nacht Wahlst zur Ruhestelle ? ^93 Sag' mir, Mond, der bleich und gn Pilgert durch das ew'ge Blau, Wo ist in der Ilimmelsau Deine Heimathszelle ? Miider Wind, der ohne Rast Flieht, der Welt verstoss'ner Gast: Oh du wohl ein Nestchen hast Noch auf Baum und Welle? Strodtmarw. $& An die Nacht. Wandle schnell uber's westliche Meer, O Geist der Nacht ! Yon des Ostens nebliger Hohle her, Wo den Tag hindurch in einsamer Pracht Du Traume von Lust und Leid gewebt, Bei denen man jauchzt, bei denen man bebt, - Komm schnell und sacht ! Hull' dich ein in ein dunkles Gewand Mit Sternenzier! Dein Haar verdunkle des Tages Brand, Kuss' ihn, bis ganz er erlegen dir ; Dunn wand're weit iiber Stadt und Land, Bis dein Mohnstab Alles in Schlummer bannt O, komm zu mir! Als ich erwachte im dammernden Grau, Ersehnt' ich dich ; Als im Sonnenscheine verdunstet der Thau, Als des Mittags Schwiile die Flur beschlich, Als der mude Tag sich wandte zur Rast, Lang zogernd, wie ein verhasster Gast. Ersehnt' ich dich. Dein Bruder Tod frug sanft und lind : „Willst du mich?" Der blinzelnde Schlaf, dein susses Kind, Wie Bienengesumm mein Haupt umschlich : „Soll ich mich schmiegen ans Herz dir? sag! Riefst mich du an?" — Ich aber sprach : „0 nein, nicht dich! a — 294 — Der Tod kommt, wenn du todt bist, schon Gar bald, zu bald ; Es kommt der Schlaf, wenn du entflohn ; Ihr Werben ist an mir verhallt — So hor' mich du, geliebte Nacht : Breit um mich deiner Schwingen Pracht, Komm bald, o bald! Strodtmann. %?& Elegie. Wenn die Lampe zerschmettert, Ist ihr Licht im Staube vergluht ; Wenn die Ros' entblattert, Ist ihr Duft im Winde verspriiht ; Wenn die Laute zerbrochen, Ist ihr lieblicher Klang verhallt; Wenn die Lippen gesprochen, Ist ihr Wort vergessen, wie bald ! So wie Klang und Schimmer Nicht Lampe und Laut' iiberlebt : Stummer Seel' auch nimmer Sich wieder ein Lied enthebt, — Nur ein triibes Traumen, Wie der Wind durch Trummer streift, Wie der Woge Schaumen Dem Schiffer sein Grablied pfeift. Liebten sich zwei Herzen : Bald rlieht, ach ! die Lieb' aus dem Nest , Das schwach're halt in Schmerzen An seiner Liebe noch fest. O Lieb', die alle Wesen Der Schwache du zeihst so arg, Was hast du dir erlesen Den Schwachsten zur Wieg' und zum Sarg? Sein Sehnen wird dich wiegen, Wie der Sturm die Raben wiegt ; Vernunft wird Ruh' dir lugen, Wie die Sonn' im Winter liigt. — 295 — Dein Nest wird ganz zerfallen, Deines Adlerhorstes beraubt, Wirst du ein Spott sein Allen. Wenn der Herbst die Flur entlaubt. Strodtmann. Indisches Nachtlied. Vom Schlummer fahr' ich auf, Da traumend ich dein gedacht, Bei lauem Windeshauch Gluht hell der Sterne Pracht. Vom Schlummer fahr' ich auf; Ein Geist, den ich verspur', Lenkt mich, ich weiss nicht wie, Vor deine Kammerthur. Die wallenden Nebel trinkt Der dunkle, schweigende Fluss. Des Champaks Diifte fliehn Wie siisser Traumesgruss. Der Nachtigall Klagelied Stirbt an der Liebsten Brust, Wie ich an deiner mocht' Vergehn vor sel'ger Lust. O, heb' mich auf zu dir ! Ich sterb', ich geh' zu Grund — Trauf Lieb' in Kiissen dicht Auf meinen bleichen Mund. Eiskalt ist meine Stirn, Mein Herz schlagt rasch und hoch — O, press' es fest an deins — Dort mag es brechen noch. Alexis Aar. Leigh Hunt. Ward am 19. October 1784 zu Southgate in Middlessex geboren und mit Charles Lamb und Coleridge im Kloster erzogen. Von der Rechtswissenschaft wandte er sich der Schriftstellerei zu und begriindete mit seinem Bruder die bekannte Wochenschrift „The Examiner". Eine Verspot- tung des Prinz - Regenten busste er mit zweijahriger Ge- fangnisshaft, Avahrend deren er seine bedeutendste poetische Erzahlung, die in anmuthigen Versen geschriebene „Liebes- mar von Rimini" schrieb. Einige Zeit lebte er auch mit Byron in Italien, mit dem er sich jedoch entzweite. Er starb 1859. Als Prosaist ist er bedeutender denn als Poet. sein Hauptwerk in Prosa „Lord Byron and Some of his Contemporaries". Abou Ben Adhem und der Engel. Abou Ben Adhem — mag sein Stamm gedeihn ! — Erwacht' einmal aus sanftem Schlaf; im Schein Des Monds, da sah er, der im Zimmer war, Gleich einer bliih'nden Lilie. rein und klar, 'Nen Engel, der schrieb in ein gold'nes Buch. Er sprach, durch Seelenruhe kiihn genug, Zu der Erscheinung in dem Zimmer drauf: Was schreibst du ? und da sah der Engel auf Und sprach mit einem Blick, drein Huld geschrieben : „Die Namen Derer, die den Herren lieben!" „„Auch meinen?"" fragte Abou. „Nein, nicht doch! u Da sprach Abou ganz leise, aber noch Recht herzhaft : „„Nun, so sei er denn geschrieben Zu Derer Namen, die die Menschen lieben!"" Der Engel schrieb und schwand ; die nachste Nacht Kam wieder er mit grossen Lichtes Pracht Und mit den Namen, die der Herr voll Lieben Gesegnet : Abou stand zuerst geschrieben. * Biic/iner. ^&k- Ebenezer Elliott. Ein Eisenarbeiter, geboren am 17. Marz 1781 zu Masborough bei Sheffield und gestorben im Jahre 1849. Seine Muse nahm lebhaften Antheil an den soeialen Kampfen des englischen Volkes, doch zwangen die Ehren- haftigkeit seines Charakters, sein tiefes Gefiihl fur das lcidende Volk, die Kraft und harte Beredsamkeit der Sprache auch den Gegnern Achtung ab. Seine diehterische Thatig- keit verlieh ihm den Namen des „Cornlaw - Rhymer", des Korngesetzdichters, nach dem Titel seiner vorzuglichen Gedichtsammlung. Eine Proletarierfamilie in England, Tisch, Stiihle, Bett — sie nahmen's, gingen dann ; Damonisch wild sah ihnen nach der Mann ; Sein mager Weib sucht' ihn umsonst zu halten ; Auf's Bierhaus wiesen seiner Stirne Falten — Hurrah, Brodtax' und England ! Zum schwangern Leibe hielt sie stumm die Hand, Erstach das Kind dann, das im Winkel stand : Kiisst' es und schrie von Schluchzen unterbrochen : „Was hat mich meine Mutter nicht erstochen?" Hurrah, Brodtax' und England! Sie rang sich auf, zur Kammer schlich sie matt: — Ach, ihres Jungsten letzte Schlummerstatt ! Ja, wer nicht Grab und Priester kaufen miisste — Da lag das Kind seit Monden in der Kiste ! — Hurrah, Brodtax' und England ! Wo aber mag des Todten Schwester sein ? Sterbend, o Gott, wo Keine stirbt, die rein ! Gefallen sterbend, fern der Eltern Hause : — „Mutter, o komm!" achzt es durch ihre Klause. Hurrah, Brodtax' und England ! — 295 — Doch wenn die Seele, o mein Lieb, soil deiner sich ver- miihlen ; Roth gluht die Wang* und warm die Hand, zum Ganzen darf Nichts fehlen, Nicht Hand noch Wange trennen sich vom Bunde zweier Seelen. J. Dohmke. Portugiesische Sonette. Ich dacht' einst d'ran, was Theokrit gesungen, Von frohen Jahren, hoch willkomm'nen Tagen, Da Alles schien in giit'ger Hand zu tragen Ein Himmelspfand den Alten wie den Jungen. Und da ich sann, von seinem Geist durchdrungen, Zog's nebelgleich durch Thranen — und es lagen Vor mir die eig'nen Jahre bitt'rer Klagen, Die duster iiber meinem Haupt geschlungen Des Grames Schleier. Plotzlich sah ich's kommen Durch meine Thranen wie ein macht'ger Schatten, Ich ffihlt' mein Haar in Geisterhand genommen, Und eine ernste Stimme hiess mich rathen : Wer halt dich ? — Tod! — Doch da nab' ich vernommen: Nein, Liebe — rafrt dich auf aus dem Ermatten. II. Noch nie hab' eine Locke ich gegeben, Nie einem Mann, Geliebter, als nur Dir ; Gedankenvoll durch meine Finger hier Lass' gleiten ich die braune Fiille eben Und sage : nimm — seit gestern ist dies Leben Gereift, nicht ziemt des losen Haares Zier, Nicht madchenhafter Schmuck von Blumen mir In diesen Locken — fortan ihr Bestreben Sei, blasser Wangen Thriinenspur zu decken, Weich an gesenktem Haupte niederhangen. Das Gram gebeugt. Schon glaubt ich, Todes Schrecken, — 3 2 6 — Sollt' mir sie rauben — nun tragt Lieb' Verlangen Nach ihrem Recht. So nimm — du wirst entdecken Dort noch der Mutter Kuss, den letzten, bangen. III. Und ist es wahr? Wenn todt ich lag' und kalt, Wiird'st du in mir dein Lebensgliick beweinen? Die Sonne wiirde dunkel dir erscheinen, Wenn Grabesduft dies bleiche Haupt umwallt? Ich staun' ob solcher Liebe Allgewalt, Wohl bin ich dein, doch zogernd mocht' ich meinen, Bin ich so viel dir denn ? Den Wein, den golden -reinen, Darf ihn dir bieten diese matte Hand ? Erdwarts sobald Aus Todestraumen soil die Seele kehren ? So lieb' mich, Liebster, denn, stark' mich durch Hauch und Blick ! Wie stolze Frauen lassen Rang und Ehren, Mit Freuden folgend sel'gem Liebesgliick, So will die nahe Himmelsaussicht ich entbehren, Das Grab um dich — und bleib' bei dir zuriick. J. Dohmke. ^£> Letizia Elisabeth Landon. Geboren 1802, siedelte mit ihrem Gatten nach der Kapstadt iiber und starb dort, wahrscheinlich durch eigene Hand, an Gift , drei Monate nach ihrer Verheirathung. Eine hervorragende Dichterin, wenn auch stark von Byron beeinflusst. Bedeutend ist sie in der socialen Tendenz- dichtung, wie in der Ballade ; von ihren etwas lyrisch-ver- schwommenen poetischen Erzahlungen wurden am bekannte- sten : ^The improvisatrice," ^The troubadour" und ^The Venetian bracelet." Ausserdem ein Roman: „Ethel Churchill." Das einsame Grab. Ich weiss, wo einsam Einer ruht — O Gott, wie still der Ort! Um Orchis nur und Fingerhut Entschwirrt die Biene dort. Nie fallt die Morgensonne d'rauf, Ihr wehrt's ein grauer Stein. Doch ist vollbracht des Tages Lauf, Dann flammt er roth im Abendschein. Die Lufte gliihn, die Halme beben, Als ware Hofmung dort und Leben. Dort schlaft ein Mann, der im Gesang Zuriick uns liess sein Herz ; Sein Herz, aus dem in uns nur klang, Was aufstrebt himmelwarts. Und was durch seine Saiten fuhr, Was Dichteradern schwellt: Der Jugend Lust, der Liebe Schwur — Noch tont es miichtig durch die Welt; Doch keinen Namen hat er sich erworben, Bar seines Ruhms ist er gestorben. - 328 - Viel Lieder horst du, siiss und voll, Von Mund zu Munde ziehn, Doch ihres Dichters Ruf verscholl, Langst schon vergass man ihn. Die Sage nur, gebiickt und grau, Halt Wacht an seiner Gruft ; Ihr Weinen ist der Blumen Thau, Und ihre Mahnung Blumenduft. Die er geliebt, ein werth' Vermachtniss, Hiillt die Natur in Ehren sein Gedachtniss. Es ist so schon, doch t"ass' ich's kaum, Dass soldi' ein Geist, wo er gelebt, Zuletzt init jedem Elfentraum Des Ortes innig sich verwebt! Die Waldung prangt noch eins so griin. Die Aeste wiegt ein leises Wehn, Fur Lieb' und Recht ein warmer Gluhn Erfullt uns im Yorubergehn. Behielt ein Herz nur eine Zeile, Ein Schrein ist's, d'rin der Namenlose weile ! Ferd. Freiligrath. Thomas K. Hervey. Geboren zu Paisley in Schottland, er lebt in London als Herausgeber des „ Athenaeums". Verfasser von „The poetical Scetch-Book", „The Book of Christmas", „ Austra- lia", „The English Helikon". Ich denke dein. Ich denke dein in der Nacht, Wenn Alles ruht und schweigt, Wenn der Mond erscheint in stiller, bleicher Pracht Und iiber den Hiigel steigt; — Wenn die Sterne Traumen gleich, Und die Luftchen Seufzer sind, Und ein Ton klingt von fernen Stromen weich, Wie deine Antwort, Kind. Ich denke dein am Tag- In der kalten, geschaftigen Welt, Wenn das Lachen der Frohen beim Festgelag Zu rauh in's Ohr- mir gellt; Suss war deiner Stimme Klang, Dein Lacheln war sanft und rein, Ach! — wenn ich nicht traumte von dir so lang, Dann ware mein Herz allein ! Thekla Busch. ^&*C Alfred Tennyson. Der gegenwartige Poet Laureate Englands. Von den britischen Dichtern der Gegenwart geniesst er des grossten Rufes und des allgemeinsten Ansehens, wenn ihn Swin- burne auch noch so sehr an Gluth der Leidenschaft, Kraft und Fiille des Ausdrucks, sowie an ausgesprochener Ori- ginalitat iibertrifft. Geboren wurde