STOLIGT 2erbandlungen der zweiten Kammer der PARSONS LIBRARY University of1 MICHICH Fandstände dea Großherzogthums Heffen im Jahre 1841/42- Von ihr ſelbſt amtlich herausgegeben. Supplementband. (Proteolle unb Beilagen in Betreff des Baues und Betriebes der Eisenbahnen im Großherzogthum enthaltend.) Darmstadt. 1842. Druck und Verlag von Carl Wilhelm Leske, ANTES LIBRARY VERITAS JOENTIA OF THE UNIVERSITY OF MICHIGAN FROM THE LIBRARY OF Professor Karl Heinrich Rau OF THE UNIVERSITY OF HEIDELBERG PRESENTED TO THE UNIVERSITY OF MICHIGAN BY Mr. Philo Parsons OF DETROIT 1871 Verbandlungen ber zweiten Kammer der PARSONS LIDEST University F and stände des Großherzogthums Heffen im Jahre 18442. Von ihr selbst amtlich herausgegeben. Supplementband. (Protokolle und Beilagen in Betreff des Baues und Betriebes der Eisenbahnen im Großherzogthum enthaltend.) Darmstadt. 1842. Druck und Verlag von Carl Wilhelm Leske. . 1 ! E $ I. Protokoll ་ ! :: 1 ; Separat-Protokoll über die, am Schluffe der sechsunddreißigsten, öffentlichen Sikung gehaltene geheime Sißung, in dem Sigungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 4. April 1842. Unter Vorsig des Präsidenten Schend. Gegenwärtig: der Herr Geheimerath Eckhardt, und 45 Mitglieder der Kammer. 1. Der Herr Geheimerath Eckhardt betritt die Redner, bühne und erstattet Vortrag: über einen Gesetzesentwurf, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen im Großherzogthum Hessen betreffend. Derselbe wird an den ersten Ausschuß zur Berichtserstat tung verwiesen, und hierauf II. durch den Präsidenten die Situng geschlossen. Schenck, erfter Präsident. Zur Beglaubigung: Heſſe, Prinz. zweiter Präsident. Sekretärjor M } Separat-Protokoll, über die, am Schluffe der siebenunddreißigsten, öffentlichen Sihung gehaltene geheime S i ß u n g, in dem Sigungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 7. April 1842 Unter Vorsiz des Präsidenten Schend. Gegenwärtig: 45 Mitglieder der Kammer. 1. Das Separatprotokoll der am Schlusse der 36. öffent lichen Sitzung gehaltenen geheimen Sigung wird vorgelesen. und genehmigt. II. Der Präsident macht als neue Eingabe durch Verle- ſung bekannt: einen Antrag der Abgeordneten Aull, Städel, Jung, Lotheißen, Kilian und Hesse, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen im Großherzogthum Hessen, insbesondere die gleichzeitige Ausführung einer Eisenbahnverbindungs. linie auf Staatskosten zwischen Darmstadt und Mainz, betreffend. (Beil. Nr. 4.) Uor M { A ; A i ! 2 Der Antrag wird an den ersten Ausschuß zur Berichts erstattung verwiesen und ſodann III. die Sitzung aufgehoben. Schenck, Zur Beglaubigung: Heffe, erster Präfident. zwetter Präfibent. Prinz, Sekretär,- MU 1 ނ" Separat-Pro to koll über die, am Schlusse der achtunddreißigsten, öffentlichen Sihung gehaltene geheime Si B u n g in dem Sißungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 11. April 1842 Unter Vorsi des Präsidenten Schend. Gegenwärtig: 45 Mitglieder der Kammer. 1. Das Protokoll über die am Schlusse der 37. öffentli chen Sihung gehaltene, geheime Sihung wird vorgeleſen und genehmigt. II. Als neue Eingabe macht der Präsident durch Verle- sung bekannt: einen Antrag der Abgeordneten Otto, Hesse, Franc (Hofgerichtsrath) und Lotheißen, die Aufnahme der Stadt Offenbach in den Zug der für das Großherzog- thum projectirten Eisenbahn von der nördlichen Gränze der Provinz Oberheffen bis an die südliche Gränze der Provinz Starkenburg betreffend. (Beil. Nr. 5.) I 2 ! Derselbe wird an den ersten Ausschuß zur Berichtserstat tung verwiesen, und hiernächst III. von dem Präsidenten die heutige Sigung geschlossen. Schhend, Zur Beglaubigung: Heffe, erster Präsident. zweiter Präsident. Prinz, Sefretär. i i Separat-Protokoll über die, am Schlusse der neununddreißigsten, öffentlichen Sigung gehaltene geheime Sißung, in dem Sitzungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 14. April 1842. unter Borsiz des Präsidenten Schend. Gegenwärtig: 46 Mitglieder der Kammer. 1. Der Präsident legt als neue Eingabe vor: einen Antrag der Abgeordneten Lotheißen, Franck (Hof: gerichtsrath), von Rabenau (Oberforsirath), Heſſe und Kilian, die Richtung der projectirten Eisenbahn von Darmstadt nach der südlichen Gränze der Provinz Star- kenburg betreffend. (Beil. Nr. 6.) Der Untrag wird an den ersten Ausschuß zur Berichtser- stattung verschrieben und sedann II. die Situng geschlossen. Zur Beglaubigung: Schend, Heffe, Prinz, erfter Präfident. zweiter Präfident. Sekretär. ! 1 KA (A u s z u g.) Zwei und fünfzigste Sihung in dem Sigungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 13. Mai 1842. Unter Vorsiz des Präsidenten Schenck. ! ! Gegenwärtig: 34 Mitglieder der Kammer. : 20. ZC. IV. Im Namen des ersten Ausschusses erstattet der Abge. ordnete Schmitt henner (in geheimer Situng) Bericht: 1) über den Geseßesentwurf, den Bau und Be- trieb der Eisenbahnen im Großherzogthum Hessen betreffend; (Beil. Nr. 7.) 2) über den Antrag der Abgeordneten Städel, Aull, Jung, Kilian, Hesse und Lotheißen, die Errichtung einer Eisenbahn von Mainz nach Darmstadt betreffend: (Beil. Nr. 8.) 3) über den Antrag der Abgeordneten Otto, Hesse, Frand (Hofgerichtsrath) und Lotheißen, die Aufnahme der Stadt Offenbach in den Zug der für das Großherzogthum projectirten 2 ; Eisenbahn von der nördlichen Gränze der Pro vinz Oberhessen bis an die südliche Gränze der Provinz Starkenburg betreffend; (Beil. Nr. 9.) 4) über den Antrag der Abgeordneten Lotheißen, Franc (Hofgerichtsrath), von Rabenau (Oberforst rath), Hesse und Kilian, die Richtung der pro- jectirten Eisenbahn von Darmstadt nach der füdlichen Gränze der Provinz Starkenburg betreffend. Schend (Beil. Nr. 10.) 2C. 2C. Zur Beglaubigung : Heffe, erfter Präfident. zweiter Präfident. Lotheißen, Prinz, Sekretär. Sekretär. 1 ! : (A u s zu g.) Sechsund fünfzigste Sihung in dem Sigungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 30. Mai 1842. Unter Vorsi des Präsidenten Schend. Gegenwärtig: der Herr Geheimerath von Kuder, und 47 Mitglieder der Kammer. L ! 1. Als neue Eingaben macht der Präsident bekannt: 1) Sechs Mittheilungen der ersten Kammer, welche be, treffen : 22. 2C. f. die Propoſition der Staatsregierung, wegen des Baues und Betriebes der Eisenbahnen im Großherzogthum. 2C. 2C.. Die Eingabe unter f wird an den ersten Ausschuß zur Berichts erstattung verwiesen. ! Schenck, 2C. 2C. Zur Beglaubigung: Heffe, Lotheißen, erster Präsident. zweiter Präsident. Sekretär. ? Prinz, Sekretär, 1 ! (A u s zu g.) Siebenundfünfzigste Sihung in dem Sizungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 1. Juni 1842. Unter Vorsit des Präsidenten Schend. Gegenwärtig: der Herr Geheime Staatsrath und Ober conſiſtorialpräsident Dr. Freiherr von Lehmann, der Herr Geheime Staatsrath und Kanzler Dr. v. Linde, die Herren Geheimenräthe v. Kuder und Eckhardt, und 47 Mitglieder der Kammer. 2C. 2c. III. Es werden Berichte erstattet: A. Namens des ersten Ausſchuſſes : 2C. 2C. 2) von dem Abgeordneten Schmitt henner, über den Erlaß der ersten Kammer, die Pro. position der Staatsregierung hinsichtlich des Baues und Betriebes der Eisenbahnen im Großherzogthum betreffend; (Beil. Nr. 11.) Protokolle z. d. Verh. d, 2. Kam. Suppl. Bd. 2 P i ! 2 ! i 0 i (Dieser Bericht wurde nicht verlesen und der Stammer nur angezeigt.) 2C. 2C. Zur Beglaubigung: Hesse, Lotheißen, Schend, Prinz, erster Präsident. zweiter Präsident. Sekretär. Sekretär ! : Separat-Protokoll, über die, am Schluſſe der sechszigsten öffentlichen Sigung, gehaltene geheime S i k u n g. 1 dem Sizungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 8. Juni 1842. ao o odo o co Unter Vorsig des Präsidenten Schend. Begenwärtig: der Herr Geheimerath Eckhardt, und 44 Mitglieder der Kammer. 1. Die Kammer schreitet zur Berathung: über die Vorlage der Staatsregierung ben Bau und Betrieb der Eisenbahnen im Groß. herzogthum Hessen betreffend. ! Nach vorausgeschickter Einleitung aus den Acten bemerkt der Präsident: die Abgeordneten Städel, Georgi, von Dörnberg und Hügel seien als Redner, und zwar der erstere über, der zweite gegen, die beiden lehteren für den Gegenstand der Berathung eingeschrieben, und fordert sodann die genannten Abgeordneten zum Vortrage auf, welche sofort in nachstehender Reihenfolge die Rednerbühne betreten und folgende Vorträge halten: 2 ') + : : L : ! } ? 1) Der Abg. Städel: Der Gegenstand der heutigen Berathung ist für das Land, seine Gegenwart und seine nächste Zukunft, und darum für uns Alle, von hoher Wich. tigkeit und erfordert eine sorgfältige Prüfung sowohl hinſicht- lich der zu hoffenden Resultate, als des so bedeutenden Auf- wandes, den die Ausführung dieses Unternehmens erfordert, und der Lasten, die das Land desfalls zu tragen haben wird. Es muß anerkannt werden, daß die Einführung und die ausgedehnte Benutzung der Schienenwege ein Fortschritt ist, den die Intelligenz und der Associationsgeist der Bevölkerun gen auf der Bahn der materiellen Verbesserungen gethan, und daß, außer den unmittelbaren und örtlichen Leußerungen diefer angeregten Bewegung, noch weitere bedeutende Vor- theile durch Erleichterung des Verkehrs, größere Lebhaftigkeit des Betriebs, regerer Umsatz des Capitals und Befruchtung jeder industriellen Thätigkeit und dadurch Verbesserung man- cher gesellschaftlichen Zustände, selbst Erleichterung zur Auf- bringung der Staatsbedürfniſſe in Aussicht genommen werden können. Erwarten Sie, meine Herren, keine glänzende Schil derung dieser mannigfachen Vortheile. Jeder von uns malt · fich das Bild mit mehr oder minder lebhaften Farben selbst aus; es hat aber auch seine Schattenseite. Wenn wir sämmtlich das anerkannt Gute, jeder in seinem Kreise, zu unterstützen den Beruf und die Neigung haben, so handelt es sich jeßt hauptsächlich um sorgfältige, gewissenhafte Prü- fung der Mittel und des Zweckes, des Aufwands und der Vortheile, die zu erreichen stehen, und Sie gestatten mir, Ihnen einige Materialien zu solcher Prüfung darzubieten und dieselben Ihrer ernsten Erwägung zu empfehlen. Der Aufwand an Kapital ist von solcher Bedeutung, daß derselbe zuerst in Betracht kommen muß, um zu untersuchen, ob, wenn auch mit Leichtigkeit mittelst Anlehen aufgebracht, solcher ohne zu große Belastung des Landes verzinst werden möge, und zwar zunächst in seinem vollen Betrage bis zu dem Zeitpunkt, wenn der Ertrag der Eisenbahn, we- nigstens für einen ansehnlichen Theil dieser Leistung, in-Un- ſchlag gebracht werden kann; theilweise aber fortwäh- rend für den voraussichtlichen Ausfall des Ertrags. Ich denke an die belgischen Eisenbahnen und andere, die nicht zu den mißlungenen Unternehmungen dieser Art zu zählen sind. Geben wir uns keiner Täuschung hinsichtlich des zu hoffenden Ertrags hin und schätzen wir uns sehr glücklich, wenn wir ein Reſultat erlangen, das sich dem Erträgniß der belgischen Bahnen (für 1841 29/00) möglichst nähert. Wenn wir 96 3 demnach einen Aufwand von zehn Millionen Gulden voraus sehen, so werden wir jährlich im günstigsten Falle 200,000 fl. für Zinsen und Tilgung aufzubringen haben, vorausgeseht, daß der Ertrag der Bahn 3 Procent erreicht. Rechnen wir vorsichtig auf eine Periode von wenigstens 5 bis 6 Jahren, bis die Bahnlinie in ihrer ganzen Ausdehnung in Betrieb kommen kann; bis dahin haben wir den ganzen Zinsenbetrag des aufgewendeten Kapitals aufzubringen. Die Hauptrichtung der Bahn wird uns als ein wesentli- ches Element für unsere Entscheidung gelten, und es ist ganz besonders zu wünschen, wie zu erwarten, daß bei einem Un- ternehmen von solcher Bedeutung den Kammern zu allervör derst eine vertrauliche und umfassende Mittheilung hierüber, sowie überhaupt über die Absicht der hohen Staatsregierung und die vorliegenden Resultate der gepflogenen Unterhandlun- gen, dann über die Natur und den Umfang der unsererseits eingegangenen Verbindlichkeiten und der gegenseitigen Ver- pflichtungen der Nachbarstaaten, zwischen denen unsere Bahn die Verbindung vermitteln soll, gemacht werde, damit wir mit voller Einsicht und Ueberzeugung uns entschei den mögen. Es ist zu oft schon, und auch bei uns vorgekommen, daß wichtigere Punkte übersehen oder nicht klar erkannt worden und daß bedeutende Nachtheile dadurch bei der Ausführung entstanden sind; und noch öfter geschieht es, daß Gegenan sprüche gemacht werden, die schwer zurückzuweisen sind, wenn nicht durch flare Uebereinkunft folchen zum Voraus be: gegnet wird. Ich darf wohl auf die Schifffahrtsverhältnisse ſeit 1831 und besonders wieder auf die jüngsten Verwickelun. gen hinweisen, wie solche durch die Vereinbarung im Mai 1841 entstanden und die leider noch nicht gelöst sind, obgleich das Uebel wie ein Krebsschaden um sich frißt und, dem freien Rhein zum Hohn, viele steuerbare Artikel aus den preußischen Rheinstädten wohlfeiler zu Fuhr bis in die Nähe von Mainz verkauft und geliefert werden können, als der hessische Kaufmann solche auf dem Rhein beziehen, an der diesseitigen Zollstelle versteuern und seine früheren Kunden da. mit versehen kann; während zugleich der Güterzug überhaupt eine veränderte Richtung nimmt. - Verzeihen Sie mir diese kleine Abschweifung, meine Herren, und kehren Sie vom Rhein mit mir zur Eisenbahn zurück. Muß es nicht als natürlich erscheinen, daß die Bahn in ihrer Hauptrichtung von Heidelberg über Darmstadt nach Mainz geleitet werde und die Verbindung des südöstli 4 chen Deutschlands mit dem unteren Rhein burch eine hessische Rheinstadt direkt und ohne Umweg bewirke, besonders wenn diese Stadt, wie Mainz, die bedeutendste des Landes, die einzige größere Handelsstadt ist, und wenn diese Rich- tung noch überdieß dem Unternehmen selbst und der Provinz Starkenburg mannigfaltige Vortheile gewährt durch einen erleichterten und vermehrten Fremdenzug und schon durch die unmittelbare Verbindung mit einer großen Handelsstadt, die dem gleichen Staatsverband angehört, und die durch ihre Betriebſamkeit die Mittel schafft und vermehrt, um den Be- dürfniſſen deſſelben, die im Steigen begriffen, zu genügen. Eine andere Hauptrichtung ist diejenige von der kurs hefſiſchen Gränze, welche über Gießen die Provinz Oberheſſen durchzieht, deren inneren Verkehr erleichtert, den Fremdenzug von Norden aufnimmt, ſowie diejenigen Güter, welche in gleicher Richtung nach Süden oder umgekehrt nach Norden ziehen, und welche über Frankfurt mit Einſchluß unserer zwei- ten Handels- und Fabrikstadt, Offenbach, fortgeſeht, sich_zu Darmstadt an die erstere Hauptrichtung anſchließt. Der Fremdenzug wird in dieser Richtung, hin und her, bedeutend sein und weit den beträchtlichsten Theil der Einnahme bilden, wenn auch ein bedeutender Theil der von Nordosten heran- kommenden Reisenden Frankfurt als Ziel oder vorläufigen Ruhepunkt ansehen und von dort aus über Darmstadt rheinaufwärts oder unter Benuhung der Taunusbahn nach den unterhalb liegenden Bädern oder ihrer weiteren westlichen Bestimmung abgehen wird. So wird denn auch, und' dieß ist ein wichtiger Punkt, welcher die größte Beachtung fordert, der meiſte Theil der Waarenzüge, wenn ſolche durch wohlfeile Frachtentarife auf die Bahn geleitet werden können, seine vorläufige Bestimmung nach Frankfurt haben und von dort durch den Zwischenhandel in größeren und kleineren Kreisen ringsum abgesetzt werden, so daß nur der kleinere Theil direkt eine weitere südliche Richtung befol gen wird. Dabei wird es denn hauptsächlich darauf ankom- men, durch niedrige Frachtsäße möglichst viele Artikel auf die Bahn zu ziehen, welche bisher, selbst bei den so mäßigen Landfrachten, nicht mit Vortheil aus den Nordseehäfen bezo: gen werden konnten, um dadurch erst die Anlage für den hier- ländischen, aber auch wieder besonders den Frankfurter Handel fruchtbar zu machen und zugleich den Ertrag der Bahn zu steigern. In dieser Hinsicht läßt sich weder eine Gränze beſtimmen, noch eine sichere Aussicht eröffnen, nur so viel steht fest, daß für Starkenburg und Rheinhessen von dem Waarenzug, wie } | 5 E er jest besteht, keine hohe Erwartungen für und durch die Eisenbahn gehegt werden können und daß sich die Aussicht erst durch die Entwickelung und Erstarkung des Unternehmens aufhellen und erweitern muß, wozu denn, wie ich schon an- gedeutet, ganz mäßige Frachtsähe, niedriger als der Fuhrlohn auf gewöhnlichen Straßen, die Einleitung treffen müſſen. - Da man anderwärts durch Ermäßigungen und Vortheile den inländischen Verkehr zu begünstigen und zu heben sucht, so mögte es wohl angemessen sein, sich unsererseits die Befug, niß zu bedingen, bei Festfehung der Tarife im eigenen Land freie Hand zu haben. Auch wird es als zweckmäßig erkannt - werden, sich vor dem Angriff des Werkes, mit der Postan, ſtalt zu einigen, da dieß später, wenn eine moralische Nöthi- gung hierzu besteht, nur auf lästigere Bedingungen hin zu bewirken sein möchte. Wenn auf angeregte Weise durch niedrige Frachtsäge der Waarentransport auf der Eisenbahn in einiger Ausdehnung möglich wird, so können aus dem Süden Seide und Seide, waaren, Südfrüchte, Droguerien, aus dem Elsaß und der Schweiß Baumwollenfabrikate, aus Frankreich feine Weine, darauf gebracht werden; Hanf, Harz, Krapp, Weine in Fässern, Brandweine ic gehen zu Schiff auf dem Rhein. Von Norden, zum Theil aus England, können Farbwaaren, Baumwolle und Garn, Rauch waaren, Wolle, Manufactur waaren, Del, Tabak, vielleicht selbst Colonialwaaren zuges hen, und Leder, Wein, Baumwollen und Seidenwaaren und Lurusgegenstände aller Art die Rückfracht in nördlicher Richtung bilden und zum Theil ſchon beſſere Frachten tragen. Wenn wir erwägen, daß die Landfracht nach Leipzig zum Beispiel. nach Berlin. von Hamburg Bremen Magdeburg. 3 ft. pr. Sing 32 fl. 4½ fl. " 2 " 31, fl. 3 fl.. " " steht, so mögen wir ermeſſen, welche mäßige Tariffäße nöthig sein werden, um den Gütertransport anzuziehen. Meiner Ansicht nach wird die Wichtigkeit der Schienen- wege in strategischer Hinsicht zwar nicht von den Männern vom Fach, wohl aber vom großen Publicùm sehr überschägt, und wenn auch eine solche Communication im Rücken und in der Nähe einer operirenden Armee manche Erleichterung darbieten mag, so sind diese Vortheile doch nur von geringe rem Belang und vorübergehender Bedeutung, und eine Eisen- bahn wird keine Operationsbasis abgeben; wie man bann 1 6 auch die Leichtigkeit der Bewegung großer Streitmaſſen und deren schnelle Richtung auf einen gegebenen Punkt mittelst der Eisenbahnen ins Ungeheuere übertrieben hat, ohne zu be denken, welche Bewegungskräfte, welche Vorrichtun gen und welche Zeit erfordert würden, nur um ein Corps von 25,000 Mann mit dem nöthigen Bedarf auf eine be- deutende Entfernung zu bringen: und vollends Reiterei und bespanntes Geschüß!! Jedenfalls würde die Richtung der Bahnen transversal durch Deutschland von Nordost, Ost und Südost nach Westen weit mehr Vorschub gewähren, als die- jenige von Norden nach Süden parallel mit dem Rhein, be: sonders in so weit solche durch unser Land läuft, indem die Heere von Preußen, Sachsen, Hannover im Falle eines Kriegs mit unserm westlichen Nachbar ihre Richtung gegen den Niederrhein nehmen und von Wesel biz Coblenz den Strom paſſiren würden, so wie dann öskreichische, baieriſche, süddeutsche Streitmaſſen bei Mannheim oder oberhalb den Rhein überschreiten würden, fonach die Bahnlinie innerhalb unseres Lande für diesen Zweck von keiner besonderen Bes deutung wäre. Ich berühre nur im Vorübergehen mit einem Wort die Störung der Bahnbenuhung durch die kleinste Uns terbrechung auf irgend einem Punkt ihrer Ausdehnung in Folge militärischer Nothwendigkeit oder Vorsicht, und ich schweige ganz von der Gefährdung des Materials bei wech- felndem Kriegsglück; doch mögen Sie, meine Herren, hieraus meine Ansicht entnehmen (und solche vielleicht theilen) von dem Werthe der vorgeschlagenen Specialhypothek zu Gunsten der Gläubiger, die das Kapital dargeliehen, wenn nicht, wie Ihr Ausschuß schon bemerkt, eine solche Ueberweisung an sich illusorisch und unſtatthaft erſchiene. Mit Ihrem Ausschuß bin ich übrigens auch bezüglich des Tilgungsfonds in so weit einverstanden, daß ich das vorges schlagene / pCt. als ungenügend ansehe und daß ich 1 pet. dafür in Vorschlag bringe, um die Epoche der Tilgung micht in eine ungewiſſe Ferne zu rücken, gewissermaßen ad Calen- das Græcas; denn wer kann hoffen, daß nach fünfundzwanzig- jährigem Friedensstand, den wir genossen, noch achtzig Jahre beständiger Friede fortdauern und unsere allmähliche Tilgung begünstigen werde! Ohne bedeutende und lästige Opfer ist ein Unternehmen solcher Art nicht auszuführen; haben wir uns einmal entschieden und wollen wir den Zweck, so müssen wir die Mittel wollen und dürfen weder die erforderlichen Unstrengungen scheuen, noch uns deren Umfang und Ausdeh- i nung verhehlen, was geschieht wenn wir von Tilgung res den und solche mit / pet. zu bewirken meinen. Viel Gutes hat Ihr Ausschuß überhaupt im Betreff der Ausführung vorgetragen und treffende, wohl zu beherzigende Bemerkungen enthält das Votum der Minorität. Die Be leuchtung von beiden Seiten ist so vollständig und erläutert sich dermaßen wechselseitig, daß ich darauf näher einzugehen überhoben bin. Nur werden Sie mit mir vielleicht der An- sicht sein, daß die so mannigfaltigen und begründeten Ausstel, lungen an den Bestimmungen des vorliegenden Gesetzes- entwurfs die Räthlichkeit zu erweisen scheinen, daß der Ges genstand von Seiten hoher Staatsregierung in seinen wes sentlichen Bestimmungen aufs Neue in Betrachtung gezogen werde. Da Es bleibt mir nur noch ein Wort über den Vorschlag ei- ner Emission von Kaffenscheinen zu sagen; und ich muß mich dagegen um so entschiedener aussprechen, als ich in dieser Maaßregel keinen nennenswerthen Vortheil neben ihren man- cherlei Nachtheilen und Gefahren zu erkennen vermag. Bei der, durch fortgesetzte Aufbringung des Bedarfs von Millio- nen dargebotenen Gelegenheit, Gelder nuhbar anzulegen, wer- den wohl Wenige versucht sein, ihre in Händen habenden Kassenanweisungen an sich zu halten, im Gegentheil werden solche, kaum in Circulation gefeht, wieder bei den Kaffen zur Auswechslung gegen Silber eingereicht werden und also an Zinsengenuß wenig erspart werden können; um so weniger, als stets die Hälfte oder selbst mehr von dem Betrag der aus- gegebenen Scheine in Bereitschaft gehalten werden müßte, um dem Begehren für Auswechslung entsprechen zu können. es nicht die Absicht sein kann, die Kassenscheine in kleineren Bruchtheilen anzufertigen und solche in den Klein- oder Tags verkehr zu bringen, so könnten solche nur beim Umsaß größe- rer Posten in Anwendung kommen; allein da nicht vorauszu sehen ist, daß solche in unsern Nachbarländern Eingang, Gel- tung und Benugung finden, so ist hierdurch auch schon ihr, nur einigermaßen ausgedehnter Gebrauch in unsern Städten, in unserm Handelsverkehr, der ja meist mit dem nahen Auss lande stattfindet, nicht zu erwarten, und der Holz- oder Frucht- händler, der etwa in Mainz für seine Zuführ Kassenscheine an Zahlung nähme, würde solche alsbald an der Generalkasse zum Umtausch gegen Silber einreichen, wenn er, um sich die Mühe zu ersparen, sich nicht schon bei dem Handel Metall. geld ausbedungen hätte. Selbst unsere Landleute hätten keis nen Grund, ihre Produkte Wein, Del, Getraide gegen * ! : } Scheine zu verkaufen oder würden diese gewiß nicht behalten, wie dies die Erfahrung lehrt. Ein gezwungener Cours, ohne Auswechslung gegen Silber auf erstes Anmelden, wäre eine Unmöglichkeit, eine Fehlgeburt, ein Mißgriff, woran man ge- wiß nicht gedacht hat. Sehen wir, wie das mächtige Dest- reich bei einer verhältnißmäßig beschränkten Emiſſion von 5,000,000 Gulden Kassenscheine solche mit einem Zinsengenuß von 3 Pret. dotirt. Man führe uns nicht Preußen an mit seinen Kassenscheinen, wir sind topographisch in ganz verschie dener Lage und gerade, weil unsere preußische Nachbarn mit eignem Papiergeld versehen sind, weil in Nassau, Frankfurt, Kurhessen und Baiern unsere Scheine keinen Eingang finden würden, weil es möglich wäre, daß man bei unseren Nach, barn da oder dort in den Fall kommen könnte, zum Hausge brauch Papiergeld auszugeben, um sich eine vermeintliche Er- leichterung zu verschaffen, bei dem ungeheueren Bedarf, der für Ausführung der allerwärts begonnenen oder wenig, stens projectirten Unternehmungen in Aussicht genommen wer den muß, eben darum muß ich davor warnen, ein solches Er- periment in unserem Lande zu versuchen, das, glücklich genug, einer solchen Aushülfe nicht bedarf, wenn es seinen, auf ein geregeltes Finanzſyſtem geſtüßten Credit weise und vorsichtig benußt und durch Sparsamkeit, Ordnung und bedächtigen Fortschritt seine Mittel schont, die Zeit zu Hülfe nimmt bei kostspieligen Unternehmungen und die ungeduldige Haft der Menge mäßigt, welche die Frucht brechen möchte, wenn kaum der Keim gelegt worden. Nach dem, was ich vorangeschickt, spreche ich nun meine Anſicht dahin aus, daß wir diesseits uns der allgemeinen Be- wegung nicht entziehen können, uns jedoch nur mit großer Vorsicht und unter Wahrnehmung aller unserer Landes- und örtlichen Interessen anschließen sollen, demnach unsere Zustimmung für die von hoher Staatsregierung eingeleiteten Unterhandlungen zum Zwecke einer Vereinbarung für Ausfüh- rung der beantragten Unternehmung in der oben bezeich neten Richtung und mit den angegebenen Anschluß- punkten aussprechen und hohe Staatsregierung ersuchen, den Ständen, so weit es thunlich ist, die geeigneten Mittbei: lungen über den jezigen Stand der Unterhandlungen zu ma- chen und dasjenige, wobei dies jetzt noch nicht gesche. hen kann, bald möglich den Kammern zur Kenntniß zu bringen, denselben auch zugleich genaue Voranschläge vorzu- Tegen. . 9 Einstweilen wäre der Staatsregierung die Ermächtigung zu ertheilen, eine Summe von zwei Millionen Gulden ünter landständischer Garantie zu 4 pCt. 3insen im Laufe der ge genwärtigen Finanzperiode aufzubringen, Behufs deren Ver- wendung für die ersten Bedürfnisse des Bahnbaues, Erwer bung von Gelände und Erdarbeiten, sobald in Gemäßheit Beschlusses der Kammern der wirkliche Angriff des Baues unter den vorausgeschickten Bedingungen und Umständen statt- fände. Ueber die Verwendung dieses vorläufigen Credits wäre am Schluß der laufenden Finanzperiode gesonderte Rech- nung abzulegen und wären dann weitere Unträge für Bei- schaffung des ferneren Bedarfs zu stellen. Jetzt schon im Voraus ein Votum für den ganzen muth- maßlichen Bedarf zu geben, scheint mir weder räthlich, noch erforderlich, und es wird genügen, die Bereitwilligkeit des Landes auszusprechen, sich bei dem vorgeschlagenen Unter- nehmen zu betheiligen, um die Staatsregierung in Stand zu sehen, die Unterhandlungen mit dem nöthigen Nachdruck zu führen. Sollte man auf gleichzeitige Ausführung der Bahn in der oben angegebenen Richtung von Heidelberg über Darm. ſtadt nach Mainz, sodann von Kaffel über Gießen und Frank- furt mit Einschluß Offenbachs nach Darmstadt, nicht eingehen wollen, ſo müßte ich mich, mit Bedauern zwar, doch entschies den, gegen die Ausführung überhaupt erklären, weil ohne diese umfassende, durch alle Verhältnisse gebotene Rücksicht das Interesse des Ganzen und der verschiedenen Provinzen nicht gewahrt erschiene und blos unsere Nach: barn, nicht aber wir, die wir die ungeheueren Ko: ſten tragen, den Vortheil davon erndten würden. 