er, als Sohn eines Geistlichen, im jahre 1810 zu Somersby in Lincolnshire, studirte zu Cambridge und trat zuerst 1830 mit einem Band Gedichte auf, der jedoch wenig Aufsehen machte. Zwei Jahre spater folgte der zweite, darauf das grossere Gedicht „Die Prinzessin", „In memoriam", die „K6nigsidyllen" ; aber den grossten Ruf und Ruhm verschaftte ihm die poetische Erzahlung „Enoch Arden", welche in alien europaischen Litteraturen einen Erfolg davontrug , etwa wie Tegner's „Frithjofsage". Tennyson's Starke beruht vor allem in der Ballade und der erzahlenden Poesie, die reine Lyrik erscheint bei ihm oft zu sentimental, zu weichlich gefarbt, und die Empfindung wurzelt nicht tief genug im Herzen. Seine Dramen sind ganz verfehlt. Dora. Mit Farmer Allan wohnten auf der Farm Wilhelm und Dora. Wilhelm war sein Sohn Und Dora Nichte. Oft sah er sie an Und dachte dann : Ich mache d'raus ein Paar. Nun that stets Dora, was ihr Onkel sprach, Und liebte Wilhelm, aber diesem lag, Weil stets sie unter einem Dach gelebt, An Dora nichts. Dann kam ein Tag, da rief Der Farmer seinen Sohn und sprach : Mein Sohn, Ich freite spat und sah' vor meinem Tod Mein Enkelkind noch gern auf meinem Schooss. — 33i - Nun aber hangt mein Herz an einem Wunsch ■ Sieh Dora an : sie ist gut anzuschaun Und sparsam ist sie auch, so jung sie ist. Auch Bruderkind ist Dora. Er und ich Erziirnten uns. Wir schieden, und er starb Im fremden Land, und ich nahm seinethalb Dora an Kindes Statt. Nimm sie zur Frau. Ich habe Tag und Nacht das Jahre lang Gewiinscht. Wilhelm hingegen sagte kurz : Ich nehme Dora nicht ! So wahr ich bin — Ich nehme Dora nicht ! Der alte Mann Ward zornig, ballte seine Faust und sprach : Du willst nicht, Bursche ? Und das sagst du mir? Zu meiner Zeit war Elternwort Gesetz. So soil auch jetzt es sein. Das merke dir ! Besinn' dich, Wilhelm ! Eine Woche nimm Und dann gieb Antvvort meinem Wunsch gemass ! Sonst packst du dich, so wahr dich Gott erschuf, Und nie betrittst du meine Schwelle mehr! Wild fuhr ihn Wilhelm an, verbiss den Grimm Und stiirzte fort. Je mehr er Dora sah, Je mehr missfiel sie ihm, und er sprach barsch. Doch Dora trug es sanft. Noch vor der Frist Ging er von Haus, verdingte sich urn Geld, That Feldarbeit und nahm aus Liebe theils Und theils aus Trotz ein Tagelohnerkind Zu seinem Weibe : Mary Morrison. Als Hochzeit war, rief Allan Dora her Und sprach zu ihr : Mein Kind, ich bin dir gut, Doch sprichst du mir mit dem, den Sohn ich hiess Und mit der Frau, die er zum Weibe nahm, So musst du fort. Mein Wille ist Gesetz ! Dora versprach es, denn sie dachte still : Es kann nicht sein ! Er meint es nicht so schlimm ! Und Tage schwanden hin, und Wilhelm ward Ein Sohn geboren. Dann brach Noth herein, Und taglich ging am Vaterhaus er hin Gebroch'nen Herzens, und kein Vater half. Doch Dora sparte, was ihr moglich war Und sandt' es insgeheim, dass unbekannt Der Geber sei. Zuletzt warf Wilhelm noch Ein Fieber nieder, und er starb im Herbst. — 33^ — Dora ging dann zu Mary. Mary sass Verzagt und sah mit Thranen auf ihr Kind Und dachte unliebsam von Dora. Dora sprach : Ich that bis jetzt nach meines Onkels Wunsch, Und das war Sunde, denn durch mich allein Brach uber Wilhelm alles Ungemach. Doch, Mary, um dess' Willen, der nun todt, Um deinetwillen, die zur Frau er nahm, Und wegen dieser Waise bin ich hier. Du weisst es : seit funf Jahren gab es nicht Solch' reichen Herbst. Gieb mir den Knaben mit. Ich setze ihn vor meines Onkels Blick In's Korn im Feld, und freuet dann sein Herz Der Ernte sich, sieht er vielleicht das Kind Und segnet's um dess' Willen, der nun todt. Und Dora nahm das Kind und ging in's Feld Und setzte sich auf einen Hugel hin. Der, unbesat, voll wilden Mohnes stand. Der Farmer kam in's Feld und sah sie nicht, Und keiner von den Leuten wagte es, Zu sagen, Dora warte mit dem Kind. Und Dora hatte sich an ihn gewandt, Doch ihr war bang. Die Schnitter ernteten, Die Sonne sank, und dunkel ward das Land. Am andern Morgern stand sie auf und nahm Das Kind noch einmal auf den Hugel mit Und flocht ihm von den Blumen einen Kranz, Die rings sie fand, und that ihn um den Hut. Damit das Kind lieb anzublicken sei. Als nun der Farmer wieder kam zum Feld, Gewahrt er* sie, ging von den Schnittern weg Und kam und sprach: Wo warst du gestern denn? Wess' ist der Knabe ? Was beginnst du hier? Und Dora senkte vor ihm ihren Blick Und sagte leis : Dies Kind ist Wilhelm's Kind. Und dachtest du, sprach Allan, dachtest du Nicht des Verbotes, Dora ? Dora sprach : Thu' mit mir, was du willst, doch nimm das Kind, Und um des Todten Willen segne es ! Und Allan sprach : Es ist nur eine List, Die du ersonnen hast mit jenem Weib. Muss meine Pflicht ich lernen — und von dir! — 333 - Mein Wille ist Gesetz, und wagtest doch Ihn zu missachten. Gut! gieb mir das Kind! Du aber gehst und lasst dich nie mehr sehn. So sprechend nahm das Kind er, welches schrie Und bang sich wand. Zu Dora's Fiissen fiel Der Blumenkranz. Sie barg ihr Angesicht, Und immer ferner kam des Knaben Ruf Vom Feld zu ihr. Dann neigte sie das Haupt, Des Tags gedenkend, da ein Heim sie fand, Und dessen, das einst war. Sie setzte sich Und weinte still. Die Schnitter ernteten, Die Sonne sank und dunkel ward das Land. Dann suchte Dora Mary auf und trat Auf deren Schwelle. Mary sah das Kind Bei Dora nicht und pries und lobte Gott, Der ihr geholfen, die nun Wittwe sei. Und Dora sprach : Mein Onkel hat das Kind, Doch, Mary, nimm mich zu dir in dein Haus. Er sagt, ich solle ihn nie wieder sehn. Alsdann sprach Mary : Das soil nimmer sein, Dass du mein Ungemach dir auferlegst. Mich diinket auch, das Kind sei nicht fur ihn : Er lehrt es lieblos werden und gering Die Mutter achten. Gehn wir zwei deshalb ! Ich hole mir den Knaben wieder heim Und ich will bitten, dass zuriick du darfst. Doch wenn er dich nicht wieder nehmen will, Ziehst du zu mir, und beide sorgen wir Fur Wilhelm's Knaben, bis er alt genug, Dass er uns hilft. Dann kiissten sich die Frau'n Und brachen auf und gingen nach der Farm. Die Thiir war angelehnt. Sie sah'n hinein. Der Alte hielt den Knaben auf dem Schooss Und driickte ihn an seine Brust und schlug Mit seinen Fingern ihn auf Wang' und Hand, Wie wenn man Jemand liebt, indess das Kind Nach Allan's gold'nem Petschaft jauchzend griff, Das an der Uhr hing und im Lichtstrahl glomm. Dann traten beide ein, und als das Kind Die Mutter sah, rief es nach ihr und schrie, Und Allan Hess es los, und Mary sprach : — 334 — O Vater, wenn ich euch so nennen darf, Nie bin mit Bitten ich genaht fur mich, Fiir Wilhelm oder auch fur Wilhelm's Kind. Nehmt Dora heim : sie ehrt und achtet euch. Als Wilhelm starb, starb er mit Jedermann In Frieden, Herr, und er hat mir gesagt, Er hatte seine Heirath nie bereut : Ein duldsam Weib gewesen sei ich ihm. Nur dass er seinem Vater nicht gehorcht. Das thu' ihm leid. Gott segne ihn ! sprach er, Und bleibe ihm erspart, was ich erlitt. Dann wandte er sein Antlitz und verschied. Doch nun, Herr, gebt den Knaben, denn er wird Sonst lieblos und denkt nimmer gern zuriick An seine Mutter. Nehmt dann Dora heim Und lasset Alles sein, wie sonst es war. So Mary. Dora hielt ihr Haupt gesenkt An Mary's Brust. Im Zimmer war es still. Dann brach der alte Mann in Schluchzen aus : Mein ist die Schuld, ich todtete den Sohn. Ich that es, doch ich liebte meinen Sohn. Gott sei mir gnadig ! Mein ist, mein die Schuld ! Kiisst mich, ihr Kinder ! Darauf fielen sie Dem Alten urn den Hals und kiissten ihn. Gebrochen ganz vor Reue war der Mann Und gab nun Liebe hundertfach zuriick Und schluchzte lange liber Wilhelm's Kind Und dachte Wilhelm's. Allan's Haus umschloss Nun alle Vier, und in der Jahre Lauf Ward Mary eines andern Mannes Weib, Doch Dora blieb allein bis an den Tod. Karl Vollhcim. Ballade von Oriana. Mein Herz vergeht in Traurigkeit, Oriana, Mein harrt nicht Ruhe weit und breit, Oriana, 335 — Wenn Feld und Wald es uberschneit, Und laut des Nordlands Sturmwind schreit, Oriana, Treibt es mich einsam fern und weit, Oriana. Bevor der Tag die Nacht bezwang, Oriana. Der Hahn zum ersten Male sang, Oriana, Bei Wasserrauschen und Windesdrang, Erscholl der Kriegerrosse Gang, Oriana, Rief laut des hohlen Homes Klang, Oriana. Im Taxuswald, schwarz, wie die Nacht, Oriana, Ward dir noch vor Beginn der Schlacht, Oriana, In Lust, die Thranen mir entfacht, Bei Sternenschein und Mondespracht, Oriana, Der Treue Schwur von mir gebracht, Oriana. Sie stand hoch auf dem Wall am Schloss, Oriana: Sah meines Helmes Busch im Tross, Oriana: Vernahm mein Wort, sah, wie ich schoss, Da trat gerade vor dem Schloss, Oriana, Ein grosser Feind mir vor das Ross, Oriana. Fehlging der Pfeil, der bitt're Pfeil, Oriana: Fehlging der falsche, falsche Pfeil, Oriana: Fehlschwirrte der verrluchte Pfeil Und traf dein Herz, mein Lieb, mein Heil, Oriana! Dein Herz, mein Leben, mein Lieb, mein Heil, Oriana! — 336 — O, enge war die Schlacht und dicht, Oriana! Laut mahnte, laut das Horn zur Pflicht, Oriana! O, blutig hielt der Tod Gericht, Und in den Reihen ward es licht, Oriana; Doch ich fiel nieder auf's Gesicht, Oriana. Sie hatten mich todten sollen im Streit, Oriana! Wie war ich nur nicht todtbereit, Oriana ? Wie sah ich wieder des Tages Zeit ? Sie hatten mich todten sollen im Streit, Oriana — Zertreten sonder Barmherzigkeit, Oriana! O Herz, das bricht und will doch sein, Oriana! O matter Blick voll Himmelsschein, Oriana! Du lachelst, doch kein Wort ist dein, Und dann gliihn Thranen mir der Pein, Oriana: Was willst du ? Wen suchst du allein, Oriana ? Ich rufe laut : man hort mich nicht, Oriana. Du trennst dort oben mich vom Licht, Oriana. Ich fuhle, wie das Herzblut dicht Als Thrane mir in's Auge bricht, Oiiana. Mein Pfeil ist's, der dein Herz durchsticht, Oriana. Verfluchte Hand! Verfluchte Schlacht! Oriana! Wohl dir, dein Bett ist tief gemacht, Oriana! — 337 ~ In meinem Leid halt durch die Xacht Die ode Stille bei mir Wacht, Oriana, Ein Loos der Qual ward mir erdacht, Oriana. Bricht seewarjts Nordlandswind herein, Oriana! Muss ich gehn, nicht denken mag ich dein, Oriana. Du schlummerst unter'm Baum im Hain ; Ich mag nicht sterben und bei dir sein, Oriana — ■ Ich hore dumpf die Meerliuth schrein, Oriana. Karl Vollheim. Strophen. Komm nicht, wenn ich gestorben- bin, Mein Grab mit narr'scheh Thranen zu benetzen, Den Fuss auf mein vermodernd Haupt zu setzen ; Lass meinen Staub in Frieden — - hin ist hin. Des Windes Seufzer und der Krahe Schrei Sind mir genug — geh' du vorbei! Kind, war's dein Irrthum oder deine Schuld, Was kummert's mich ? Das Ungliick ist geschehn, Erfreue, wen du magst, mit deiner Huld, Ich will zur Ruhe gehn. Thu', was dein thoricht' Herz begehrt, nur lass Des Grabes Stille mir — und geh' furbass! Drantnor, Brich, brich, brich. Brich. brich. brich, O Meer an dem kalten Gestein ! Die Gedanken spricht meine Lippe nicht aus Die du rauschst in mein Herz hinein. Engl. -Amerik. Dichter. 22 - 33§ - O, wohl dem Matrosenbub', Der da singet, gewiegt vom Kiel ! O, wohl dem Fischermannsohn, Der da jauchzt mit der Schwester im Spiel ! Bald hat das stattiiche Schiff Auf der Riickkehr den Hafen erreicht : Doch wer bringt mir zuriick den Druck jener Hand, Und den Laut jener Stimme, die schweigt? Brich, brich, brich An dem Fuss deines Felsens, o Meer ! Doch die zarte Schonheit vergangenen Tags Kehrt mir nimmer und nimmermehr. Eugcii Oswald. Claribel. Wo Claribel im Grabe liegt, Da schweigt der laue West Und von der Rose lasst ; Doch feierlich der Eichbaum wiegt Die voile, duft'ge Krone Und singt ein Lied, das kommt und zieht Mit tiefem Jammertone, Wo Claribel im Grabe liegt. Abends der Kafer schwebet Im Laubwald aus und ein, Mittags die Biene webet Um den moosigen Stein, Und Nachts der Mond sich hebet Und schaut herab allein. Sein Lied der Hanfling singet, Darein die Drossel klinget, Hier mud' die Welle zaudert, Dort froh das Bachlein .plaudert. Ihr Echo sanft die Grotte wiegt, Wo Claribel im Grabe liegt. Rosa Warrens. — 339 — Edward Gray. Emma Moreland, das freundliche Kind, Traf mich draussen und kam auf mich zu : „Hast dein Herz verloren? u frug sie geschwind, ,, Ed ward Gray, wann heirathest du? u Als sie mich so zur Beichte gekriegt, O, da weinte ich bitterlich : „Siisse Emma Moreland, evvig versiegt 1st der Liebe Born fur mich ! Inniglich liebte mich Ellen Adair, Vater und Mutter wurden ihr Gram, — Dort liegt sie begraben, — frage nicht mehr, Von wannen ich eben kam. Scheu war sie, nicht kalt — ich wusst' es zu spat, Denn ich mied, ja, ich mied sie lang', Strich durch die Meere, von Hochmuth geblaht, Als sie mit dem Tode rang. Grausame Worte, die sie gehort, O, wie thun sie mir jetzt so weh! ,Bist ein eitles Ding,' so sprach ich bethort, ,Gar zu leicht fur Edward Gray. 4 Dort barg ich mein Antlitz im feuchten Gras Und rief: ,Meine Zeit ist urn, Mich reut, was ich that' — und dies und das, Doch ihr ariiies Grab blieb stumm. Da schrieb ich auf den bemoosten Stein, Nun ihres Grabes schonste Zier : ,Hier liegt Ellen Adair's Gebein, Und auch Edward's Herz liegt hier. 4 Wie Vogel flattern von Baum zu Baum, So mag Liebe kommen und gehn, Susse Emma Moreland, mein einziger Traum Ist, Ellen wiederzusehn. Bitterlich weinte ich iiber dem Stein, Bitterlich weinend geh' ich fort, Dort liegt Ellen Adair's Gebein, Doch auch Edward's Herz liegt dort. u JDranmor. 3^ — 34° — Lady Clara Vere de Vere. Lady Clara Vere de Vere, Verzeihung, dass ihr mich nicht fingt ! Zur Kurzweil brechen wolltet ihr Ein Dorfherz. eh' zur Stadt ihr gingt ! Her saht ihr heiss. doch kalt wie Eis Merkt' ich die List und wich zuruck : Ob ihr von hundert Grafen stammt — Ihr fehlt mir nicht zu meinem Gliick ! Lady Clara Vere de Vere, Auf Pergament und Wappenkrain, Auf Rang und Namen seid ihr stolz — Mir ist es eins, woher ich kam ! Ja, eins und gleich ! Und nicht um euch Brech' ich ein Herz, das mehr begehrt ! Ein einfach Madchen, hold und fro mm, Ist hundert Wappenschilder werth. Lady Clara Vere de Vere. Ich bin so zahm nicht. als ihr glaubt ! Und war't ihr Konigin der Welt, Vor euch doch senkt' ich nie mein Haupt ! Zur Probe nur den Sohn der Flur Nahmt ihr auf's Korn ! — So racht er sich: Der Marmorleu auf eurem Thor Sieht euch nicht kalter an, als ich! Lady Clara Vere de Vere, Was denk' ich nur an jenen Tag? Nicht dreimal ward die Linde grun. Seit Lorenz todt darunter lag ! Ihr habt geblickt. ihr habt umstrickt — Auf's Zaubern mogt ihr euch verstehn ! Allein sein schusszerschmettert Haupt Hattet ihr kaum wohl angesehn ! Lady Clara Vere de Vere, Als er so dalag bleich im Moos — Nun. seine Mutter ist ein Weib. Und Leidenschaft macht riicksichtslos, Ein bitter Wort vernahm ich dort. Doch will ich's nicht verrathen hier. Sie war so kuhl und ruhig nicht, Wie das Geschlecht der Vere de Vere. — 34i — Lady Clara Vere de Vere, Ein Geist verfolgt euch allerwarts: An eurer Schwelle haftet Blut — Ja doch, ihr bracht ein harmlos Herz ! Nach kaltem Plan zogt ihr ihn an — So wurde der Bescheid'ne kiihn ; Dann saht ihr fremd auf ihn herab Und schlugt mit euren Ahnen ihn ! Ahnen ! — Clara Vere de Vere : O, wie mit Lacheln hoch im Blau'n Der Gartner Adam und sein Weib Auf all' den Plunder niederschau'n ! Was ad'lig sein ! Der ist's allein, Der wirklich edel ist und gut! Ein Herz -\viegt Grafenkronen auf, Und schlichte Treu' normannisch Blut ! Ich kenn' euch, Clara Vere de Vere! Ich weiss es, wie ihr lechzt und siecht ! Weiss, wie der Stunden Einerlei Auf euren stolzen Wimpern liegt ! Ihr strahlt, ihr gliiht — doch seid ihr mud ! Doch qualt euch, was ihr selbst nicht wisst! So schlecht benutzt ihr eure Zeit, Dass ihr wohl Ranke Schmieden miisst. Clara, Clara Vere de Vere, Driickt euch die Zeit so tiberaus: Nah'n keine Bettler eurem Thor? Seht ihr nicht Arme Haus bei Haus? O, zu den Waisen tretet hin ! O, lehrt sie lesen, lehrt sie n'ah'n ! Bittet den Himmel um ein Herz, Und lasst den Bauerntolpel gehn. Ferd. Freiligratk. Die Schwestern. Wir waren zwei Tochter von einem Haus, Sie aber sah am schonsten aus. Es blast der Sturm durch Baum und Thunru — 34^ — Sie waren zusammen und sie fiel : Dafur die Rache mir wohlgefiel. O, schon war der Graf zu sehn I Sie starb : sie fasste wilder Brand ; Sie mischte ihr altes Blut mit Schand'. Es heult der Sturm durch Baum und Thurm. Wohl Monde lang und fruh und spat Seine Lieb' zu erwerben hab' ich gespaht; O, schon war der Graf zu sehn ! Ich gab ein Fest, ich lud ihn ein ; Ich gewann seine Lieb', ich fuhrt' ihn hinein. Es briillt der Sturm durch Baum und Thurm. Und auf dem Bett nach dem Geiag' Sein Haupt in meinem Schoosse lag : O. schon war der Graf zu sehn ! Ich kiisst' ihm in Schlaf die Augen sein, Die Rosenwang' am Busen mein. Es tobt der Sturm durch Baum und Thurm. Ich hasst' ihn mit der Holle Gewalt : Doch liebt' ich seine schone Gestalt ; O, schon war der Graf zu sehn ! Auf stand ich in der stillen Nacht, Hab' scharf und blank den Dolch gemacht. Es rast der Sturm durch Baum und Thurm. Wie er Athem holte, halb noch wach, Dreimal ich durch und durch ihn stach. O, schon war der Graf zu sehn ! Ich lockt' und kammte sein lieblich Haar ; O, wie so herrlich der Todte war. Es blast der Sturm durch Baum und Thurm. Ich schlug den Leib in Linnen ein Und legt ihn zu Fiissen der Mutter sein. O. schon war der Graf zu sehn! Heinrich Fischer, ^^ Charles Makay. Ward geboren zu Perth im Jahre 1812. In seiner Erstlingsdichtung „The hope of the "world" erinnerte er noch an den classicistischen Geschmack der Rogers und Campbell, spater warf er sich jedoch ganz der Romantik in die Arme, als Mitglied der Tennyson'schen Schule. Das beweist u. A. seine poetische Erzahlung „The Salaman- drine". der spater noch folgten ^Voices from the moun- tains". „Egeria". „The lump of gold" etc. Scheinjuwelen. Es stand ein Kramer im Morgenstrahl. Er sprach gewandt und regte sich Und bot zum Verkauf seiner Waaren Zahl : Maranatha! und Weh fasst mich! Und er rief dem Volk. das voriiberzog Gleich Wellen rollend im Meergewog. Da trubte Gewolk der Sonne Schein. „Hier ist Geschmeide fur Jedermanns Brauch: Fur Junglinge, Manner, schone Madchen auch. Die Zeit vergeht. kommt und kauft ein! a O, der Kramer! Der tiickische Kramer ! Der Bose barg unter der Maske sich! Kaufend und triigend. Verkaufend und lugend: Maranatha! und Weh fasst mich! r Hier ist ein Zierrath ! ein Demant ist hier! Die Konigin selber hat sicherlich Im Schmuck ihrer Krone nicht solche Zier! u Maranatha! und Weh fasst mich! B Nimm, trage es. Schone! nimm, kaufe es schnell! Liebe billior — Liebe orottlich — und Liebe hell!" — 344 — Da triibte Gewolk der Sonne Schein. Die Maid kaufte arglos und nahm es hin, Doch sie fand ein gebrochenes Herze darin. Und der Kramer schrie : „Kauft ein, kauft ein!" O, der Kramer! Der tuckische Kramer! Der Bose barg unter der Maske sich ! Kaufend und triigend, Verkaufend und liigend : Mar an at ha! und Weh fasst mich! „Fiir Junge und Kuhne ein Schmuck hier ura Sold: Furchtlosen und Tapfern empfiehlt er sich, Kein Rubin ist rother, und reicher kein Gold!" Maranatha! und Weh fasst mich! „Sein Name ist Ruhm!" und her kam zum Platz Ein Jiingling und nahm ohne Feilschen den Schatz. Da triibte Gewolk der Sonne Schein. Doch ehe er ihm an der Brust noch schien, Sah Frieden und Freude er schon entfliehn, Und glanzenden Lug nur kaufte er ein ! O, der Kramer! Der tuckische Kramer ! Der Bose barg unter der Maske sich! Kaufend und triigend, Verkaufend und liigend : M aranatha! und Weh fasst mich! „Hier ist ein Juwel und kein Fehl daran ! An Glanz und Werth halt ihm keines Stich, Bezahlt es, gewinnt es und steckt es euch an!" Maranatha! und Weh fasst mich! „Sein Name ist Reichthum!" Mit Larm und Geschrei Stiess wild das Volk sich und drangte herbei. Da triibte Gewolk der Sonne Schein. Sie kauften Wohlleben und irdisches Gliick Und liessen Gesundheit und Ruhe zuriick. Doch der Kramer rief: „Kauft ein, kauft ein!" O, der Kramer! Der tuckische Kramer! Der Bose barg unter der Maske sich ! Kaufend und triigend, Verkaufend und liigend : Maranatha! und Weh fasst mich! — 345 — Auf stillen Kirchhofen lasst Winters im Graun Der Nacht der gespenstige Kramer sich Hoch auf den gljinzenden Grabsteinen schaun : Maranatha! und Weh fasst mich! Und ruft die Todten aus Grab und Gruft Und lockt und grinst dureh die Mitternachtluft. Schwarz deckt Gewolk der Sterne Schein. Und ruft seine Scheinwaaren wiederum aus, Ruhm, Liebe, Gold und der Verzweiflung Graus. „Juwelen, Juwelen ! kommt und kauft ein!" O, der Kramer! Der tiickische Kramer! Der Bose birgt unter der Maske sich! Kaufend und triigend, Verkaufend und liigend : Maranatha! und Weh fasst mich! Karl VoUheim. Zwei Hauser. „Es wird nicht mit der Kunst und Kraft Von tausend Mann geschehn, Neujahrstag auf dem Hiigel schon Das Haus Mylords zu sehn!" ,So nehmt zweitausend !' sprach Mylord. ,Und eilt und macht es gehn.' Und los muhn die zweitausend Mann. Doch langst vor Winterszeit Fand Mylord sich ein kleiner Haus Und sass in Dunkelheit. Das schuf ein Mann in einem Tag. Vom Thurm her klang Gelaut : „Schliesst zu die Thiir, schliesst zu die Thur, Schliesst zu in Ewigkeit!" Ka rl VoWt c im . Ed. Robert Bulwer Lytton. Sohn des beruhmten Romandichters, wurde geboren am 8. November 1831 und residirte von 1S76 — 1880 als Vice-Konig von Indien, wo er verschiedene segensreiche Reformen einfiihrte ; er schrieb unter dem Pseudonym Owen Meredith „Lucile", eine Novelle in Versen, „The Wan- derer' 4 Ged. Indisches Liebeslied. Mein Korper schlaft, mein Herz ist licht : Es ruft mein Mund im Traume dich. Hinsinkt das Bild, der Schlummer bricht, Und zu dir, Madchen, zieht es mich. Du ziehest mich — du ziehest mich Durch Schlaf und Nacht ! Fern tont der Bach, Der Tiger ist im Walde wach, Und durch das Dunkel suche ich. Der Dorfer letzter Laut verklang, Und scrnveigend stehen Feld und Flur. Am Myrrhenwald ging ich entlang Und sah der wilden Heerden Spur. Mir zeigt der honigfeuchte Stein, Wohin den Seim die Biene trug. Im Aarnest ruht der Wind vom Flug. Der Mond verschwand. Ich bin allein. Du ziehest mich — du ziehest mich • Durch wilder Oeden bleiche Nacht ! Hinzieht mich, Madchen, minniglich Der Blick, der unter Locken lacht. Die Welt ist vielfach — Liebe eins ; Der meinen kann kein Bild ich leihn ! Der Zimmetbaum wachst tief im Hain, Stolz freut der Goldbaum sich des Scheins. — 347 - Wer hat ihr prachtig Haar gesehn? Den Taubenblick — wer ihn gebchaut? Wer sah sie durch die Wildniss gehn Unci horte ihrer Stimme Laut ? Nichts kann gleich ihrer Schonheit sein. Sie ziehet mich — sie ziehet inich ! Am Weihrauchbaum dein harrte ich, Beim Aloe — im Fichtenhain .... Wo bist du, meines Herzens Lust, Mit Taubenblick und Lockenschein ? Der Nachtthau hangt an Haupt und Brust, Wund riss die Fiisse das Gestein. Nicht Cedernhauch giebt noch Geleit ! Mir ist der Pfad nicht mehr vertraut, Und von den Hohen tont ein Laut Von Stromen durch die Dunkelheit. Giftblumen fallen rings vom Strauch. Mir traufelt Gummi