2) Der Abg. Georgi: Meine Herren! In einer Sache, wie die vorliegende, die, man kann es wohl sagen, das Sein oder Nichtsein in Frage stellt und die dem ohngeachtet schon ausgemacht scheint, bevor sie in dieser Kammer erörtert wor: den ist, kann es nicht verargt werden, wenn die Stimme ei- nes Uneingeweihten ihre Zweifel mit offenem Freimuthe äußert. Und in der That, es möchte mindestens eben so viel Patrio tismus dazu gehören, diese Zweifel an diesem Orte laut wer- den zu laſſen, als ohne zureichende Prüfung dem Rufe der Merge beizustimmen, welche, angelockt durch das Wunder: bare einer Erscheinung, von einer Glückseligkeit im Voraus erfüllt ist, die, wie ich befürchte, niemals eintreten wird. Ich gestehe es Ihnen offen und der Herr Referent wird. mir erlauben, es auszusprechen, der Bericht der Majorität 10 :7 1 unseres ersten Ausſchuſſes gleicht mir einer Beschreibung des Himmelreichs durch Einen, der noch nicht darin war. Da ein uralter Gebrauch will, daß bei irdischen Seelig- und Hei- ligsprechungen auch die begründetsten Unwartschaften angefoch ten werden, so wird wohl diese verehrte Kammer mir, wenn ſchon einem Protestanten, gestatten wollen, daß ich die Nolle des Angreifers wenigstens theilweise übernehme. Man hat Ihnen gesagt, meine Herren, die Eisenbahnen feien eine unausweichliche Nothwendigkeit unserer Zeit; ich aber glaube mit einem hochverehrten Redner in der andern Kammer, daß die Sehnsucht, das Gelüfte nach Eisenbahnen weit mehr eine Krankheit unserer Zeit sind. Alle Theſen und Doctrinen über ſtaatswirthschaftliche Deco- nomieen, mögen sie vom Catheder herab vorgetragen oder in Büchern der Prüfung der Welt übergeben werden, sind un- leugbar von dem einen Grundsate beherrscht, daß ein jeder einzelne Staatsverband ſein eigenes ſtaats- wirthschaftliches System hat, und daß folglich jeder ein- zelne Staat, einem andern gegenüber, immer in einer gewissen exceptionellen Lage sich befindet. Gefalle es Ihnen, meine Herren, diesen Sah wohl im Auge zu behalten, und dann wird es eher begreiflich, daß ein großes Land, wie z. B. Preußen, das nicht, wie wir, von der Vorsehung auf einen ergiebigen, auf einen fruchtbaren, auf einen, großen Theils gesegneten, Boden angewiesen wor: den ist, ein Land, daß weder unser mildes Clima, noch un fere reichen Ebenen besitzt, dann, sage ich, wird es wohl begreiflich, daß ein solcher Staat auf einem anderen Felde seine Hülfsmittel und sein Heil suchen mußte. Daher erklärt sich die große Energie, es erklären sich selbst die temporären Opfer der preußischen Staatsregierung für Beförderung und Begünstigung der Fabriken im eigenen Lande und für Ge- winnung eines Marktes für den Absah ihrer Fabrikate. Dies sen Markt hat sie gefunden; sie hat ihn in dem deutschen Zollvereine, einem Vereine, dessen nationale Bedeutung, beis läufig sei es gesagt, ich in ihrer ganzen Ausdehnung wohl anerkenne. Aber es bleibt daneben sehr erklärlich, daß man jekt von dort her in allen Richtungen Eisenbahnen verlangt und auf schnelle Herstellung dringt, denn dies ist eben die Consequenz des Systems, es ist eine wesentliche Bedingung für die Fortdauer jener Fabriken. Daß aber das Großherzogthum Hessen in einer Lage, wie jener oder ein anderer nördlicher Staat sich befinde, das be- zweifle ich nicht nur, ich verneine es auf das Bestimmteste. 2 11 Das Großherzogthum ist kein Land der Fabriken und wird es auch nie werden. Die Natur hat es besser und glücklicher gestellt; 850,000 Seelen leben in ihm ruhig, arbeitsam ne- beneinander, meistens von den Erzeugnissen des Bodens. Seine Bewohner fabriciren zwar auch, aber ganz andere, viel kostbarere Dinge, als die Calicots ihrer Nachbarn, fie liefern Brod, Wein, Fleisch, Del, Tuch, Linnen u. s. w. Für den Absah brauchen fie aber keine Eisenbahn, sie sind für ihren Absah unbesorgt; denn der Rhein und der Main gehört ihnen an, ihr Markt ist längst gefunden und die Straßen dahin ſind frei und sicher. Sie verlangen für die Absaßwege ihrer In, dustrie von der Staatskasse auch nichts mehr, weder an Ca- pital, noch an Beamten, noch an Polizei, im Gegentheil, sie geben ihwillig und gerne noch zwei Millionen jährlich von den Ergebnissen ihres Fleißes und ihrer Industrie, ihre Söhne reihen sich in Regimenter und ihre Liebe ist der Stolz ihres Fürsten. Und das sind eben die wahren Factoren, das sind die tüch- tigsten Industriellen, für fie, glaube ich, ist eine Eisenbahn, die 12 oder 15 Millionen kosten wird, etwas mehr als unnöthig. Aber man proponirt dennoch eine Eisenbahn, ja eine solche für die Wetterau, eine andere für die Bergstraße und endlich gar eine dritte zur Verbindung mit Rheinhessen. Ich frage aber: ist dies staatswirthschaftlich, ist dies rationell gedacht? Man darf sehr daran zweifeln. -- Das ist es jedoch nicht allein. Bei der vorhabenden Uns ternehmung, die man so gern zu einer großartigen stempeln möchte, kommt hierzu die Zerrüttung, die Desorganisation unserer Finanzen, der Ruin unseres Credits, die unfehlbar zurückfallen auf unser Budget. Liegen denn die erforderlichen 12 bis 15 Millionen baar in unseren Truhen? Woher sollen fie kommen? Himmel, aus Anlehen! Woher die Zinsen? Ah! man redet Ihnen vor von Rentabilität, von Production u. f. w., aber man wagt nicht einmal, 3 Procent zu garan- tiren und wir, die wir kein Geld, ja statt Geld jezt schon 9 Millionen Schulden haben, wir wollen 15 Millionen zu 4 Procent aufnehmen, eine Legion Beamte anstellen, ein Ministerium der Eisenbahnen neben dem Ministerium der Fis nanzen creiren, die Zukunft, das Schicksal, alle Eventuali- täten politischer Ereignisse außer Acht lassen und warum? damit die Musterreiter aus dem Norden oder die Reiselustigen 12 Stunden früher in Basel oder sonsten ankommen können! Und dies ist eben der einzige und wahre Humor davon. 12 Hat man daneben nicht überlegt, daß diese Unternehmung eine gänzliche Revolution in den bestehenden Verhältnissen unseres Volkes unfehlbar hervorrufen wird, tödtet man denn nicht auf eis nen Schlag die Masse von Industrie, die durch hundertjährigen Verkehr auf unseren Straßen sich gebildet hat; ist die Entwer thung von so vielen Städten und Orten nicht sehr beachtungswerth? Werden nicht Tausende von Familien zu Grunde gerichtet? Und nun vollends, meine Herren, denken Sie an jene Staatsstraßen, die so viele Millionen gekostet haben und ge- genwärtig jedem Bedürfnisse des Verkehrs vollkommen ent sprechen. Werden diese Straßen, so weit sie im Rayon der Eisenbahnen sind, nicht öde und verlassen sein? Ganz gewiß! Bedenken Sie nur, daß der Reisende am Morgen des Tags in Cassel frühstücken und am Mittage desselben Tages in Frankfurt essen kann; bedenken Sie, daß wir zwischen diesen Städten, zwischen Frankfurt und Mannheim, nicht einen einzigen Haltpunct, auch nicht eine einzige Fabrikstadt oder eine Stadt von commerzieller Bedeutung haben, dann werden Sie in der Behauptung mir beistimmen, wir bauen nicht für uns, das ist sicher, wohl aber für Undere; wir haben die Generosität, auf unsere Kosten, auf unserem Boden, unter dem Ruine unserer Finanzen und unserer Städte, einen be- quemen Transit zu schaffen. Sollte es denn nicht überhaupt an der Zeit ſein, meine Herren, zu überlegen und zu untersuchen: ob es im Interesse einer gesunden Staatspolitik liege, das Fabrikwesen immer mehr und mehr zu befördern? Glaubt und sieht man denn nicht bald ein, daß die Länder der Fabriken auch die Länder der Armuth und des Elends sind? Sehen sie nach England, wie kann es anders sein? Alles hat seine Grenzen. Hat nicht der erste Minister von England selbst gesagt, daß das Uebers triebene in den Fabrikanlagen jenes Land an den Rand des Abgrunds geführt habe, der, wie es scheint, es wirklich bedroht? Jene Grenze ist vielleicht schon da, sicher muß sie bald erreicht werden. Der Raum unseres Absatzes ist voll, er ist für uns, ſage man, was man will, im Verhältniſſe zu an- dern, nicht deutschen, Staaten kleiner und beschränkter; wir können aus unseren eigenen Grenzen nicht wohl heraus, wir haben keinen Welthandel und unsere Seehäfen und Colonieen finden sich noch nicht auf den Karten. Man sagt Ihnen auch, kräftigten die Nationalität. tionalität verstehe, darunter ! meine Herren, die Eisenbahnen Wenn das, was ich unter Na- gemeint ist, dann bezweifle ich 11 auch diesen Sah. Einer Art von Cosmopolitismus werden die Eisenbahnen allerdings zur Folie dienen, das ſcheint mir gewiß, denn wer handelt, ist cosmopolitischer Natur, und wo Geldgeschäfte zu machen sind, da ist sein Vaterland. Ich glaube nicht, daß gewisse Staatsöconomen in dieser Beziehung mich angreifen werden, denn ich denke, sie wissen es wohl, daß die Theorie der thatsächlichen Beweise mir nicht so ganz und gar fremd iſt. Ja, man sagt Ihnen noch mehr, man behauptet, die Aufklärung, die Sitten, hören Sie, die Sitten! die Wissen- schaften werden gewinnen, wenn die Eisenbahnen in's Leben treten. Da das Warum nicht gleichzeitig ausgeführt worden ist, so kann ich nur so viel bemerken, daß ich mir nicht den: fen kann, daß die Männer der Aufklärung und Intelligenz ihre Studirstuben darum verlassen werden, um auf Eisen- bahnfahrten sich ihres Pensums zu entledigen. Man sagt Ihnen aber ferner: die ganze Welt baut, wir können nicht zurückbleiben, wir werden überflügelt, von allen Handelszügen werden wir abgeschnitten. Wer baut denn? Etwa Frankreich mit einer Bevölkerung von 35 Millionen, an zwei Meeren gelegen, im Besite reicher Colonieen, einer großen Marine und eines Theils des Welthandels? Aber dieses Frankreich fabricirt und consumirt in sich selbst, eine Hand empfängt wieder, was die andere ausgegeben hat, und nicht der Landesstrich, durch den die Eisenbahn zieht, bezahlt die Kosten der Anlage und der Unterhaltung; es bezahlt sie das ganze Land. Wer baut mehr? Oestreich vielleicht? Die unermeßlichen Besitzungen dieses Reichs, sein Mangel an Chausseen, die Beschaffenheit seines Bodens, seine Popula, tion, ſeine geographische Lage, können den Bau empfehlen und rechtfertigen. Allein gewiß ist es, daß Destreich nicht für Sie, meine Herren, baut. Man baut, hält man uns vor, aber doch im Norden! Ja wohl, und das ist es eben! Dort wird, und zwar mit wenig Kosten, fabricirt, es fehlt an Händen nicht und darum wird immer mehr fabricirt, und wir, wir sind berufen, immer mehr und mehr zu kaufen und wegzuschaffen: Norden bauen wir, das ist nicht zu leugnen. für den Aber wie ist's mit Baden, mit Würtemberg? wird man uns sagen. Lassen wir vor der Hand Würtemberg außer Frage. Sie sehen aus den Zeitungen, daß Würtembergs Stände die Verantwortlichkeit des Eisenbahnbaues nicht über nehmen wollen, daß sie sagen: die Frage sei nicht populär, die künftige Wahlkammer möge die Verantwortung überneh L i 14 und hören Sie men, die Erfahrung sei noch nicht reif, daneben, daß unsere erste Kammer, wenigstens ihr Ausschuß, den vollen Nußen der Eisenbahnen selber für problematisch erklärt hat. Hören Sie darauf wohl, meine Herren, vergessen Sie nicht, daß Würtemberg einen Staatsschäß hat, daß es jährlich 15 Procent ſeiner Einnahmen zurücklegt, daß es Do- mainen ankauft, während unser Budget jährlich steigt und wir Domainen, die im Falle der Noth veräußert werden könnten, nicht mehr beſitzen! Endlich aber wird uns vorgehalten, daß die projectirte Eisenbahn für die Vertheidigung unseres Vaterlandes nöthig, ja unentbehrlich sei. Dies, meine Herren, ist ein Argument von Gewicht und soferne es begründet wäre, müßte, meiner Ansicht nach, unter allen Umständen gebaut werden. Allein die Sachverständigen sind bis jest darüber einig, daß, wenn auch wohl ein Bataillon auf einer Eisenbahn transportirt werden könne, sie für Massen von Truppen unthunlich, für Artillerie und Cavallerie ganz unpractikabel sind. Aber wäre dem auch nicht so, wäre sie für Heeresmaffen verfügbar, sollte es alsdann nicht nothwendig und billig sein, daß der deutsche Bund, diese Kraft, die keinen Vergleich hat, unserem klei nen Lande zu Hülfe komme, wenn die Rentabilität der Bahn den Ziffern unseres Ausschußberichts nicht entspräche, wenn die Bahn im Interesse der Vertheidigung, ſei es von deutſchen Truppen oder von Feinden, zerstört oder verlegt werden sollte? Auch diese Frage müssen Sie, meine Herren, wohl überlegen. Sie sehen, daß ich nicht der Ansicht bin, daß wir zur Zeit auf ein Unternehmen eingehen, das die Verhältnisse uns seres Landes in Frage stellt. Ich will nicht sagen, daß ich für alle Zeiten gegen Eisenbahnen sein werde, ich will bessere Erfahrung, diese große Lehrmeisterin der Menschen, abgewartet wiſſen wissen und aus diesem Grunde stelle ich den förmlichen Untrag: es möge der Kammer gefallen, das Project der Eisens bahnen auf spätere Zeiten zu verschieben. Eventuell stelle ich aber den Untrag: der Proposition der Staatsregierung auf so lange die Zustimmung zu versagen, als sie nicht nachweist, daß der hohe deutsche Bund die in unserem Lande angeleg= ten Eisenbahnen in der Weise garantirt, daß, sobald sie im Falle des Angriffs oder der Vertheidigung des Bun- des beschädigt oder zerstört werden sollten, das Groß- berzogthum Hessen vollständig aus Bundesmitteln werde entschädigt werden. : 13 Ich weiß es, meine Herren, meine Sprache wird manche Mißstimmung von mancher Seite hervorrufen. Wie ich aber auf allen Wegen bis daher nur meiner Ueberzeugung ohne Furcht vor Menschen gefolgt bin, so habe ich auch bei dieser Angelegenheit geglaubt, meiner Ueberzeugung und folglich dem Eide Raum laſſen zu müſſen, den ich in die Hände meines Fürsten abgelegt habe. Ich kann irren, und wenn ich dessen überführt werde, bin ich der erste, der es zugesteht. 3) Der Abg. von Dörnberg: Meine Herren! Die Un- gabe in dem Eingange des von der Minorität unseres ersten Ausschusses erstatteten Berichtes, daß die Erbauung von Ei, senbahnen auf Staatskosten noch wenigen anderen Staaten in diesem Sinne angefonnen worden, ist nicht richtig. -- Belgien hat verhältnismäßig schon mehr Eisenbahnen, als die circa 25 Stunden betragende, wovon hier die Rede ist. In Baden betragen die für die Staatsunternehmung beantragten. und zum Theil bereits gebauten Eisenbahnen verhältnißmäßig nicht weniger. Würde das Großherzogthum Hessen in grö- Berem Maße für Eisenbahnen in Anspruch genommen werden können, so könnte man unserem Lande nur Glück wünschen, daß sich in ihm Gelegenheit darbietet zu einer größeren Auss dehnung productiver Unternehmungen. (Vide Rottek und Welcker über Eisenbahnen auf Staatskosten.) Zu den weiteren Ausführungen des gedachten Berichts er laube ich mir sodann folgende Bemerkungen: 3u 1. Die Behauptung, daß die Bahn nur einem klei nen Theil der Provinz Oberhessen Vortheil bringen würde, wird durch einen Blick auf die Karte widerlegt. Die Bahn durchzieht bei 13 Stunden lang die Provinz, also verhältniß- mäßig keine kleine Strecke; vielmehr wird durch diese 13 Stunden der größere Theil der Provinz Oberhessen mit der Eisenbahn und durch diese mit dem Verkehr von ganz Deutsch- land in Verbindung gebracht, und erhält dadurch die Vors theile eines schiffbaren Stroms. - Unterbliebe dagegen diese Eisenbahn, so würde das Gegentheil, das Ausschließen der Provinz vom Verkehr erfolgen, indem dann zur Herstellung der erforderlichen Verbindung des Nordens, der Elbe, We- ser 2c mit den Rheingegenden, von Cassel über Fulda oder von Caſſel direct nach dem Rhein gebaut und Oberhessen ganz umgangen würde. Nächst diesem allgemeinen Entschei dungspuncte, der eine Lebensfrage für den Wohlstand der Provinz Oberhessen in sich begreift, kommt aber auch der große Vortheil in Betracht, den alle Orte jener Provinz da- durch genießen, daß sie den wichtigen Puncten, wohin die Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 3. 16 Bahn führt und mit welchen sie in Verbindung stehen, um so viele Stunden näher gebracht werden, als die Geschwin digkeit des Eisenbahnverkehrs diejenigen der gewöhnlichen Transportmittel übertrifft. Endlich kommt auch für die 13 Stunden Länge die Bes lebung und die ungeheure Erleichterung des inneren Verkehrs in Betracht. Wo Eisenbahnen sind, hat es sich gezeigt, daß ſie für den inneren Verkehr einen so wohlthätigen und den Wohlstand so sehr fördernden Einfluß hatten und die Unnehms lichkeiten des Lebens so ungemein erhöhten, wie man früher nicht ahnte, weshalb schon diese Vortheile des inneren Verkehrs einen wesentlichen Bestandtheil des Gesammtnußens der Bahn bilden. Die Behauptung, daß die Eisenbahnen in Starkenburg dem Rheine den Verkehr, zum Nachtheile der Provinz Rhein- hessen, entziehen werde, ist unrichtig. Allerdings wird die Verödung der Bergstraße, wie sie seit der Dampfschifffahrt zu bemerken gewesen, aufhören, indem nun die großen Vor- züge des Eisenbahntransports, die Annehmlichkeit der Gegend, die Verbindung der vielen Wege und Chausseen, welche aus dem Odenwald in die Eisenbahn einmünden, wieder der Bergstraße eine reichhaltige Frequenz zuführen werden. Hier- aus und aus der freien Wahl, welche zwischen der Dampf- schifffahrt und den Eisenbahnen bleiben wird, folgt schon, daß a) die Frequenz der Starkenburger Bahn nur vortheilhaft sein könne, und b) daß der Theil der Frequenz, welcher von den Dampfschiffen auf die Eisenbahn übergeht, nur den gros Ben Vortheilen, den diese gewährt, beizumessen ist Betrachten wir nun die Verhältnisse der Provinz Rhein, hessen in Beziehung auf die Stärkenburger Bahn noch näher, so ist es klar, daß dieser Proving nicht nur nichts durch die Eisenbahn entgeht, was ihr ohne Eisenbahn vortheilhaft wäre, sondern daß auch die vermehrte Frequenz in der Nachbarpros vinz und die Erleichterung des Transports und Verkehrs ders ſelben nur mannichfache Vortheile erzeugen kann. Für ihre Weine öffnet sich ein neuer Weg nach dem Norden von Deutſchland, wohin die geringeren Weine, wegen des theue- ren Transports, seither nicht gehen konnten. Fassen wir hier. bei Mainz in's Auge, für welches vorzüglich der Einwand der Dampfschifffahrt geltend gemacht worden ist, so eröffnet die Eisenbahn in Starkenburg der Speculation des Mainzer Handelsstandes ein erweitertes Feld und diese wird in man- nichfacher Weise von dem erleichterten Verkehr in Starkenburg 17 Nutzen ziehen können. Die Eisenbahn nimmt ja dem Rheine nichts, sondern kommt nur noch zu demselben hinzu. Die Minorität des Ausschusses räumt selbst, Seite 26 des Berichts, ein, daß die Chausseen in der Richtung der Eisenbahnen die bestrentirenden seien. Nichts triftigeres konnte für die Nothwendigkeit und für die Rentabilität der Eisen- bahnen gesagt werden. Die Erfahrung lehrt überall, daß da, wo Chausseen sehr frequent und einträglich waren, die Eisens bahnen desto besser rentirten. Man folgt daher-in der Wahl der Hauptrichtung der Eisenbahnen überall der Hauptrichtung der Chausseen, als erfahrungsmäßigem Wegweiser. Ganz Eus ropa müßte überhaupt auf die Eisenbahnen verzichten und zuerst auf die einträglichsten, wollte man aus dem Grunde die Eisenbahnbauten unterlassen, weil dadurch der Ertrag der Chausseen gemindert würde; dieses hieße aber eben so viel, als auf jeden Fortschritt verzichten, wie z. B. auf den Gebrauch der Buchdruckerkunst, weil die Schreiber weniger verdienen. Doch bleiben noch Fälle genug übrig, wobei die Chausseen gebraucht werden; insoweit dieses weniger geschieht, wie vorher, kostet auch ihre Unterhaltung weniger. 3u 2. Allerdings werden die Eisenbahnen in vieler Hin- sicht Revolutionen veranlassen. Wenn aber nur die großen Staaten sich die Vortheile der Eisenbahnen aneignen sollen, so werden darunter die kleinen Staaten desto mehr leiden, je mehr sie sich vom System und Nußen der Eisenbahnen ausschließen und darin_zurückbleiben. Die Minorität vergißt überdies bei ihrem Einwand, daß Süddeutschland einen Staatenbund bildet, daß die zunächst in Rede stehenden deutschen Staaten überdies durch den Zollverein ein Gan: zes und in Bezug auf Handel und Wandel einen großen Handelsstaat bilden, folglich alles das, was die Minorität zu Gunsten der Eisenbahnen in großen Staaten sagt, für den Zollverein gilt, und daß die Abgeschlossenheit, die sie für die kleinen Staaten voraussetzt, bei diesen nicht mehr stattfindet, und wahrlich nicht mehr zurückgewünſcht werden Fann. зе Zu 3. Da das Großherzogthum Hessen nicht in derjeni gen Beziehung abgesondert ist, die bei Beurtheilung der Ver kehrsmittel in Betracht kommt, so fällt alles das weg, was unter 3 gesagt ist, mit allen seinen Folgefäßen (vide Auss schußbericht Seite 26. 3u 3 a. Der kleinste Theil des Kostenaufwandes geht in das Ausland und vielleicht wird nur ein Theil der Schie- nen und Locomotiven aus dem Auslande bezogen. Man hat 3* 18 i es in vielen Fabriken Deutschlands ſchon ſo weit gebracht, daß man das Material hoffentlich vorzugsweise auch da neh men wird. Daß unter den Handarbeitern vielleicht auch Aus- länder ſein werden, gleicht sich reichlich aus durch Inländer, die im Auslande arbeiten Durch solche Kleinigkeiten wird gar nichts bewiesen. Wir müßten nicht zum Zollvereine ge= hören, uns ganz und gar ab und einschließen wollen, wenn wir über jeden Gulden, der diesseits von Ausländern verdient wird, Bedenken erheben. Wir haben wahrlich alle Ursache, uns über die Freiheit des Handelsverkehrs zu erfreuen. Zu 3 b. Der Nugen, welchen die größeren Städte aus dem erleichterten Verkehre ziehen, kommt mittelbar allen Des nen zu gut, welche mit den Städten verkehren, weil dieser Nußen darin besteht, daß man wohlfeiler einkaufen kann, ans dererseits wohlfeiler transportirt, daher eher Preis halten kann und man mehrseitige Gelegenheit bekommt zum Verkauf von Landesprodukten, die man sonst nicht verkaufen könnte. Die Orte gewinnen alle dabei, indem sie zusammengerückt werden. Gerade weil der Unterschied der Entfernung so sehr schwindet, sind viele Betriebs- und Handwerkszweige nicht genöthigt, die großen Städte aufzusuchen, im Gegentheil, sie können besser und vortheilhafter auf dem Lande unbeschadet ihrer Verbindung mit dem Hauptorte, gerade des erleich= terten Verkehrs und abgekürzten Transportes wegen, bes stehen. Hieraus ist ferner erklärlich, warum auch mancherlei Fab, riken auf dem Lande möglich werden, welche ohne solche Er- leichterung und Abkürzung des Verkehrs nicht errichtet werden könnten. Im Falle eines Krieges am Rhein ziehen wir aus den Eisenbahnen schon dadurch mittelbaren Vortheil, daß die Zu fuhr zur Unterhaltung der Heere aus weiter Entfernung mög- lich, folglich die Verpflegung nicht so drückend wird für die Gegend, wo die Truppen gerade liegen. Da, wo es sich einmal von einem patriotischen Unterneh, men für das gesammte Land, ja für ganz Deutschland, han, delt, erweckt der Einwand, daß die eine Provinz nicht so viele Vortheile davon habe, als die andere, mir nur ein sehr peinliches Gefühl. Die Erbauung der Bahn in der Provinz Starkenburg wird aber die Anlage einer direkten Bahn von Darmstadt nach Mainz zur Folge haben. Sobald diese ausgeführt ist, wird hierdurch der Vortheil der Bahn für Mainz und Rhein- hessen sich ungemein erhöhen und zugleich der Schaden der 1 ་ 19 Führung der Taunusbahn auf dem rechten Mainufer größten: theils wieder gut gemacht. Die Minorität ſagt, Seite 28 des Berichts, es bestehe in Folge der Eisenbahnen keine Entfernung mehr, Reisekosten und Zeitverlust würden nicht mehr in Betracht kommen. Kann man nun Günstigeres von den Eisenbahnen behaupten, liegt nicht hierin schon die unermeßliche Wohlthat, die sie er zeugen und die Gewährleistung ihrer Rentirung? Bei allen Einwendungen, bei allen der Eisenbahn entge= gengestellten Betrachtungen, hat die Minorität des Ausschus- ſes den Personenverkehr außer Acht gelassen; dieser bildet aber den bei weitem größten Theil der Nuhbarkeit und es ist durch vielfach bewährte Erfahrung ausgemacht, daß dieſer Personenverkehr allein auf den schon frequenten Causseen. Richtungen, wie die hier in Rede stehenden, den Bau der Eisenbahn reichlich belohnt; Geldopfer werden daher nicht stattfinden. 3u Seite 29 des Ausschuß berichtes, lekter Absatz. Die Nachtheile, welche die Minorität von den Eisenbah- nen besorgt, sind Folge ihrer Erbauung, ihres Betriebs und ihrer Benutzung; sie treten aber eben so gut ein, wenn die Eisenbahn Privatunternehmen ist. Die Minorität fommt da her mit ihrer Behauptung in einen direkten Widerspruch, in. dem sie dennoch das Ueberlaſſen des Baues an eine Actienge- sellschaft empfiehlt. Sind die Eisenbahnen so schädlich, so dürfen sie noch weniger in die Hände von Privatgeſell, schaften gegeben werden; denn es kommen dann zu den, von der Minoritat angegebenen Nachtheilen auch diejenigen, welche es zur Folge hat, wenn ein so wichtiger, in alle Ber hältnisse des Lebens eingreifender Hebel des Verkehrs, man kann wohl fogar, eine solche Macht, in die Hände einer Privatgesellschaft gelegt wird. 3u Seite 30 des Ausschußberichts. Es ist durchaus unrichtig, daß sämmtliche in der Welt bestehende Eisenbahnen mit geringer Ausnahme einzig und allein Privatunternehmungen seien. Belgien hat alle feine Eisenbahnen auf Staatskosten gebaut, und hier waren es die Landstände, welche den anfänglichen Planen der Ues berlassung an Privatcompagnien von vornherein entgegen traten. Baden baut auf Staatskosten, ebenso Braunschweig, Würtemberg, Baiern, Destreich, Hannover; und in Preußen, } 20 A wie in Frankreich ist man auf dem Wege zu diesem System. Warum sind nun alle diese Staaten, groß und klein, zur eig nen Anlegung und Unterhaltung der Eisenbahnen übergegan- gen? weil sich bald die Nachtheile der Privatunterneh mungen fühlbar machten, und es den Regierungen einleuchtet, daß sie es ihren Unterthanen schuldig ſeien, ein solches Ver- kehrsmittel nicht zu veräußern, sondern zum gemeinen Nugen in Händen zu behalten. Dies vorausgeschickt, kann ich mich nur der Proposition der hohen Staatsregierung und dem hierauf Bezug habenden Antrag der Majorität Ihres ersten Ausschusses anschließen; und da ich unter dem 12. Januar d. I. in diesem Sinne eine Motion gestellt, so hielt ich es für meine Pflicht, es drängte mich, das Wort zu ergreifen, um die entgegengeſehten ´Un, fichten thatsächlich zu widerlegen zu suchen. 4) Der Abg. Hügel: Meine Herren, ich habe meine Betrachtungen über die Eisenbahnen im Allgemeinen nieder- geschrieben und erlaube mir, Ihnen darüber einen kurzen Vortrag zu halten. Ich bemerke jedoch im Voraus, daß ich in diesem Vortrage die Frage: ob Eisenbahnen besser auf Staatskosten oder durch Privatunternehmungen gebaut werden, nicht berührt habe; ich behalte mir indeß vor, meine Ansicht hierüber in der ferneren Discussion zu entwickeln. Neben der allgemeinen Zollvereinigung sind in unserm deutschen Vaterlande die Eisenbahnen wohl die großartigste und folgenreichste Erscheinung unserer Zeit. Sowie der Zollverein durch die Vereinigung der deutschen Staaten zu wechselseitiger Verkehrsfreiheit die Bedingungen zur nas tionalöconomischen Entwickelung dargeboten hat, so werden die Eisenbahnen die Mittel zu dieser Entwickelung gewäh ren und es wird sich Deutschland durch die, durch dieses ver, vollkommnete Berkehrsmittel bewirkte, Vereinigung seiner mas teriellen Interessen zu einer wahren nationalen Größe emporſchwingen. Es ist ein unumstößlich richtiger nationalökonomischer Grundsaß, daß die Arbeitskräfte eines Volkes in dem Maße productiv werden, als sich die Communications und Transportmittel dieses Volkes vervollkommnen. Da nun aber Eisenbahnen das vollkommenste Verkehrsmittel sind, so werden sie 1) die Productivität der Arbeitskräfte in bedeutendem Maße befördern und dadurch einen mächtigen Hebel zur Ere höhung des Nationalwohlstandes bilden. 1 T 21 Um sich von der Richtigkeit dieser Behauptung zu über: zeugen, muß man sich vorerst vergegenwärtigen, welche Wir kungen und Veränderungen erleichterte Verkehrsmittel in na tionalöconomischen Beziehungen von jeher und bei allen Völkern der Erde hervorgerufen haben. Gehen Sie die Geschichte aller cultivirten Völker durch und Sie werden finden, daß der Zustand der Communications, und Transportmittel stets den bedeutensten Einfluß auf das materielle Wohl der Völker ausgeübt hat; die Geschichte kennt kein politisch organisirtes Volk, d. h. keinen Staat, welcher die Wichtigkeit verbesserter Verkehrsmittel nicht er- kannt und durch die Anlegung von Straßen und Kanälen bethätigt hätte. Ich enthalte mich, Ihnen alle diese Völker älterer und neuerer Zeit herzuzählen, sondern ich beschränke mich le diglich darauf, unser eigenes Vaterland anzuführen. Hier liegen die Beweise darüber, was verbesserte Verkehrs- mittel leisten, klar vor Augen. Ich brauche Ihnen wohl nicht erst nachzuweisen, wie die Dampfschifffahrt den Verkehr und den Wohlstand an den Ufern des Rheins gehoben hat; ebenso werde ich nicht nöthig haben, Ihnen die eminenten Vortheile zu schildern, welche die Vermehrung und Verbesse. rung unserer Straßen unserem Lande und namentlich dem früher weniger zugänglichen Theile deffelben gebracht hat. Untersuchen wir aber, welches wohl die Primitivursachen dieser segensreichen Wirkungen sind, so finden wir, daß die durch diese Verkehrsmittel erreichte größere Schnelligkeit und Wohlfeilheit des Transports, verbunden mit möglichst großer Lastfortſchaffung, Sicherheit und Be- quemlichkeit die ursprünglichen Ursachen jener großen Wirkun- gen find. Wenn nun aber für die jest bei uns bestehenden Vers kehrsmittel solche Erfahrungen vorliegen, wer wollte da wohl noch zweifeln, daß die durch die Eisenbahnen erlangte unver hältnißmäßig größere Schnelligkeit und Wohlfeilheit des Transports auch um so größere Wirkungen äußern werden. Um hierauf einzugehen, muß man sich die Wirkungen der Eisenbahnen auf den Personentransport sowohl, als auf den Gütertransport klar zu machen suchen. a. Personentransport. Was vorerst den Personen transport betrifft, so ist es evident, daß, bei unverhältnißmäßig größerer Geschwindigkeit das Reisen auf Eisenbahnen bedeutend # ! 4 ¡ wohlfeiler ist, als die Benuhung jedes anderen Transportmit: tels. Wird nun aber bei größerer Geschwindigkeit ein geringerer Kostenaufwand erwirkt, so ist der Vortheil offenbar ein dop- pelter; denn es werden Zeit und Kosten gewonnen. Dieser Gewinn ist aber, wie wohl keiner ausführlichen Erörterung bedarf, unberechenbar. Denken Sie sich, die Bez völkerung eines Landes bringe, um zum Geschäftsorte zu ge- langen, bei unsern jehigen Transportmitteln jährlich 300,000 Tage auf der Chauffee zu, so würde dieselbe, weil sie sich der Eisenbahn bedienen wird, wo mindestens eine dreifache Schnelligkeit stattfindet, hierzu nur 100,000 Tage brauchen, es werden also hierdurch für dieses Land 200,000 Arbeitstage oder 667 Arbeitsjahre, d. h. die Jahresarbeit von 667 Mens schen erspart. Aber nicht allein diese Zeitersparniß kommt in Betracht, fondern auch die Kostenersparniß; denn das von diesen 667 Individuen durch das wohlfeilere Reifen in einem Jahr ersparte bedeutende Kapital kann nun auf die Pro- duction verwendet werden und trägt daher zur Vermehrung derselben bei Hierin also, meine Herren, bestehen die großen Wirkungen der Eisenbahnen in nationalöconomischer Be- ziehung. Zeit und Kapital werden gewonnen; beide Gewinnſte kommen der productiven Arbeit zu gut und vermehren somit den Nationalreichthum. b. Ganz dasselbe Verhältniß findet auch bei dem Güters transport statt. Es ist ein bekannter volkswirthschaftlicher Grundsaß, daß ein erweiterter Markt und schnellerer Umsatz der Producte die Production wesentlich vermehrt. Beides wird aber durch die Eisenbahn in einem bisher nicht gekannten Maaße dar geboten. Producte und Fabricate, die bisher nur auf einen, höch stens 56 Stunden entfernten, Markt gebracht werden konnten, können bei vorhandenen Eisenbahnen und zwar weit schneller, auf Märkte von 20-30 Stunden Entfernung verführt werden. Es werden sich daher namentlich solchen Erzeugnissen, die einer Gegend eigenthümlich, oder daselbst wenigstens Hauptproducte sind, und denen die Wohlfeilheit des Transports auf Eisenbahnen noch eine Concurrenz auf weite Entfernungen gestattet, neue und vortheilhafte Übsah. quellen eröffnen, wodurch offenbar die Production dieser Ge- genstände am Orte der Erzeugung vermehrt wird. Außerdem erlaubt es aber auch die Geschwindigkeit des Transports auf Eisenbahnen, auch solche Waaren auf weite Entfernungen zu verführen, die eines langen Transports nicht } 7 A 23 fähig sind, weil sie schnell zur Consumtion gelangen müſſen, wie dies namentlich bei den meisten Victualien, als Gemüße, Obst, Fische und dergleichen der Fall ist. Auf die entfernte- ſten Märkte werden daher Gegenstände gebracht werden, die man früher dort gar nicht fand. Im Vorbeigehen gesagt, halte ich diesen Umstand für un- sere obst und weinbauenden Gegenden für nicht so unwichtig, als er vielleicht jest noch angesehen werden möchte. Endlich können aber auch vermittelst der Eisenbahnen Ge- ſtände, die jezt entweder wegen zu geringen Werthes große Transportkosten nicht vertragen können und daher nur auf einen kleinen Umkreis beschränkt sind, oder gar erst durch Wegbringung von dem Orte ihrer Lagerung Werth erhalten, weit hin verführt und dahin gebracht werden, wo ein gänz- licher Mangel an denselben vorhanden ist. Dies gilt nament lich von allen Bau-, Brenn: und zum Theil auch von den Dungmaterialien, also von Stein, Holz, Steins und Braun, kohlen, Torf, Gyps, Dünger u. f. f. Man wird mir hier vielleicht einwenden wollen, daß die Frachten für solche Gegenstände nicht so niedrig gestellt wer den könnten, als es der geringe Preis derselben erheische. In- deß darf nicht vergessen werden, daß dieses ja gerade einer der größeren Vorzüge ist, die der Eisenbahntransport, mit dem Transport zu Wasser, vor dem Transport auf Chauſ- seen voraus hat, der nämlich, daß sich die Frachten nach dem Werthe der Waaren richten können; und, sowie bei werth- vollen Gegenständen, welche durch langen Aufenthalt zu große Zinsen absorbiren, wobei also Zeit und Zinsenersparniß bes sonders in Anschlag kommen, wie dieses bei den meisten Lurus- und Modewaaren der Fall ist, die Frachten auf Ei- senbahnen weit höher gestellt werden können, als z. B. auf der Post, so können bei Gegenständen von geringem Werthe Na die Transportkosten auch ganz gering angeseht werden. mentlich wird dieses bei Staatseisenbahnen der Fall sein können, da es dem Staate mehr um die Dividende, welche die Eisenbahnen dem Nationalwohlstande abwerfen, als um den augenblicklichen baaren Gewinnst zu thun sein wird. Man bedenke doch, welche Masse Waaren allein zur Nacht- zeit, wo die Bahn für den Personentransport doch keinen Dienst leistet, fortgeschafft werden kann, und wie. sehr sich die Kosten des Transports bei geringerer Dampfkraft oder bei Anwendung von Pferdekraft, was ohne Anstand geschehen kann, da es ja hierbei auf große Schnelligkeit nicht ankommt, r 24 . J " vermindern, wie gering daher die Frachten für den Waaren, transport angeſetzt werden können. Noch glaube ich hier den Vortheil erwähnen zu müſſen, den die Eisenbahnen für den Viehtransport haben; denn, außer der Möglichkeit, das Schlachtvieh schnell und weit vers führen zu können, hat diese Art des Transports den Vorzug, daß das Vieh durch den Transport, wie es jest geschieht, nicht abmagert. Ebenso gedenke ich noch des großen Nukens der Eisen- bahnen bei Mißwach 3. Dieses Uebel wird für die Zukunft seine schrecklichen Folgen: Theuerung und Hungersnoth, nicht mehr mit sich führen; denn da erfahrungsmäßig die Miß- erndten sich nie gleichzeitig über einen ganzen Welttheil er- Strecken, so geben die Eisenbahnen das Mittel, in sehr kurzer Zeit Getraidevorräthe aus den entferntesten Gegenden zu bes ziehen. Hiermit, meine Herren, glaube ich Ihnen zur Genüge nachgewiesen zu haben, welch' bedeutenden Einfluß die Eisen, bahnen, von der nationalöconomischen Seite betrachtet, auf die Hebung und Belebung des Verkehrs und somit auf die Beförderung der Production und die Erhöhung des Natio- nalwohlstandes ausüben werden. Indeß ist diese national ökonomische Wirkung nicht die einzige Wirkung der Eisen- bahnen. Die Eisenbahnen sind auch 2) ein Beförderungsmittel sowohl der gewerblichen, als auch der geistigen und, moralischen Cultur. In ersterer Beziehung wende ich mich zuerst zu der hö- heren Gewerbsindustrie, namentlich zu dem Fabrik- wesen. Bei dem Aufschwunge, in welchem die Gewerbsindustrie in unserer Zeit begriffen ist, kann kein Gewerbsmann mehr profperiren, wenn er sich nicht mit den Fortschritten ſeines Gewerbsbetriebs bekannt gemacht hat. Er muß dahin gehen, wo sein Gewerbsfach schon auf einer höheren Stufe steht; er muß deßhalb namentlich Belgien und England bereisen. Dieses konnte er aber bisher in den meisten Fällen nicht, weil es ihm an den erforderlichen Geldmitteln zu solch kost- spieligen Reisen fehlte; jeht aber gibt ihm die Schnelligkeit und Wohlfeilheit des Reiſens auf Eisenbahnen die Möglich- keit hierzu. Mit Kenntnissen und Erfahrungen bereichert, wird er daher in die Heimath zurückkehren, und entweder be- reits bestehende Gewerbsanlagen verbessern oder ganz neu gründen. Auf diese Weise werden wir bald in Deutschland ; . 25 neue Fabrikate erzeugen sehen, die wir bisher nur aus dem Auslande beziehen konnten. Einen noch wohlthätigeren Einfluß werden die Eisenbah- nen aber auf die niederen Gewerbe ausüben. Es hat wohl kein Stand in der menschlichen Gesellschaft so nöthig, sich in der Welt umzusehen, wie der Handwerksstand. Es ist daher auch schon ein alt herkömmlicher Gebrauch, daß Handwerker, ehe sie sich als selbstständige Meister niederlas- ſen, wandern. Allein mit welchen Opfern von Geld und Zeit ist dieses bisher verbunden gewesen, wie lange mußte ein Handwerksbursche oft sammeln, bis er sich die zur Weiterreise nothwendigen Pfennige erspart hatte, und wie viel Zeit ging ihm durch die mühevollen Reisen verloren. Wie oft war ein solcher Mensch, eben aus Mangel an dem erforderlichen Reis segeld, abgehalten, zu dem Orte zu gelangen, von dem ihm bekannt war, daß dort Nachfrage nach Urbeitern stattfand. Alle diese Nachtheile werden durch die Eisenbahnen beseis tigt; Zeit und Kosten der Reisen verschwinden beinahe und bereits hat auch die Erfahrung auf den bestehenden Eisenbah- nen gelehrt, daß diese Gelegenheit durchgängig von den Hand- werksburschen benutt wird. Man wird darum auf den Chauf- seeen, welche zwischen den mit einer Eisenbahn verbundenen Städten hinziehen, keinem Handwerksburschen mit seinem Ranzen auf dem Rücken oder dem Rollwägelchen hinter sich, mehr begegnen. Selbst der gewöhnliche Handarbeiter wird sich für die Zu kunft der Eisenbahnen, als Transportmittel, bedienen. Die hinterländer Kornschnitter und Drescher werden, um nur ein Beispiel anzuführen, künftig auf Waggons nach der Wet- terau und Rheinhessen kommen und dadurch zugleich in den Stand gesetzt, auch in noch ferneren Gegenden ihren sicheren Berdienst zu suchen und von demselben auch noch einen kleis nen Sparpfenning mit nach Hause zu bringen, der jetzt freis lich durch die Dauer der Rückreise absorbirt wird. Dieser eben berührte Umstand, meine Herren, daß der Handarbeiter nämlich seinen Verdienst durch Benuhung der Eisenbahnen in entfernteren Gegenden suchen kann, ist von der größten Wichtigkeit; denn es wird nunmehr bei einem gesteigerten Bedürfnisse nach Handarbeitern, wie z. B. in der Erndtezeit, oder wenn große Bauten, wie Festungsbauten und dergleichen, ausgeführt werden sollen, nie ein Mangel an den erforderlichen Arbeitskräften entstehen; zugleich aber wird da- durch verhindert, daß der Taglohn weder unverhältnißmäßig hoch steigen, noch zu sehr herabgeſeht werden kann. i 26 . : Aus diesen kurzen Skizzen werden Sie sich, meine Her. ren, gewiß davon überzeugt haben, wie mächtig die Eisenbah- nen auf die gewerbliche Kultur wirken werden. Indeß ist hiemit nicht genug. die Folgen dieser Wirkungen sind für Deutschland und namentlich für unfer Großherzogthum noch weit segensreicher. Ich habe vorhin bereits angedeutet, daß die, durch die Transportvervollkommnungen beförderte industrielle Entwickelung neue Gewerbsanlagen hervorrufen wird. Nicht allein daß wir aber hierdurch in den Stand gefeht werden, unser Bedürfniß an Fabrikaten und Manufacturen, was wir mit schweren Summen man berechnet, daß dasselbe 70 bis 80 Millionen Gulden betrage aus dem Auslände bestrei Gulden_betrage ten, selbst zu befriedigen, erlangen wir auch dadurch noch den eminenten nationalöconomischen Vortheil, daß sich ein großer Theil unserer Arbeitsleute, die sich nur auf den Ackerbau ver theilen oder gar ganz unproductiv sind, der Industrie zu: wenden. Die Zahl der Ackerbautreibenden wird sich daher vermin: dern und hierdurch das, namentlich bei uns so fühlbare, Mißverhältniß zwischen der gewerblichen und landwirthschaft- lichen Produktion auch ins Gleichgewicht gestellt. Zugleich aber wird aus der vermehrten Zahl der Gewerbtreibenden ver- größerte Nachfrage nach inländischen Landesprodukten entste= hen und diese wird natürlich wieder vortheilhaft auf die Lan- desproduction zurückwirken. Die nächste Folge dieser Wechs selwirkung wird offenbar ein Steigen des Werths des Grund- eigenthums sein. Wichtiger noch, als dieses jedoch, ist der weitere aus der angegebenen Beseitigung des herrschenden Mißverhältnisses zwischen den Ackerbautreibenden und Ge werbtreibenden entstehende Vortheil, daß hierdurch der zu großen Theilung der Güter Schranken gesetzt und wir daher vor all' den gefährlichen Folgen dieses Uebels, wovon die Auswanderungen das erste und der Pauperismus das lehte ist, gesichert werden. Meine Herren, dieser Gegenstand ist von der größten Wichtigkeit und fordert zum Nachdenken auf. Ich habe oben auch noch der geistigen und moralischen Cultur erwähnt, welcher durch die Transportvervollkomm nungen ein Vorschub geleistet würde. Hierbei beſchränke ich mich nur auf wenige Andeutungen. Durch das erleichterte und wohlfeile Reisen auf Eisenbah: nen ist das Mittel, auf Reisen durch Unschauung und Ver- kehr seine Kenntnisse und Erfahrungen zu erweitern, nicht mehr Alleineigenthum der Reichen. Sodann erleichtert der beschleunigte Transport die Circulation der Producte der 27 Kunst und Wissenschaften und befördert namentlich die lite- rarischen Bildungsmittel; die wissenschaftlichen Hülfsmittel und Schäße der großartigen Anstalten in den Häuptstädten Europas werden zugänglicher. Auch der gesellige Verkehr wird durch Eisenbahnen vers mittelt; denn sie bringen den Freund zum Freunde, den Verwandten zum Verwandten. Endlich werden sich durch Abkürzung der Entfernungen schroffe Gegensätze in politischen und religiösen Ansichten abschleifen, provinzielle Vorurtheile werden verschwinden und die Uebel der Kleinstädter werden vernichtet werden. Noch habe ich einen dritten Gesichtspunkt zu berühren, aus dem der Nutzen, ja die unmittelbare Nothwendigkeit der Eisenbahnen hervorgeht. Es ist der strategische. Dieser Gesichtspunkt ist so handgreiflich, daß er kaum einer näheren Erörterung bedarf. Deutschland ist vermöge seiner geographischen Lage von allen Seiten fremden Angriffen Preis gegeben, es bedarf also, wie kein Bolk mehr, künstlicher Mittel, um seine Streitkräfte schnell zu concentriren. Namentlich aber sind es die westlichen Staaten Deutschlands, welche beim Ausbruch eines Kriegs mit unsern westlichen Nachbarn am meisten bedroht sind. Wenut daher Frankreich auf der Paris: Straßburger Bahn in kurzer Zeit sein Heer auf dem linken Rheinufer aufstellen kann, so muß auch Deutschland nicht allein das Mittel besigen, eben- soschnell seine Streitkräfte auf dem gegenüberliegenden Ufer aufpflanzen zu können, sondern es muß ihm auch die Mög. lichkeit gegeben sein, seine Festungen am Rheine mit Manna schaft, Munition und Lebensmitteln zu versehen. Beides kann in der nothwendigen Schnelligkeit nur ver- mittelst Eisenbahnen geschehen. Man wird mir vielleicht entgegnen, und wirklich hat dies der zweite Redner von der Tribune gethan, daß, wenn stra tegische Rücksichten den Bau der Eisenbahnen nothwendig machten, der Bund sie auch bauen müßte; allein, meine Hers ren, wenn man von Eisenbahnen spricht, muß man den ganzen Werth und nicht einen Theil desselben in Betracht ziehen. Haben denn Eisenbahnen blos strategische Zwecke, sind ihre staats- und volkswirthschaftlichen Zwecke nicht Haupt- zwecke, und sind etwa unsere Etappenstraßen nicht auch auf Staatskosten gebaut worden? Bis hierher habe ich nur von den Vortheilen gesprochen, welche Eisenbahnen in nationalökonomischer, gewerblicher, gei- ſtiger, moraliſcher und politiſcher Beziehung gewähren, indes- * 28 sen Eisenbahnen haben auch ihre Schattenseiten und mei. nen Vortrag würde der Vorwurf der Einseitigkeit treffen, wollte ich sie übergehen. 1) Vorerst sind es die großen Anlagekosten, welche bedeu. tend in die andere Wagschale fallen; indessen rechtfertigt sich diese Ausgabe so gut, wie jede andere, welche auf eine pros ductive Staatsanstalt verwendet wird und für die oben aus- einandergesetzten eminenten Vortheile ist das Opfer nicht zu groß. Die Frage über die Rentabilität der Eisenbahnen, welche man gewöhnlich gelegentlich des Kostenpunkts mit in Erwä-- gung nimmt, gehört, meines Erachtens, nicht hierher, und ich halte es für einen großen volkswirthschaftlichen Schnitzer, wenn man behaupten will, daß eine Eisenbahn, die finanziell nicht rentire, auch keinen nationalökonomischen Nutzen ge- währe, weil jenes vorausseße, daß es ihr an Frequenz fehle; denn wäre dieses richtig, dann hätten alle unsere Kunststraßen keinen nationalökonomischen Nuhen, weil sie bekanntlich in keinem Lande finanziell rentiren. 2) Der zweite Ümstand, der auf die Anlagen von Eisen- Eahnen nachtheilig einwirkt, ist die Abhängigkeit von den Terrainverhältnissen. Glücklicherweise sind dieselben in unserm Lande und bei der projectirten Bahn nicht der Art, daß ſehr bedeutende Schwierigkeiten zu überwinden wären, fie sind im Gegentheil zum größten Theile günstig. Ich gehe daher auf diesen Punkt nicht weiter ein. Wichtiger aber ist 3) die Verschiedenheit des volkswirthschaftlichen Nuhens der Eisenbahnen von demjenigen der Kunststraßen im Auge- meinen. Unser Ausschußbericht bezeichnet die Eisenbahnen ganz treffend mit einem Strom von Eisen. Dieser Strom wird aber, wie es in der Natur der Sache liegt, den Verkehr zu- nächst um sich und dann wieder auf einzelne Hauptorte, nas mentlich auf die Knotenpunkte concentriren und auf entfernte Orte nur mittelbar einwirken. Auf den ersten Unblick scheint dieser Umstand, den auch die Minorität unseres Ausschusses aufgegriffen hat, bedenklich; indeß bei näherer Ueberlegung verschwinden diese Bedenklich- feiten. Man erwäge doch, daß die große Bewegung auf den Bahnhöfen ihren Ursprung doch nicht an dem Orte der Bahn- höfe selbst hat, sondern daß dieselbe sich nach und nach aus vielen Bewegungen, welche vorher auf den, in die Eisenbahn, 29 I linie einmündenden Straßen statt hatte, gebildet hat. Man vergesse doch nicht, daß größere Städte von jeher der Unzie- hungspunkt des reisenden Publikums waren und es auch, ohne Eisenbahnen, bleiben werden, und daß, wenn auch durch Eisenbahnen der Verkehr in diesen Orten unverhältnißmäßig steigt, dieses auch wieder auf die Umgebungen dieser Orte, und zwar in weit größerem Umkreise und Maße, vortheilhaft zurückwirkt. Auch diejenigen kleineren Städte, welche in den Bahnens zug fallen, und allerdings die Passanten, welche früher dort übernachtet hatten, einbüßen, verlieren, da sie Bahnhöfe oder wenigstens Einsteighallen erhalten, nichts, sondern werden vielmehr durch die unverhältnißmäßig größere Anzahl von Reisenden, die von den Seitenstraßen zum Bahnhof kommen, vollständig entschädigt. Die bisherigen Erfahrungen haben dieses überall bestätigt. Nur diejenigen kleineren Städte, welche bisher an der Straße lagen, durch die Eisenbahn aber nun umgangen wer- den, verlieren allerdings einen Theil ihres Verkehrs; indeß theilen sie alsdann dieſes Schicksal mit fo vielen anderen Or: ten, welche durch neue Straßenanlagen umgangen wurden. Hier muß das Interesse des Einzelnen dem allgemeinen weichen. Uebrigens tritt dieser Fall, namentlich wenn die Bahn durch die Bergstraße geführt wird, wie ich glaube, im ganzen Lande nicht ein, da es die Terrainverhältnisse erlauben, alle Hauptorte in die Bahnlinie aufzunehmen. Dieses, meine Herren, waren meine Betrachtungen, die ich über die Frage: ob der Bau der proponirten Eisenbahn durch das Interesse unseres Landes geboten ist oder nicht, an gestellt habe; ich habe gewissenhaft die Vortheile und Nach- theile abgewägt, aber zu Gunsten der ersteren ein bedeutendes Uebergewicht erhalten; denn ich bin zu dem Resultate gelangt, daß - wohin sich auch die öffentliche Meinung ausspricht -das höchste Interesse des Landes den Bau der proponirten Eisenbahn fordert, und daß derselbe sobald als möglich auss geführt werden muß, wenn anders das Großherzogthum, welches von jeher den Fortschritten huldigte und für die mas teriellen Interessen seines Volkes von allen Völkern immer unter den vordersten Reihen kämpfte, nicht zurückbleiben will hinter den Forderungen der Zeit und den Bedürfnissen eines industriellen Volkes, was in hohem Grade zu sein, sich das hessische Volk rühmen kann. 1 7 : 30 : Der Präsident eröffnet hierauf die Berathung von den Sißen und zwar vorerst über die Frage: ob Eisenbahnen im Großherzogthum auf Staatskoſten zu bauen seien? Nachdem er in dieser Beziehung die erforderliche Einlei- tung vorausgeschickt hat, bemerkt : Der Abg. Schmitthenner: Ich habe schon in dem Bericht meine Ansichten schlicht dargelegt und habe mir bei der Diskussion eigentlich das Wort gar nicht mehr erbitten. wollen. Wenn es geschieht, so ist dies nur, weil ich Einigen, und vorzugsweise Einem, der verehrlichen Redner zu antwor ten habe. Ich gestehe es, meine Herren, ich habe wunder- bare Dinge gehört. Was zuerst eine Bemerkung, die gegen mich und den Bericht gerichtet war, betrifft, daß ich den Bericht abgefaßt habe, ohne im Zustande der Seligkeit gewesen zu sein, so ge: stehe ich, ich bin selten im Zustande der Seligkeit gewesen; ich möchte hienieden überhaupt noch gar nicht felig werden; ich glaube und behaupte, es wäre gar nicht einmal gut, selig zu sein, wenn man einen Bericht über einen so wichtigen Gegenstand, wie der vorliegende, abzufassen hat. Wahr ist aber, ich habe mit-warmem Gefühl mich für die Sache aus: gesprochen Ich muß Sie übrigens dabei bitten, meinen Be- richt nicht zu verwechseln mit der Eisenbahn. Ich habe in kurzer Zeit, ohne literarische Hülfsmittel, meinen Bericht über die Eisenbahn abfassen müssen. Meine eigene Meinung von meinem Bericht und von der Eisenbahn unterscheidet sich darin, daß ich von jenem Bericht eine sehr geringe, und von der Eisenbahn eine sehr große Meinung habe. Ich lasse. mir jeden Angriff auf meinen Bericht recht gerne gefallen. Wenn ich übrigens auch nicht voraussehen kann, daß Je, dermann bedeutende Studien über Staatswirthschaft und Eis senbahnen gemacht hat, so glaube ich doch, daß die Erschei nung der letzteren so einfach in der Entwickelung der Mensch- heit ist, daß Jedermann ſie richtig aufzufassen vermag. Wir sind größtentheils schon in den Jahren, daß viele. Trübsal über unsere Häupter geschritten ist; wir kennen also die Zeit, wo fast noch keine Chaussee gebaut war und statt der Eilwas gen langfame Postwagen auf der Achse gingen. Wenn das für den Verkehr eine glückliche Zeit war, so haben Sie sehr Unrecht gehabt, Chausseen zu erbauen und Eilwagen-Course anzulegen, so daß jetzt die Bewohner der Stadt Darmstadt, statt früher einen ganzen Tag dazu zu brauchen, in nur 21½ Stunden nach Frankfurt gelangen können. Was sind 31 die Folgen davon gewesen, meine Herren? Sind die Städte etwa zu Grunde gegangen? Ist das Haudererwesen zu Grunde gerichtet worden? Sind dabei Ackerbau, Handel und Gewerbe in ihrer Entwickelung gestört worden? Und was find aber die Eisenbahnen anders, als eine weitere Vervoll- kommnung der Chausseen? Sie werden nur belegt mit Schies nen und statt der Eilwagen nehmen wir Dampfwagen. Freis lich der Fortschritt ist ein ungeheurer. Wenn bisher die Vervoll- kommnung der Verkehrsanstalten zur Vervollkommnung der Gesellschaft geführt hat, so muß der einfachste Schluß, den man daraus mit dem einfachsten Mutterverstande, ohne dazu viel studirt zu haben, machen kann, dahin gehen, daß Eisen, bahnen zur Entwickelung des Verkehrs und zur Vervollkomm nung von Allem, was damit in Verbindung steht und das durch bedingt ist, führen. Man hat auf den Nachtheil hingewiesen, daß die Eisens bahn zu schnell uns den großen fremden Städten näher rückt. Es wundert mich, daß selbst die scharfsinnigen Herren Col. legen, die in der Minorität sind, diesen Einwand geltend ge macht und namentlich auf die Städte Darmstadt und Gießen hingewiesen haben. Darmstadt wird durch die Eisenbahn in die nämliche unglückliche Lage zu Frankfurt kommen, in wels cher sich Wiesbaden und Mainz im Verhältniß dermalen bes finden, daß man nämlich faſt in Zeit von einer Stunde von einer Stadt in die andere gelangen kann. Das Unglück muß übrigens für Mainz nicht so groß sein, wenigstens nicht das Gefühl des Unglücks, weil selbst von Mainzer Abgeordneten der Antrag ausgegangen ist, eine Zweigbahn nach Mainz zu errichten, also gewissermaßen das vorhandene Unglück zu ver doppeln. Wenn es übrigens ein Unglück wäre, so wäre dieses gerade doppelt so groß, als die Minorität schildert; denn es würde Darmstadt nicht allein nahe bei Frankfurt kommen, sondern auch Frankfurt nahe bei Darmstadt. Die Darmstäds ter würden nicht blos nach Frankfurt gehen, um die Genüsse der großen Städte kennen zu lernen, sondern auch die Frank- furter herüber nach Darmstadt, um Theil zu nehmen an den Genüssen der Residenz. Das Unglück wäre also für beide Städte verdoppelt. Hier aber verweise ich Sie vorzugsweise auf das, was ich schon früher bemerkt habe. zum Theil den Zustand kennen, in dem sich die Stadt Sie müssen Darmstadt befunden hat, ehe eine Chauffee gebaut, ehe ein Eilwagencours eingerichtet war. Ist es wahr, daß sie seit der Zeit zu Grunde gegangen, weil sie dadurch näher bei Frankfurt hingerückt worden ist, daß Handel und Verkehr Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 4 32 dadurch abgenommen haben? Ich kenne den früheren Zustanc von Darmstadt nicht; ich weiß nicht zu beurtheilen, ob sich das Unglück von Darmstadt gesteigert hat, seit man in 21/ Stunden nach Frankfurt gelangen kann. } Man hat von dem Unglück gesprochen, welches eine Ei, senbahn für Gießen haben würde. In dieser Stadt, wo in Beziehung auf die Eisenbahn Kaufleute und Fabrikanten den Ton angeben, ist die Erwartung von derselben sehr groß. In der That, die Verblendung der Stadt ist groß, oder eigent lich ihr Patriotismus! Ich habe natürlich keinen Auftrag von der Stadt Gießen, aber ich glaube in ihrem Namen, ohne widerlegt zu werden, erklären zu können, daß sie, die gute Stadt Gießen, bereit ist, sich auf dem Altar des Vater, landes zu opfern und zu gestatten, daß die Eisenbahn an ih ren Thoren vorübergeführt wird. Man hat davon gesprochen, wir seien blos auf die Agri- cultur verwiesen, man solle nicht die Fabriken vervollkomm, nen, nicht aus einem ackerbautreibenden in einen industriellen Staat übergehen. Zwar hat ein anderer Redner von der Tribune dem widersprochen, aber ich muß mir erlauben, dies ſes Princip in ſeinen Consequenzen zu entwickeln. Wenn es richtig wäre, daß die Agricultur durch Industrie, Handel, Gewerbe und Künste zu Grunde gerichtet würde, so müßten wir uns auf die einfachste Agricultur beschränken, wir müß- ten zurückkehren zu den Zuständen der Irokefen, wir brauch- ten kein Ständehaus, denn es ist ein Erzeugniß der Kunst; wir könnten uns bei unseren landständischen Verhandlungen um das Berathungsfeuer lagern, wie die Irokesen; wir brauchten dann für den Unterhalt der Deputirten keine land- ständischen Diäten; wir könnten Yamswurzeln oder Kartoffeln genießen und Wasser trinken, statt daß wir an den Tables d'hôte die durch Kunst präparirte Materie genießen und Wein trinken. Ich zweifle aber, ob der Redner von der Tribune zu dieser Zeit zurückkehren wollte. Man hat endlich mich deßhalb angegriffen, daß ich in meinem Bericht über die strategische Bedeutung der Bahn Betrachtungen angestellt habe. Ich räume ein, die Strategie ist meine schwache Seite, und wenn einer von den Herren, die gegen den Bericht gespro chen, jemals Truppen angeführt hätte, würde ich mich sofort für geschlagen erklärt haben. Ich habe die wenigen Bemer kungen über Strategie aus militärischen Schriften entnommen, und bin weder im Stande, die strategischen Rücksichten zu verfechten, noch sie weiter zu entwickeln. ! ! 