nicht ein Baum; Uoch deiner Lauben machtiger Hauch, Der duftgetrankten Kammer Raum, Sie ziehen mich — sie ziehen mich ! Dein Bad bereite : Warte mein Gesalbten Hauptes ! Lass mich ein : Zu dir, zu dir ja komme ich. Im Dunkel birgt dein Gitter sich. Die Thur ist still. Mit sanftem Ton, Mein Taubchen, auf und zeige dich ! Weiss scheint die Kampherstaude schon, Und sacht bricht Dammerung herein. Ausdehnt mein Geist sich mit dem Licht, Und Graun und Nebel halt ihn nicht : Leis' zieht es ihn, bei dir zu sein. Karl Vol Hi dm. Konig Macbeth's Schloss. Konig Macbeth sitzt im Schloss beim Wein Und gastet dort, wenn das Taglicht tern, Und die Haide glanzt im Mondenschein, Die Thans und Herrn. - 343 - Und hundert Harfner mit Harfen von Gold Durchharfen die Nacht mit lautem Klang, Und von Halle zu Halle schwebt wunderhold Ihr Festgesang. Von dem Hoch, das beim Banket erklingt, Bebt das Gebalk, und es schallt der Laut Zum Schlosshof hin, wo der Hahn schon singt, Bevor es graut. Und das Schloss gleicht einem Meer von Glanz Beim Schein der Fackeln, der Kerzenpracht, Und der Krieger schwingt die Liebste im Tanz Die ganze Nacht. Bis fruh in der Ulme Rabenschrei klingt, Tont Singen und Tanz und Lust zumal, Und der seid'nen Gewander Rauschen dringt Von Saal zu Saal. Doch giebt es im alten Schloss einen Ort Im einsamen Thurm : dort scheint kein Licht, Und ein Mann sitzt starr und leblos dort — Das ahnt man nicht ! Karl Vollkeim. $& Warming. Nimm dich in Acht vor Zauberkraft Und vor dem Netz erschrick, Das sich in gold'nem Haar versteckt Und birgt in losem Blick : Denn sie fiingt dich, schwur die Zauberin > Und sie singt und winkt dir zu. „ Schon, zum Verderben schon bist du, O Irene!" Was ist es, was ist es — Fliisternd in der Baume Zweigen ? In dem Nachtvvind, wenn voll Schauern Seufzer seiner Brust entsteigen ? In der Wogen wildem Branden, Die am Strand in Schaum zergehn, In der Nacht, wenn Alles schweigt? Cordelia! Cordelia! 349 Wie mahnend tont es mir „Nicht hier! nicht hier ! nicht hier! Aber suche sie nur, suche ! Suche sie, die nie gesehn, Nie gesehn und unerreicht ! u Cordelia! Bin ich einsam, es umringt mich ! Und ein Zauberlaut durchdringt mich, Und aus Feenland ein Etwas Unsichtbar, aber nah ! Cordelia ! „In einer Zeit, die noch nicht schwand, In einem nie geschauten Land Sollst du linden, doch nicht jetzt, Sollst du sehen, doch nicht hier. u Cordelia! Cordelia! „In dem Jahr, das Abschied nimmt, In des Schneees Flockenspiel, Wenn nur sparlich Hoffnung glimmt Und der Blatter letztes fiel. u . Cordelia ! Und der Siiden halt mir, dieser Zauberer, O Irene ! Meine Sinne dicht und fest vom Schlaf umhiillt. Durch ein Schlummern tief und schwer Noch zu bannen, trachtet er, Meiner Jugend unerbluhte Knospe, Bis zum Rand mit Gifthauch angefiiHt. O schone, verderblich schone Irene ! Doch das Flustern in den Zweigen Und des Nachtwinds Seufzerreigen Und die Wogen, die mit Branden An dem Strand in Schaum zergehn In der Nacht, wenn Alles schweigt, Cordelia! Sagen unaufhorlich mir — ,,Nicht hier! nicht hier! nicht hier! Doch auf, Wanderer, und suche ! Suche sie, die nie gesehn, Nie gesehn und unerreicht!' 1 Cordelia ! — 35Q — Ein Stern glanzt hellen Scheines, Welchem alle andern weichen. Ein Herz fuhlt noch, wie meines. Muss ich es auch noch erreichen ! Und es halt, O Cordelia, Cordelia! Den sorglos leichten Sanger Nicht der weiche Suden langer, Als in Blau die Berge glanzen, Pfirsiche in Duft noch stehn, Und sich Nachts der Gluhwurm zeigt, Cordelia! Doch stets nordwarts geht die Reise — „Vorwarts a tont die Geisterweise. Auf, o Wanderer, und suche ! Suche sie, die nie gesehn, Nie gesehn und unerreicht ! Cordelia ! Unerreicht, Cordelia! Cordelia! Nie gesehn und unerreicht, Cordelia! Karl VoUheim. Algernon Charles Swinburne. Der eigenartigste und hervorragendste Dichter der junge- ren Gegenwart. Gltihende Leidenschaft, tiefe Empfindung, iippige Phantasie und ein glanzendes Colorit zeichnen ihn aus ; er ist ein Meister der Sprache. Seine Dramen sind interessant durch die geistvolle und geniale Charakteristik, aber nicht buhnengerecht. Die erste Stelle nehmen ein „Ata- lanta u und „Chastelard u . Geboren wurde er im Jahre 1837. Ein Paar. War' Liebchen eine Rose, Und ich daran das Blatt, Da lebten eins wir weiter Durch Wetter hub' und heiter, Bei Klang und Lustgekose Im Feld' auf Blumenmatt' ; War' Liebchen eine Rose, Und ich daran das Blatt ! War' ich des Worts Gestaltung, Mein Lieb der Rede Laut, Dann kiissten wir uns innig Im Doppelton, so minnig, Wie Voglein in der Waldung, Wenn sanfter Regen thaut ; . War' ich des Worts Gestaltung, Mein Lieb' der Rede Laut. Warst du das Leben, Susse, Und ich der Tod, mein Lieb' : Da strahlten wir und schnei'ten, Eh' Marz bracht' bess're Zeiten Mit Staarmatz und Narzisse Und milder Liifte Trieb ; Warst du das Leben, Susse, Und ich der Tod, mein Lieb'. — 35 2 — Warst horig du dem Kummer, Ich Edelknab' der Lust, Da spielten wir fur's Leben Mit Schmollen und Vergeben Bald weinend uns in Schlummer, Bald lachend, siegsbewusst; Warst horig du dem Kummer, Ich Edelknab' der Lust. Warst du Aprils Gestrenge, Der Herr des Maien ich, Wie wollten wir uns herzen Mit Laub- und Bliithenscherzen, Bis Tag die Nacht verschlange, Und Nacht dem Tage glich ; Warst du Aprils Gestrenge, Der Herr des Maien ich. Warst Kon'gin du der Freude, Und Konig ich der Pein, Die Liebe dann wir fingen, Verkurzten ihr die Schwingen Und lehrten Takt ihr beide In Schritt und Rede fein ; Warst Kon'gin du der Freude, Und Konig ich der Pein. Beaulieu - Marconnay. Fdnftes Buck Nordamerikanisehe Diehter. Engl. - Amerik. Dichtor. 28 Dr. Sheckburg. Lebte um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Sein aus der Zeit der Revolutionskriege stammender Yankee -doodle ist zum Nationalgesang der Amerikaner geworden und charakteristischer Natur. Selbstverstandlich bewegt uns nicht sein poetischer Werth, ihn hier mitzutheilen. Yankee doodle. Ein Yankeebub' ist schon und keck * Und nie zu fett — Herr ! Bei Tanz und frohlichem Sprung und Jagd * So hurtig, wie eine Ratt' — Herr! Yankee doodle, schiitz' dein Ufer, Yankee doodle dandy, *Furchte nicht Drohen und nicht Prahlen, Yankee doodle dandy ! Yankee doodle, Zauberklang, Amerikanerfreude, Es passt zur Pfeife, Spiel und Sang Und eben recht zum Streite. Yankee doodle, Buben 'ran ! Platz zur Seite, her zur Mitte, Yankee doodle, drauf und dran, Trommelt, blast und fiedelt. Frankreich, Spanien, Engeland Soll'n unser Land bekriegen : Wir Yankee's haben Fuss und Hand, Konn'n sie noch All' besiegen. Yankee doodle, Buben 'ran ! Platz zur Seite, her zur Mitte, Yankee doodle, drauf und dran, Trommelt, blast und fiedelt. 23* - 356 - Meint em Feind im Uebermuth, Wir sei'n so leicht zu schlagen : Wir dampfen seinen kiihnen Muth, Konn'n auch noch Waffen tragen ! Yankee doodle, Buben 'ran ! Platz zur Seite, her zur Mitte, Yankee doodle, drauf und dran. Trommelt, blast und fiedelt. Ich wett' euch Flipp*) ein ganzes Maass Und lass' es gleich auftragen, Dass Yankee - Buben auch mit Spass Zu Schirf sich konnen schlagen ! Yankee doodle, Buben 'ran ! Platz zur Seite, her zur Mitte. Yankee doodle, drauf und dran, Trommelt, blast und fiedelt. Und gilt es Grunde, schwarz auf weiss, So sind wir auch nicht hinten, Denn Zungen, scharf und spitz und heiss, Sind auch bei uns zu finden.' Yankee doodle, Buben 'ran ! Platz zur Seite, her zur Mitte, Yankee doodle, drauf und dran, Trommelt, blast und fiedelt. Amerika ist ein herrlich Land, Ein Volk von lauter Brudern, Hat einer Kuchen in der Hand, Er theilt ihn mit den Brudern. Yankee doodle, Buben 'ran ! Platz zur Seite. her zur Mitte, Yankee doodle, drauf und dran, Trommelt, blast und fiedelt. Wir schaffen, schlafen, beten auch, Sind arbeitsame Leute. Doch geb'n wir unsern Honig nicht Den Drohnen hin als Beute. Yankee doodle, Buben 'ran ! Platz zur Seite, her zur Mitte, Yankee doodle, drauf und dran. Trommelt, blast und fiedelt. *)' Flipp, ein Lieblingsgetriink der Nordamerikaner und dem Eierpunsch sehr ahnlich. 357 — Und dann am grossen Freiheitstag. *) Wer sollte da sich plagen? Da geh'n wir Saus und Brause nach Und sorg'n auch ffir den Magen. Yankee doodle, Buben 'ran! Platz zur Seite, her zur Mitte, Yankee doodle, drauf und dran, Trommelt, blast und fiedelt. Seh't uns're Madchen, wie sie bliih'n, Seh't uns're starken Knaben, Seh't uns're Alten, frisch und grun, Was woll'n wir mehr noch haben ? Yankee doodle, Buben 'ran ! Platz zur Seite, her zur Mitte, Yankee doodle, drauf und dran, Trommelt, blast und fiedelt. Ja, gliicklich sind wir, freie Leut', Auch nicht ganz ungebildet: Durch gute Schulen weit und breit Wird unser Volk gebildet. Yankee doodle, Buben 'ran! Platz zur Seite, her zur Mitte, Yankee doodle, drauf und dran, Trommelt, blast und fiedelt. Wir pfliigen unser eigen Land, Wir haben's wohl errungen, Drum fechten wir auch, Hand in Hand, Wenn Feinde eingedrungen. Yankee doodle, Buben 'ran! Platz zur Seite, her zur Mitte, Yankee doodle, drauf und dran, Trommelt, blast und fiedelt. *) Fest der Unabhangigkeitserklarung (1776), welches an jedem 4. Juli gefeiert wird. Josef Rodman Drake. Er war der unzertrennliche Freund und litterarische Bundesgenosse Fitz - Green Halleck's, in dessen Gemeinschaft er eine Reihe geistvoller und witziger Gedichte schrieb, die unter der Firma Croaker & Co. in der ^Evening Post 44 erschienen. Sein Hauptwerk ist „the Culprit Fay 44 , „ein Stiick echter Poesie, 44 voll graziosen und feinsinnigen Hu- mors. Leider raubte ihn der Tod schon im 25. Jahre seines Lebens hinweg. Geboren 1795 starb er 1820. Die Flagge der Vereinigten Staaten. Als Freiheit von ihrer Berge Hoh'n Ihr Banner in der Luft liess weh'n, Zerriss sie der Nacht Azurkleid, Drauf pflanzend die Sterne der Herrlichkeit. Des Himmels glanzend' Giirtelband Sie urn die priicht'gen Farben wand ; Das reine Himmelsweiss streifte sie Mit Strahlen von der lichten Fruh. Dann von der Sonne, wo er war, Rief sie, als Trager, ihren Aar Und gab ihm in die macht'ge Hand Das Symbol von ihrem Lieblingsland. Grosser Monarch des Volkes, du ! Der droben schwebt im Konigsglanze ; Des Sturms Trompeten horest zu, Und siehst des Blitzes fliicht'ge Lanze ; Wenn wild des Sturmes Krieger wettern, Des Himmels Donnertrommeln schmettern ; Du Sonnensohn, dein Amt ist's, dein : Zu schirmen das Panier der Frei'n, Im gelben Schwefeldampf zu kreisen, Den Streich der Schlacht zuriickzuweisen, — 359 — Zu schaffen, dass es hold, gewogen, Noch flatt're, so wie Regenbogen Am nachtlichen Gewolk des Krieges, Herolde des ersehnten Sieges. Der Tapf'ren Banner! Flatt're offen, Ein Pfad fur des Triumphes Hoffen, Wenn die Signaltrompet' erschallt, Das Heer im Marsch lang, glanzend wallt. Eh' triibt mit seiner Lebensfluth Das blanke Bajonett das Blut: Blickt dorthin jedes Kriegers Auge, Wo deine Himmelsglorien gliih'n ! Kriegswuth aus deinem Glanz er sauge, Wenn er im Sturm muss vorwarts ziehn. Wenn brullender Geschutze Dampf, Ein graues Bahrtuch, hullt den Kampf, Der blut'ge Sabel zuckt zum Streich, Der Mitternacht Sternschnuppen gleich : Dann flamm' in Meteores Licht, Dass zitternd flieh'n des Auslands Kinder Vor jedem Arm, der mannhaft ficht Unter so schonem Todverkiinder ! Flagge des Meers ! Zur See deck' immer Die Tapfern deiner Sterne Schimmer ; Wenn Tod, scheuchend des Sturmes Vogel, Schwarz raucht um die geblahten Segel, Wenn die Wellen flieh'n in wildem Schreck Vor'm Schiffsbord, schon zum Sinken leek: Schau' jeder Todgeweihte doch Zum Himmel und zu dir auf noch, Noch sinkend deine Farben zu seh'n Ob seinem Grabe im Triumphe weh'n. O Flagge ! freier Herzen Vertrauen, Von Engelshand dir Kraft verliehen, Am Himmel deine Sterne wir schauen, In Himmelsart deine Farben gliihen. Weh' stolz, o Fahne, unverwandt! Wo ist der Feind, der den Sieg je raubt uns, Wenn der Fuss steht auf der Freiheit Land, Der Freiheit Banner weht urn's Haupt uns. Ferd. Freiligrath. Hanna F. Gould. 1789 zu Lancaster in Massachusetts geboren und ge- storben am 7. September 1865 zu Newburyport. Eine ernste Dichterin voll mannlich starken Geistes. Ihre poetischen Leistungen tragen nicht den Stempel des Genies und zeigen durchaus nicht einen Ueberfluss an Formgewandtheit, aber sie sind charaktervoll, durchdacht, edel und wirksam. Die Winde. Wir kommen heran, unsre Macht fiihlt ihr, Wenn wir ziehen durch unser endloses Revier Und iiber die Fluthen legen und Hugel Den breiten und unsichtbaren Fliigel, Wie der Freiheit Geist so wild und frei. Ihr seht unser Thun und uns dabei, Ihr nennt uns die Winde, doch konnt ihr kiinden, Wohin wir gehn oder wo wir zu finden ? Ihr seht den Wechsel in unsrer Gewalt. Bald bricht sie die Walder, kost Blumen bald, Wenn der Klee hinwogt und das Rohr sich biegt, Wenn der Thurm umsturzt und die Eiche bricht, Wenn wir treiben auf schlummernder Fluth die Schiffe, Oder stiirzen die Mannschaft in Wogentiefe, Und ihr sagt, wir sind es, doch wisst ihr nun, Wo die wandernden Winde verborgen ruhn ? Mag hoch und laut unser Athem gehn, Mag sanft und lind unser Seufzer wehn, Unser Droh'n die Seele in Schrecken brullen, Unser leises Gelispel das Ohr erfullen Mit Himmelsmusik, stets sind es wir, Ihr lauscht und schaut, doch was sehet ihr? Heisst einen der sanften Laute weichen ! Weckt eine Note nur, wenn wir schweigen! — 3 61 — Wir wohnen in des Allmachtigen Ilaus, Nach seinem Gebot gehn wir ein und aus, Bringt unser Kommen Schmerz oder Gliick, Es ist sein Wille, wir schau'n nicht zuriick, Und wollt ihr uns wenden, wenn wir in Wuth, Oder spielen uns sehen in sanftem Muth, Dann hebt euer Herz zu ihm, dess' Bann Die Winde lassen und fesseln kann ! BUchner John G. C. Brainard. Ein leider viel zu fruh verstorbenes Talent. Geboren ward er im Jahre 1796 zu New -London in Connecticut, starb aber bereits 1S28 an der Schwindsucht. Nachdem er einige Zeit lang Jurist gewesen, ubernahm er 1825 die Redaktion des „ Connecticut Mirror", in welchem er seine Gedichte nach und nach veroffentlichte. Lehre der Blumen. Wie gleicht ihr Blumen auf dem Feld Des Menschen schwachem Sein, Ihr bluht, vom Morgenstrahl erhellt, Der Abend sargt euch ein. Lehrt dies ! Dann ist, so kurz es war, Doch euer Sein nicht unfruchtbar. Der Jugend achtlos Haupt umschlingt, Und mahnt sie an die Zeit ! In's Ohr dem Vielgeschaft'gen bringt, Was er zu horen scheut ! Dem Alter deckt die Wege zu Und sprecht ihm von der Todten Ruh. Doch wenn ihr so ein ernstes Wort Den sorglos Frohen lehrt, Habt ihr dann fur das Ungiuck dort Nichts, was sein Hoffen nahrt? O ja. fur beides gebt ihr Starke, Fur Lebens- und fur Todeswerke. Buchner. William Cullen Bryant. Bryant, geb. den 3. November 1794 zu Cummington in Massachusetts, war der erste wahrhaft nordamerikanische Dichter, welcher die Poesie des Landes erfasste und ihr origi- nalen Ausdruck gab. Seine Bedeutung ruht auf seinen Ge- dichten, welche zumeist das Weben der Natur im Urwald, auf der Priii ie oder auf der See wiederspiegeln und, reich an philo- sophischen Tiefblicken, Natur und Menschensein nach Art des Rogers und Campbell, in Verbindung bringen. Zu diesen Gedichten zahlen „Thanatopsis" , „Waldhymne u , „Die Prarie", „Der Wasservogel", „Nach dem Sturme", „Hymne auf den Tod", „Die Erde u . Edlen, mannlichen Geist athmen auch seine Freiheitsdichtungen, wie „Die Zeitalter" und „Das Alter der Freiheit", Gleich hervorragend ist Bryant iibrigens als Vermittler europaischen und transoceanischen Geisteslebens ; er starb allgemein betrauert am 12. Juni 1878 und liegt zu Roslyn auf Rhode Island begraben. Der Freiheit Alter. Heil dir, mein Wald, mein altehrwiird'ger Wald! Ihr knorr'gen Tannen und ihr Eichen stolz. Umwallt yon griinem Moose ! Diesen Grund Durchwiihlte nie der Spaten. Blumen bliihn. Die Niemand saet, Nimand bricht. Wie suss Ist's, hier zu ruh'n, wo tausend Vogel schwirrn, Eichhornchen springen, Bache wandern, und Der Wind, durch Blatter rauschend, dich umhaucht Mit Duft der Ceder, die so kostlich prangt Mit bleichen, blauen Beeren. Hier im Wald — Im friedereichen, tausendjahr'gen Wald — - Verfolgt mein Geist den dammervollen Pfad Bis zu der Freiheit ersten Fruhlinorstao\ 36 4 - O Freiheit, du gleichst nicht dem Dichtertraum, Kein lieblich Madchen bist du, schlanken Leibs, Mit Locken, wallend aus der rothen Mutze, Die auf das Haupt dem Sklav' der Romer driickte, Nahm er die Fesseln ihm. Ein bart'ger Mann Bist du in vollem Stahl : die eine Hand Erfasst den breiten Schild, die andre ruht Am Schwerte. Deine Stirn, erglanzt sie schon Von hoher Schonheit, tragt die Narben doch So manchen Kampfes, und dein macht'ger Leib 1st stark vom Ringen. Dich traf der Gewalt Geschoss und ihre Blitze iuhltest du : Sie raubten dir dein gottlich Leben nicht. Es grub die Tyrannei den Kerker tief, Und Fesseln schmiedete ihr schnoder Tross An tausend Feu'rn — und glaubte dich besiegt ! Da klirren ab die Ketten, donnernd stiirzt Die Kerkerwand, und furchtbar brichst du aus, Wie hell die Flamme aus dem Holzstoss bricht, Und rufst den Volkern, und sie jauchzen dir Die Antwort, und der bleiche Pein'ger flieht. Von keinem Erdgebor'nen stammst du ab ; Bist du des Menschen Zwillingsbruder doch ! Als sein Geschlecht noch diinn gesaet war, Auf blum'gen Auen sassest du bei ihm Und hieltest mit ihm bei der Heerde Wacht Und lasest mit ihm in der Sternenschrift Und lehrtest ihn der Flote einfach Lied. An seiner Seite in dem dichten Wald Bekampftest du den Panther mit dem Wolf, Die einz'gen Feinde ; und du zogst mit ihm Die ersten Furchen an dem Bergeshang, Dem siindfluthfeuchten. Selbst die Tyrannei, Dein Erzfeind mit dem droh'nden Herrscherblick. Ob grau von Jahren schon und reich an Macht, 1st jiinger doch, denn du, und wie sie trifft Der Zornesblitz aus deinem altern Aug', In ihrer Zwingburg zittert die Gewalt. Und starker wirst du in der Flucht der Zeit, Und schwacher, greisenschwach die Tyrannei, Schwacher und schlauer. Flechten wird sie dir Die Schlingen, Fallen stellen deinem Fuss - 3«S Und klatschen in die welke Hand, hervor Die Henker rufen aus dem Hinterhalt : Dass sie dich greifen ! Und wird senden aus Viel bunte Masken, herrlich anzuschaun, Daes sie dein Auge fesseln ; schlangenklug, Dass sie dein Ohr bezaubern, wahrend still Die schlaue Koboldschaar dich eng' umstrickt Mit Eisenfaden. diinn, unscheinbar diinn, Die Fesseln werden ; oder deinen Arm Mit Ketten bindet, die im Rbsenkranz Sie klug verhiillt. O, nur noch jetzo nicht Leg' ab den Panzer und entgurte dir Das Schwert! nur jetzt noch nicht, o Freiheit. schliess' Zum Schlummer deine Augen, — nimmer schlaft Dein Feind ! und wachen musst und kampfen du In Ewigkeit bis zu dem jungsten Tag. Doch willst du fliehn fur einen Augenblick Vor dem Betrug und Taumel dieser Welt : O. komm zum Frieden dieser Einsamkeit ! Sie, wahrend jener Baume Ahnen jung Aus schopfungsfrischer Erde sich gewagt — Als dieser Fels noch rein von braunem Moos - Sie freute deiner holden Kindheit sich. Spielkagen. $& Thanatopsis. Wer liebend Umgang pflegt mit der Natur Und ihren Bildungen, dem redet sie Gar manche Sprache ; seinen froh'ren Stunden Leiht sie der Stimme heitern Ton und liichelt Ihm in beredter Schonheit zu, sie schleicht Sich in sein trub'res Sinnen ein, sie nimmt. Eh' er's gewahrt, mit sanfter Svmpathie Ihm seine Bitterkeit und heilt sein Herz. — Befallt wie gift'ger Mehlthau dich Erinnerung An deine letzte Stunde, tauchen Bilder Von Todeskampf, von Leichenkleid und Bahrtuch Und von des Sargs luftloser Finsterniss Erschreckend vor dir auf. dass du erbebst. Dann tritt ins Freie. — unter blauem Himmel - 366 - Horch' auf die Lehren der Natur, wenn leise Rings von der Erd', aus Wassern und aus Liiften, Dir ihre Stimme tont. — Nur wenig' Tage, Dann sieht in ihrem Lauf, die Alles sieht, Die Sonne dich nicht mehr ; im kalten Grund, In den man weinend deinen bleichen Leib Gelegt, und in des Oceans Umarmung 1st dann dein Bild nicht mehr, die Erde, die Dich nahrte, fordert dich zuriick, dass wieder Du Erde werdest. Wenn die letzte Spur Von dir verschwand, und du dein Eigenwesen Zuriickgeliefert, gehst du hin und ein'st Fur iminer mit den Elementen dich; Du wirst dem fiihllos harten Fels ein Bruder, Der tragen Scholle, die der rauhe Pfliiger Mit seiner Schaar durchwiihlt und die sein Fuss Zertritt. Die Eiche streckt die Wurzeln aus, Dass, was von dir geblieben, sie durchbohre. — Doch gehst du nicht allein zur ew'gen Run' Und kannst dein Lager dir nicht pracht'ger wiinschen ; Du wirst dort liegen bei den Patriarchen Der jungen Welt, bei macht'gen Konigen, Den Herr'n der Erde, bei den Guten, Weisen, Bei lieblichen Gestalten und den Sehern Vergang'ner Zeit, die all' ein machtig Grab Um dich versammelt. — Felsgerippte Berge, Alt wie die Sonne, Thaler, die dazwischen Stillsinnend ruh'n, ehrwiird'ge Walder, Strome Voll Majestat, der Bach, der leise klagt Und griin die Wiesen farbt, und rings umher Des alten Weltmeers graue Wiistenei. Sie dienen nur zum feierlichen Schmuck Des grossen Menschengrabs. — Die gold'ne Sonne, Die Wandelsterne und der andern Lichter Unzahlig Heer, sie strahlen seit Aeonen Hernieder auf des Todes dust'res Haus. - Die Menschen alle, die hienieden wandeln, Sind nur ein schwacher Theil von jenen, die Im Schooss der Erde ruhen. — Nimm die Schwingen Des Morgens und durchfliege Barcas Wuste, Irr' in des Urwalds Unermesslichkeit, Durch die der Oregon sich walzt, und nur ._ 367 - Das Rauschen seiner Wellen horst, du findest Die Todten doit. Millionen legten, seit Der Jahre Flucht begann, sich in der Wildni.