33 ten. Man hat ferner noch den Antrag gestellt, man solle war: Bis wann? frage ich Sie, meine Herren. Bis sich der Eifer für Eisenbahnbauten etwas gegeben hat? Da fällt mir der Bauer des Horatius ein, der an einem Flusse, den er noch nicht gesehen hatte, angekommen, warten wollte, bis sich das Wasser des Stromes verlaufen habe. Horaz sagt: ,,Rusticus exspectat, dum defluat amnis; at ille „Labitur atque labetur in omne volubilis aevum.“ 3u deutsch: ,,Ein Bauer kam an einen Fluß ,,Und sah der Strömung großen Guß. „Hm! dacht' er klug, da wart' ich ab, Bis sich die Strömung etwas gab. ,,Die Strömung hat bis jest nicht abgenommen, ,,Das Bäuerlein ist längst verkommen." So würde es auch uns mit dem Eisenbahnwesen gehen. Man soll warten, bis man weitere Erfahrung gesammelt hat! Ich frage, wer der,,man" ist, der bei uns Erfahrun gen sammeln soll? Andere Leute haben diese Erfahrungen schon gemacht. Die Staatsmänner, die an der Spihe von Preus Ben, Frankreich und Destreich stehen, haben die Erfahrungen gemacht, denn sie haben Eisenbahnen im Lande, und sie has ben, auf diese Erfahrung gestützt, die Erbauung der Eisen- bahnen ausdehnen zu müssen geglaubt. Sollte etwa unter dem,man" der Redner selbst verstanden sein, so begreife ich nicht, wie er die Erfahrungen machen kann, da er keine bauen will, an der sie zu machen wären. Mir fält dabei der Scholasticus des griechischen Dichters ein. Scholafticus heißt ein Schüler, aber auch ein dummer Teufel. Diefer Scholasticus nun war im Wasser gewesen und beinahe ertrun- ken, deßhalb nahm er sich vor, und verhieß sich dessen, nicht eher wieder in's Waſſer zu gehen, bis er schwimmen könne. Wir follen zusehen und warten, während man in anderen Staaten längst gebaut hat! Warten, meine Herren, ist keine Weisheit; Weisheit ist, mit Umſicht und glücklichem Tact die Gelegenheit, die bekanntlich ein Kahlkopf ist, so lange fie uns dargeboten ist, festzuhalten; nachher kehrt sie niemals wieder. Wir haben schon lange genug gewartet! Der Abg. Georgi: Es scheint mir, daß der Redner vor mir meinen Vortrag von der Tribune eben so wenig klar aufgefaßt hat, wie es seinem Berichte an Klarheit gebricht. Ich werde nicht persönlich werden, ich werde keine Stellen aus Horaz citiren, auch mein Bischen Griechisch nicht zur Schau stellen; endlich werde ich auch nicht von Bauern u. dgi. 4* 34 reden. Ich will nur durch Gründe widerlegt oder über- zeugt sein. Die Hauptfrage, die Kosten, die zwölf bis fünfzehn Mil- lionen, hat der Redner vor mir zu umgehen die Güte gehabt. Ich habe Ihnen, meine Herren, nur Zweifelsgründe vor- gelegt und ähnliche Zweifelsgründe werden sich bei jedem Manne, der es mit seinem Vaterlarde wohl meint, bei der vorliegenden Frage aufwerfen, sofern er nicht verblendet sein will. Glauben Sie mir, es giebt Viele, die diese Zweifels- gründe theilen. Es ist mir leid, wenn sich der Redner vor mir über die Beziehungen verlegt findet, welche in meinem Vortrage in Hinsicht auf seinen Ausschußbericht enthalten find, aber ich frage, meine Herren, finden Sie denn wirklich in diesem Ausschußbericht irgend ein System, irgend einen Anhaltspunct zu einer consequenten Debatte? Ist er mehr, als eine Beschreibung der glücklichen Zukunft, der wir ents gegengehen, wenn wir Eisenbahnen bauen? 3u dem Zwecke find alle möglichen Bilder hervorgesucht, aber das Wie? vermisse ich ganz und gar. Der Redner vor mir wirft mir Inconsequenz vor, weil ich gewollt habe, man solle nicht bauen und man solle doch abwarten. Viele unserer Nachbarn bauen ja; wir können also die Vortheile sehr bald auch auf andern Punkten ganz in unserer Nähe ſehen; warten wir ab, was diese sagen werden. Sehen Sie, meine Herren, auf die Würtemberger Stände; man proponirt denselben auch Eisen- bahnen. Diese Stände fagen aber: Nein, wir wollen zur Zeit noch warten, wir wollen die Verantwortung nicht über- nehmen. Ich habe die verehrliche Kammer nur auf die Mög- lichkeiten hinweisen wollen, welche eine so großartige Unter- nehmung für unser Land zur Folge haben kann; ich habe auf die Möglichkeit hingewiesen, daß unser Land an den Rand des Abgrundes geführt werden könne. Meine Sprache ist die meiner Ueberzeugung gewesen und diese Ueberzeugung hoffe ich vor Gott und Menschen verantworten zu können. Der Abg. Brund: Wenn Eisenbahnen gebaut werden. sollen und gebaut werden müssen, so bin ich zuerst dafür, daß ein Versuch gemacht würde, ob man sie nicht auf Actien bauen kann. Man spricht von vielen Inconvenienzen, welche dadurch entstehen würden. Indessen dieser Umstand ist hin- reichend widerlegt, in den größten Ländern werden solche auf Actien gebaut. Ich kenne diese Inconvenienzen nicht, und selbst wenn man in der That Belege dafür hätte, so möchte ich fragen zu was sollen fie nühen? denn der wichtigste Theil dieser Bahn ist bereits auf Actien gebaut, nämlich die : 35 Bahn aus der Bundesstadt Frankfurt nach der Hauptfestung Mainz Für diese besteht eine Actiengesellschaft. Unsere vor geschlagenen Staatsbahnen, die weniger wichtig sind, als diese werden sich an diese Uctienbahn anschließen und mit derselben Hand in hand gehen müssen. Wenn also diese Actienbahn bestehen kann, so werden auch unsere anzuschlie Benden Bahnen in gleicher Natur bestehen können, oder man müßte die erstere der Actiengesellschaft abkaufen und sie dann zu einer Staatseisenbahn machen. Wer aber das Geld dazu hergeben sollte und wollte, das weiß ich nicht. Dann glaube ich auch, daß sich die Actienbahnen für das Interesse des Landes vortheilhafter gestalten werden; wir haben die Vers handlungen vor uns, welche wegen einer Eisenbahn von Frankfurt nach Mannheim gepflogen worden sind. Die Ko- ften der Eisenbahn wurden auszumitteln gesucht durch eine gemeinschaftliche technische Commission von Seiten des Staats und der Actiengesellschaft. Die Summe, welche man als zur Erbauung dieser Bahn erforderlich herausbrachte, betrug 6 Mil- lionen Gulden. Also für diese Bahn allein verlangt man 6 Millionen Gulden. Sie haben auch bereits anerkannt, meine Herren, daß gerade diese Eisenbahn vielleicht diejenige ist, welche sich am wenigsten rentiren wird; dessen ungeachtet haben sich die ausländischen Banquiers dazu verstanden, auf diese Bahn Uctien zu nehmen, wenn man ihnen 3 Procent Diese Ga Zinsen und 1 Procent Tilgungsfond garantirte. rantie hat die Staatsregierung nicht übernehmen wollen. Nun hat man aber eine Proposition an die Stände gebracht; man schlägt vor, 4 Procent zu geben, ohne Tilgungsfond, also ist der Staat schon um 1 Procent rein beeinträchtigt. Man mache sich nur keine chimärische Hoffnungen über diese Bahn. Man hat zwar Vergleichungen gegen andere Bahnen, die in Deutschland bestehen, angestellt und die vorzüglichsten ausge- ſucht, aber doch die Bemerkung nicht umgehen können, daß manche darunter find, die nur 2 Procent, 3 Procent c. 3in: sen abwerfen; glauben Sie aber nur nicht, daß diejenigen Bahnen, die bereits in Deutschland bestehen, eine Stabilität erreicht haben. Es ist noch ein Modeartikel, Jeder will ein- mal darauf fahren; bis jetzt hat es zum Tone gehört, daß, wer nur einen Anspruch auf Bildung macht, auf einer solchen Eisenbahn fahren mußte, und sollte er auch eine solche Bahn auf 10 bis 20 Stunden Wegs weit aufsuchen; näher Wohnende befriedigen ihre vorübergehende Liebhaberei noch öfter. Genug, wir müssen annehmen, daß auf den wenigen Bahnen, die bereits gebaut sind, der größte Theil der Deuts 36 ! ſchen bereits gefahren ist, oder doch im Begriffe steht, seine Spazierfahrt darauf zu machen. Darnach läßt sich sehr leicht. der dermalige große Personenverkehr auf den Eisenbahnen bes urtheilen. Dieser Verkehr wird aber jedenfalls abnehmen; denn wer aus der Ferne nur einmal für ſein Vergnügen auf der Eisenbahn gefahren ist, wird nur dann wieder darauf fahren wollen, wenn er Geschäfte hat und es sein Interesse erheischt. Nun, meine Herren, wo kommt denn weiter der geschilderte erschreckliche Glanz dieser Eisenbahnen her? Man hat eine ungeheure Schilderung davon gemacht; man hat dem ganzen Lande Heil, Wohlstand, den Städten Reichthum und vieles Andere versprochen. Aber wahrlich, dies fann ich in den Ländern nicht finden, wo die Eisenbahnen gebaut find. Wollen wir auf das Stammland der Eisenbahnen ſeheu, näm. lich auf England, so frage ich: ist England reicher geworden, feitdem dort Eisenbahnen bestehen? Ich glaube das Gegen= theil. Die Eisenbahnen ſelbſt werden wohl frequentirt, aber wir sehen auch, seitdem dieselben bestehen, sehr viele Hun gernde nebenan lagern. Ich denke, wir sollten einstweilen die uns zugesagten gebratenen Tauben dorthin verweisen, vielleicht erschnappen sie die Hungerleidenden. Also von dem enormen. Heil, das von den Eisenbahnen zu erwarten wäre, sehe ich in England nichts, weiß aber, daß seitdem eine enorme Ein- kommensteuer dort eingeführt worden ist. Ich glaube, die proponirten Eisenbahnen werden uns auch noch eine solche Einkommensteuer bringen. Mancher ist jeht dafür, weil er denkt: du kannst zu deinem Vergnügen auf der Eisenbahn fahren, ein Nachtheil trifft dich nicht, die directe Besteuerung resp. der Grundbesit mag der Sündenbock davon werden. Meine Herren, das kann sich ganz anders gestalten. Gehen wir nur nicht zu rasch zu Werke. Es läßt sich außerordents lich viel für solche Dinge sagen. Wir haben eben so auch den Straßenbau mit großem, ja mit zu großem Enthusiass mus ergriffen. Bis zur nächsten Finanzperiode, wo die Staats- und Provinzialstraßen vollendet sein sollen, werden wir eine Schuld dafür von 5 bis 6 Millionen Gulden haben. Heute habe ich dies dem ersten Ausschuß klar dargelegt. Die Auflagen, welche wir in dieser Rücksicht jezt schon als directe Besteuerung haben, reichen nicht einmal zur Deckung der Zinsen hin; also auf dem nächsten Landtage, wo die definitive Rechenschaftsablage erfolgt, werden wir nicht nur für die Zinsen, sondern auch für einen Tilgungsfond weiter sorgen müſſen. ; 1 } ! : 37 Ohne Weiteres, als läge Gefahr auf dem Verzug, sollen wir nun ein Vertrauensvotum von 10 Millionen Gulden ge: ben. Ich glaube aber nun und nimmermehr, daß diese 10 Millionen Gulden hinreichen werden; denn wenn man die Kosten einer Eisenbahn von Frankfurt nach Mannheim, die ſehr reiflich in Erwägung gezogen wurden, zu 6 Millionen Gulden veranschlagt hat, so frage ich, wie ist es auf einmal möglich, von der Badischen Grenze, also von dem einen Ende des Landes an, bis an das andere äußerste Ende, nach Marburg hin, diese Eisenbahn für 10 Millionen Gulden zu bauen? Hüten wir uns also wohl, das Land in erdrückende Schulden zu stürzen! Man hat zwar versprochen: wenn wir einmal Eisenbahnen haben, dann wird sich die Industrie ent- wickeln; wir haben keine Industrie, wir haben keine Fabriken, aber wir bekommen alles dieses! Also um die Industrie zu entwickeln, muß man die Staatsangehörigen mit Steuern überlasten durch Staatsschulden? Ist dies das Mittel dazu? Dadurch rufen wir keine Industrie hervor, durch eine größere Belastung kann niemals Industrie entstehen, denn es fehlt an Kapitalien. Will man mit Gewalt Industrie schaffen, so leihe man lieber Geld und gebe es den Leuten, welche indu: strielle Anlagen machen wollen. Wollen wir das nicht thun, so wird bei uns niemals eine Industrie entstehen. Industrie wird durch die Eisenbahn um so weniger hervorgerufen, weil wir jetzt erst Fabriken anlegen wollen, durch erleichterte Ber- kehrsmittel mit den übrigen Fabrikstaaten also um so weniger concurriren können. Jeder Staat hat sein eigenthümliches Loos, und ich glaube, wir haben das schlechteste Loos darum nicht, daß wir in einem productiven Staate leben; wir haben zwar keine Reichthümer, wie man sie in England und in andern Handelsstaaten hat, aber wir verhungern auch nicht; wir produciren noch immer so viel und mehr, als für unsere Bedürfnisse nöthig ist; wie haben noch Ueberfluß, um die Hungernden zu sättigen. Darum sehe ich den großen Nußen der Eisenbahnen durchaus nicht ein. Ja, für Handelsstaaten sind die Eisenbahnen von aus ßerordentlichem Nußen; denn sie wollen für ihre Waaren ih ren Markt erweitern, sie müssen also dahin trachten, möglichst wohlfeile und schnelle Verkehrsmittel zu bekommen. Wir ha ben aber einen ganz andern Markt; jene haben einen Waa- renmarkt und wir haben einen Productenmarkt; dieser Pro. ductenmarkt ist es, der uns erhält und nährt. Nun fragt es sich, können wir diesen Productenmarkt durch eine Eisenbahn heben? Ich sage Nein, wir können ihn nur verderben. Wir 38 ¿ wohnen am Productenmarkt Mains; wir haben den Rhein, der den fruchtbarsten Theil des Landes durchschneidet; wir haben den Main, dem die fruchtbare Wetterau ganz nahe liegt, wir sind südlich vom Neckar begrenzt; wir sind in einer ganz andern Lage, wie andere Staaten, welche diese eminen, ten Vortheile nicht haben, wie wir. Diese müssen Straßen und Eisenbahnen bauen, um unsern Markt mit mehr Vortheil besuchen zu können, wie sie es jetzt schon thun. Jedes Land forgt für seine Existenz; andere müssen ihren Markt zu`er- weitern suchen, während die Klugheit erfordert, daß wir den unsrigen zu erhalten suchen. Nun frage ich Sie, müssen wir auch dafür sorgen, daß unser Productenmarkt erweitert wird? Wir haben bereits Straßen für unsere Zufuhren, wir haben den Neckar, den Main und den Rhein. Ich glaube, daß diese drei Straßen hinreichen für alle unsere An- und Auss fuhren. Diese Wasserstraßen werden immer die wichtigsten Straßen bleiben, wenn man auch noch so viele Eisenbahnen baut. Der Verkehr wird diesen Wasserstraßen niemals ent zogen werden. Was ist also das Resultat davon, wenn uns Bieh, Früchte c. aus weiten Gegenden zugeführt werden? Das Resultat ist, daß Andere ihren Markt erweitern und den unsrigen verderben, die Preise werden sinken, die Steuern zunehmen und der Wohlstand zu Grunde gehen. Ich werde der Illusion niemals Raum geben, daß wir durch Eisenbah- nen ein Fabrikstaat werden. Sovann stehen auch die verschiedenen Redner, welche für das Projekt gesprochen haben, in offenbarem Widerspruche unter einander. So hat uns z. B. der Abgeordnete von Dörnberg gesagt: Seitdem sich der Verkehr auf dem Rheine so sehr gehoben, seitdem der Rheinverkehr so außerordentlich frequent geworden, seie die auf seinem rechten Ufer liegende Bergstraße verödet. Die Bergstraße, die am Ufer des Rheins liegt, hat sich also durch vergrößerten Verkehr auf dem Rheine verödet; dessenungeachtet ruft aber dieser Redner: „legt nur eine Eisenbahn durch die Bergstraße an, ihr Rheinhessen wer- det alsdann auch über den Rhein hinüber glücklich werden.' Also uns Rheinhessen läßt der Abgeordnete von Dörnberg die Vortheile über das Wasser zukommen, die er bei einem beis spiellosen Verkehr an demselben nicht finden kann. Der Abgeordnete Hügel behauptet das Gegentheil; er ruft:,,welchen außerordentlichen Wohlstand hat uns nicht schon die Dampfschifffahrt auf dem Rhein gebracht; legt nur Eisenbahnen an, so ist da, wie dort, für immer Glück und Heil gegründet!" Was kann man von allem dem glauben? : 39 Es läßt sich nicht leugnen, daß durch den auf dem Rheine entstandenen ungeheuern Verkehr unser Land Vortheile hat; aber daß dieser Dampfverkehr in einiger Entfernung davon sichtbar geworden, ist unrichtig. Wenn die Eisenbahn einmal da ist, so werden sich vielleicht die entfernter gelegenen Theile der Provinz Oberhessen dadurch ebenso verödet finden, wie die Bergstraße am Rhein; der Straßenverkehr wird sich allers dings auf die Eisenbahn hinwerfen. Man glaube aber nur nicht, und es wäre zu bedauern, wenn es geschähe, daß eine solche Eisenbahn, zur Fortbringung alles Möglichen geeignet sei, als von Steinen, Stroh, Holz 2c., sogar zu Mistwagen will man deren Waggons benugen. Nein, soweit wird es nicht damit kommen, und wenn es dazu kommt, so ist es der größte Beweis, daß sie sich nicht rentirt. Denn bis jezt hat die Erfahrung gelehrt, daß nur solche Eisenbahnen sich renti- ren, auf denen ein großer Personenverkehr besteht. Mein Herr Nachbar zur Linken (der Abgeordnete Schmitt- henner) hat bemerkt: ich hätte Gießen und Darmstadt Nach- theile prophezeit. Indessen steht das ganz richtig, daß, je schneller der Verkehr auf der Straße ist, desto weniger Orte Vortheile davon haben. Als wir noch keine Straßen hatten, mußten die Leute schon nach Zurücklegung von zwei bis drei Stunden Wegs anhalten, ihr Geld verzehren, Vorspann nehs men und dergleichen, während sie nachher, als die Straßen vorhanden waren, 6 bis 8 Stunden Wegs, ohne anzuhalten, fortkommen konnten. Die früheren Zwischenstationen haben dadurch ihre Vortheile eingebüßt. So geht es auch in ver größertem Maße mit der Eisenbahn; wer sonst von Cassel nach Frankfurt reifte, hatte vielleicht in Gießen einen Ruhe- punkt, er mußte anhalten, um seinen Hunger und Durst zu stillen; das wird jetzt bei der Eisenbahn ganz anders werden. Derjenige, der jetzt von Cassel kommt, wird wenigstens bis Frankfurt gehen, ohne anzuhalten. Man verspricht sich zwar durch das Aus- und Einsteigen dort viel Geldverzehren und bedeutenden Gewinn; dies ist aber auch so arg nicht; denn ich wüßte nicht, welches reiche Publikum in Gießen aus- und einsteigen wird, um dort viel Geld zu verzehren, da man die Stunden genau weiß, wo solche Züge kommen und gehen, und man sich darum nicht länger, als nöthig, aufhält. Man spricht von der Industrie in Gießen; ob sich diese dadurch heben wird, bezweifle ich. Denn mancher, der jetzt seine Be- dürfnisse in Gießen kauft, wird dieselben bei der Schnelligkeit und Wohlfeilheit der Eisenbahnen in Frankfurt holen, dort ist der Markt und die Auswahl größer. Freilich für viele Leute 40 Y J ist dieses erwünscht; sie können dann schnell an einen Dri hinkommen, und wenn sie auch keine Geschäfte daselbst haben, so gehen sie zum Vergnügen hin. Das übrige Gießener Publi- Fum wird aber das Bergnügen haben, zuzusehen, wie seine Studenten Suiten machen und ihr Geld auswärts verkneipen. Also auch daraus wird kein Vortheil entstehen. Mit Darm- stadt wird es sich ähnlich verhalten. Ich weis nicht, wie Darmstadt ein Stationspunkt werden kann. Frankfurt ist in der Nähe, und Mannheim nicht weit genug entfernt. Wer von Mannheim kommt, wird sich nicht in Darmstadt aufhal- ten, er ist ja baldigst in dem weltberühmten Frankfurt, und wer von Frankfurt kommt, wird sich noch weniger in Darm: ſtadt aufhalten. Also der ganze Nußen für Darmstadt ent- stünde ebenfalls nur durch die Aus- und Einsteigenden. Nun frage ich, von wo sollen diese in großer Anzahl hie, her kommen, sollen sie etwa vom Rhein herkommen? Das glaube ich nicht; diese gehen mit den Dampfschiffen, oder mit der Eisenbahn von Mainz nach Frankfurt. Oder sollen sie irgend wo anders herkommen? Da wüßte ich auch nicht, von wo der Lage Darmstadts nach viele Menschen herkommen sollten. Aber auch in anderer Hinsicht bin ich überzeugt, daß die Lokalgewerbe in solchen Städten bedeutend Noth leiden. Wenn Jemand in der Folge etwas braucht, so geht er nach den größeren Waarenlagern; wenn z. B. hier jemand einen Rock braucht, so fliegt er schnell nach Frankfurt; in den dor- tigen großen Tuchläden hat er mehr Auswahl, in 1½ Stun- den kann er wieder zurück ſein. Ist er aber einmal dort und hat er sein Tuch gekauft, so denkt er woht: die Frankfurter Schneider sind mit der neuesten Mode vertraut, du läßt dir auch den Rock dort machen. Mit den Damen wird es ebenso gehen; diese finden in Frankfurt die neuesten Stoffe und große Auswahl; auch diese werden dort kaufen, so daß ich die feste Ueberzeugung davon habe, daß der Lokalverkehr in den Städ- ten zweiten und dritten Ranges verliert. Dies läßt sich so gar faktisch nachweisen. Es besteht jest z. B. eine Eisenbahn von Aachen nach Cöln. In der Mitte dazwischen liegt die Stadt Jülich. Diese, eine ziemlich gewerbreiche Stadt, soll in ihrem Verkehr durch die Eisenbahn sehr viel gelitten haben. Aachen liegt von Cöln weit entfernt; diese Stadt hatte einen großen selbstständigen Verkehr, sie wird also weniger leiden. Es ist aber doch schon weit gekommen; so hat z. B. die Frau eines Wirths, (der mir mit Namen genannt wurde), als dieser ein großes Gastmahl zu geben hatte und die Bedürfnisse dazu ! ! 41 ! anschaffen mußte, sich mit einer Magd auf die Eisenbahn ge- sekt, und feine Gemüſe, Confekte u. dgl., in Cöln eingekauft. Wäre keine Eisenbahn dagewesen, so würde dies Niemanden in den Sinn gekommen sein. So wird es mit allen Dingen gehen. Die Städte zweiten und dritten Ranges werden um- gangen, der erreichbar größere Markt wird aufgesucht. Nun frage ich, haben wir denn eine Stadt ersten Ranges, welche der Eisenbahnzug berührt? Nein, wir haben keine, gerade das Gegentheil tritt ein. Die Stadt, welche den hauptsäch lichsten Vortheil davon hat, wo sich aller Personen und Waarenverkehr concentriren wird, ist eine ausländische Stadt, die im Verhältniß zu unserm Lande nur einen unbedeutenden Kostenbetrag liefern wird; und wir liefern die. Baukosten nicht allein zum Nußen dieser Stadt, sondern auch für an dere im Auslande liegende Städte, wie Mannheim und Cass fel; genug, wir bauen für das Ausland. Ferner hat man davon gesprochen, was die Eisenbahn für einen außerordentlichen Vortheil für Reisende haben würde. Das ist richtig, aber das Großherzogthum gehört nicht zum reisenden Publikum; unser Staat ist kein Fabrikstaat, nur aus Fabrikstaaten reist man, sucht seine Waaren allenthalben zu produciren und zu verkaufen; aber wir wohnen in einem producirenden Staat, es wird Niemanden im Großherzogthum einfallen, ſich auf die Eisenbahn zu sehen, um im Auslande Muster von seinen Kartoffeln, von seinem Waizen 2c. zu zei gen, gewiß nicht; wir bedürfen dies am allerwenigsten, wir besihen den Hauptproduktenmarkt Mainz und haben Wasser- straßen, die andere Staaten nicht haben. Unsere Geschäfts: reiſen find alſo ſehr beschränkter Natur. Man hat ferner gesagt: aber wenn ihr nicht eilt, werdet ihr umgangen werden, die Eisenbahn wird um das Land herum gebaut. Diese Besorgniß hege ich nicht. In Bezug auf die Provinz Starkenburg kann es einmal, der Natur ih rer Lage nach, durchaus nicht geschehen, und was die Provinz Oberhessen betrifft, fo wird es auch hier nicht geschehen. Nehmen Sie die Karte zur Hand und überschauen Sie die Strecke, welche Kurhessen von Frankfurt über Hanau, Fulda, Hersfeld und Cassel, bis an seine Grenzen zu bauen hat. Ich bin überzeugt, Kurhessen kann die erforderliche Summe für eine im Verhältniß so große Strecke von Eisenbahnen gar nicht aufbringen; würde es sich von den Nachbarstaaten dazu bewegen lassen, so wäre es bestimmt zu seinem größten Nachtheil. Ich sehe keinen Grund ein, warum wir bei einem folchen Transportmittel, das wir durch unsere Wasserstraßen 7 42 . : 1 haben, so mit der Eisenbahn eilen sollen, während man in ans deren Staaten, wie z. B. in Würtemberg, dem solche Stra- ßen und solche Verkehrswege, wie wir sie befißen, nicht zu Gebote stehen, so vorsichtig zu Werke geht. Lehteres hat ſtatt der verlangten 30 Millionen, höchstens nur 8/2 Mit- lionen zugestanden. Und Würtemberg bedarf gerade solcher Transportmittel, um seine Produkte auf andere Märkte au bringen. Jetzt schon werden unsere Märkte durch Würtem- berger Frucht und Schlachtvieh manchmal überschwemmt. Steigen die Fruchtpreise bei uns nur um einige Batzen, so kome men im Augenblick beladene Schiffe mit Früchten aus Wür- temberg, die den Preiß wieder drücken, obgleich sie dort, im Verhältniß zu unseren Transportmitteln, keine andere frequente Straße haben, als den Neckar. Also gerade dieser Staat be- darf Transportmittel, um seine Produkte ins Ausland zu führen, und werden sie ihm erleichtert, so geschieht es auf Rechnung der Producenten des Großherzogthums Hessen. Ich ſehe also gar nicht ein, warum wir mit den Eisenbahnen eilen sollen. Lassen Sie uns doch Erfahrungen sammeln, die Sache ist noch zu neu; ich meine, wir hätten durch un- sere Straßen schon drückende Erfahrungen genug gemacht, lassen Sie uns nicht noch weiter gehen und größere Fehler machen. Es ist nicht genug, die Vortheile zu schildern und der Sache einen übertünchten Glanz zu geben, ja ich möchte ſagen, einen Glanz, mit dem man das Sonnenlicht, das Licht aller Lichter, zu übertreffen sucht, weil Lehteres nicht ohne Schatten wahrgenommen werden kann, während wir in dem von der Majorität erstatteten Ausschußbericht nichts, als Lichtſeiten, und zwar ohne alle geeignete Begründung, zu- sammengestellt sehen. Die Rede des Abgeordneten Georgi giebt ansprechenden Aufschluß hierüber. Nach allem diefem bin ich dafür, daß, wenn man eine Ei- senbahn bauen will, man entweder dieselbe auf Actien baut, oder die Sache bis zum nächsten Landtage beruhen läßt. Ich bin auch fest davon überzeugt, daß wir nach drei oder sechs Jah- ren bedeutend wohlfeiler bauen, als dermalen. Im Augen- blick will Alles bauen; es fehlt aber noch an Fabriken zur Lieferung des Materials; es werden unter der Hand solche Fabriken entstehen, die Materialien werden wohlfeiler und wir werden bestimmt nach einigen Jahren mit weit mehr Vor- theilen bauen, als jest. Der Ubg Lerch: Ohne sanguinische Hoffnungen über die unendlichen Vortheile zu hegen, welche der Bau der Eisen- bahnen uns bringen wird, bin ich doch für den Bau der Ei 43 fenbahnen auf Staatskosten; ich werde aber nur dann dafür stimmen, insofern ich nicht eines Besseren belehrt werde, wenn die Hauptpunkte, ich meine damit die Haupt- städte des Großherzogthums, in die Hauptbahnlinie hineinge- zogen werden. Wenn übrigens der Berichtserstatter glaubt, daß die von ihm so genannte Main-Weserbahn in strategischer und commer cieller Beziehung gegen die von ihm so genannte Main- Neckarbahn gleichsam einen Vorzug verdiene, so kann ich ihm darin um so weniger beistimmen, als in