^ Zum Schlummer bin, — der Tod herrscbt dort allein. So ruhst du einst — und wie? wcnn unbemerkt Den Lebenden du gingst, und wenn kein Freund Dein Geh'n beachtet ? Alles, was da athmet, Theilt gleiches Loos mit dir ; der Frobe lacht Wie sonst, bist du nicht mehr; der Ernste sinnt Voll Sorg', und jeder jagt nach den Phantomen, Die ihm die liebsten, aber alle werden Von ihren Freunden, ihrer Arbeit gehn Und kommen und bei dir ihr Lager suchen. - Wie die Jahrhunderte in langein Zug Hinschwinden, wird die Schaar der Menschensohne, Der Jiingling in des Lebens Lenz, der Mann In seiner Jahre Kraft, die Frau, das Madchen, Das holde Kind, der Greis im Silberhaar Bei dir bestattet werden nach und nach, Durch solche, welche selber bald dir folgen. O, lebe so, dass, wenn der Ruf ertont Zunl Anschluss an die grosse Caravane, X)ie zum geheimnissvollen Reiche zieht, vVo jeder seine Kammer linden soil Im stillen Haus des Todes, du nicht gleichst Dem Sklaven, welchen man vom Steinbruch wieder In sein Gefangniss peitscht, nein, ruhig, fest, In sicherem Vertrau'n nah' dich dem Grab, Wie, wer des Lagers Hiillen urn sich zieht Und sich zu siissen Traumen niederles^t. Adolf Lav?:, %& Der Wasservogel. Wohin beim fall'nden Thau, Diew^eil der Tag sich seinem Ende naht, Verfolgst du durch des Himmels ros'ge Au Den einsam stillen Pfad ? — 368 — Des Voglers Auge miiht Vergeblich sich, auf dass es dich erreicht, Wenn durch den Aether, der in Scharlach gliiht, Dein dunkler Fliigel streicht. Eilst du zu Schilf und Rohr Des See's, zu eines breiten Flusses Rand, Oder dahin, wo schaumend steigt empor Die Well' am Meeresstrand? Dich lenkt auf deiner Bahn, Der einsam fernen, eine hoh're Macht, Von ihr wirst durch der Lufte Ocean Du an dein Ziel gebracht. Die Schwingen regtest du Den ganzen Tag auf jenem kalten Pfad ; Noch fliehe miide nicht dem Lande zu, Ob auch die Nacht sich naht. Bald ist dein Muh'n vorbei, Bald winkt der Heimath Nest im warmen Rohr; Und deiner Briidervogel Lustgeschrei, Bald klingt es deinem Ohr. Jetzt schwandest du dahin, « Ein schwarzer Punkt im blaulichen Revier : Und was du mich gelehrt, in treuem Sinn Bewahr' ich's sorgsam mir. Er, der so sicher dich Gefuhrt die endlos lange Bahn entlang, Er stiitzt, der ich hier einsam wall', auch mich Auf meines Lebens Gang. Adolf Laun. O, schonste Maid vom Lande du! O, schonste Maid vom Lande du ! Geboren in des Waldes Ruh, Wo Laubesgriin und Himmelsblau'n Die Kinderaugen winzig schau'n. — 369 — Die Spiele deiner Kinderzeit Triebst du in Waldeseinsamkeit ; All' seiner Schonheit Wiederschein I ni Herzen, auf dem Antlitz dein. Wie Busch und Fels im Dammerlicht Sich deiner Loeken Farben bricht; Dein Schritt ist wie der Wind so leicht. Wenn er die Blatter spielend neigt. Dein Auge wie der Quelle Fluth, Darin des Himmels Abbild ruht, Die Augenlider sind das Kraut, Das sicb in Baches Spiegel sehaut. Nicht kann der Urwald reiner sein, Als deines Busens stiller Schrein ; Der ringsum athmet im Revier ; Der Waldesfrieden wohnt in dir. E. v. Beaulieu- Marconnay. ^© En^l. -Amerik. Dichter. 24 Oliver Wendell Holmes. Dieser Dichter eroffnet nach den Worten E. O. Hopp's in mancher Hinsicht eine neue, bessere Zeit und zeigt nicht nur hinsichtlich der Form, in der Sprachtechnik, einen wesentlichen Fortschritt, sondern auch der gehaltvollen Tiefe der Gedanken. Seine Ironie ist glanzend, sein Sar- kasmus schneidig ; aber auch das zundende Pathos steht ihm gut zu Gesicht, wie in dem gegen die beabsichtigte Zerstorung der Fregatte „Constituante" gerichteten Poem: „01d Ironsides." Geboren 1809 zu Cambridge, studierte er Jurisprudenz und spiiter Medicin, hielt sich langere Zeit in Paris auf und liess sich zuletzt in Boston als Arzt nieder. Seit 1847 bekleidet er auch die Stelle eines Professors der Anatomie an der Howard Universitat dortselbst. Das letzte Blatt. Ich hab' ihn jiingst gesehn Vorbei am Hause gehn Im langen Rock: Er schlich gebiickt, allein, Es wiederhallt' der Stein Von seinem Stock. In Jugendherrlichkeit. Bevor das Messer „Zeit" Ihn arg beschnitt, Nie flinker je durchmass Ein Burger diese Strass' Mit leichtem Schritt! Verloren, morsch und alt, Schleicht weiter die Gestalt, Verweht, verdorrt ! Mir ist's, als ob er sag' : ^Zu Riiste geht mein Tag. Die Lust zog fort." 37i - Lang' sanken schon in's Grab, Die lhn geliebt, hinab. Ihr Nam' allein — Im Kirchhof auf die Gruft, Umweht von Moderduft, Grub man ihn ein. Grossmutter hat's gesagt — Sie starb schon, viel beklagt, Vor langer Zeit — Dass romisch sein Gesicht, Die Wangen roth und licht Im Jugendkleid. Wie diinn die Nase nun ! Muss auf dem Kinn ausruh'n, So welk und kalt ; Sein Rucken beugt sich her ; Triibselig, achzend schwer Sein Lacheln schallt. Und kommt er vor ein Haus, Man lacht ihn gar noch aus. Der putzige Rock, Der Hut, dreispitzig, breit, Kniehosen kurz und weit, Sind zu barock ! Bin einst ich altersmatt, Am Baum das letzte Blatt Vom Fruhlingstag, Ein And'rer gern mich dann, Mich alter, morscher Mann Belacheln mag. E. O. Hopp. 24* John Greenleaf Whittier. „Der Quakerdichter !** ..Tiefe der Empfindung, Keusch- heit der Phantasie, inniges Yerstandniss fur die Schonheiten der Natur, gliihende Liebe zur Freiheit, Sympathie fur die Unterdriickten, Kraft des Ausdrucks mit Milde gepaart und charaktervollem Edelmuth. u (Rud. Doehn.) „ Seine Muse schlagt oft einen rauhen, fast kriegerischen Ton an, und seine Lvrik ist der reinste Erguss einer nach Freiheit durstenden Seele. a Es steckt in diesem Dichter etwas vom alten Puritanergeist. Geboren wurde er am 17. December 1807 bei Haverbrill am Merrimac in Massachusetts, als Spross einer angesehenen Quakerfamilie. 20 Jahre alt. iibernahm er die Redaktion des „ American Manufakturer u in Boston und spater die der „Ne\v England Weekly Review" in Hartford in Connecticut. Aber schon 1S31 zog er sich von dieser Thatigkeit zuruck und wandte sein Interesse der Landwirthschaft zu. Ein gliihender Gegner der Neger- sklaverei. ward er 1836 Sekretair der n American Anti- Slavery -Society u und gab in Philadelphia „The Pennsyl- vanian Freeman u heraus. 1840 zog er sich nach Amesbury zuruck und fuhrt dort bis heute ein zuriickgezogenes den Musen gewidmetes Leben. Winterbilder. Von aller x\ussenwelt geschieden Am Heerde sassen wir in Frieden Und horten laut den Nordwind rasen. Urn Scheib' und Fenster zornig blasen, Dieweil die Stamme roth aufgliihten. Mit Tropengluth uns heiss umspruhten ; Und je. -wenn's lauter draussen schiittelt'. Die Balken und die Stiinder riittelt'. Nur urn so lust'ger unterm Zug Die Flamm' hinauf zum Schornstein schlug Der Hund, die Pfoten ausgestreckt, Am Fenster schlafrig auf sich reekt', Der Katze Schatten an der Wand. Gross wie ein Tiger vor uns stand; Und fur den Winter aufgespart, Wohl hinter'm Brandbock aufbewahrt, Hort brodeln man den Weinkrug leis, Die Aepfel zischten reihenweis', Nahbei war auch ein Korb zu schau'n Mit Niissen vom October, braun. II. Die Sonn' an dem Deeembertag Unlustig auf den Hohen lag, Von einem dunkeln Hof umgeben, Mocht' wie der Mond nur Licht sie geben ; Langsam am grauen Himmelszelt, Stumm mahnend, zog sie ob der Welt, Und lange vor der Damm'rung schon Entrloh sie scheu mit stillem Drohn. Der Rock, und ob wir selbst ihn spannen, Die Kalte konnt' er nicht mehr bannen, Sie kam so scharf, so hart und bitter, Dass in den Adern stockend schien Das Blut nicht mehr die Bahn zu ziehn, Als ahnt's das Schneesturmungewitter. Der Wind war Ost ; das Brullen h or ten Der Wogen wir, der wildemporten, Des Meeres macht'ge Pulse schlugen, Die tiet ins Land Sturmrythmen trugen. Gewarmt von keinem Sonnenschein, Verstrich der Tag, die Nacht brach ein. Staubwolken hauften sich und zogen Einher, im Wirbeltanz sie flogen, Im Zickzack schuttelt' sein Gefieder Der Schnee in vollen Massen nieder, Und eh' zur Ruh' wir uns gestreckt, War schon das Fensterkreuz bedeckt, Und drohend sah'n wie Nachtgespenster, Die Waschestan^en in die Fenster. — 374 — So tobt' der Sturm die ganze Nacht, Die Sonn' war Morgens nicht erwacht, Manch Kornchen sank, voll Symmetric Nach der Natur - Geometrie ; In grossen Flocken hin und wieder, Den ganzen Tag fiel Schnee hernieder. Und als der zweite Morgen kam, Wie schien die Welt so wundersam, Die and're Formen schnell annahm ! Und um das pracht'ge Wunder spannt' Der Himmel seinen blauen Rand, Nicht Wolken mehr und keine Flur, Ein All von Schnee und Himmel nur. E. O. Hopp. ®* Dammerungsbild. Und tiefer um uns her das Zwielicht sank, Der Wald ragt' still und schwarz die Hoh'n entlang, An seinem Saum, wo scheidend noch der Tag Auf dem geschor'nen Griin der Lichtung lag, Stand braun, verwettert, alt, des Farmers Haus, Es sah wie eines Vogels Nestlein aus. In stiller Luft bebt manch ein Heimathklang, Der Schafe Blocken fernher zu uns drang, Am kuhlen Bronn' der Eimer platschernd schallt', Der Hiirde Riegel fiel und kriichzend hallt', Die Hunde bellten, flatternd Hiihner schrie'n, Die Kiihe hort man briillend heimwarts ziehn, Und achzend knarrt' das Scheunthor noch, erfasst Vom letzten Fuder Korn der Erntelast. Zum Abendessen rief die Kinderschaar, Die sonngebraunte. dann scholl tief und klar Den schattenreichen Gartenzaun entlang Der Abendglocke mahnend siisser Klang. E. O. Hopp. Barbara Frietchie. Auf den Feldern wogt' der Mais in Pracht, Als kiihl der Septembermorgen erwacht', — 375 Wo Friedrichstadt's Thurme schau'n in's Land An den griinen Hiigeln von Maryland. Die Garten prangen im Morgenschein, Wo der Apfel dich ladt und der Pfirsich ein. So schon erschien's, wie ein Garten von Gott, Der hungergequalten Rebellenrott', Die den lieblichen Morgen am Friihherbsttag Mit Lee hervor aus den Bergen brach. Vom Hiigel herab zu Fuss und zu Pferd Gen Friedrichstadt hat sich das Heer gekehrt. Vierzig Fahnen mit blaurothem Schein, Vierzig Fahnen mit Sternen d'rein Flatterten lustig im Wind einher. — Der Mittag kam und sah keine mehr. Aufstand Barbara Frietchie da, Die neunzig der Jahre das Leben sah, Das Banner, das eingezogen man hatt', Erhob sie muthig in Friedrichstadt, Zu zeigen, dass e i n Herz schlug noch treu, Aus dem Fenster hing sie's sonder Scheu. Die Strass' herauf schallt' der Rebellen Tritt, Stonewall Jackson zuvorderst ritt. Um sich blickt' er aus breitem Hut. Auf der Fahne hat sein Blick geruht. „Halt! u — Fest steht das staubige Corps. „Feuer!" — Ein Donnerstrom bricht hervor, Er zerlochert' das Fenster und Scheib' und Panier, Er zerriss der Fahne wehende Zier. Doch schnell, wie vom Sims das Banner sank, Ergriff Frau Barbara muthig die Stang', Sie lehnt' aus dem Fenster sich weit hervor. Die Fahne, sie schwenkt' sie muthig empor. „So schiess' auf dies Haupt, das hochbetagt Doch schon' deines Landes Fahne!'* sie sa^t. - 376 - Ein Schatten der Trauer, das Roth der Scham Ueber das Antlitz des Feldherrn kam. Sein edles Herz in ihm ward wach, Er starrt' auf die greise Frau und sprach : „Wer ein Haar auf jenem Haupt verletzt, Stirbt wie ein Hund. Und vorwarts jetzt u — Den ganzen Tag hallt' dumpf und schwer Durch die Strassen der Zug vom Rebellenheer ; Den ganzen Tag flatterte frei und klar Das Banner uber der Feindesschaar. Die zerriss'nen Falten hoben sich Lustig im Wind, der voriiberstrich, Bis von den Hiigeln nieder in's Thai Den Scheidegruss bot der Sonnenstrahl. — Barbara Frietchie's Werk ist vollbracht, Die Rebellen deckt des Vergessens Nacht. Doch Ehre der Alten und Ehre dem Mann, Der sich in Friedrichstadt Ehre gewann ! Und um sie eine Thrane mag Fallen auf Stonewall's Sarkophag. Hoch iiber Barbara Frietchie's Gruft Frei weh' die Fahn' in freier Luft ! Ew'ges Symbol von Recht und Licht, Das unser Land mit Schonheit umflicht ! Und uber Friedrichstadt schaue so klar Auf's Sternenbanner der Sterne Schaar ! — E. O. Hopp. ^D Edgar Allan Poe. Die originellste Erscheinung der anglo - amerikanischen Litteratur, eine kraftgenialische Natur, durchgliiht von echtestem dichterischen Feuer. Ein Romantiker par excel- lence sucht er am liebsten die Nachtseiten des menschlichen Daseins auf, die er mit phantastischem Geist auffasst ; in der Darstellung der aetherischsten und subtilsten Empfin- dungen und Vorgange ist er von wunderbarer Meisterschaft, seine Herrschaft iiber die Sprache eine uberraschende. Leider vergeudete er seine Krafte, ohne sie auf ein grosses Ziel zu richten, in einem aufregenden Leben und starb in Folge seiner Ausschweifungen 1843, erst 38 Jahre alt, zu New -York. Geboren war er zu Baltimore, bezog 1825 die Jefferson University in Charlottesville, besuchte kurze Zeit die Militairschule in Westpoint und wandte sich dann ganz dem Journalisten- und Schriftstellerberufe zu, lebte in Richmond, Philadelphia und schliesslich in New -York. Ausser seinen grausig - phantastischen und excentrischen Novellen gab er eine Reihe vorzuglicher Gedichte, darunter Perlen der Weltlitteratur. Sein Gedicht „Der Rabe" nennt Scherr mit Recht „geradezu die originellste Schopfung der amerikanischen Poesie". Annabel Lee. Es sind viele, viele Jahre her, Dass am Meeresufer allhie Ein Miidchen lebte — o fragt nicht mehr! — Mit Namen Annabel Lee. Und dies Madchen lebte fur mich allein, Und ich lebt' alleine fur sie. Ich war ein Kind und sie war ein Kind, Am Meeresufer allhie, Doch wir liebten uns heisser, als Liebe liebt, — 37<^> — Ich und schon Annabel Lee, ■— Liebten uns so, dass die Engel im Blau, Bedraueten mich und sie. Und dies war der Grund, dass vor langer Zeit Am Meeresufer allhie Ein schnaubender Wind aus der Wolke traf Die liebliche Annabel Lee ; So dass ihr hoher Verwandter kam Und den Leib der Erde verlieh, Und sie schloss in ein Grab, so finster und kalt Am Meeresufer allhie. Die Engel, nicht halb so gliicklich im Blau, Beneideten mich und sie — Ja, dies war der Grund (wie ein Jeder weiss Am Meeresufer allhie), Dass der Wind aus der Wolke zur Nachtzeit brach, Schnaubend mir raubend schon Annabel Lee. Doch stark wie unsere Liebe war Die Liebe viel Alterer nie, Die Liebe viel Weiserer nie; Und weder der himmlischen Englein Schaar, Noch der Meergeister Grollen allhie Kann scheiden in Leiden mein Sein von dem Sein Der lieblichen Annabel Lee! Kein Mondstrahl erblinkt, der mir Traume nicht bringt Von der lieblichen Annabel Lee; Und kein Stern sich erhebt, drin das Auge nicht schwebt Der lieblichen Annabel Lee ; So run' ich bei der Nacht, von der Reinen umwacht, Der Einen, der Meinen, die ewig mir lacht, In dem Grab am Ufer allhie, Am tonenden Ufer allhie. Strodtmann. Einer im Paradies. Ach, Alles warst du mir, mein Lieb, Mein Lieb, so hold und rein — Ein Eiland in der See, mein Lieb, Ein Bronnen und ein Schrein, Umkranzt mit Blumen ohne Zahl Und alle Blumen mein! — 379 — Ein schoner, wonn'ger Traum ! O, gold'ne Hoffnung! Ach, zu bald Zerflossest du, wie Schaum. Die Stimme aus der Zukunft schallt: „Auf! Auf!" — doch an den Saum Des Einst irrt mein verstorter Geist - Ich leb' und weiss es kaum. Denn ach und ach ! fur mich 1st jetzt das Leben leer! Nicht mehr — nicht mehr — - nicht mehr. — (So hor' ich rauschen feierlich Am Strand das ew'ge Meer) Begriint auf's Neu die Eiche sich, Fliegt stolz der Aar einher. Ich weiss es, wieder lenzen Kami es mir dorten nur, Wo deine Augen glanzen, Wo leuchtet deine Spur — In sel'ger Geister Tanzen Auf griiner Himmelsflur. Friedr. Sfiielhagev. Der Rabe. Einst um Mitternacht, gar schaurig, sass ich briitend, niiid' und traurig Ueber seltsam krausen Biichern, bergend halbvergess'ne Lehr' ; Fast schon nickt' ich schlafbefangen, plotzlich draussen kam's gegangen, Kam wie leise suchend naher, tappte an der Thiir umher : ,,'s ist ein Gast wohl," murrt 1 ich leise, „tappend an der Thiir umher : Nur ein spater Gast — was mehr?" — Deutlich ist. mir's noch geblieben, im December war's. dem triiben, Geisterhaft verloschend hiipften Funken im Kamin umher, Heiss herbei sehnt' ich den Morgen, denn aus Biichern Trost zu borsren - 3 8o - Fur den Kummer um Lenore, war mein Herz zu trub und schwer ; Um Lenoren, die nur Engel droben nennen, licht und hehr I Ach, hier nennt sie Niemand mehr ! Und das leise Rascheln, Rauschen, wie von seid'nen Vorhangs Bauschen, Fiillte mich mit Angst und Grauen, das ich nie gekannt bisher. Deutlich fuhlt' mein Herz ich schlagen. musste zu mir selber sagen : „Jemand kommt mich zu besuchen, tappt nun an der Thiir umher — Noch ein spater Gast will Einlass, suchend tappt er hin und her ; Nur ein spater Gast, was mehr?" — Als besiegt des Herzens Zagen, ling ich deutlich an zu fragen, „Ob ihr Herr seid oder Dame, um Verzeihung bitt' ich sehr, Denn ich war so schlafbefangen, und so leis kamt ihr ge- gangen, Dass ich zweifle, ob ich wirklich Schritte horte hier umher," — Hier riss ich die Thur' auf, draussen — Alles rlnster. still und leer! Tiefes Dunkel und nichts mehr ! Unverwandt in's Dunkel starrend, stand ich lange, zweifelnd, harrend ; Sann und traumte, wie wohl nimmer Sterbliche getraumt bisher; Aber lautlos war das Schweigen, Niemand kam, sich mir zu zeigen, Nur ein einzig Wort erklang wie fliisternd aus der Feme her; Leise rief ich's : „Leonore!" — Echo tonte triib und schwer! — Dieses Wort und sonst nichts mehr! — Riickwarts trat ich nun in's Zimmer, zagend schlug mein Herz noch immer, Und schon wieder hort' ich's draussen lauter trippeln hin und her ; Diesmal schien das dumpfe Klingen von dem Fenster her zu dringen : - 33i ..Dies Geheimniss, ich ergrund' es. schlagt mein Ilerz auch noch so sehr: Still, mein Her/, ergriinden will ich's. birgt es sich auch noch so sehr; — 's ist der Wind nur, und nichts mehr!" Aufschob ich den Fensterriegel, da mit leisem Schlag der Fltigel, ' Kcim herein stolzirt ein Rabe, wie aus altersgrauer Mar, Ohne mit dem Kopf zu nicken, ohne nur sich umzublicken. Flog er auf die Pallasbiiste, die, geschmuckt mit Helm und Wehr, Ueber'm Thiirgesimse glanzte, setzte drauf sich oben her ; Sass und riihrte sich nicht mehr. Und mir war's, als wollten fliehen meine triiben Phantasien Vor dem Raben, der so ernst und gravitatisch blickte her. „Ist dein Kopf auch kahlgeschoren, nicht zu grausem Spuk erkoren Bist du, bist kein grimmes Schreckbild von dem nachtlich diistern Meer, Sprich, wie ist dein hoheitsvoller Name dort an Pluto's Meer? k - — Sprach der Rabe: „Nimmermehr !" — Als ich dieses Wort vernommen, hat mich Staunen iiber- kommen, Schien das Wort auch ohne Absicht und als Antwort inhaltsleer ; Denn wer wiisste wohl zu sagen, ob es je in unsern Tagen Einem Sterblichen begegnet, dass ein Rabe flog daher, Der zum Sitz die Pallasbiiste sich erkor mit Helm und Wehr, Und sich nannte „Ximmermehr!" — Und der Rabe sass alleine auf der Biiste, sprach das eine Wort nur aus, als ob es seiner Seele ganzer Inhalt war', Liess sonst keinen Laut vernehmen, leblos sass er wie ein Schemen, Bis ich leise murmelnd sagte : „Morgen, sicher, flieht auch er, Wie die Freunde mich verliessen, wie die Hoffnung floh vorher ! u Doch da sprach er : „Nimmermehr !" — Nun die Stille war gebrochen durch dies Wort so klug gesprochen, „Ohne Zweifel. a sagt ich, „blieb es iibrig ihm aus alter Lehr', - 382 - Einst gehort von einem Meister, den des Unheils bose Geister Hart und harter stets bedriingten, bis sein Lied von Klagen schwer, Bis das Grablied seiner Hoffnung, nur von diistrer Klage schwer, Tonte : „Nimmer — nimmermehr!" — Doch die triiben Phantasieen vor dem Raben mussten niehen, Und so schob vor Thur und Vogel einen Sessel ich daher, Sinnend Haupt in Handen wiegend, mich in's sammt'ne Polster schmiegend, Sucht' ich's forschend zu ergrubeln, was der Rabe ungefahr, Was der grimme, geisterhafte, ernste Vogel ungefahr, Meinte mit dem „ Nimmermehr!" — Tief im Sinnen so versunken, starrt' ich in des Feuers Funken, Und ich mied des Vogels Auge, das gleich einem feur'gen Speer chweift Lebens Schranken, In die sammt'nen Polster presste ich mein Haupt, so mud' und schwer, — In die Polster, drauf der Lampe Schimmer flackert hin und her, Lehnt ihr Haupt sich nimmermehr! Da durchwiirzt mit einem Male, wie aus einer Raucher- schale Schien die Luft, als schritten Engel, Weihrauch spendend vor mir her; ,,Ja, ein Gott hat euch gesendet, mir durch Seraphim gespendet, Leonoren zu verschmerzen, Trostes lindernde Gewahr ! — Trink, o trink den Trank aus Lethe, sei Vergessen noch so schwer!" Sprach der Rabe: „Nimmermehr !" „Du Prophet, o schrecklich Wesen, Vogel oder Freund des Bosen, Sandte dich die Holle oder warf ein Sturm wind dich hierher? Hoffnungslos, doch ohne Zagen, will noch einmal ich dich fragren - 383 - Nach verborg'nem Geisterlande, - gieb, o Schrecklicher Gehor: — Find ich Balsam einst in Gilead ? — Sprich, o sprich, und gieb Gehor ! u Sprach der Rabe : „Nimmermehr! a „Du Prophet, o schrecklich Wesen, Vogel oder Freund des Bosen, Bei dem Himmelszelt dort oben, bei des Hochsten Sternen- heer, Stille meines Herzens Flehen, sprich, ob einst in Eden's Ilohen Ich Lenoren wiederfinde, jene Einz'ge rein und hehr — Engel nennen sie Lenore, jene Heil'gen rein und hehr." — Sprach der Rabe: „Nimmermehr !" „Sei dies Wort das Abschiedszeichen," schrie ich, „fort! In Nacht entweichen Magst du Damon, in die Sturm nacht fort zu Pluto's schwarzem Meer! Keine Feder vom Gewande lass der Luge hier zum Pfande, Lass mich ungestort und einsam, lass die Biiste droben leer, Zieh' den Pfeil aus meinem Herzen, lass den Platz dort oben leer!" Sprach der Rabe: „Nimmermehr !" Und der Rabe, ohne Regen, ohn' ein Glied nur zu bewegen, Hockt auf Pallas' bleicher Biiste, starr und schweigend wie vorher ; Seiner Damonaugen Funken leuchten wie in Traum ver- sunken, Seinen Schatten wirft die Lampe schwarz und lang in's Zimmer her, Und dis Scele kann dem Schatten, der am Boden schwankt umher, Nicht entfliehen — nimmermehr! — Betty Jacob sen. An Helene. Ich sah dich einmat — - einmal nur vor Jahren ! - - Mittnacht im Juli war's und von dem Mond, Dem vollen, der, wie deine Seele strebend, Sich einen steilen Pfad zum Himmel bahnte, - 3§4 - Ein seidenweicher Silberschleier fiel Mit heil'ger Ruh und Dunkelheit und Schlummer Auf das erhob'ne Antlitz vieler hundert Von weissen Rosen, die im Garten wuchsen, Wo nar verstohlen sich ein Liiftchen regte — Auf das erhob'ne Antlitz weisser Rosen, Die in Erwied'rung fiir das Liebeslicht Die duft'ge Seele Avonnevoll verhauchten, Auf das erhob'ne Antlitz weisser Rosen, Die auf den Beeten lachelten und starben, Entziickt von dir und deiner heil'gen Nahe. Gehiillt in Weiss, auf eine Veilchenbank Sah ich dich hingelehnt ; es fiel der Mond Auf das erhob'ne Antlitz weisser Rosen — Und auch auf deins — erhoben — ach ! in Schmerzen. War's nicht das Schicksal, das in dieser Nacht — Das Schicksal, dessen andrer Nam' ist Schmerz — Mich weilen hiess an jener Gartenpforte, Den Duft zu athnien jener siissen Rosen? Nichts regte sich — es schlief die schnode Welt — Nur du und ich nicht. Und ich weilte — schaute — Und alsobald verschwanden alle Dinge — Ach, ganz gewiss, der Garten war verzaubert — Des Mondes matter Perlenglanz verlosch ; Die moos'gen Banke, die verschlung'nen Pfade, Die sel'gen Blumen und die stillen Baume — Ich sah sie nicht — die Rosendiifte selbst, Sie starben in der Liifte weichen Armen ; Und Alles schwand, nur du nicht — und selbst du — Nur nicht das Himmelslicht in deinen Augen — Nur nicht die Seele deiner schonen Augen. Ich sah nur sie — sie waren meine Welt — Ich sah nur sie — und nur fiir wen'ge Stunden — Ich sah nur sie — bis sank der voile Mond. Welch' dunkle Herzensrathsel schaut' ich nicht In diesen demantklaren Himmelsspharen ! Welch' diist'res Weh ! welch' hohe Hoffnung doch ! Welch' schweigend' konigliches Meer von Stolz ! Welch' kuhnen Ehrgeiz ! ach, und welche tiefe, Welch' abgrundtiefe Fahigkeit fiir Liebe! Und nun zuletzt versank der voile Mond Im Westen hinter schwarzen Wetterwolken, - 3«5 - Und wie ein Geist durch geisterhafte Baume Verschwandest du. Nur deine Augen blieben. Sie schwanden nicht — sie konnen nimmer 6chwinden, Sie hellten meinen Pfad in jener Nacht, Sie liessen nimmer mich — wie doch mein Hoffen — Sie folgen mir — sie leiten mich durch's Leben — Sie, meine Diener, und ihr Sclave, ich. Ihr Amt, mich zu erleuchten, zu entflammen — Und meine Pflicht, entflammt, erleuchtet sein — Gelauterter von ihrem hehren Feuer, Geheiligter von ihres Himmels Gluth. Mit Schonheit full en sie die Seele mir. Ich kniee hin vor diesen hohen Sternen Im dtistern Schweigen schlummerloser Nacht, Und selbst noch in des Tages Mittagsglanze Seh' ich sie stets, zwei siisse Morgensterne, Die selbst die Sonne nicht verloschen kann. Friedr. Spiel ha gen. ^&k Engl. - Amerik. Dichter. 