strategischer Bezie- hung, besonders nach der Erbauung der Festungen in Wür- temberg und Baden, die von ihm aufgestellte Ansicht sich zum Vortheil der Bahn in der Provinz Starkenburg bedeutend modificiren wird. Ueberdies ist es notorisch, daß der südliche Theil Deutschlands eine verhältnißmäßig größere Bevölkerung hat, als der nördliche. Wird man aber noch eine Eisenbahn von Darmstadt direct nach Mainz anlegen, so möchte die Frage, welcher Eisenbahnzug in strategischer und commerciel- ler Beziehung der wichtigste zu nennen sei, noch weniger zweifelhaft sein. In Bezug auf Dasjenige, was unser College Brund über den Bau der Eisenbahn in der Provinz Starkenburg bemerkt hat, glaube ich, noch eine kurze Berichtigung geben zu müssen. Es ist allerdings wahr, daß die Eisenbahn, von Frankfurt nach Mannheim über Darmstadt gezogen, zu sechs Millionen veranschlagt ist. Aber dabei mar auch derjenige Theil der Eisenbahn mitbegriffen, der durch das Frankfurtische und Ba= dische Gebiet zog; es waren ferner darin mitbegriffen die Uebergangspunkte über den Main und den Neckar. - Rech- nen Sie die äußerst bedeutenden Kosten dafür von dem obis gen Betrage von sechs Millionen ab, so wird sich diese Summe derjenigen Summe ungefähr nähern, welche in dem Bericht des ersten Ausschusses angegeben ist. Der Abg. Kahlert: Ich übergehe es, über Vortheile oder Nachtheile der Eisenbahnen zu sprechen; beide sind probles matisch; demungeachtet aber bin ich überzeugt, wir können darum nicht zu frühe bauen. Ich will mir zuvörderst zu bes merken erlauben, daß die Behauptung, welche auf Seite 1 des Ausschußberichts sich befindet, nämlich, daß es sich aus der politischen Form von England und Nordamerika leicht erkläre, warum der Betrieb dieser großartigen Anstalten nicht von dem Staate ausgegangen, sondern Privaten überlassen geblieben fri, nicht ganz richtig ist. Ich documentire dies" aus den Be: 44 } A richten über die vereinigten Staaten in Nordamerika von dem Ritter von Gerstner, welcher ausdrücklich anführt, daß der große Eriekanal in dem Staate New York mit 10 Millionen Dollars ganz auf Staatskosten gebaut worden ist. Derselbe sagt sodann weiter: (verlesen.) Ich war seither immer der Ansicht und bin es noch, daß der Bau von Eisenbahnen in unserm Großherzogthum durch Privatunternehmungen vorzugsweise auszuführen sei; denn nach meinem Dafürhalten hat der Staat kein anderes Inte: reſſe dabei, als daß die Bahn ordentlich gebaut und ordent, lich und nicht zu theuer betrieben werde. Dafür kann der Staat durch angemessene Bedingungen in den Concessionen und durch die gehörige Aufsicht sorgen. Ich habe geglaubt, es werde an Unternehmern nie fehlen, sobald die Staatsregie- rung mit loyalen Bedingungen entgegenkommt. Der Aus- schuß behauptet zwar dagegen in seinem Bericht, daß die Er- bauung und der Betrieb der Eisenbahn von Seiten des Staats aus dem Grunde nothwendig sei, weil dies aus der Natur des Straßenregals hervorginge; allein ich bin davon nicht überzeugt; denn Oestreich, Preußen, Baiern und Ruß- land sind doch auch im Befiße des Straßenregals und haben dennoch von Privatgeſellſchaften auf Uctien erbaute Eisenbah- nen. Ich war ferner noch aus dem Grunde der Unsicht, daß der Bau durch Privatunternehmungen ausgeführt werden solle, weil es keinem Zweifel unterliegt, daß der Staat weit theuerer baut und weit theuerer acministrirt, als Privatunter- nehmer, daß, sollen Eisenbahnen auf Staatskosten gebaut wer den, wenigstens ihr Betrieb, wie in Destreich theilweise in Aussicht genommen ist, wieder an Privatgeſellſchaften über- gehe, da diese wohlfeiler verwalten; und daß das Publicum dabei nicht übervortheilt werde, dafür sorgt der Staat durch Genehmigung des Tarifs. Wenn das Straßenregal auch den Betrieb der Eisenbahnen von Staatswegen forderte, wie Seite 9 des Berichts behauptet wird, so würde ja kein Pri- vatmann Fuhrmann oder Kutscher sein können; der Staat würde solche Leute nicht patentisiren. Indessen verkenne ich auch die Schwierigkeiten nicht, welche die Errichtung einer Privatgesellschaft zum Behuf des Baus der in Frage stehens den Bahn auf Actien haben dürfte, ich erkenne die Wichtige keit der Frage an, welche hier vorliegt. Ich verkenne nicht, daß Actiengesellschaften oft andere Interessen haben können, als der Staat; daß der Staat im Stande ist, bei dem Bau auf Staatskosten die Interessen des Landes mehr zu wahren, } } 45 als dies bei dem Bau durch Privatunternehmung der Fall sein dürfte; und ich werde in Berücksichtigung dieser Verhälts nisse auch zum Bau der Eisenbahnen auf Staatskosten meine Zustimmung geben, weil voraussichtlich auf eine andere Weise diefer große Zweck nicht erreicht werden wird, weil ich zu sehr von den Nachtheilen überzeugt bin, die ein längeres Hinausschieben des Baues der Eisenbahn dem Großherzog- thum bringen wird, und weil mich die Ueberzeugung beru- bigt, daß die zu contrahirende Schuld eine in jeder Beziehung productive wird, also in die Kathegorie anderer Staatsschulden nicht gehört. Ich werde aber nur in dem Falle für den Bau der Eisenbahn auf Staatskosten stimmen, wenn vor aller Bes willigung die Richtung der Bahn ganz genau angegeben, die Kostenüberschläge vorgelegt sind und wenn nicht eher mit dem Bau begonnen wird, als bis alle Mitcontrahenten bauen. vorn- Der Abg. Valkenberg: Ich will über die Nüglichkeit oder Nichtnüglichkeit, über die Nothwendigkeit oder Nichtnoth wendigkeit der Eisenbahnen nicht mehr sprechen, weil darüber schon so viel gesprochen worden ist und voraussichtlich auch noch so viel gesprochen werden wird, daß es nicht nothwen dig ist, sich darüber auszulassen. Aber ich bin von herein durchaus für die Erbauung der Eisenbahnen, weil ich nicht damit einverstanden sein kann, daß man sie aufschiebt. Denn Eisenbahnen sind an der Zeit und müssen gebaut wer. den. Aber ich sehe nicht ein, warum man den Versuch nicht machen will, wie ich dies auch in meinem Votum ausgespros chen habe, ob unsere Eisenbahnen nicht durch Actiengesellschaf ten auszuführen wären. Ich beforge freilich, daß dies aller- dings nicht der Fall ist und daß dann die Bahn doch auf Staatskosten gebaut werden muß. Allein ich wollte mir doch erlauben, an den Herrn Regierungscommissär die Frage zu richten, ob denn nicht früher die Idee vorgeschwebt hat, die Bahn auf Uctien erbauen zu laſſen, oder ob man nicht noch die Absicht hat, den Versuch zu machen, ob nicht unter den Bedingungen, die die Staatsregierung aufgestellt hat und welche das Unternehmen sicherten, sich eine Actiengesellschaft finden würde? Der Herr Geheimerath Eckhardt: Man hat von Seiz ten der Staatsregierung von Anfang an die Absicht gehabt, eine Actiengesellschaft zu concessioniren, und hierauf waren auch alle Staatsverträge bafirt, die seither abgeschlossen worden sind. Es hat aber die Erfahrung zur Genüge bewiesen, daß Uctiengesellschaften ohne Unterstütung des Staats bei uns nicht zu Stande kommen. Deßwegen hat die Staatsregies } 46 : rung den Beschluß gefaßt, lieber auf Staatskosten selbst zu bauen und die ganze Sache nicht aus den Händen zu geben, als solche Opfer dem Lande zuzumuthen, die dann nur dazu dienen würden, eine unvollkommene Anstalt in das Leben zu rufen, die dasjenige nicht leisten kann, was eine wirkliche Staatsanstalt leistet. Indessen muß ich noch eine ganz neue Erfahrung hinzufügen; ich habe nämlich noch vor Kurzem, zwar nicht mit Banquiers, sondern mit anderen bedeutenden Geschäftsmännern, welche mit Banquiers in genauen Ver- bindungen stehen, eine Rücksprache gehabt und alle diese gro ßen Geschäftsleute waren der Ansicht, daß in diesem Augen. blicke und auch in den nächsten Jahren keine Privatgeſellſchaft zu Stande zu bringen sei, ohne große Garantien von Seiten des Staates zu geben, die noch viel größer sein müßten, als die Banquiers in Frankfurt früher von der hiesigen Privat- gesellschaft gefordert haben. Der Abg. Valckenberg: Ich gestehe, daß ich inzwis schen ebenfalls mehrere Erkundigungen über diese Frage ein- gezogen habe, und ich muß leider sagen, diese Erkundigungen hatten das Resultat, daß ich besorge, daß man keine Actien- gesellschaft zu Stande bringt, wenn ihr nicht ganz bedeutende Conceffionen vom Staate gemacht werden. Ich erkläre mich hiernach unbedingt dafür, daß, wenn der von mir vorgeschla gene Versuch, eine Actiengesellschaft unter angemessenen Bes dingungen zu finden, nicht gelingen sollte, man von Seiten des Staats auf die Erbauung eines Eisenbahnſyſtems ein- geht, aber allerdings nur bedingungsweise; auf die einzelnen Bedingungen werden wir wohl bei späteren Gelegenheiten noch zurückkommen, wobei ich mir dann weitere Aeußerungen vorbehalte. Der Abg. G. Schenck: Ich werde mir zuvörderst einige Bemerkungen über den allgemeinen Theil des Antrags oder der hier in Frage stehenden Proposition zu machen erlauben. Wenn die Majorität des ersten Ausschusses der zweiten Kams mer in den Eisenbahnen ein Mittel zur Veredelung und zur Beglückung des Menschengeschlechtes sieht, wenn sie glaubt, daß sich die Regierungen nicht genug beeilen könnten, ihren Völkern die Wohlthat dieser großartigen Erfindung angedei- hen zu lassen, wenn sie endlich mehrfach die unermeßlichen Vortheile, sowohl in staatswirthschaftlicher, als landwirthschaft licher Hinsicht erwähnt, eine nähere Angabe dieser Vortheile aber schuldig geblieben ist, was erst heute speciell von dem Abgeordneten Hügel in feiner, von der Tribune gehaltenen Rede nachgeholt worden, so sehe ich mich doch dessen ohnge 47 } achtet in dem Falle, hier offen und ehrlich zu erklären, daß ich die fanguinischen Hoffnungen und Erwartungen der Ma- jorität des Ausschusses nicht theile, daß ich mir im Gegen- theil, in Bezug auf die eigenthümlichen Verhältnisse des Großherzogthums Hessen, wenig oder gar keine reelle Vor- theile von der Proposition für das Land verspreche und daß ich darin nur eine neue Belastung der Steuerpflichtigen und eine drückende Vermehrung der Staatsschuld erblicken kann. Es wäre daher ſehr wünschenswerth gewesen, und ich drücke diesen Wunsch jezt noch aus, daß dieser bittere Kelch an uns vorübergegangen wäre. Wenn nun dessen ohngeach- tet die Staatsregierung geglaubt hat, den Ständen die in Frage stehende Proposition machen zu müssen, so bin ich fest überzeugt, daß sie sich hierzu vorzugsweise oder allein durch politische Rücksichten veranlaßt gefunden hat. Im günstigsten Lichte betrachtet wäre also die Eisenbahn ein nothwendiges Uebel. Ist aber die Eisenbahn ein nothwendiges Uebel, dann ist es auch eine heilige Pflicht der Stände, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln allen den Nachtheilen zu begeg= nen zu suchen, welche die Ausführung des Projects wahr. scheinlich zur Folge haben wird. Dieses Bestreben dürfte durch einen Blick auf unser Staatsbudget noch mehr_gerechtfertigt erscheinen. Einnahmen und Ausgaben werden sich zwar hof- fentlich die Waage halten, aber sie sind auf einer nie erlebten Höhe. Jeder Augenblick, ja sogar ein täglich möglicher Zu- fall kann auf der einen Seite die Einnahmsquelle verstopfen, oder verringern, auf der anderen Seite aber die eine oder die andere Ausgaberubrik mit unabweislichen Ausgaben belasten; wo dann Hülfe suchen, wenn mitten im Frieden die Ausga ben auf das Höchste gesteigert und die Schuldenlast auf eine, bis jetzt nie gekannte Höhe vermehrt worden sind? Läug- nen wir es nicht, meine Herren, die Sache ist sehr ernster Natur. Die enormen Ausgaben mit allen ihren Folgen sind gewiß, allein der Erfolg der Sache ist nicht allein ungewiß, sondern kann selbst höchst verderblich werden. Mancher, der jetzt schon in der Hoffnung auf Eisenbahnen in dem dritten Himmel zu sein glaubt, wird nur zu bald wieder auf die Erde zurückkommen wenn er erst dasjenige erreicht hat, was er jest so sehnlichst wünscht. Wir haben schon das Beispiel im Würtenbergischen, wo ebenfalls eine ähnliche Proposition an die Stände gebracht worden ist. Sie haben gehört, meine Herren, und es ist eine Thatsache, welche durch die öffent lichen Blätter bestätigt wird, die würtenbergische Kammer will die Verantwortung der Sache nicht übernehmen, obgleich Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 5 1 48 I im Anfang nur von einer geringen Summe die Rede war, wenn ich nicht irre, von einigen Millionen; für einen so gro ßen Staat nur wenig, während bei uns von 10 Millionen die Rede ist. Wer weiß, ob diese 10 Millionen noch hinrei: chen! Darum glaubte auch die Minorität des Ausschusses, die Proposition der Staatsregierung nicht mit dem Enthusi asmus begrüßen zu können, wie dies von Seiten der Majo: rität des Ausschusses geschehen ist. Auf jeden Fall werden Sie, meine Herren, es der Minorität Dank wiſſen, dabei ei nen Gegenstand zur Sprache gebracht zu haben, durch dessen Realisirung, wenn denn einmal Eisenbahnen gebaut werden; sollen, alle Nachtheile vom Lande entfernt, mögliche Vortheile, aber demselben erhalten werden, ich meine nämlich den Bau der Eisenbahnen im Wege der Privatunternehmungen. Nach allen Erfahrungen kann die Sache keiner Schwierigkeit un- terliegen, wenn man sie selbst nur ernstlich will und der Sache auf loyale Weise entgegen kommt. Ich bin übrigens, was die Sache weiter betrifft, ganz mit Demjenigen einver- standen, was der Abgeordnete Georgi von der Rednerbühne uns so schön und beredt vorgetragen hat. Durch ihn ist alles Dasjenige widerlegt, was für die Proposition einer Erbau- ung auf Kosten des Staates bis jest nur vorgebracht wor den ist. Ich erlaube mir nun noch schließlich, auf einige Bemer- kungen, die von den Rednern, welche vor mir gesprochen has ben, gemacht worden sind, hin und wieder einzugehen, so weit sie nicht bereits durch den Abgeordneten Brunck wider: legt erscheinen. Es ist gesagt worden, daß bis jetzt, bis zu den neueren Zeiten, fast alle Eisenbahnen in der Welt im Wege der Pris vatunternehmungen gebaut worden sind; und das wird Nie- mand mit Grund bestreiten. Wenn auch die Eisenbahnen in Belgien, wenn ein Paar Meilen in Baden auf Staatskosten gebaut worden sind, wo bleiben diefe, wenn wir auf die be- deutenden Strecken blicken, die bereits durch Privatunterneh= mung in Rußland, in England, in Nordamerika, in Preußen, in Sachsen und in Frankreich gebaut worden sind? Diese wiegen ganz anders in der Wagschale, als die im Verhältniß wenigen Meilen, die in den erst genannten Ländern auf Staatskosten gebaut worden sind. Wenn ich daher behaupte, daß die Eisenbahnen recht gut auf dem Wege der Privats unternehmung gebaut werden können, so wird dieses durch bereits darin gemachte Erfahrungen bestätigt. Wenn die Res gierungen aber neuerdings in der Hinsicht anderen Sinnes A 1 49 i geworden sind, so liegt dieses nicht in nationalőkonomiſchen Rücksichten. Dies liegt vielmehr in denen, von mir bereits erwähnten politischen oder strategischen Rücksichten. Darüber aber, ob die Sache in ſtrategiſcher Beziehung ausführbar ſei, find die Ansichten sehr getheilt, und man liest täglich für und wider so viel darüber, daß ich mich aus solchen Rücksichten nicht bestimmen lassen kann, meine Einwilligung zu einer folch' enormen Ausgabe zu geben. Es ist im Berichte der Minorität gesagt, daß die Eisen- bahn hauptsächlich für die Provinz Oberheffen von geringem Nußen ſein würde, weil sie nur einen kleinen Theil dieſer Provinz berührt. Dem ist widersprochen worden, aber mit Unrecht. Die fragliche Bahn fängt bei Lollar an und hört an der Grenze bei Frankfurt auf. Das ist ein sehr geringer Theil der Provinz Oberhessen. Wo ist das Hinterland, wo ist der Vogelsberg, wo ist eine der gewerbreichsten Gegenden des Landes, von Schlik, Lauterbach, Herbstein, Alsfeld zc. davon berührt? Man wird zwar sagen, dieſe Gegenden kön- nen indirect an den Eisenbahnen Theil nehmen, sie können ihre Erzeugnisse leicht auf die Eisenbahn bringen laſſen. Dies ſteht richtig, aber ich sehe diesem ungeachtet keinen großen Vortheil bei dieſer indirecten Benuhung, weil die etwa billi: gere Fracht durch die unvermeidlichen Nebenkosten in den Bahnhöfen wieder paralyſirt wird. Es ist also durchaus die Behauptung nicht widerlegt, daß nur ein verhältnißmäßig kleiner Theil der Provinz Oberhessen die Bahn benut. Was den inneren Verkehr betrifft, so glaube ich mit einis ger Erfahrung darüber reden zu können, was die Eisenbahn auf diesen für Folgen haben wird. Es ist eine Thatsache, die nicht geleugnet werden kann, daß der innere Verkehr klei- nerer Städte durch die Eisenbahn leidet. Gehen Sie nach Naſſau, so werden Sie diese Bemerkung bestätigt finden. Die ganze, sonst so belebte Route von Kastel nach Frankfurt ist öde, selten sieht man einen Wagen oder Reisenden darauf. Ich komme öfter in's Nassauische und ich kann versichern, es ist nur eine Klage über Nahrungslosigkeit in allen, von der Eisenbahn berührt werdenden kleinen Orten. Einer meiner Reisenden hat neulich Sachsen bereist, er hat natürlich die Eisenbahn von Dresden nach Leipzig und Berlin benußt; er findet diese Gelegenheit sehr schön; aber er bemerkt auch, daß die geringeren Orte Jammer und Noth schrieen, ebenfalls wegen Nahrungslosigkeit. Diese sind durchaus ihres früheren Verkehrs beraubt. Ja selbst Halle, welches doch schon eine bedeutendere Stadt ist, klagt sehr, und die Einwohner daselbst 5* 1 50 1 wünschen die Eisenbahn weit weg; sie klagen, daß sie keinen Handel mehr hätten und derselbe jetzt ganz in Leipzig ſei. Es ist wahr, und es ist dort nur eine Sprache darüber, daß der kleinere Verkehr Noth leide. Es ist eine Thatsache, die besteht, und so lange das Gegentheil davon nicht bewiesen wird, wird sie auch Thatsache bleiben. Daß auf jeden Fall da, wo jest schon die Chausseen frequent sind, wenn Eisen- bahnen auf diesem Striche angelegt werden, solche ebenfalls frequent sein werden, wird Niemand leugnen; es ist so ein- fach, daß es ein Kind begreift. Aber wenn dann nun, in Folge der Eisenbahn, welche die Chauſſee vertritt, ein Ausfall an dem Ertrage der Chaussee entsteht, so muß doch dieſer Ausfall an dem Ertrage der Eisenbahn abgezogen werden, wenn Sie ein reines Product haben wollen. Es ist also auch in dieser Beziehung die Eisenbahn kein Vortheil, sondern ein Nachtheil. Ich bin in dem verflossenen Jahre auf der Eisen- bahn in Wiesbaden gewesen und hatte Gelegenheit, mit einis gen Kaufleuten zu sprechen, welche ihre Boutiquen in der Colonnade daselbst haben; ich fragte Einige, ob sie in Folge der Eisenbahn wohl gute Geschäfte machten. Diese Leute verneinten es aber mit Wehklagen und sagten mir, die Frem- den gingen jetzt meistens mit der Eisenbahn nach Frankfurt, um dort ihre Bedürfnisse zu kaufen, weil es dort wohlfeiler ſei; für sie, nämlich die Verkäufer in Wiesbaden, gereiche die Eisenbahn nur zum Nachtheil. Gehen Sie, meine Herren, nach Frankfurt in die Gasthöfe und erkundigen Sie sich da: selbst, wie es mit der Frequenz aussieht, Sie werden hören, daß zwar Fremde kommen und gehen, der großen Eile wegen aber wenig verzehrt wird. Dies sind Schattenseiten der Ei senbahnen, die nicht weggeleugnet werden können, und es muß ihrer ebenfalls erwähnt werden, da sie wirklich vorliegen. Was mich betrifft, so schätze ich den Staat glücklich, dessen Hauptbasis der Ackerbau ist. Der Uckerbau verläßt den Mann niemals, während in gewerbtreibenden Staaten häufig Zeiten vorkommen, wo Jammer und Noth an der Tagesordnung find. Wir brauchen in dieser Beziehung so weit nicht zu gehen, wir erfahren es alle Tage. Freilich, wo Uckerbau und Fabriken in einem entsprechenden Verhältnisse neben einander bestehen, ist dies ein Zustand, der allerdings der wünschens, werthere ist. Soll ich aber einem von beiden allein den Vorzug geben, so würde immer der ackerbautreibende Staat es sein, welcher, wie gesagt, auf sichererer Basis beruht, als wie der gewerbtreibende Staat. 7 51 Schließlich erkläre ich mich fortwährend mit den Anträgen der Minorität einverstanden. Der Abg. Uull: Meine Herren! Die wunderbaren Er- folge, welche die Industrie, der Handel und der National- reichthum den Schienenwegen verdanken, sind so bekannt, daß ich es für unnöthig halte, in einer so erleuchteten Ver- ſammlung darüber ein Mehreres zu sagen. Es würde dieses aber um so überflüssiger sein, als Sie in der That das Gründlichste, was man darüber sagen kann, theilweise in dem Ausschußberichte, vorzugsweise aber in der Rede, die der Ab- geordnete Hügel von der Tribune gehalten hat, vernommen haben. Ich habe Manches über Schienenwege gelesen, aber ich glaube, Ihrem Studium die lettgenannte Rede als die gediegenste Zusammenstellung alles dessen, was man über diesen Gegenstand sagen kann, anempfehlen zu dürfen. Die Gegner des Gesezesvorschlags führen an, daß wir herrliche Kunststraßen und Flüſſe haben, die uns die Schie- Renwege entbehrlich machen. In der That besißt unser Land drei Flüsse, die zu den wichtigsten von Deutschland gehören, wovon einer derselben auf eine große Strecke unser Land durchströmt, indessen die beiden anderen seine Grenzen bespüs len. Wir haben sehr gut gebaute Straßen Uber die Be- wegung auf diesen Straßen und Flüssen vergleicht sich mit der Bewegung auf den Eisenbahnen gerade so, wie die alte Abschreibekunst mit der Erfindung unseres Gutenbergs. Die Taunusbahn ist uns nahe genug, um daß wir uns von dem Geſagten überzeugen können. Wenn demohngeachtet noch ein Zweifel über die Frage obwalten könnte, ob wir den projectirten Schienenweg bauen sollen, so müßte er vor dem Eifer verschwinden, welchen Nordamerika und alle Länder von Europa für diese Unternehmungen beweisen. Dieser Eifer ist nicht allenfalls ein flüchtiger, der, kaum aufgetaucht, auch schon wieder verschwindet, nein, er besteht schon seit 15, 20 Jahren, und weit entfernt zu erkalten, belebt er sich immer mehr. Ich will zugeben, daß Amerika und England in einer exceptionellen Lage sind, so daß wir vielleicht unsere eigenen Verhältnisse nach diesen Staaten nicht bemessen können. Wenn aber in diesen beiden Ländern die Eisenbahnen größtentheils von Privaten und nach dem größten Maßstabe ausgeführt worden sind, so spricht dieses entschieden für ihre Nühlichkeit. Ich darf Ihnen aber wohl das besonnene Destreich anführen, welches die Anlage eines Eisenbahnnehes über den ganzen Staat beschlossen und für dessen Ausführung 100 Millionen decretirt hat, obgleich die tiefen Wunden, welche ihm beinabe 52 9 dreißigjährige unglückliche Kriege geschlagen haben, noch lange nicht geheilt sind. Preußen hat seine Verbindungslinie mit Sachsen bereits vollendet und baut nun nach Hessen Kassel und von da nach Celle. Baiern und das Königreich Sachsen haben schon sehr viel gethan, sogar die kleineren sächsischen Fürsten sind in der größten Thätigkeit, nicht nur ihre Länder mit einem Schienenneße zu überziehen, ſondern diese Schienen- wege auch mit den sämmtlichen Eisenbahnen des Nordens und des Südens von Deutschland in Verbindung zu setzen. Süddeutschland bewegt sich und hätte Baden seinen in aller Beziehung unvergeßlichen Winter nicht zu frühe verloren, so würde die Badische Eisenbahn wohl bereits von dem Bodensee bis nach Heidelberg und Mannheim vollendet sein. Obgleich aber Baden nicht mehr mit dem nämlichen Eifer baut, so baut es uns doch unausgesetzt entgegen und wird bald die Grenze nach Norden, so wie den Constanzer See im Süden erreicht haben. Wenn so viele Nationen und Länder so gro- ßes Vertrauen in diese Unternehmungen setzen und so große Summen darauf verwenden, wie könnten wir dann noch an ihrer Nüßlichkeit zweifeln? Wir, die wir seit der Verfassung, welche uns ein wahrhaft großer Fürst, der höchstselige Groß. herzog verliehen hat, stets an der Spihe der Fortschritte stan- den, sollten zurückbleiben? Unser Land, welches durch seine vortreffliche Verwaltung, durch seine Justiz, durch seine Be- strebungen im Bereiche der Gesetzgebung sich so sehr ausge- zeichnet hatte, sollte in dieser Beziehung andern Ländern nachstehen, indessen wir mehr, als jedes andere Land aufge: fordert sind, dieſen Anstalten die größte Aufmerſamkeit zu schenken? Die reichen Producte unseres Landes und unseres Gewerbfleißes bedürfen eines großen Marktes, weil sie nicht überall verwerthet werden können. In dieser Ueberzeugung haben Gesellschaften, an deren Spite patriotische Männer unseres Landes standen und theilweise noch stehen, die Dampfschiff- farth auf dem Rheine geschaffen, vermittelst welcher wir in zwei Tagen in London sein können, und wir sollten es ver- ſchmähen, binnen zwölf Stunden in der Schweiz und binnen zwei Tagen an der Mündung der Elbe und der Weser fein zu können, wozu der projectirte Eisenbahnbau uns ein siche- res Mittel darbietet!? ** Ich habe nur den commerziellen und industriellen Gesichts, punkt hervorgehoben, indessen die hohe erste Kammer haupts sächlich den strategischen in's Auge gefaßt hat. Auch dieser Gesichtspunkt hat seine sehr hohe Bedeutsamkeit. Deutschland ist nach seiner politischen Gestaltung wesentlich auf das con ! 53 servative Princip hingewiesen; es will nicht erobern, es will aber seine Unabhängigkeit behaupten und nicht mehr der Spiel- ball, die Vorrathskammer und der Tummelplah sein, wo ans dere Nationen ihre blutigen Streitigkeiten austragen und am Ende von ihm Schadloshaltung fordern. Zu diesem Ende muß es gerüstet gegen jeden Angriff fein, er möge herkommen, woher er wolle. Es darf ihm an den Mitteln zum Angriff und zur Vertheidigung, die anderen Nationen zu Gebote stehen, nicht fehlen. Indem Deutschland im Jahre 1840 Kräfte entwickelte, die diesem Zwecke angemessen waren, hat es ſich hoch in der öffentlichen Meinung von Europa gestellt und hat wesentlich zur Erhaltung des damals so schwer bedrohten Friedens beigetragen. Wenn es diese Meinung fernerhin be- währt, so ist ihm die große Rolle beschieden, die Uebergriffe, welche sich Nationaleitelkeit oder die Gewinnsucht anderer Na- tionen gegen seine eigenen Rechte oder gegen andere befreun dete Völker erlauben könnten, im friedlichen Wege in ihre Schranken zurückzuweisen und so den Weltfrieden zu erhalten und die Civiliſation unter allen Völkern, die sich ohnehin durch Errichtung der Eisenbahnen so verschmelzen werden, daß ganz Europa nur ein Brüdervolk bilden wird, auf ihren höchsten Standpunct zu führen. Wenn es in Deutschland Jemand gåbe, der engherzig genug wäre, um diese Vortheile zu verschmähen, weil sie einige Millionen kosten, so würde ich ihm zurufen, daß eine feindliche Invasion das Land mit neuer Schmach bedrohen, alle seine Freiheiten in Frage stellen und wenn sie nur 6 Monate dauerte, wenigstens das Dop- pelte der Summe kosten würde, welche für Erbauung der Eisenbahn in Aussicht gestellt werde! Es ist irrig, wenn man behauptet, daß die Schienenwege nicht zum Transporte großer Truppenmassen und von schwerem Geschüß gebraucht werden könnten. Ich war Augenzeuge davon, daß Napoleon 6000 Mann seiner Garde von Paris nach Mainz transpor- tiren ließ wenn dieses auf gewöhnlichen Chausseen und ordi- nären Bauernwagen möglich war, wie kann man dann die Ausführbarkeit auf Schienenwegen bezweifeln? Uebrigens ha- ben wir in Belgien, vermittelst diefer Communicationsmittel ganze Brigaden von einer Extremität des Landes nach der anderen transportiren ſehen, und in Oestreich wird der Gar- nisonswechsel da, wo Eisenbahnen sind, vermittelst derselben und zwar um sehr geringe Preise bewirkt; ich habe ohnlängst in einem Blatte gelesen, daß dieser Staat mit einer Geſell- schaft um 3 Kreuzer per Mann auf eine große Strecke con- trahirt habe. Um sich zu überzeugen, daß man ſchweres Ge- 54 ſchüß, Munition und anderen Kriegsbedarf auf der Eisenbahn transportiren kann, darf man nur ihre Transportwagen sehen, welche die größte Berline aufnehmen können. Nach dem Gei ſagten, und da allgemein anerkannt und durch die ausgezeich- netsten Militärpersonen des eignen Landes, namentlich durch eine sehr hohe Autorität in der ersten Kammer bestätigt wor den ist, daß die Schienenwege im Falle eines Kriegs demjes nigen, der sich in ihrem Besize befindet, unendliche Vortheile über seinen Gegner gewähren, muß jeder Hesse, der es redlich mit seinem Fürsten und mit dem Lande meint, für die Errichtung der projectirten Eisenbahn, deren strategischer Nu- ten auch dem Laien klar ist, stimmen, wenn anders dieses Unternehmen unsere Kräfte nicht übersteigt. Was diese Frage betrifft, so habe ich Ihnen bereits von dem großartigen Eisenbahnnete gesprochen, welches Destreich beschlossen und schon auszuführen begonnen hat, obgleich es, wie schon ge= sagt, noch an bedeutenden Wunden blutet. Ich habe Ihnen gesagt, daß auch Preußen, Sachsen, Baiern und andere Staaten bereits Vieles gethan und noch Größeres in Aussicht gestellt haben. Es ist mir nicht gelungen, zu ermitteln, welche Hülfsmittel diesen Staaten zu Gebot stehen; es ist mir daher auch unmöglich, einen authentischen Vergleich zwischen_ihren finanziellen Kräften und jenen unseres Staates anzustellen. Ich lege daher dem anzustellenden Vergleiche Frankreich zum Grunde, welches bezüglich seiner Erwerbsquellen und seiner Bedürfnisse mit unserem Lande so manche Analogie darbietet und dessen finanzielle Lage durch die diesjährigen Budgetver- handlungen und selbst durch die Verhandlungen über die Ei: senbahnen Jedem bekannt ist. Bekanntlich hat Frankreich 32 Millionen Einwohner. Unsere Bevölkerung in runder Summe zu 800,000 Seelen gerechnet, beträgt also gerade den 40. Theil der Bevölkerung von Frankreich. Die Staatsschuld von Frankreich beträgt 3000 Millionen Franken, wovon der 40. Theil 75 Millionen, oder circa 36 Millionen Gulden, ausmacht. Unsere Staatsschuld beträgt also verhältnißmäßig nicht einmal /, ja nicht einmal / jener von Frankreich. Das Staatsbudget von Frankreich pro 1843 beträgt 1200 Mil lionen Franken und, mit Zurechnung der den Departementen auf, erlegten Centimes additionels von 200 Millionen, also 1400 Millionen, wovon der 40. Theil fich zu 35 Millionen Fran- ken, oder 17 Millionen Gulden, berechnet, indeſſen unser gan- zes Budget 8 Millionen nicht übersteigt. Demohngeachtet haben die französischen Kammern für die Jahre von 1837 bis 1840: 55 für Departementsstraßen für Bicinalwege • 70,227,000 Fr. 107,487,000 im Ganzen bewilligt 177,714,000 Fr. Seit 1840 werden jedes Jahr für Staatsstraßen 46 Mil lionen in Aussicht genommen. Seit 1831 wurden ferner ausgegeben: für Hafenbauten . für Canalbauten für Flußbauten • • für Brückenbauten 69,045,000 Fr. 146,700,000 99,915,000 137,188,000 452,848,000 Fr. Hierzu kamen im Jahre 1841 an außerordentlichen Aus- gaben: für das Kriegswesen für Festungsbauten, worunter jene von Paris und dennoch bewilligten die Kammern für die Erbauung der Eisenbahnen eine Sum; me von • 300,220,369 Fr. 501,321,400 475,000,000 im Ganzen 1276,541,769 Fr. wovon der 40. Theil 32 Millionen, also das Doppelte von dem beträgt, was der Gesetzesvorschlag für den Bau der pro- jectirten Eisenbahnen beantragt. Wenn Frankreich, unter so ziemlich gleichen Verhältnissen, so unendlich viel mehr leisten kann, warum sollte das Wenigere uns, die wir nicht, wie Frankreich, beständig zu Land und zur See gerüstet zu ſein brauchen, unmöglich aber doch verderblich sein? Nein, meine Herren, wir sollten vor einer Schuld nicht erschrecken, die ich eine Ehrenschuld nenne, weil es unsrer unwürdig sein würde, gleichgültige Zuschauer der allgemeinen Bestrebungen von Deutschland zu sein. Ich stimme also für den Bau der projectirten Bahn, vorbehältlich meiner besonderen Anträge hinsichtlich ihrer Richtung und der Zweigbahn von Darmstadt nach der Mainspitze. Was deren Ausführung auf Staatskosten angeht, so würde ich dem Bau durch Actionäre nicht entgegen sein, weil er den Staat der Nothwendigkeit, ein allerdings sehr bedeu- tendes Kapital aufzunehmen, was manche ängstliche Mitglie- der der Kammer beunruhigt, überheben würde, so sehr ich auch fühle, daß auf diesem Wege einer verderblichen Ugiotage Thor und Thüre geöffnet werden würde und daß sich eine folche Unternehmung auf Actien mit der strategischen Bestim- mung der Bahn nicht gut verträgt. Allein die Erfahrung 56 A belehrt uns, daß die Ausführung der Schienenwege auf größere Strecken auf dem Continente durch Actiengesellschaf= ten nicht mehr möglich ist. Die Bahn von Straßburg nach Basel gerieth in's Stocken, als sie ihrer Vollendung nahe war, weil der Absatz der creirten Actien nicht vorangehen wollte, und diese Bahn würde heute noch nicht ausgebaut ſein, wenn ihr die franzöſiſche Regierung nicht mit 12 Millionen Franken - zu Hülfe gekommen wäre. Vor Jahren hatte eine Gesells schaft eine Conceſſion für den Bahnbau von Paris nach Brüssel erlangt, indessen eine andere Gesellschaft eine Concess ſion für einen Bahnbau von Paris nach Havre begehrte; Niemand zweifelte an der Ausführung dieser Bahnlinien, welche die größte Frequenz und eine ganz große Rentabiltät versprachen. Indessen konnten die Actien nicht abgesezt wer den und die Unternehmer mußten auf die Concession verzichs ten. Nach diesen Vorgängen war an den Bau von Eisen- bahnen auf Actien nicht mehr zu denken, und so mußte die französische Regierung nothgedrungen sich entschließen, auf Staatskosten zu bauen. Wenn die so leicht entzündbaren Franzosen für dergleichen Unternehmungen auf Privatrechnung so kühl geworden sind, so ist bei uns noch weniger an deren Ausführung auf diesem Wege zu gedenken. Ich verweise Sie übrigens auf die Sächsischen Herzogthümer, welche ihre Bahnen ebenfalls auf Actien bauen wollten, ein Versuch, der gänzlich mißlungen ist. Uebrigens sind wir in der besonderen Lage, nicht lange auf Actionäre warten zu können, weil wir befürchten müssen, bei einiger Zögerung die Fortsetzung der Caffeler Bahn durch Oberhessen, welche für die Proving und für das ganze Großherzogthum so höchst wichtig ist, vereitelt zu sehen. Ich stimme daher für die Ausführung der Bahn auf Staatskosten, um so mehr, als ein sehr großer Theil des aufzuwendenden Geldes im Lande bleibt und diese Unterneh mung, wie bereits vielfältig dargethan worden ist, für In- dustrie, Handel und Ackerbau von dem größten Nuhen sein wird D; demnach unsere indirekten Steuern sich heben und leicht den Ausfall decken werden, welcher sich in der Baupe- riode und in den ersten Jahren nach deren Bollentung in unsern Finanzen ergeben könnte. Der Abg. Prinz: Die Frage, ob die Erbauung in der vorgeschlagenen Hauptrichtung von Norden nach dem Süden unsers Großherzogthums für dasselbe eine politische und staatswirthschaftliche Bedeutung habe, ist von dem Berichts, erstatter und den Abgeordneten Hügel und Aull so siegreich gelöst worden, daß ich, wäre ich darüber vorher noch irgend 2 1 f .: I 57 im Zweifel gewesen, für bie bejahende Beantwortung vollkoin mene Ueberzeugung erlangt haben würde. Die Natur eines so wohlfeilen und so rapiden Commu- nicationsmittels bringt es schon mit sich, daß Handel und Verkehr und damit der Wohlstand aller der Gegenden, welche ſich jenes Communicationsmittels erfreuen, durch dasselbe zur Blüthe und zum Aufschwung gelangen. Nicht zu den Hauptstapelplähen allein, in welche Eisen- bahnen ausmünden, gelangt dieser commerzielle und indus strielle Aufschwung, sondern er verbreitet sich, was die Mino- rität unsers ersten Ausschusses auch dagegen anführen mag, auf jegliche Localität, welche durch Eisenbahnen berührt wird, ja auf die entfernteren Orte, denen die Communication mit der Eisenbahn möglich ist. Ich hege daher die Befürchtung nicht, daß durch Errich- tung der Schienenwege das Interesse der zwischen den größe.. ren Ausmündungspunkten gelegenen Orte im allgemeinen lei- den, gar ihr Bestand, wie die Minorität des Ausschusses zu glauben scheint, gefährdet werden könne. Wenn ich auf einen Zweifel in dieser Beziehung stoße, fo fällt mir unwillkührlich ein, daß mehrere Gemeinden des Großherzogthums damals, als es sich davon handelte, dem Verkehre neue Communicationswege durch Erbauung von Staatsstraßen zu öffnen, gegen die Errichtung dieser Straßen aus dem Grunde reclamirten, weil sie fürchteten, in ihrem Erwerb, durch Vorspannleistungen und durch Reparatur der durch Unwegsamkeit der alten Straßen zerbrochenen Wagen beeinträchtigt zu werden! Nein! meine Herren, wie ein Strom in seinem Fortgange alle kleineren Flüsse und Bäche in sich aufnimmt, und auch die entfernteren Udern dieses Elementes öffnet und heranzieht, so wird auch dieſes Communicationsmittel dem Verkehre neue Bahnen bereiten und selbst die noch schlummernden Kräfte des Bodens und seiner Bewohner wecken, ihnen noch nicht ges kannte Erfolge verschaffen. Wer hieran noch zweifelt, der gehe nach Belgien und England und sehe dort nach, wie die wimmelnde Bevölke rung sich an allen Punkten der Bahnen zusammenzieht, wo es irgend möglich ist, mit ihnen in Berührung zu kommen. Glauben Sie denn, meine Herren, daß die Gesammtheit dieser Bevölkerung sich zu den Udern des Verkehres drängte, lediglich in der Absicht, der Sucht nach Vergnügen eine Bes friedigung zu verschaffen, daß die Schienenwege vielleicht ! * 58 als Mittel zur Vergeudung des Privatvermögens in luxuriöser Verwendung anzusehen seien? Zeigt nicht vielmehr eine vorurtheilsfreie, auf Thatsachen gegründete Prüfung, lehrt es nicht die allgemeine Stimme, liegt es endlich nicht in der Natur der Sache, daß bei meis tem die Mehrzahl der Menge, welche die Waggons der Eisen- bahnen füllt, das neue Transportmittel benute, um ihre Ge- schäfte zu fördern, ihr persönlich den Schwung und die Kraft zu verleihen, wohin früher Verhältnisse und Mittel nicht gereicht haben? Ist denn nun der Vortheil der Möglichkeit einer schnellen und wohlfeilen Bewegung für nichts zu rechnen? Theile ich auch nicht die sanguinischen Hoffnungen man: cher Enthusiasten, die aus den Eisenbahnen schon hier und da gefolgert worden sind, so steht doch soviel als meine Ue: berzeugung fest, daß sie in ihrem Gesammtresultate dem öf- fentlichen Wohle, wie keine Erfindung der neueren Zeit, zur mächtigen Förderung gereichen müssen; abgesehen davon, daß nach den Verhältnissen und Conjuncturen unserer Zeit die Erbauung der Eisenbahnen für uns eine politische und staats- wirthschaftliche Nothwendigkeit geworden ist. ich Selbst der sarkastische und allzufehr gesalzene, glaube sagen zu können von einer Berkennung der Erfah- rungen in den Staaten, in welchen Eisenbahnen errichtet worden sind, wimmelnde Vortrag des Abgeordneten Georgi hat mich von jener Ueberzeugung nicht abzubringen vermocht. Die Belebung des Verkehrs und der Industrie, die auch un serem Lande doch mehr noth thut, wie der Abgeordnete Ge, orgi zu glauben scheint, welcher das Großherzogthum Hessen als ein Eldorado zu schildern versucht hat, gilt mir mehr, als ein etwaiger Zinsenverlust, der möglicherweise durch die Aufbringung der Kosten der Erbauung einer Eisenbahn ent- stehen kann. Diese Belebung des Verkehrs aber, in einem Maße, von dem der Abgeordnete Georgi keine Vorstellung zu haben scheint, ist eine erfahrungsmäßige, ist eine Thatsache, die gar nicht bestritten werden kann. Auch der Abgeordnete Brunck hat eine Schilderung un- seres Landes gegeben, die, wenn sie gegründet wäre, nur höchst erfreulich sein müßte. Er hat behauptet, daß unser Großherzogthum, als kein wesentlich industrieller Staat, für den Absatz seiner Produkte neuer Communicationsmittel nicht bedürfe. Se 59 ! Diese Ansicht scheint mir eines Theils auf einer Mißken- nung des staatswirthschaftlichen Zustandes unsers Großherzog= thums, andern Theils auf einer falschen Voraussetzung zu beru hen. Auf einer Mißkennung des staatswirthschaftlichen Zustandes in sofern, als er zu unterstellen scheint, daß dieses Großs herzogthum einer Belebung der Industrie gar nicht bedürfe. Ich glaube nicht fürchten zu dürfen, daß eine solche An- ficht in dieser verehrlichen Kammer sich Geltung verschaf fen wird. Man gehe nur in die in unserem Großherzogthum nicht ge- rade seltenen Gegenden, wo der Ackerbau und Localgewerbe sich wenig lohnen, und frage dort nach, ob die Hebung der Industrie durch großartige Unternehmungen dort nicht für eine Wohlthat angesehen wird. Die Antwort wird wohl zu Ungunsten der von dem Abgeordneten Brunck geäußerten An- sicht ausfallen. Von einer falschen Voraussetzung scheint mir der Abge- ordnete Brunck auszugehen, wenn er bemerkt, das Großhers zogthum bedürfe bei uns keiner neuen Communikationsmittel und neuer Absatzwege. Ich weiß nicht, ob sich die Provinz Rheinhessen dieses Glückes rühmen kann, glaube es aber bezweifeln zu müſſen; nimmermehr kann man, meines Erachtens, eine Behauptung dieser Art in Bezug auf das Großherzogthum in seiner Ges sammtheit aufstellen. Wäre seine Ansicht richtig, so müßten wir jede neue Erleichterung des Verkehrs, die Erbauung neuer Straßen und Brücken u. f. w. längst als eine völlig über- flüssige Maaßregel erkannt haben. Und ich wiederhole mit dem Abgeordneten Aull, daß eine Bewegung, wie ſie ſich auf Eisenbahnen concentrirt, nicht zu vergleichen ist mit der Be- wegung auf unsern Straßen und Strömen. Um wie viel leb. hafter der Verkehr, um so viel größer auch der Vortheil. Was nun die Frage, ob die Eisenbahn in unserm Ge- bietstheile auf Staatskosten erbaut werden soll, angeht, so theile ich in dieser Beziehung ganz die Ansichten der Majo- rität unseres Ausschusses. Eine so großartige Unternehmung, einflußreich auf die Gesammtheit der Staatsangehörigen, die- nend den Zwecken des Staats in allen Richtungen seiner Kräfte und Thätigkeit, kann unmöglich, ohne der Sache un- endlich zu schaden, der Laune willkührlicher Ansicht und Bes handlung von Privaten überlassen werden. Das Interesse der Privaten läuft nicht parallel mit dem Interesse des Staa- tes, als solchem; erklärlich daher, daß die Art der Anlage 60 und des Betriebs den Staatszwecken entgegen, ihnen in den wichtigsten Momenten der Zeit geradezu hinderlich sein kann. So viel mir bekannt, haben sich diejenigen auswärtigen Staaten, in welchen aus Privatmitteln die Eisenbahnen ers baut worden sind, die Uebernahme vorbehalten; ein Beweis, daß man auch dort die Nothwendigkeit gefühlt hat, sich, we- nigstens für die Zukunft, eines Mittels zu bemächtigen, das, je nach der Art der Anwendung, dem Staate förderlich oder nachtheilig sein kann. Was überdies in England mit seinen unerschöpflichen Privathülfsquellen und nach seinen politischen Verhältnissen möglich ist, das erscheint bei uns nicht auf gleiche Weise aus- führbar. Nur die Kräfte des Staates können bei uns aus- langen und nur die ungehinderte Einwirkung des Staates kann den Eisenbahnen bei uns einen allgemeinen segensreichen Erfolg sichern. Ich werde nach diesem Ullem für die Erbauung der Ei ſenbahn, und zwar auf Staatskosten, stimmen. Der Abg. Frank (von Reddighausen): Wenn durch die projectirten Eisenbahnen dem Lande keine neue große Schul. denlast aufgebürdet würde, oder wenn Sicherheit vorhanden wäre, daß sich die Bahnen rentirten und es also nicht nöthig werden würde, Steuern auszuschlagen, um das Deficit zu decken, so würde, glaube ich, schwerlich Jemand in dieser Vers sammlung sein, der sich dem Vorschlage widersehte. Eine Actiengesellschaft besteht aus solchen Theilnehmern, welche sich freiwillig zu dem Unternehmen verstehen, die also ihr Wollen dazu erklären, bei denen man voraussehen muß, daß sie auch können und welche die Gefahr des Deficits bestehen wollen. Daß eine durch eine Actiengeſellſchaft unternommene Eisen- bahn aus diesem Grunde den Vorzug vor jeder andern habe, das unterliegt keinem Zweifel, denn sie überhebt uns, Regie: rung und Stände, der Verantwortlichkeit, ein solches kostba res Unternehmen auf die Gefahr des Volkes zu wagen und hernach vielleicht eine Steuer auf diejenigen ausschreiben zu müssen, welche theilweise, ohne sich sehr wehe zu thun, die Steuer nicht liefern können. Dort wäre ein Wollen - und ich sehe voraus, daß sich das Können daran knüpft während im lehteren Falle ein Müffen vorne steht und es fich fragt, ob sich das Können damit verbinden läßt. Um nun diesen unangenehmen Fall von uns abzuweisen, erlaube ich mir einige Anträge, welche die Tendenz, haben, jenes De. ficit durch die Bewohner des Landes nach deren Kräften decken zu lassen, also das Können vor allen Dingen in An= 61 ! i spruch zu nehmen. In dieser Hinsicht stelle ich also folgenden Untrag: zur Deckung der Zinsen und der Anlagekosten, soweit sich solche nicht durch die Eisenbahnrenten selbst erge. ben, eine Einkommenssteuer anzuordnen. Man wird mir vielleicht einwenden, eine solche Steuer fei schwer zu reguliten; sie beruht aber auf dem Grundſaße der Gerechtigkeit, auf dem Grundſaße, daß Jeder gleichgehal- ten werden soll. Wie viele Kosten haben wir nicht schon verwendet auf die Regulirung der Grundsteuer, der Gewerbsteuer und anderer Arten von Steuern, und sind dessen ungeachtet doch höchstens nur approximativ zum Ziele gelangt; und wenn das Einkom men der Staatsangehörigen sich auch nicht ganz genau her ausstellen sollte, so hat dieser Antrag doch den Grundsatz der Gleichheit und der Gerechtigkeit für sich. Wir werden also den Anforderungen der Gleichheit und der Gerechtigkeit jeden- falls näher kommen, als wenn wir von vornen herein dieſe Grundsätze gar nicht ins Auge fassen. Sodann gewinnen wir Ulle durch den Vortheil, daß wir, ohne mit unserm ei- genen Intereſſe in Widerspruch zu kommen, uns für oder ges gen die projectirte Eisenbahn erklären können. Wenn wir uns vorstellen, daß wir zu unsern Committenten zurückkehren, nachdem wir die Bahn genehmigt haben, aber so, daß Jeder › dazu beitragen foll nach seinen Kräften, so werden wir, die Vertreter des Volkes, entschiedener und leichter Ja dazu sagen können, als jcht und so lange die Bahn in einer Urt propo: nirt ist, daß wir wagen müſſen, auf die schon genug belasteten Grundsteuerpflichtigen die neue Hauptlast weiter zu werfen. Sollten Sie übrigens keinen Gefallen daran finden, eine ei- gentliche Einkommenssteuer anzuordnen, so stelle ich eventuell den Antrag: eine Classensteuer an die Stelle derselben zu sehen. Und wenn auch diese entschiedenen Widerspruch finden ſollte: unsere Personalsteuer bei den zu erhebenden Beiträgen zum Grunde zu legen, jedoch mit der Modification, daß die durch das Personalsteuergeset dermalen Erimirten ebenfalls beigezogen werden, wonach aber dieser Perso, nalsteuer ein anderer entsprechender Name, etwa die Benennung Wohnungssteuer" gegeben werden müßte. Dann ist mir während des Vortrags meines verehrten Collegen Aull ein Zweifel angekommen, nämlich ob in stras tegischer Hinsicht eine Eisenbahn, so wie der Entwurf vor- ê 62 ! liegt, `für unser Deutſchland förderlich ſei? Ich besorge, sie möchte leicht eher gefährlich und verderblich werden. Ich habe mich niemals mit strategischen Betrachtungen abgegeben; der meinem schlichten Verstand während des Vortrags des Übge. ordneten Aull angekommene Zweifel ist groß und ich bitte, daß irgend ein anderes Mitglied dieser verehrlichen Kammer, welches besser mit strategischen Kenntnissen und Einsichten versehen ist, als ich, diesen Zweifel mir heben möchte. Die badische Eisenbahn, deren Fortsetzung projectirt wird, kommt nämlich ganz nahe an der sehr bedeutenden französischen Fes stung Straßburg vorbei, wo eine starke Garnison ist. Für Frankreich wird, wie es mir scheint, das Eisenbahnsystem nicht zur Concentration dienen; Frankreich ist ohnedies schon vor allen Eisenbahnen in Paris ſattsam und vollständig con- centrirt; es scheint mir vielmehr bei dem französischen Plane die Absicht zu sein, sich durch die Eisenbahnen die Mittel zu verschaffen, die Streitkräfte in mannigfaltigen Radien aus dem Innern, aus Paris, dem Centralpunkte, nach den Grens zen zu werfen. Eine Vergleichung zwischen Frankreich und Deutschland kann in dieser Hinsicht nicht bestehen. Nun ist mir aber bange geworden, wenn wir die Eisenbahn bis vor die Thore von Straßburg bauen, ob nicht die Franzosen mits telst der ohnedies schon bedeutenden Besatzung in Straßburg, die aus dem Centralpunkt Paris jeden Tag noch verstärkt werden kann, ein Armeecorps von 25,000 Mann auf der in Deutschland gebauten Eisenbahn vorwärts schicken und uns in Carlsruhe, Darmstadt zc. überrumpeln und alle die unges heueren Verwendungen, die wir für unsere Vertheidigung seit 25 Jahren gemacht haben, zerstören und verderben werden. Meine Herren, ich bitte, dies wohl zu überlegen. Ich bin kein Stratege, ich wünsche, daß mir dieser Zweifel benommen würde, ehe mir zugemuthet wird, für den vorliegenden Plan Ja zu sagen. Der Abg. Lotheißen: Die Bedenklichkeiten, welche der Redner vor mir in Bezug auf die militärischen Verhältnisse sich gestellt hat, finden in der sehr interessanten Berathung der hohen ersten Kammer ihre Widerlegung und Beseitigung. Von Seiten mehrerer Herrn Redner, namentlich auch von Seiten des Herrn ersten Präsidenten Hoheit, Hochwelchem wir auch in dieser Beziehung ein classisches Urtheil beimessen müssen, sind die Propofitionen der Großherzoglichen Staats- regierung hauptsächlich aus dem Grunde in Schutz genom men worden, weil sie in militärischer Beziehung für Deutschland und namentlich dem unruhigen Nachbar im We- 63 ften gegenüber, die entschiedensten Vortheile gewähren. Ich empfehle dem Abgeordneten Frank, die Bemerkungen, welche über diesen Gegenstand bei der Berathung der ersten Kams mer vorgekommen sind, nachzulesen und ich hoffe, daß die geäußerten Bedenklichkeiten dadurch auf das Vollständigste beseitigt werden. Da ich einmal das Wort habe, so erlaube ich mir über die Hauptfrage einige Bemerkungen: Unser Ausschuß theilt sich in eine Majorität und in eine Minorität; beide gehen von verschiedenen Gesichtspunkten aus; die eine verspricht sich große Vortheile, die andere befürchtet nichts, als Nachtheile durch die proponirte Eisenbahnanlage. Wer von beiden hat Recht? Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Ich betrachte den Bau von Eisenbahnen in der That als ein nothwendiges Uebel, dem wir nicht aus. weichen können, zu gleicher Zeit aber auch als einen Hoffs nungskauf. Ob uns dieses Geschäft Vortheile bringen wird und welche? das liegt im Schooße der Zukunft verborgen, wir müssen das Reſultat abwarten. Der Vortheil kann aller- dings groß sein, die Eisenbahn kann möglicherweise so viel rentiren, daß sie nach Deckung der Zinsen und der Amortisa- tionssumme, sogar noch eine Einnahmsquelle für die Staats- kaſſe werden wird; der Ertrag kann aber auch klein und nur hinreichend sein, die Zinsen und die jährlichen Kapitalrückzah- lungsbeträge zu prästiren, er kann endlich aber auch zu die- sem Zweck vielleicht nicht einmal genügen. Dieser lettere Fall dürfte in der ersten Zeit wahrscheinlich eintreten. Jedenfalls aber werden die Eisenbahnen etwas rentiren; sie werden doch mindestens 3 Procent bis 3, Procent ertragen; höch stens also werden zur Verzinsung und ſucceſſiven Tilgung des Kapitals, 1/2 bis 2 Procente fehlen, welche durch die Staats- kaſſe aus den paratesten Mitteln zu decken und zuzuſchießen wären. Schlägt man nun diefen jährlichen Deficit von circa 110,000 bis 148,000 fl. auf die Steuerpflichtigen aus, so wird dieß nicht viel mehr betragen, als der von der Groß- herzoglichen Staatsregierung proponirte Steuerausschlag von · zwei Pfennigen auf den Gulden Normalsteuerkapital und das wäre also im ungünstigsten Falle der Nachtheil, welchen das Land von dieser großartigen Eisenbahnanlage vorerst zu er: warten hätte, ein Nachtheil, der aber (ich bin das vollkom men überzeugt), durch die Vortheile reichlich compenſirt und aufgewogen wird, die daraus auf der anderen Seite in com- merzieller und industrieller Beziehung dem Lande erwachsen, der überdieß nach einigen Jahren, von Eröffnung der Bahn an Protokolle z. d. Verh. d. 2.Kam, Suppl. Bd, 6 64 ; gerechnet, hoffentlich ganz verschwinden wird. Ich erkläre mich demnach im Allgemeinen für die Propoſition, jedoch un- ter Vorbehalt der Vereinbarung über die näheren Voraus, setzungen und Bedingungen, welche dem Unternehmen auf Staatskosten zu unterlegen sein werden. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Es ist von den Red- nern vor mir so viel Durchdachtes über die Eisenbahn geſpro- chen worden, daß ich am Schlusse der heutigen Sihung gar nicht das Wort ergriffen haben würde, wenn ich nicht noch einige Erläuterungen zu geben hätte. Es ist allerdings richtig, daß jeder Communicationsweg im Großen auch in größeren Entfernungen seine Wirkungen äußert; wie oft ist schon hervorgehoben worden, daß die glück liche Lage der Provinz Starkenburg, begränzt durch einen großen Fluß, durch den der Transport in weiter Entfernung vermittelt wird, vorzugsweise die Grundlage ihres Wohlstan: des sei, und man hat gerade diesen Mangel eines solchen Absatzweges in der Provinz Oberhessen so hart gefühlt und mitunter mit grellen, aber auch wahren Farben geschildert. Bedenken wir nun, daß die Eisenbahn vollkommen dasjenige erſehen kann, was ein Fluß leistet, so können wir nicht be, zweifeln, daß, da die Provinz Oberhessen ganz ähnlich und beinahe in derselben Länge von diesem neuen Flusse begränzt werden wird, die Eisenbahn der Provinz Oberhessen auch bis in das Herz derselben diejenigen großen Vortheile bereiten wird, welche die Provinz Starkenburg wirklich von ihrer Lage gegen den Rhein seither gezogen hat. Ich kenne noch die Zeit sehr gut, wo allerdings viele Theile der Provinz Starkenburg hieran nicht Antheil nehmen konnten, wo es sehr schwierig war, von hier, nach Erbach oder in den Odenwald überhaupt zu kommen; aber seitdem die Verbindung mit der Bergstraße und dem Rheinstrome. hergestellt ist, hat sich diese Gegend auf das Doppelte und Dreifache bereichert; dieß ist ein Beispiel, welches gewiß für die großen Vorzüge sprechen muß, welche die Eisenbahn auf ähnliche Weise in der Provinz Oberhessen stiften wird. Man hat übrigens bisher nur die einzelnen Eigenschaften der Ei fenbahnen betrachtet und daraus Folgerungen ziehen wollen, die nicht immer zu Gunsten der Eisenbahnen waren; man hat die Schnelligkeit, die Bequemlichkeit und endlich auch die Wohlfeilheit des Reifens und des Transportes mit Eisenbah: nen im Einzelnen hervorgehoben; aber gehen wir auf das Wesen der Eisenbahnen zurück, so liegt der Grund ihres gro- ßen Vorzugs und enormen Uebergewichts über jedes andere 65 ? Transportmittel viel tiefer. Es ist bei den Eisenbahnen nicht, wie bei andern Straßen, der Fall, daß jedes Fuhrwerk sich darauf bewegen und sie benußen kann, sondern die Eisenbah. nen verbinden gleichzeitig Fuhrwerk und Fahrbahn mit einans der und bilden daher ein Monopol, welches durchaus alle übrigen Transportmittel in der nämlichen Richtung und im Großen überbietet. Aber in diesem Monopol liegen auch zu gleicher Zeit die Keime der ungeheuren Kraft, welche sie ents wickelt; denn nun stehen ihr Mittel zu Gebot, die Anstalt zu vervollkommnen und die Preise herabzusehen, wodurch sie durchaus jede Concurrenz, die in ihre Nähe kommt, erdrücken. muß. Sie ersehen schon aus dieser, in der That etwas ges fährlichen, Eigenschaft der Eisenbahn, daß es nicht gut ist, fie in die Hände einer einzelnen Gesellschaft zu geben; Sie sehen daraus, wie wichtig es ist, daß der Staat fie für alle Theile der Gesellschaft gleich vortheilhaft macht, und dies ist, glaube ich, ein Hauptmoment, weshalb man die Eisenbahnen als eine großartige Staatsanstalt betrachten muß. Kommt nun noch hinzu, daß wirklich in neuerer Zeit nach dem ab- schreckenden Beispiele im Elsaß keine Eisenbahn von einiger Ausdehnung wohl mehr in Zukunft mittelst Privatgesellschaf ten zu Stande kommen wird, so müssen wir uns überzeugen, daß, wenn wir Eisenbahnen bauen wollen, sie auch auf Staatskosten gebaut werden müssen, und es ist daher jest nur die Frage: befinden wir uns wirklich in der unumgäng- lichen Nothwendigkeit, einen solchen Schritt zu thun? Meine Herren, bedenken Sie die Lage des Großherzog, thums und sehen Sie auf die Karte, um Sich davon zu überzeugen daß bereits Deutschland mit einem Nek von Ei- ſenbahnen übersponnen ist, wovon jeder Staat, der sich jest ausschließt, dann auf immer ausgeschloffen fein würde. E find in diesem Augenblick 140 Meilen Eisenbahnen nicht blos im Bau, sondern wirklich im Gebrauche. Diese 140 Meilen haben 65 Millionen Gulden gekostet, und gehen Sie in jene Gegenden und sehen Sie sich um, ob wirklich dort ein Geld: mangel durch diese verwendeten 65 Millionen entstanden ist. Ich habe diese Gegenden ebenfalls bereift, und ich kann Sie versichern, daß man im Gegentheil eine große Lebendig, keit in allen Gewerben findet, die durch diese Eisenbahnen' zum Theil neu hervorgerufen worden sind. Allein auf der anderen Seite will ich nicht verkennen, und ich glaube, auch in meinem früheren Vortrag darauf angespielt zu haben, daß manche der bestehenden Gewerbe zu Grunde gehen, daß aber an deren Stelle bei weitem glänzendere hervortreten werden. > 1 6* 66 4 1 Aus diesem Grunde ist allerdings die jeßige Periode, wo die Eisenbahnen erst auftauchen, in merkantiler und gewerblicher Beziehung eine revolutionäre Periode zu nennen; es werden. allerdings dabei manche Einzelne zu Grunde gehen, aber dieß darf uns nicht abschrecken, ein solches Mittel, welches das Ganze für die Zukunft aus dem Verderben rettet, zu ergrei fen, und uns an die allgemeine Bewegung anzuschließen, die der Völkerverkehr genommen hat, und die wir nun einmal nicht verhindern können. Ich glaube daher, daß, wenn man auch jetzt für den Au- genblick die Eisenbahnen eine traurige Nothwendigkeit, die aber nicht umgangen werden kann, nennen wollte, wir uns nicht davon ausschließen dürfen, indem wir uns auch sonst von dem allgemeinen Staatenverband auf immer ausschließen würden, welches doch wohl Niemand von uns beabsichti gen kann. Der Abg. Peerrot: Es ist gewiß ein Unglück für die Provinz Rheinhessen, daß sie nicht diesseits des Rheins gele, gen ist; aber es ist nun einmal ſo, und wenn ich nun unsere Einwohner in dem Kreise Ulzei und in anderen Kreisen frage: was sie von der projectirten Bahn halten, welchen Nutzen sie für die Provinz davon erwarten? dann werden sie mir, das ist gewiß, eine Antwort geben, die zu hören ich Ihnen, meine Herren, erlaſſen muß. In der That, diese Provinz wird, bis auf einen oder zwei Punkte derselben, die an ihrer Spite gelegen sind, niemals Vortheile von der Eisenbahn ziehen. Sie kann durchaus nichts mittelst derselben ausführen, da sie solche nicht er. reichen kann, der Rhein vielmehr sie davon trennt, und es hiernach fast mehr als eine Frohnde wäre, die man dies fer Provinz zumuthen würde, wenn man sie auf die Auss fuhr mittelst der Eisenbahn anweisen wollte. Die Bewohner Rheinhessens haben wenige oder gar keine Fabriken, wollen. und können auch keine errichten, da sie alle Ackerbau treiben und die Handarbeiten für die Landwirthschaft so theuer be- zahlt werden, daß nicht zu erwarten steht, in dieser Gegend Fabriken errichten und gedeihen zu sehen. Der Staat braucht also in dieser Provinz, die nichts fabricirt, keine Beförde rungsmittel und neue Communicationswege, wie Eisenbahnen, zu creiren. $ Was die Frage betrifft, ob Schienenwege auf Kosten des Staates zu bauen und unter Selbstadministration desselben zu nehmen seien, so muß ich gestehen, daß ich keine Sym, pathie dafür fühle, ein Deficit zu garantiren. Es scheint mir J ! 67 vortheilhafter und zweckmäßiger, wenn eine Gesellschaft den Bau der Eisenbahn übernimmt, als wenn eine Selbstadmi- niſtration von Seiten des Staates stattfindet, die durch eine Menge von Beamten zur Verwaltung, zur Controle u. f. w. sehr beschwert werden müßte und im Ministerium der Finan zen gleichsam noch ein eigenes kleines Ministerium der Schie. nenwege einführen würde. Von der später sicher hierdurch eintretenden vermehrten Belastung des Pensionsfonds will ich vor der Hand jede Erwähnung umgehen. Ich hege auch die Hoffnungen nicht, die man im Berichte der Majorität des Ausschusses ausgesprochen hat. Man hat hier die Sai: ten zu hoch gespannt, und ich sehe voraus, daß in Zukunft in unserem Budget eine Position erscheinen wird unter der Rubrik:,,Deficit für die Eisenbahn." + Der Abgeordnete Aull hat uns über Frankreich ſo viele Notizen und eine so große Menge von Zahlen angegeben, daß es mir schwindlich wurde, mögen dieselben nun richtig sein, oder nicht; er hat aber vergessen, uns zu sagen, wie die Franzosen bei der letzten Operation bezüglich ihrer Eisen. bahnen, verfahren haben. Es ist allerdings wahr, sie haben im Jahre 1842 eine Summe von ungefähr 500 Millionen Franken decretirt; aber wie bauen ſie? Die Provin zen und notabeln Localitäten, welche von der Bahnlinie be: strichen werden, liefern den Boden; der Staat baut auf seine Kosten und durch seine Ingenieure die Bahnhöfe, die Grund- arbeiten, die Brücken und Kunstwerke, und nachher findet sich sogleich eine Gesellschaft, die Concurrenz fehlt niemals, welche die Eisenbahn auf 50 bis 60 Jahre in Pacht nimmt und sich den polizeilichen Anordnungen der Staatsregierung unterwirft. Diese Gesellschaft von Capitaliſten muß, soll sich die Unternehmung rentiren, auf ihre eigenen Kosten sämmtliche übrigen Erfordernisse und Materialien, als Locomotive, Wag- gons, Schienen u. f. w. u. f. w. liefern, und nach Ablauf der Verpachtungszeit gehört die Bahn dem Staate ohne wei tere Entschädigung an die Pächter. So baut Herr Teste, der Minister der öffentlichen Arbeiten in Frankreich. Das, was ich bis jetzt gesagt habe, möchte genügen, um meine Verantwortlichkeit gegen meine Committenten zu decken. 怨 ​Nachdem ich einmal weiß, daß unsere Eisenbahnoperation ihre Sympathie nicht hat und leider nicht haben kann, werde auch ich mich nicht weiter darauf einlassen, in so fern nicht nachgewiesen wird, daß die Bahn in strategischer Beziehung nothwendig erscheint; ist dies erwiesen, so werde ich auch mit 1 68 „Ja“ stimmen; denn auch ich will den Feind nicht im Lande wiſſen. Ich habe der deutschen Nation von jeher den Beweis gege: ben, daß ich ihrer Nationalität, ihren Interessen stets ergeben war, und ich bin der Erste, welcher als Abgeordneter im Jahre 1824, folglich vor 18 Jahren, einen förmlichen Zollverein mit Preußen vorgeschlagen und die Gründe dieſes Vorschlags entwiks Felt hat. Diese ee war nicht auf dürren Boden gefallen, das Ministerium nahm fie lebhaft auf, und die großartige deutsche Zollunion ist entstanden; sie hat für Deutschlands Nationalität mehr gewirkt, als die Eisenbahnen. In der. gegenwärtigen Kammer ist noch ein Deputirter jener Epoche, welcher meine Bemerkung bestätigen wird, dieser ist unser gegenwärtiger Herr Präsident. (Der Präsident bestätigt die betreffende Aeußerung des Abs geordneten Peerrot.) Was ich war, bin ich noch; Deutschlands, Hessens Glück oder Unglück wird mich beständig mit treffen. Meine Kins der, daselbst geboren, haben in Deutschland neue Familien gegründet und Deutschland ist und bleibt ihr einziges Vater- land. Das Schicksal der Provinz, in welcher ich domicilirt bin, geht mich aber ebenfalls sehr nahe an; ich bin ihr Deputirter, ich habe Pflichten gegen fie, welche ich erfüllen muß. Wie die Sachen stehen, soll sie zu mehreren wichtigen Unterneh. mungen und Ausgaben beigezogen werden, namentlich zum Bau von drei bis vier Eisenbahnen, wovon sie niemals VOE theile erwarten kann und deren sie nicht bedarf. Handelte es sich von Bagatellen, dann wäre das Uebel zu ertragen, Ves ist aber dem nicht so; es handelt sich um die wichtigsten In. teressen einer Provinz. Ich wiederhole es daher, in der Hoff nung, daß meine Stimme früher oder später gehört wird, daß es unbillig und ungerecht ist, Rheinhessen zu der gegens wärtigen Unternehmung beizuziehen, dafür zu besteuern und dieſer Provinz eine solche Last zu Gunsten und zur Entla, stung der beiden andern Provinzen des Großherzogthums auf- zubürden. بیگم Daher meine Abneigung gegen die Propofition, meine Erklärung hierüber und meine vorläufige Abstimmung gegen diefelbe. Ich habe für den Landestheil, welcher mich hierher gesandt hat, eine große Verantwortlichkeit übernommen. Es wird scharf mit den Deputirten in Rheinhessen abgerechnet; ich hoffe 69 aber, daß mich meine in das Protokoll hiermit niedergelegte Protestation decken und rechtfertigen wird. Der Ubg. von Grolman: Ich erkenne die schwere Pflicht, deren Erfüllung von der Staatsregierung durch die von ihr vorgelegte, der jetzigen Discussion unterliegende Pro- poſition in Anspruch genommen wird; ich habe die Sache. überlegt und erlaube mir, Ihnen kurz die Motive anzugeben, aus denen ich im Allgemeinen für die Proposition der Staats- regierung stimmen werde. Erlauben Sie mir zuerst, Jbre Blicke auf ein geschichtliches Ereigniß zu wenden, dasjenige, wornach das Großherzogthum Hessen derjenige Staat war, der zuerst mit Preußen den Zollvereinsvertrag abschloß, und ihm die Ehre gebührt, daß es die Veranlassung gegeben hat, daß nachher dieser erste Verein zu den schönsten Folgen geführt. hat, namentlich zu der Ihnen Allen bekannten Handelsunion der verschiedenen deutschen Staaten. Meine Herren, fragen Sie den Handelsstand, fragen Sie alle Stände in den betreffenden deutschen Landen, es ist nur eine Stimme, welche die höchst bedeutenden und heilsamen Folgen dieser Handelsunion in Bezug auf die Freiheit der Verkehrsverhältnisse anpreist. Aber noch einer ihrer schönsten und kostbarsten Früchte muß ich erwähnen. Sie hat uns wieder zu Deutschen gemacht, sie hat uns ein vereinigtes Deutschland, sie hat uns das Bewußtsein deutscher Nationa lität und deutſcher Würde wiedergegeben. Die sämmtlichen erwähnten Folgen diefer Handelsunion noch mehr zu vervoll kommnen und zu befestigen, das sehe ich mit als den Zweck der Proposition der Staatsregierung an, und war das Unter- nehmen jener Handelsunion ein nationales, ein deutsches zu nennen, so muß dasjenige, was zur Vervollständigung des- felben dient, wohl ebenfalls in seinen höheren Beziehungen ein deutſches, ein nationales zu nennen sein, und warum? Es ist die Absicht der betreffenden Regierungen, ein deutsches Continental Transportsystem durch ihre Lande vollständig und gemeinschaftlich auszuführen, ein Bestreben, das in seinen Folgen im höchsten Grade nur höchst wohlthätig sich äußern kann, indem es die betreffenden verschiedenen, von einander entfernten Völkerstämme nicht nur sehr nahe stellt, sondern auch, wenn Sie die Lage von Deutschland und der betreffen- den deutschen Staaten betrachten, da es im Mittelpunkte des europäischen Handels liegt, den Verkehr in allen Beziehungen unendlich befördern muß. Meine Herren, ich bin nicht im Himmel geboren, sondern in Hessen, ich gebe mich keiner Ilusion hin; aber daß die Eisenbahnen, als die vollkommenste ! i 1 70 und sicherste Transportanstalt, wenn das System ausgeführt wird, wie es die betreffenden Regierungen beabsichtigen, zu den heilsamsten Folgen in staatswirthschaftlicher Hinsicht füh, ren, daß sie als eine Quelle erscheinen werden, wodurch die productiven Kräfte des Volkes und sein Nationalwohlstand sich vermehren, das ist meine Ueberzeugung. Ich hatte mir vorgenommen, hierüber in das Detail einzus gehen, aber ich bin dessen überhoben worden durch die gründ liche Rede des Abacordneten Hügel, wofür ich ihm hier öf- fentlich meinen Dank abstatte. Ist es aber in staatswirthschaftlicher Hinsicht wohl nicht zu bezweifeln, daß die projectirten Eisenbahnen auf den Vers kehr die wichtigsten und wohlthätigsten Folgen äußern wers den, dann, meine Herren, dürfen Sie auch nicht so sehr ers schrecken, wenn Ihnen, was so oft geschehen, gesagt wird, daß wir dem Lande das Opfer einer neuen großen Schulden- last auflegen müssen; denn es handelt sich hier nicht von fol- chen Landesschulden, wie wir sie schon getilgt haben und noch tilgen werden, es handelt sich nicht von Schulden, die durch die Uebel des Kriegs und andere Calamitäten entstanden ſind, und die allerdings dazu führen, daß sie aus den Steuerkräf- ten des Landes ohne Ersatz getilgt werden müssen, sondern es handelt sich hier um Schulden der Production, wie man sie in der Staatswirthschaftslehre nennt, die gemacht werden, um die productiven Kräfte des Volkes und seine pro- ductiven Fähigkeiten und eben hierdurch auch seine Steuerfä- higkeit zu heben und zu vermehren. Wenn also auch auf der einen Seite dem Lande das Opfer einer Schuldencontrahirung zugemuthet wird, so wird dadurch auf der andern Seite sein Nationalwohlſtand ſich erhöhen und verbessern, hierdurch aber das Volk wieder um so reicher werden. Man hat vorhin davon gesprochen, man solle es bei dies sem Gegenstande vorerst noch auf die Erfahrung ankommen lassen. Meine Herren, warum wollen wir zurückbleiben? die Erfahrung liegt vor, der Abgeordnete Aull hat Sie schon darauf aufmerksam gemacht, daß alle deutsche Völker bis jest, Würtemberg wird noch nachkommen, ich nenne Ihnen Preußen, Destreich, Baiern, Sachsen, Braunschweig, - Eisenbahnen bei sich eingeführt haben, oder sie, als beschloss sen, noch einführen werden; sie haben diese Anstalten für höchst nüßlich erkannt. Lassen Sie uns diesem Beispiel fol: gen, und, wie sehr richtig der Abgeordnete Aull bemerkt hat, nicht dasjenige verschmähen, was andere Regierungen für ihre Völker als nüglich und ersprießlich erkannt haben. } 1 71 Ja, meine Herren, wollen Sie auf Erfahrungen warten, dann kann die Erfahrung eintreten, und ich möchte sie unter den gegenwärtigen Conjuncturen eine sicher bevorstehende nennen, daß wir von den künftigen Eisenbahnen ganz auss geschlossen werden. Nehmen wir nur an, wenn nun Kurhessen die Eisenbahn über Fulda nach Hanau führen würde, was ausführbar sein soll, wenn der Tract, der Handelszug, eine andere Rich- tung genommen, so sind wir ganz um die Eisenbahn in der Provinz Oberhessen gebracht, wir werden ganz isolirt dastehen, und wenn die Sache glücklich ausfällt, welchen Vorwürfen würde ich mich, als Landstand, dann auszusehen haben, wenn ich gegen die Proposition der Staatsregierung gestimmt hätte. Nein, meine Herren, diese Verantwortung will ich nicht auf mich nehmen. » Es ist ferner der strategische Gesichtspunkt hervorgehoben worden; ich bin kein Militär, aber ich habe Mehreres dar- über, ich habe auch die Verhandlungen der ersten Kammer gelesen, und dadurch habe ich die Ueberzeugung gewonnen, daß allerdings auch dieser Gesichtspunkt eine sehr hohe und gewichtige Bedeutung hat, die uns als Deutsche nothwendig bestimmen muß, in dem deutschen Defensivsystem eine Unstalt nicht wegzulassen, welche zu unserer nationalen Sicherheit gehört. Was den finanziellen Gesichtspunkt betrifft, so lassen sich freilich für jeht noch keine numerischen Resultate vorlegen, es läßt sich dies erst dann thun, wenn einmal sämmtliche Haupt- eiſenbahnen vollendet und im Gange sind; denn natürlich, ſo lange sie nur stückweise angelegt sind, kann man noch nicht von dem Reſultate ihres finanziellen Erfolges sprechen. Ich bin weit entfernt, mich hier sanguinischen Hoffnun gen hinzugeben, allein nach allen Merkmalen, soweit sie mein Berstand aufzufassen vermag, muß ich doch davon ausgehen, daß die projectirten Eisenbahnen für uns allerdings zu nicht unbedeutenden Erträgnissen führen werden. Nehmen Sie die Bahn an, welche von Cassel durch die Provinz Oberhessen sich hinzieht - ich will nur allein bei dem Personenverkehr stehen bleiben, so erwägen Sie, daß hier der sämmtliche Personenverkehr, der aus dem Norden über Cassel, aus Westphalen, der von Berlin, aus Sachsen sich nach Frankfurt und dem Süden wälzt, diese Eisenbahn. straße berühren muß. Wenn Sie dies erwägen und nun noch den Gütertransport damit in Verbindung bringen, so 72 dürfte es wohl nicht gewagt erscheinen, wenn man, wie auch der Abgeordnete Lotheißen vorhin bemerkte, annehmen kann, daß wohl die Bahn zu drei Procent sich rentiren mag, und ist dieses, so erscheint der noch zu deckende Zinsenverlust bei weitem kein so bedeutendes Opfer, als wie es geschildert wor den ist. Was endlich die Frage betrifft, ob die Eisenbahnen auf Kosten des Staats, oder auf Actien durch Private zu bauen sind? so gestehe ich, daß ich hier lediglich dafür stimmen wer de, folche auf Staatskosten zu bauen, und warum, meine Herren? Diese Fahrstraßen von Eisen sind eine der großars tigsten Unternehmungen der betreffenden Staaten, wodurch höchst wichtige Staatszwecke erreicht werden sollen. Die pro- jectirten Eisenbahnen werden ausgeführt im Verein mit andes ren Regierungen, und schon darum können sie nicht ein Ge genstand der Unternehmungen von Privaten werden, in wels chem Falle natürlich dem Staate, selbst bei der kräftigsten Oberaufsicht, in so vielfachen Beziehungen die Hände gebun- den wären, indem er dann nicht in der Lage sich befindet, ſo darüber verfügen zu können, wie der öffentliche Zweck, überhaupt der gemeinsame Zweck der betreffenden Staaten, es erheiſcht. Ueberhaupt aber glaube ich, ist es an sich unnöthig, über diesen Gegenstand noch weiter zu reden, weil bei uns die Erfahrung schon bewiesen hat, daß eine solche Gesellschaft nicht zu Stande kommt. Außerdem muß man nur erwägen, daß die Zwecke der Privaten keineswegs immer diejenigen sind, welche der Staat in Bezug auf seine Unterthanen in's Auge faßt. Der Pris vate strebt bloß, vielleicht selbst zum Nachtheil der Solidität der Bahn, dahin, wie er am meisten profitire, wie er die höchste Dividende erreichen kann. Dies ist aber nicht beim Staate der Fall. Dieser geht von den höheren Rücksichten des allgemeinen Wohls und des seiner Unterthanen aus, was häufig ganz mit den lucrativen Ansichten der Privaten con- traſtiren dürfte. Diese Rücksichten find es, welche mich bestimmen werden, für die Proposition der Staatsregierung, und zwar dafür, daß die Eisenbahn auf Kosten des Staats ausgeführt werde, zu stimmen. - Wegen vorgerückter Tageszeit wird die Berathung hiermit abgebrochen und zugleich i : I { } 73 II. die Sitzung von dem Präsidenten aufgehoben, indem derselbe die nächste zur Fortsetzung der Berathung auf mor. gen, Donnerstag den 9. d. M., Vormittags 8 Uhr, anbe raumt. Schenck, Zur Beglaubigung: Heffe, Lotheißen, Prinz, erfter Präsident. zweiter Präfident. Sekretär. Sekretär. 1. ARSONS LIBRARY University OL MICHISIN ་ PARSONS LIBRARY University or Separat Protokoll = über die, am Schlusse der einundsechszigsten i öffentlichen Sihung, gehaltene geheime Sißung, in dem Sitzungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 9. Juni 1842. Unter Vorsiß des Präsidenten Schend. Gegenwärtig der Herr Geheimerath Eckhardt, und 48 Mitglieder der Kammer. i Der Tagesordnung gemäß schreitet die Kammer zur Fort- ſetzung der Berathung: über die Proposition der Staatsregierung, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen im Großherzogthum betreffend, welche der Präsident, und zwar vorerst noch über jene Pro- position im Allgemeinen, nach ihrem Stand am Schlusse der gestrigen Situng, eröffnet. Es bemerkt: Der Übg. v. Bibra: Wenn ich ebenfalls in dieser so wichtigen Berathung über den Bau der Eisenbahnen das } { 2 Wort ergreife, so geschieht dies nicht, um mich als Widerja, sher derselben zu erklären, sondern es geschieht nur, um die in mir rege gewordene Bedenklichkeit und meine daraus fol: genden Ansichten der verehrlichen Kammer mitzutheilen. Das Kind lebt; es will, selbst mit Gefahr der Mutter, z4 Tage gefördert werden; aber diese Gefahr möglichst zu ver ringern, den Vorwurf einer übereilten Zustimmung zu ver- meiden, scheint mir unsere heiligste Pflicht zu sein. Ein in Destreich erscheinendes öffentliches Blatt, welches im Gan. zen mit hohem Interesse von den Eisenbahnen in dem öft, reichischen Staate spricht, schließt einen desfallsigen Aufſag mit folgenden kurzen Worten.. 4 Ueberhaupt ist man bei der Anlage der Eisenbahnen hier zu Lande etwas zu hihig dreingegangen. Mögen sich die deutschen Eisenbahngesellschaften besonnener zeigen und die hiesigen Erfahrungen benutzen." Ich werde eben aus diesen Gründen mit mehreren Stim- men, die sich deshalb schon ausgesprochen haben, den Wunsch ausdrücken, sich vor der Hand auf den Bau der Bahnstrecke in Oberhessen, welche in politischer, commerzieller und finan. zieller Hinsicht von besonderer Wichtigkeit ist, zu beschränken ; und wird die Staatsregierung demnächst nach dem Inhalt ihrer Verträge die geeigneten Maßregeln ergreifen. Was nun die hier besonders zur Discussion ausgesetzte Frage betrifft, so bin ich allerdings dafür, daß ein so tief in den Staatshaushalt eingreifendes Unternehmen, als die Ei- senbahnen, nicht aus der Hand des Staates gegeben werden kann. Um die mit solchen Bahnanlagen verbundenen Vor- theile und Unnehmlichkeiten auf das ganze Land mit Umſicht und Gerechtigkeit auszudehnen, ist es nothwendig, daß solche der Staat baut, indem hierin die sicherste Garantie für die Unternehmung liegt. Der Abg. Graf von Lehrbach: Ich würde großen Un. stand genommen haben, irgend einer Motion für Erbauung eines Schienenweges beizustimmen, wenn solche von einem Mits glied der einen oder der anderen Kammer ausgegangen sein würde. Anders aber scheint mir die Sache sich zu verhalten, wenn davon die Rede ist, über eine desfallsige Proposition der Staatsregierung zu berathen und zusbeschließen. Sie werden mit mir glauben, meine Herren, daß mit einem Vorschlage von so hoher Wichtigkeit, von einer solchen pecuniären Bedeutung, nicht allein für die lebende, sondern auch für die nachkommende Gene- ration, die Staatsregierung ohne die sorgfältigste Prüfung, ohne die genaueste Erwägung des Nußens und Schadens, der zu erz 3 wartenden Vortheile und zu befürchtenden Nachtheile im Ganzen, wie im Einzelnen, ohne die genaueste Berücksichti» gung auch des Zeitpunkts, der für ſeine Ausführung am ge: eignetsten ist, und endlich der Nothwendigkeit des Baues, kurz, sage ich, ohne Erwägung aller dieser Umstände gewiß nicht hervorgetreten sein würde; mit einem Project, dessen hohe Wichtigkeit eben sowohl von den Räthen der Krone, als auch von uns, den Vertretern des Volks, anerkannt werden muß, dessen Verantwortung aber auch eben so gut auf ihren, als auf unsern Schultern vor der Mit- und Nachwelt lasten wird, und vielleicht härter noch auf den Schultern der Erste: ren, da die Mitglieder der Regierung immer eher im Stande ſein werden, alle die Vortheile und Nachtheile, allen Nußen und allen Schaden, ebenso wie die Bestimmung der Zeit der Ausführung abzuwäg:n und zu beurtheilen, als jeder Einzelne von uns. Ich gestehe, daß diese Betrachtung allein schon und von vorneherein mich dem Entwurf der Regierung gün- stig hat stimmen müssen; ich bin aber auch mit der größten Aufmerksamkeit, mit reiflichster Ueberlegung, sowohl den Ber handlungen des Ausschusses, als auch der Discussion in ihren Gründen für und wider gefolgt, und jede hier gehörte Rede, Alles dasjenige, was ich über den Gegenstand gelesen habe, läßt mich in der Ansicht feststehen, daß das Großherzogthum Hessen sich nicht wird entziehen können, die fragliche Bahn aufzunehmen und fortzubauen. Meine Herren, ich glaube, wir können uns nicht den Staat Paraguay und seinen frühe ren Dictator Francia zum Muster nehmen, wir können uns nicht abschließen, und wenn wir es könnten, dürften wir es wollen, ohne zu gleicher Zeit auf diejenigen Vortheile zu verzichten, welche wir Alle zu schäßen und hochzuhalten gelernt haben? Das Großherzogthum bildet ebenfalls einen Theil des großen deutschen Vaterlandes und in engerer Beziehung des Zoll- vereins; die Maßregel aber, von der hier die Rede ist, ist nicht eine solche, welche von einem einzelnen dieser verbünde ten Staaten ausgeht, nein, sie ist die aufs reiflichste über: dachte Combination mehrerer, ja vieler derselben, zum Vors theile dieses gemeinsamen Vaterlandes überhaupt, zum direkten Vortheil des Zollvereins. Auch Niemand wird behaupten wollen, daß der endliche Beschluß über die Zeit der Ausfüh rung zu rasch, daß er vielleicht nicht mit der gehörigen Er fahrung und Ueberlegung gefaßt worden sei. Es sind Jahre vergangen, ſeit die Eisenbahnen in anderen Staaten bestehen, sie bestehen dort zum Vortheil, zum anerkannten Vortheil der Völker und der einzelnen Individuen, und wir, meine ! 