25 Henry Wardsworth Longfellow. Neben Bryant der hervorragendste und bekannteste Dichter Amerikas, ein grosses, vielseitiges Talent, dem es freilich an genialen Ziigen mangelt. Besonders vertraut war er auch mit dem deutschen Geiste, der ihni auf seinen mehrfachen Reisen in Europa liebgeworden. Mehr empfind- sam, als gewaltig, mehr romantisirend, als realistisch, mehr lyrisch, als dramatisch gestimmt, hat er gleichwohl auf fast alien Gebieten der Dichtkunst Bedeutsames hervorge- bracht. Das Schonste bringen seine Gedichte, wenn auch der idealisirende Ton dann und wann sehr matt erscheint, daneben sind seine grosseren Dichtungen „Hiawatha" und ^Evangeline" reich an Kraft utid Empfindung. Weniger ansprechend, weil in Lyrik zerniessend, sind seine drama- tischen Gedichte „Die goldene Legende" und die „Gottliche Tragodie", wenn man sie als Ganze betrachtet ; in den Einzelnheiten erfreuen sie oft durch Gedankentiefe und Schwung ; packender sind immerhin die „Neu - Englands Tragodien". Er starb 1882, nachdem er 1877 zum 70. Ge- burtstag (geb. war er am 27. Februar 1807 zu Portland in Maine) aus der alten wie neuen Welt zahllose Zeichen hoher Anerkennung empfangen. Excelsior. Die Nacht lag auf den Alpen schwer. Da zog ein Jiingling noch umher, Ein Banner tragend weit durch's Land. Auf dem der fremde Wahlspruch stand : Excelsior! Das Antlitz bleich, das Auge klar, Der Blick ein Strahl, und wunderbar Die Stimme, hell wie Schwerterklang Und suss melodisch, wenn er sang : Excelsior! 387 Rings aus den stillcn I Kitten brieht Wie trauter Gruss des Mercies Licht, Die Gletscher drohn, Gespenstern gleich, Er aber lispelt warm und weich : Excelsior ! Ein alter Dorfner warnt: „0 lass Dein nutzlos Miih'n, geh' nicht fiirbass, Ein grauser Schneesturm fliegt herbei." Der Jiingling ruft : Die Bahn ist frei ; Excelsior ! Ein Madchen rleht : „C> halte Rast, Sei meiner Heimath lieber Gast;" Des Junglings Wimpern sind bethaut, Doch unbezwungen singt er laut : Exeelsior ! „Entfliehe dem Lawinenball, Dem Fohrensturm, der Wasser Schwall;" Das ist des Alten letztes Wort. Hoch in den Bergen tont es fort : Excelsior! Und als es wieder Morgen war. Drang zu der fro mm en Bruderschaar Sankt Bernhardt, wie aus tiefer Gruft, Der Seufzer durch die Winterluft : Excelsior! Den Wandersmann, ach, welchen Fund, Grub aus dem Schnee der Klosterhund, Noch fest umklammert hielt die Hand Das Banner, drauf der Wahlspruch stand : Excelsior! Da lag die herrliche Gestalt, Erstarrten Herzens, todeskalt ; Vom Himmel riel ein Meteor, Und es erklang wie Engelchor : Excelsior! @» Dranmor. 25* 3 88 Des Sclaven Traum. Er lag beim ungegarbten Reis, Die Sichel in der Hand. I Nackt war die Brust; an feuchtem Haar Fest klebten Staub und Sand ; Und wieder durch Schlafes dunklen Flor Sah er sein Heimathland. Weit blinkte durch sein Traumgefild Des Nigers stolzer Gang ; Ein Konig wieder, schritt er hin Durch Palmenhaine frank ; Der Karawane Glocklein suss Zu seinen Ohren klang. Da stand sein konigliches Weib In seiner Kinder Zahl: Sie driickten ihn fest, sie weinten vor Lust, Sie kiissten ihn tausendmal ! Des Schlafers Thrane, gross und heiss, Zum Sand sich niederstahl. Und dann ritt er wie Sturmeswehn Entlang des Nigers Lauf. Des Zaumes Zier war schweres Gold; Es flog des Schwertes Knauf Bei jedem Sprung mit weitem Schwung Am Hengste ab und auf. Und vor ihm, wie ein Banner roth, Flog das Flamingo -Heer; Von fruh bis Nacht fortstob die Jagd Durch Ebnen griin und hehr, Bis er sah der Kafferhiitten Dach Und fern das blaue Meer. Bei Nacht hort' er des Lowen Groll Und der Hvane Schrei, Das Flusspferd, wie es krachend brach Am Strom das Rohr entzwei ; Und Alles zog wie ein Sieg'striumph Seinem traumenden Ohre vorbei. 389 — Aufjauchzt in tausendstimm'gem Chor Vom Freiheitsruf der Hain; Der Sandsturm schnob so stark und frei Durch Felsen und Wfistenei'n, Dass er zucktc und lachelte im Schlaf Bei solchem wildcn Reihn. Er fiihlte nicht dcs Treibers Schlag, Noch des Tages heissen Brand, Denn der T o d erhellte sein Schlafgesicht ; Es brach wie ein rostig Band Der Seele Hulle und lag nun da Wie ein alt und schlecht Gewand. //. Schmick. Morgenwind. Ein Wind strich liber den Wellenschaum Und sprach : Ihr Nebel gebt mir Raum ! Er grusste die Schiffe : Nun steuert zu, Matrosen, denn urn ist die nachtiiche Ruh' ! Landeinwarts seinen Lauf er nahm Und schrie : Wacht auf, der Morgen kam ! Zum Walde sprach er: Freudig braus', Steck' all' deine laubigen Banner aus! Er ruhrte Waldvogleins flaumige Schwing' Und sprach : O Voglein, erwach' und sing' ! Und iiber's Gehofte streichend : O Hahn, Trompete du hell, der Tag bricht an ! Er fliistert zum Felde im Aehrengold : Du, neige dich in der Sonne hold ! Er fuhr jetzt durch des Thurmes Grund : Verkiind' uns, Glocke, Stund' urn Stund' ! Er haucht iiber Friedhof's Heiligthum : Schlaft zu, — ■ noch ist eure Zeit nicht urn ! Friedrich Marx. 39Q Am Abend. Der Tag entschwand, und das Dunkel Fallt von den Schvvingen der Nacht, Wie vom fliegenden Aar eine Feder Herabschwankt langsam und sacht. Ich sehe durch Regen und Nebel Im Dorfe der Lichter Schein, Und ein leises Fuhlen von Trauer Spinnt mir die Seele ein. Ein Fuhlen von Trauern und Sehnen, Das nicht an den Kummer reicht, Und das dem Grarae nur gleich ist, Wie Nebel dem Regen gieicht. Komm, lies ein Gedicht mir, ein schlichtes, Das, warmen Herzensschlags, Sanft stille mein ruhlos Fuhlen Und banne die Sorgen des Tags. Keins von den grossen Meistern, Den Barden, gottgeweiht, Die fernverklingenden Schrittes Durchwandeln die Hallen der Zeit. Bei ihren macht'gen Gedanken Wie bei Kriegermusik erfasst Des Lebens Miihe und Kampf uns, - J s ist Nacht, ich sehn' mich nach Rast. Lies eins von einem Geringern, Dess Lied aus dem Herzen dringt Wie Schauer aus Sommerwolken, Wie die Thrane vom Auge springt ; Der durch lange Tage voll Miihen, Durch Nachte, gramverstort. Die Musik noch lieblicher Klange In stiller Seele gehort. Solch' Lied beschwichtigt traulich Das rastlos pochende Leid, Thut wohl, wie selige Ruhe, Die frommes Gebet verleiht. — 39i Lies aus dem erwahlten Buche Das Lied, das du dir erschaut, Und leihe den Tonen des Dichters Der Stimme Zauberlaut. Und die Nacht soil von Tonen erklingen, Und die Sorgen, die Tags uns bedrohn, Wie die Araber falten die Zelte Und lautlos schleichen davon. Friedrich Adlcr. Nachmittag im Februar. Der Tag senkt seine Schwingen, Es steigt die Nacht herab — Die Teiche sind gefroren, Der Fluss gleicht einem Grab. Ein schwerer Silbermantel Bedeckt die kahle Flur; Von Strassen und von Stegen Verschwand die letzte Spur. Durch Wolken, gleich der Asche, Die rothe Sonne strahlt Und in des Dorfes Fenster Sie ihren Schimmer malt. Inzwischen durch die Wiesen — Wie scrnvarzer Schatten Flug — Bewegt sich einsam, traurig Ein stiller Leichenzug. Die Glocken lauten helle : Die Luft ist rein und kuhl — Und Antwort giebt den Klangen Mein inneres Gefuhl. Der Spur folgt neuer Schatten. Mein Herz ist traurig bang Und lautet still im Innern Gleich Todtenglockenklang. A. Hagcdorn. ^ Letztes Gedicht. Ein kleiner, namenloser Bach Entsprang ich meiner Quelle, Dem Kinde gleichend, das noch schwach Und unentschlossen nach und nach Sich kaum wagt von der Stelle. Doch spater strebt' ich in die Welt, Verliess die dunklen Baume, Floh frohlich in das off'ne Feld, Getrieben wie ein niicht'ger Held Hinaus in weite Raume. Die Arme da ich jauchzend schwang, Liess meine Stimme schallen, Frohlockend sie durch Wolken drang, Vermischte sich mit Donners Klang Und mit des Regens Fallen. Des Oceanes ferner Strand Rief mich zu seinen Fiissen, Er zog mich iiber steilen Rand, Der Wasserfall im wilden Land Gab Antwort seinem Grussen. Doch jetzt die Arbeit auch beginnt Und Miihe folgt, gar viele, Zur Miihle nun mein Wasser rinnt, Die Stamme, einst umbraust vom Wind, Muss tragen ich zum Ziele. Doch Eines Zauber ihr verleiht : Ich darf das Vieh erquicken, Das durstig nach dem Wasser schreit, Es freuet mich der Vogel Kleid, Der holden Blumen Nicken. Der Mensch schilt meinen Uebermuth, Und zwar mit allem Rechte, Wenn voller Unruh' und voll Wuth Den Damm durchbricht die wilde Fluth, Bezwingend seine Machte. — 393 — Nun geh' und schreibe dein Gedicht. Das ich dir doch gegeben ; Denn schon versinkt des Tages Licht, Die Muhlen warten langer nicht, Schnell Aveiter muss ich streben ! yoh?i Henry. Alfred B. Street. Seine Gedichte legen Zeugniss ab von einer innigen Liebe zur Natur und getreuer Beobachtung. Letztere ver- fiihrt ihn nur zu oft zu ausgedehnter Kleinmalerei, die auf die Dauer ermiidend wirkt. Warmer Patriotismus und heisse Freiheitsliebe beseelen unsern Poeten, der im Jahre 1811 zu Poughkeepsie im Staate New- York geboren Avurde und sich als Advokat einer grossen Praxis erfreut. Der Ansiedler im Westen. Der Siedler schwang sein Beil so blank In Wiisten, wo kein Laut ist wach , Des Wald's Titanenschaar, sie sank Mit donnerndem Gekrach; Der Adler mit Gekreisch entflog Dem Nest, das sich zum Sturze bog, Mit seines Laubdachs Pracht, Und ein der erste Sonn'strahl zog In Wolfes Hohlennacht. Rauh war die Tracht und stark der Leib Dess, der sich muhte hier so schwer: Es schafft des Waidwerks Zeitvertreib Die rohe Kleidung her. Die Seel' in diesem Leib sprach Hohn Dem Putz, der dort hat seinen Thron. Wo Mensch und Mensch sich drangt; Die Haut des frischen Wildes schon Des Waldes Herrn umhangt. Die Pfade durch des Urwalds Pracht, Der Fluss, der Blumen kusst am Saum, Der Wind, des Hauch Musik oft macht In dem sonn'losen Raum — 395 Die Tempel — Baumarkadenreih'n, Das grune Thai im Sonnenschein, Das Moor, die dunkle Schlueht — In solchen Szenen gross und rein Er sein Ergotzen sucht. Sein Dach hebt sich an heiterm Ort ; Am dunkeln Forst das Korn er streut! Gewachs, das nicht im Wald kommt fort. In Sonn' und Regen gedeiht. Der Rauch, sich krauselnd iiber'm Thai, Gebriill, Geblok und Glockenhall, Die Landschaft wie verjiingt, Die, ein lebendiges Denkmal, Von der Verwandlung singt. Das Veilchen weckte, Lenz, dein Gruss! Roth wuchs die Rose in die Hoh' ; Der Mais gelbt' in des Herbststrahls Kuss, Der Winter brachte Schnee ; Der Einsame noch dort sich muht, Die Luft durchtont sein PiifY, sein Lied; Er schwingt in raschem Zug Das Grabscheit, oder hin er zieht Am Hiigel mit dem Pflug. Er sieht Gewitters wilde Gluth Tobend auf selbstgebrochnem Pfad. Sengend das Land, den Wald, vol; Wuth, Wo es verheerend naht ; Sieht zu der Windsbraut Ungestum, Die Fohren niederreisst im Grimm. Das Licht des Tages stort, Wenn sie, ein legend Ungethiim, Heulend voriiberfahrt. Sein Wolfhund bellt, die Biichse knallt. Des Baren Brummen nicht mehr droht : Voll Blut und Schweiss die Klauen krallt Der Panther und knirscht im Tod. Der niicht'ge Hirsch stiirzt todeswund, Der junge Wolf beisst in den Grund, Der Biber, todtlich matt Vom Blei, sinkt, Klagen in dem Mund In seine Wasserstadt. — 396 — Ein karges Loos! doch Preises werth! Als scholl der Freiheit Aufgebot : Hat er am kiihnsten sich bewahrt Im Kampf und Blut und Tod! Er farbte Bunkershill mit Blut, Hielt fest in trubster Zeit den Mut Und sah aus dunk'ler Wolke Bei Yorktown leuchten der Sonne Gluth Ob einem befreiten Volke. Ferd. Freiligrath. -^^Z J. C. C. Bruns' Verlag, Mine .• lent mi Occi — v&S* Hfj >j p T( ^ ).* ~^ : eV v » • ' ' Bueh- un