4 1 1 } Herren, wir, die wir schon häufig und gewiß mit Recht auch in dieser Versamnilung die Einheit und die Einigkeit Deutsch- lands haben anpreisen hören, wir sollten hier versuchen, die: ſes Band zu lösen? Sollten wir uns ausscheiden wollen aus diesem Ganzen, dem anzugehören wir uns sicher zum Glück und zur Ehre rechnen? Ich glaube nicht, meine Herren, daß dies Ihre Absicht sein kann. - Angenommen aber auch, alle dieſe Gründe wären ohne Gehalt, so würde auch Derjenige sich sehr täuschen, welcher glaubt, daß in späterer Zeit, nach Jahren vielleicht, nachzuholen sein würde, was wir jeht ver- ſäumen. Ja, eine spätere Regierung, eine spätere Kammer, unsere Kinder oder Kindeskinder vielleicht, wenn Sie fo langjährige Erfahrungen anderer Länder verlangen, werden Eisenbahnen decretiren und bauen können; werden sie aber auch im Stande sein, den verlorenen Waarenzug ihrer Eisens bahn wieder zuzuwenden und werden sie dann wieder nach Belieben die Kräfte wecken können, die Sie jetzt zum Schlums mer verdammen? Ich glaube es nicht; ich glaube, daß ein Unternehmen dieser Art vorzugsweise dann nur glücken und einträglich gemacht werden kann, wenn der richtige Zeitpunkt, es auszuführen nicht versäumt wird. Nicht mit Unrecht hat man die Straßen in ihrer Zahl und Güte für den Maßſtab der Cultur und des Fortschrittes eines Landes angesehen, auch nicht mit Unrecht habe ich den Vergleich häufig machen hő- ren, das Straßen zu vergleichen seien den Adern des mensch- lichen Körpers, die dazu bestimmt sind, jedem einzelnen Gliede Kraft und Leben zuführen. Ich glaube, auch nicht mit Unrecht kann man die Eisenbahnen die wahren Arterien, die wirklichen Pulsadern unter den Venen nennen. Gewiß, ein richtiger Vergleich ist in dem Bericht des Ausschusses zu lesen, wo er die Schienenwege Ströme von Eisen nennt, und wir wollen dem Genie, dem menschlichen Erfindungsgeiste Glück wünschen, daß es ihm gelungen ist, durch Kunst da zu schaffen und zu ersehen, wo die Natur mit ihren Gaben gekargt hat! Wohl, meine Herren, erkenne auch ich die Größe des Opfers an, welches wir bringen müſſen, und das gewiß nicht unbedeutend ist; ich brauche Ihnen nicht die Summe zu nennen, welche zur Anlegung dieser Eisenbahn gefordert wird. Aber halten Sie denn die Summen für verloren, welche z. B. zu dem Bau einer Fabrik, zur Errichtung einer Saline, zur Betreibung eines Bergwerks verwendet werden? Und dennoch können Handelsconjuncturen die erstere ins Stocken bringen, die Sole der zweiten kann ausbleiben, die Erzadern des dritten können sich entweder veringern oder sie 1 5 können ganz verschwinden. Auch hier scheint mir es sich umi eine productive Anlage zu handeln, und endlich scheint mir auch in dem schlimmsten Falle, in dem Falle, daß diese An- stalt sich nicht rentbar erwiese, also vom Staate ein Zuſchuß geleistet werden müßte, dieser Zuschuß nicht von der Bedeu- tung und nicht von der Art, daß er die Kräfte des Landes in dem Maße überſtiege, um auf die Vortheile, die er uns darbietet, die er uns wenigstens in Aussicht läßt, verzichten zu wollen. Ich werde aus diesen Gründen für den Bau der Eisenbahn im Allgemeinen stimmen. Aber auch für die Ausführung derselben auf Staatskosten werde ich mich erklären. Ein Unternehmen von dieser Wichtigkeit. unberechenbar in seinen Fogen, ein Unternehmen von dieser pecus niären Bedeutung follte, glaube ich, fchen an und für sich nicht in die Hände von Privaten gelegt werden, ein Unters nehmen, was von dieser hohen commerziellen, was von dieser großen Bedeutung in strategisch militärischer Rücksicht ers scheint; auch dann sogar nicht, wenn die Wahrscheinlichkeit vorliegen würde, daß Privaten, daß Actien-Geſellſchaften im Stande sein würden, die erforderlichen pecuniären Mittel aufs zubringen; auch dann glaube ich, wird es nicht vortheilhaft sein, um so weniger aber da, wo sowohl die Staatsregierung daran gegründeten Zweifel ausgesprochen hat, als wo auch viele Stimmen, und zwar gewichtige Stimmen, in dieſer Kammer sich gegen diese Wahrscheinlichkeit erklärt haben. Unwahrscheinlich scheint es aber auch mir, und unwahrschein- lich namentlich in dem gegenwärtigen Augenblicke, in einem Augenblicke, wo das Bedürfniß nach baarem Gelde so groß ist, wo von so vielen Seiten die Kräfte der Kapitalisten in Anspruch genommen werden, wo es diesen so leicht ist, ihre Gelder ohne Risico zu verwerthen; in einem Augenblick, wo, wie Sie selbst sagen, der Erfolg mindestens ein ungewisser in dieser Art Speculation genannt werden muß. Sollten da diese Männer, die wirklich die Macht und den Willen haben, die Gelder dem Koffer zu entnehmen, denn von Unters ſchriften kann hier nicht mehr allein die Rede sein, diese ge- nügen nicht mehr, sollten diese Männer unter diesen Ums ständen es nicht vorziehen, gegen Garantie von Seiten des Staats ihre Gelder dem Staate darzuleihen, als sie, gegen, über einem ungewissen Vortheile, wie Sie selbst sagen, zu wagen? Einen Versuch dieser Art aber nach einmal über- nommener Verbindlichkeit zum Bau zu machen, scheint mir zweier Ursachen halber nicht räthlich; einmal, weil beim Fehl, schlagen des Versuchs wir schonungslos den Händen der Prot. z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. ". i } 6 1 Banquiers überliefert würden, anderseits, weil ein Versuch dieser Art immer für die Staatsregierung nicht die genügende Sicherheit darzubieten scheint in ihren Unterhandlungen mit fremden Staaten, und er also nothwendiger Weise den Ne gotiationen hinderlich in den Weg treten muß. Aber auch noch weitere Gründe giebt es, die mich zu dieser Ansicht be- stimmen. Ich hoffe zwar, und hoffe mit Zuversicht, daß das Unternehmen sich als ein rentbares ausweisen wird; nehmen Sie aber den unglücklichen entgegengesetzten Fall an, daß das Unternehmen an und für sich nicht rentbar wäre, oder daß durch unvorhergesehene Zufälle, allenfalls durch Krieg, oder irgend ein anderes Ereigniß, die gebauten Eisenbahnen einen großen Schaden erlitten, so glaube ich, ist nur die Gesammt- heit, nur der Staat selbst, vermögend, einem solchen Schlage, ohne gänzlichen Ruin, zu begegnen, während der Private das bei zu Grunde gegangen fein würde. Ist aber ein Schaden auch nur entfernt zu fürchten, dann halte ich es für groß- müthiger und billiger, daß die Gesammtheit einen solchen Schaden wage, als ihn dem Einzelnen aufzubürden. Eben so gut, wie die Gesammtheit im glücklichen Falle den Vor- theil zu ziehen berechtigt ist und den Vortheil davon ziehen foll, eben so gut, glaube ich auch, können wir uns für den möglicher Weise entstehenden Schaden haftbar erklären. s Zudem aber, meine Herren, haben wir gesehen, und sehen noch täglich, daß das allerdings vorzubehaltende Oberaufsichts recht nicht hinreicht, allen Schaden bei solchen Unternehmun: gen von dem Staate abzuwenden. Auch die Einrichtung der Brief und Fahrposten wurde wohl zu seiner Zeit nur aus dem Grunde einem muthigen Unternehmer übergeben, weil vielleicht damals man entweder sich vor Schaden fürchtete, vielleicht auch nicht über parate Geldmittel verfügen konnte, oder sonst aus irgend einem anderen Grunde; gewiß aber iſt es, daß man damals sowohl die Wichtigkeit, als auch die nach und nach sich ergebende Rentbarkeit dieser Anstalt weder er kannt, noch geahnt hat; hat man sie ja doch sogar in der neueren Zeit noch nicht nach ihrem wahren Werthe zu schäßen gewußt. Nun, meine Herren, was würden Sie darum ges ben, wenn wir im Stande wären, jezt den Postlehnsvertrag mit dem Fürsten von Thurn und Taxis aufzuheben? Was endlich die strategische Wichtigkeit der Eisenbahnen betrifft, so glaube ich, kann ich mich davon zu reden enthal ten. Es ist über diesen Gegenstand schon viel gesagt, und es ist gewiß mit allem Grund seine Wichtigkeit hervorgehoben worden. Über um Ihre Geduld nicht zu ermüden, übergehe ich ihn ganz. 3 1 Dies sind mit wenigen Worten die Gründe, welche mich für die geäußerten Ansichten des Ausschusses bezüglich der beiten Punkte, wovon hier die Rede ist, stimmen lassen werden. Der Abg. Glaubrech: Meine Herren, ich bin kein Freund von Rückschritten, ich bin eben so wenig ein Freund des Stillstands, sei es in materieller oder in geistiger Bezies hung; ich habe auch in dieser verehrlichen Versammlung schon oft genug meine Stimme für Beförderung des Handels und des Verkehrs erhoben, und ich bedarf daher bei Ihnen wohl keiner besonderen Versicherung oder Ausführung, wenn ich ers kläre, daß ich ebenfalls ein Freund der Eisenbahnen bin, in welchen ich jedenfalls ein bedeutendes Mittel zur Belebung und Beförderung des materiellen und geistigen Verkehrs ers blicke. Über dessen ungeachtet kann ich den vorliegenden Ge- sehesentwurf nicht mit Freude begrüßen, noch weniger dems ſelben in der Gestalt, wie er uns vorgelegt worden ist, meine Zustimmung geben, und ich hoffe, Sie werden dies nicht auf fallend finden, wenn Sie sich daran erinnern, daß selbst von denjenigen Rednern, welche gestern für den Gesetzesentwurf gesprochen haben, keiner mit der Freude von ihm gesprochen hat, wie man es wohl erwarten könnte, wenn derselbe wirks lich als eine Wohlthat für das Land zu betrachten wäre und wenn er uns wirklich nur eine freudige Zukunft darbieten würde. Denn Niemand von Ihnen kann verkennen, wie außerordentlich groß die Opfer sind, welche dem Lande angez sonnen werden, um die von den Eisenbahnen zu hoffenden Vortheile zu erzielen. Ja, Sie werden meine Erklärung noch weniger auffallend finden, wenn Sie sich erinnern, daß trok der großen Vortheile, welche die Majorität des Ausschusses als das Reſultat der Eisenbahnen für das Land geschildert hat, dennoch gestern der Herr Regierungscommissär selbst den vorliegenden Gefeßesentwurf,,eine traurige Nothwendigkeit" genannt hat, bemerken Sie wohl, meine Herren, diesen Ausdruck eine traurige Nothwendig. keit." Dies ist genug gesagt, um uns vor allen Illusionen zu bewahren; es ist genug gesagt, um uns auf das Ernsts lichste zu ermahnen, daß wir doch ja mit der größten Gewiß- senhaftigkeit Vortheile und Nachtheile gegen einander halten, daß wir doch ja auf das Gewissenhafteste prüfen sollen, ob jene Nothwendigkeit, welche der Herr Regierungskommissär selbst eine traurige" genannt hat, in dem jetzigen Au genblicke wirklich so dringend und eminent ist, daß wir sie nicht umgehen können, und ob dieses nicht geschehen kann, " " ** ક 3 ohne die Eisenbahnen selbst aufzugeben. Ich bin, wie ich schon vorhin gesagt habe, ein Freund der Eisenbahnen und wünsche, daß dieselben gebaut werden und ich will auch dafür meine Zustimmung geben, daß der Staat, in soweit es seine Kräfte erlauben, dazu beitragen soll; allein ich kann mich nicht dafür aussprechen, daß so außerordentlich große und unvers hältnißmäßige Opfer, wie sie der vorliegende Gesetzesentwurf fordert, so ohne Weiteres und ohne Noth in dem gegenwär tigen Augenblicke gebracht werden sollen. Es ist gestern freilich von dem Berichtserstatter gegen die von der Minorität des Ausschusses und von anderen Rednern bereits erhobene Bedenken erwidert worden: „Warten ist keine Weisheit; hüten wir uns wohl, daß wir die ges genwärtig sich uns darbietende Gelegenheit nicht vorüber ge- hen lassen, denn die Gelegenheit hat ein kahles Hinterhaupt, man muß sie beim Schopfe erfassen" Ob indessen die jetzige Gelegenheit wirklich eine solche ist, welche wir nicht vorüber gehen lassen dürfen, ohne große Gefahr und ohne uns einer bedeutenden Verantwortung von Seiten unserer Mitbürger auszusehen, wie dies vorhin der Abgeordnete Graf von Lehr- bach bemerkt hat, darauf werde ich später noch zurückkommen. Vorerst erwidere ich aber dem Berichtserstatter, daß sein Sah: ,,Warten ist keine Weisheit" in der Allgemeinheit, wie er ihn aufgestellt hat, durchaus unrichtig ist. Warten kann aller: dings in manchen Fällen keine Weisheit, aber Warten kann auch in vielen Fällen die allergrößte Weisheit sein. Ich ers innere mich noch recht gut aus meiner Jugend, in der gries chischen Geschichte gelesen zu haben, daß in dem Thebanischen Kriege der Commandant der Burg Theben, der Spartaner Archias, an dem Abend vor der Nacht, in welcher die Ver- schwörung der Thebaner ausbrach, einen Brief erhielt, worin ihm das ganze Complott der Verschwornen enthüllt wurde, daß derselbe aber, weil er sich gerade in einer fröhlichen Ge- fellschaft befand, den Brief, der ihm mit dem ausdrücklichen Ersuchen übergeben wurde, ihn ja gleich zu lesen, weil er sehr wichtige Dinge enthalte, mit dem Bemerken: „Ernsthafte Dinge für morgen" bei Seite legte. In diesem Falle war das Warten allerdings keine Weisheit, denn es hat den Spar- tanern die Thebanische Burg, welche in jener Nacht genoms men wurde, und, wenn ich nicht irre, auch jenem Komman- danten das Leben gekostet. Aber ich könnte Ihnen auch ums gekehrt eine unendliche Menge von Beispielen aus der Ge schichte aller Zeiten anführen, in denen Warten die allergrößte Weisheit war. Der berühmte Römer Quintus Fabius Maris J ! 1 ! 9 mus hat die größte Weisheit dadurch bewiesen, daß er zur gehörigen Zeit zu warten verstanden hat, denn durch sein Warten hat er Rom vor den Karthaginiensern geschüßt und Hannibal aus Italien vertrieben. Ebenso hat in einer an- deren Epoche Marius sein Vaterland von den Cimbern und Teutonen gerettet, daß er mit einer Hauptschlacht so lange gewartet, bis das römische Heer sich an den Anblick jener Völker gewöhnt hatte. In dem siebenjährigen Kriege hat der östreichische Feldmarschall Daun eine große Schlacht, wenn ich nicht irre, jene bei Kollin, durch sein Zögern gewonnen; und für Napoleon würde es die größte Weisheit gewesen sein, wenn er im Jahr 1812 den Rath, welcher ihm damals gegeben worden war, seine Winterquartiere in den polnischen. Provinzen zu beziehen und mit dem Eindringen in das Ins nere von Rußland bis zum nächsten Frühjahr zu warten, be- folgt hätte Hätte Napoleon damals zu warten verstanden, so würde Europa höchst wahrscheinlich jetzt eine ganz andere Gestalt haben und wir würden schwerlich hier beisammen figen, um über die Eisenbahnen zu berathen. Wenn ich end- lich die Geschichte der Eisenbahnen in unserem Großherzogs thum hier durchgehen wollte, so könnte ich Ihnen gar manche Thatsache anführen, hinsichtlich deren das Warten weise ge= wesen wäre, und auch manche andere, hinsichtlich deren es weise gewesen wäre, nicht zu warten. Da ich indessen we- der aigriren, noch verlegen möchte, so will ich mich der Auffüh rung aller solcher Fälle enthalten und mich nur auf die einzige Bemerkung beschränken, daß man es heute gewiß allgemein als gut und weise ansehen würde, wenn mit der Concession, welche die Eisenbahn auf dem rechten Ufer des Mains ges stattete, bis heute gewartet worden wäre; denn heute ist doch ziemlich allgemein anerkannt, daß nur eine Eisenbahn auf dem linken Ufer des Mains im wahren Interesse unseres Staats sein würde, und wenn, wie wir doch wohl allen Grund zu hoffen haben, in Zukunft die Eisenbahnen von Heidelberg über Darmstadt nach Mainz, sowie nach Offenbach resp. Frankfurt ausgeführt werden, so ist es klar, daß es besser wäre, wenn die Concession für die Taunuseisenbahn niemals ertheilt worden wäre, da wir in dieser den gefährlichsten Cons currenten haben und schon jetzt dasjenige, was man in Be: zug auf Bieberich vor der Concessionirung der Taunuseifen- bahn vorausgesagt hat, sich theilweise bewährt, indem schon jeht Bieberich einen Stapel erhalten hat, und man alle Tage in den Zeitungen die Vortheile lesen kann, welche denjenigen angeboten werden, die in Bieberich auf die Dampfbote ges 1 10 hen oder von da Waaren und Effecten auf die Dampfbote bringen. Ich sage also wiederholt, daß der Sah, welchen der Herr Berichtserstatter so allgemein aufgestellt und auf welchen er ein so großes Gewicht gelegt hat, der Sah:,, Warten ist keine Weisheit" durchaus unrichtig ist. Dagegen behaupte ich, es ist keine Weisheit, in eine Tiefe zu springen, die man vors her noch nicht ergründet hat; es ist keine Weisheit, ſein Ver- mögen auf den Pharaotisch zu sehen, und es ist keine Weis- heit, selbst einen sicheren Vortheil mit unverhältnißmäßigen Opfern zu bezahlen. Was würden Sie dazu sagen, wenn ein Privatmann, blos um einen geringen Vortheil zu erwer ben, oder um eine nicht bedeutende Annehmlichkeit sich zu verschaffen, sein ganzes Vermögen aufs Spiel sehte? Wür- den Sie nicht sagen, daß dieser Mann leichtsinnig und un verantwortlich handele? Wäre es nun aber nicht weit schlimmer, wenn wir auf solche Weise mit den Interessen des Staates verfahren, und, um einige Vortheile zu erlangen, das Ges sammtwohl des Staats und das Vermögen unserer Mitbürs ger aufs Spiel sehen würden? Nein, meine Herren, War- ten ist hier Weisheit. Lassen Sie uns wenigstens so lange warten, bis wir mit der erforderlichen Vorsicht die Sache ge hörig geprüft haben, denn Vorsicht ist die Mutter der Weis. heit, und der so wichtige Gegenstand, welcher uns heute vor liegt, ist, wenigstens nach meiner Ansicht, noch keineswegs so approfondirt und vorbereitet, wie er es sein sollte. Hüten wir uns daher ſehr, durch glänzende Systeme oder Darstel- lungen uns hinreißen oder gar durch den blinden Ruf der Menge uns bewegen zu lassen, der mich wenigstens hier nicht bestimmen wird, denn ich habe Erfahrungen genug gemacht, um mich zu überzeugen, wie sehr die Sucht nach Eisenbah- nen zu Uebertreibungen geführt hat und wie nothwendig es gerade in dieser Materie ist, Kälte und Ruhe den glänzend- ſten Systemen entgegen zu sehen. Denn in der That hört man fast durchgängig nur noch die Glanzseite der Eisenbahnen hervorheben, und der Wunsch nach denselben ist eine wahre Manie geworden. Gehen Sie z. B. nur hier in Darmstadt irgendwo in Gesellschaft, so ist die Frage der Eisenbahnen der erste Gegenstand der Unterhaltung, und wer Einwände dagegen erhebt, und wohl gar von den vielen Millionen spricht, die dazu erforderlich sind, und Zweifel äußert, daß das Land sie aufzubringen im Stande sei, der kann sich mit- unter selbst auf eine verdrüßliche Untwort gefaßt machen, als wenn an diesen Millionen gar nichts gelegen wäre; und man 1 ; 11 follte manchmal beinahe glauben, daß die hessischen Zehngul denstücke wie Kirschen an den Bäumen wüchsen und man nur zu schütteln brauchte, um die Goldstücke herabfallen zu machen. Unter solchen Verhältnissen wird man freilich an Ruhe und Beſonnenheit erinnert. Meine Herren, laſſen Sie uns einmal ruhig prüfen, von was es sich in diesem Augenblick handelt. Wir sollen ein Unternehmen zur Ausführung bringen, von welchem uns die Staatsregierung selbst sagt, daß es neun Millionen Gulden kosten werde, das aber in der Wirklichkeit gewiß noch viel mehr kosten wird. Ich wenigstens bin überzeugt, daß, wenn wir eine Eisenbahn von der kurhessischen Gränze durch die Provinzen Oberhessen und Starkenburg bis an die badische Gränze ausführen, dieselbe nicht neun, sondern fünfzehn Millionen Gulden kosten wird; die Erfahrung wird es beſtätigen und sie bestätiget es heute im Hinblick auf diejenigen Bahnen, welche bereits gebaut worden sind. Nun aber haben zwanzig Kriegsjahre bekanntlich dem Großherzogthum eine Staatsschuld von 12,000,000 fl. veranlaßt, und wir wissen Ulle, wie sehr das Land seiner Zeit unter der Last dieser Staatsschuld geseufzt hat. Wir haben seitdem beinahe dreißig Friedensjahre gehabt und in diesen dreißig Friedensjahren ist es uns mit aller Mühe und Anstrengung nur gelungen, die Staatsschuld auf ohngefähr sechs Millionen zu reduciren, wir haben also in dreißig Friedensjahren nur ein Kapital von sechs Millionen abgetragen, und zwar mit Hülfe der Veräußerung eines be- deutenden Theils von Domänen. Dabei haben wir aber wie- der für den Bau der Chauffeen zum Contrahiren neuer Schul- den uns veranlaßt gesehen, die sich bei Vollendung der Chauffeen auf ohngefähr vier Millionen belaufen können, so daß also unsere gesammte Staatsschuld mit Inbegriff der Un lehen für den Bau der Chauffeen sich wieder auf ohngefähr zehn Millionen belaufen wird. Rechnen wir nun noch fünf. zehn Millionen Schulden für die Eisenbahnen hinzu, so würs den wir eine Staatsschuld von 25 Millionen Gulden erhalten, was zu 4 pCt. berechnet einen jährlichen Zinsenaufwand von einer Million erfordern würde. . Wie sollen nun aber diese fünfundzwanzig Millionen Gul den, eine Schuld, die mehr als das Doppelte derjenigen Schuldenmasse betragen würde, die uns 20 Kriegsjahre ver anlaßt haben, wieder gedeckt werden? Und was soll gar ge: schehen, wenn wir unglücklicher Weise nun auch noch einen Krieg bekommen sollten? Man wird mir vielleicht antwor ten: Wenn der Himmel einfällt, so sind wir Ule todt! . 12 - Aber ich erwievere hierauf: der Himmel wird nicht einfallen, aber der Krieg wird kommen, früher oder später. Dieß ist jedenfalls eine Zukunft, welche die Geschichte verbürgt. Oder glauben Sie, daß es ewig Frieden bleiben wird? Was soll nun, so frage ich wiederholt, im Falle des Kriegs ein so klei nes Land, wie unser Großherzogthum, thun, um die Lasten des Kriegs zu bestreiten, wenn es bereits 25 Millionen Gul- den Schulden hat? Der Krieg erfordert neue und große Opfer, wie sollen diese aufgebracht werden? Ich gestehe, daß es mir schwindelt, wenn ich daran denke, und ich halte es daher für eine heilige Pflicht, meine Stimme gegen den vorliegens den Geschesvorschlag zu erheben, und ich glaube, daß unsere Mitbürger, ja daß unsere Kinder und Enkel uns einst noch die größten Vorwürfe machen werden, wenn wir sofort ohne Noth den kostspieligen Bau unternehmen, und uns so nicht nur im Frieden eine ungeheure Schuldenlaft aufbürden, ſon: dern auch noch für den Fall eines Kriegs in eine wirklich hülflose Lage versehen. Dabei habe ich nun aber noch nicht einmal in Anschlag gebracht, wie leicht im Falle eines Kriegs die Eisenbahn selbst, sei es von Feind oder Freund, zer, stört werden kann. Denn ist es nicht eine der ersten Re- geln im Kriege, dem Feinde die Communicationsmittel zu zers ftören? Ein einziges ungünstiges Treffen kann nun aber die Veranlassung sein, daß unsere Truppen sich zurückziehen, und werden diese alsdann dem Feinde die Eisenbahn lassen? Sollte dieses nun aber auch sogar geschehen und der Feind sich wie- der zurückziehen müssen, wer kann daran zweifeln, daß der. selbe alsdann unsere Eisenbahn zerstören würde! Dann hätten wir aber auch sogar noch unser Kapital verloren, und wer würde uns die Mittel geben, abermals so viele Millionen zum Neubaue zu verwenden! Große Reiche haben große Hülfsquellen und fehlt es ihnen auch augenblicklich an Mitteln, so haben sie jedenfalls großen Credit und sind leicht im Stande, außerordentliche Unglücks, fälle wieder gut zu machen; aber ein kleines Land iſt nicht im Stande, dasselbe zu thun und kann nicht mit großen Staaten verglichen werden. Zwar hat uns geſtern der Üb- geordnete Aull gesagt, daß unsere ganze Staatsschuld noch gar nichts heißen wolle im Verhältniß gegen die Staatsschuld von Frankreich, und daß wir daher immerhin die neue Schuld für die Eisenbahn ohne Weiteres creiren könnten, zumal im Hinblick auf Frankreich, das troß seiner enormen Staats, schuld wieder so außerordentliche Ausgaben für die Eisenbah- nen mache. Allein je süßer und angenehmer dieſe Worte • 13 . I auch für unsere Finanzmänner lauten mögen, um ſo gefähr: licher erscheinen sie mir, und um so mehr sehe ich mich daher veranlaßt, unserem verehrten Collegen Aull, wie ungern ich es auch thue, zu widersprechen. Ich bin nämlich der Ansicht, daß die Finanzen von Frankreich für uns weder Unhaltspunct, noch Beispiel sein können. Wie leichtsinnig die Franzosen von jeher im Contrahiren von Staatsschulden waren, ist be kannt. Die Geschichte hat uns aber auch schon zweimal ge zeigt, wohin dieses System Frankreich gebracht hat. Unter Ludwigs XIV. war die französische Staatsschuld auf mehr als zwei Milliarden angewachsen. Was war die Folge davon? Die Folge davon war, daß es unter der Regentschaft des Herzogs von Orleans, während der Minderjährigkeit Lud- wig XV. zum förmlichen Staatsbanquerott kam und Hundert- tausende von Familien an den Bettelstab gebracht wurden. Diese erste Katastrophe hatte indessen die Franzosen nicht klüger gemacht. Es wurde wieder von vorne angefangen und bald stieg die Staatsschuld Frankreichs wieder auf eine ganz außers ordentliche Höhe. Was war die Folge dieser abermaligen enormen Steigerung? Die Folge war die französische Revo- lution. Lassen Sie nun Frankreich in derselben Progression fortfahren, wie dieses in neuerer Zeit geschehen, so wird die Zukunft lehren, wohin abermals das jezige System führen wird, ob zum Staatsbanquerott oder zur Revolution; denn für Frankreich kann dieses unmöglich zum Guten führen. Ich habe erst noch dieser Tage in einem öffentlichen Blatte gele sen, der größte Vortheil der jetzigen französischen Zustände für Deutschland sei der, daß Frankreich gegenwärtig so viel für Eisenbahnen thue, daß es auf lange Jahre für uns un schädlich werde, indem es durch seine enormen Bewilligungen für Eisenbahnen auf lange Zeit außer Stand gesetzt werde, einen Krieg zu unternehmen. Aber dem sei, wie ihm wolle, für uns Deutsche kann jedenfalls der Finanzhaushalt Frankreichs nicht zum Muster dienen und wir in Deutschland werden hoffentlich niemals jenen Weg betreten wollen. Ich glaube daher nach wie vor, daß die Opfer, welche durch den vorliegenden Gefeßesentwurf uns angesonnen werden, für die Kräfte unseres Landes viel zu hoch sind. Man schildert uns zwar, um zu dieſen bedeutenden Opfern uns zu bestimmen und um unsere Bedenklichkeiten zu heben, die Bortheile der Eisenbahnen auf die glänzendste Weise und és hat namentlich der Abgeordnete Hügel gestern in seiner Rede von der Tribune diese Vortheile schön und ausführlich, 14 } i ja so ausführlich zusammen gestellt, daß derselbe wohl schwerlich einen Moment, der sich zu Gunsten der Eisenbahnen anführen. läßt, vergessen hat. Indessen möchte ich doch hierbei darauf aufs merksam machen, daß der Abgeordnete Hügel, indem er das Thema der Eisenbahnen im Allgemeinen behandelt hat, die Sache mehr von dem kosmopolitischen oder wenigstens von einem europäischen Standpunkte, als von dem Hessischen Standpunkte betrachtet hat. Es ist ohne Zweifel ein sehr schönes Bild, wenn wir uns ganz Europa mit Eisenbahnen. durchschnitten denken, wenn wir unsern ganzen Welttheil ge= wissermaßen als einen Staat und alle feine Völkerschaften als eine Familie denken, welche durch Eisenbahnen vom Nor- den bis zum Süden mit einander verbunden und bei welchem Handel und Verkehr, Künste und Wissenschaffen zur größten Blüthe gebracht werden. Allein wenn wir von dieser großen Idee eines einzigen Staates absehen, wenn wir bedenken, daß es so viele Staaten giebt und jeder seine eigenen Intes reffen hat, und wenn wir nun die Sache aus dem Hessischen Gesichtspunkte betrachten und erwägen, daß möglicher Weise die aus den Eisenbahnen erwachsenden Vortheile nicht uns, sondern unsern Nachbarn zu statten kommen, denn Sie werden mir doch zugeben, daß bei Einführung des Eisenbah: nensystems einzelne Länder oder Provinzen zum Vortheile des Ganzen oder der größeren Staaten sehr Noth leiden können so werden wir uns gewiß um so mehr aufgefordert fühlen, in eine reifliche Untersuchung der Frage einzugehen, ob für. unser Land der erwachsende Nußen den Opfern entsprechen wird, sowie ob unser Land vermögend genug ist, um die geforderten Opfer zu bringen. Man hat ferner auch von der Wichtigkeit des strategischen Gesichtspunctes gesprochen und uns gesagt, daß wir im In- teresse der Vertheidigung des Vaterlandes zum Bau der Ei, fenbahn, namentlich jener durch Oberhessen verbunden seien. Ich bin weit davon entfernt, zu bestreiten, daß wir zur Vers theidigung des deutschen Vaterlandes das Unsrige beizutragen verbunden sind. Allein wenn die Vertheidigung des gesamms ten Vaterlandes die Erbauung einer großen Eisenbahn in strategischer Beziehung von Kassel über Gießen nach Frank, furt erfordert, so muß ich mir wohl die Frage erlauben, was rum sollen denn wir auf unsere alleinige Kosten diese strate- gisch erforderliche Eisenbahn erbauen? Wie kann man un- ferem kleinen Lande allein diese bedeutende Last aufbürden und von uns begehren, daß wir das Großherzogthum in eine } 15 Schuldenlast von neun bis zehn Millionen stürzen sollen, im Interesse des gesammten deutschen Bundes? Ich kann un- möglich glauben, daß der hohe deutsche Bund ein solches Bes gehren an die Großherzoglich Hessische Regierung stellen, noch weniger, daß derselbe beschließen werde, daß das Großher- zogthum Hessen vorzugsweise oder gar allein diese wichtige und kostspielige Vertheidigungsmaßregel für die Gesammtheit übernehmen und zur Ausführung bringen müsse. Die Sache ist wirklich in jeder Beziehung im höchsten Grade bedenklich, denn es ist ein ungeheures Opfer, welches uns angesonnen wird, und es handelt sich von einer enormen Schuldenlast, die wir uns aufladen sollen. Man hat zwar behauptet, daß unsere Eisenbahnen, na: mentlich jene burch Oberheffen, sich gut rentiren würden; als lein ich muß dieses sehr bezweifeln, wenn ich einen Blick auf die Erträge anderer Eisenbahnen werfe, und ich muß nament lich auch bezüglich der oberhessischen Eisenbahn, von welcher man einen so hohen Ertrag prophezeit, diese Behauptung bes streiten. Ich habe die belgischen Eisenbahnen gesehen, ich weiß, welcher ungeheure Verkehr auf den belgischen Eisene bahnen ist, ich weiß auch, daß wenn man auf der Eisenbahn Belgien durchreift, man alle fünf bis sechs Stunden in große Städte von 50, 60, 80-100,000 Seelen und mehr kommt, indem das ganze Land mit großen Handels- und Fabrikstädten bedeckt ist. Demohngeachtet ertragen bekanntlich die Eisen- bahnen dieses Landes, welches eines der bevölkertsten Länder von ganz Europa ist, troß seines ungeheuren Verkehrs nicht mehr als 3 Procent. Nun frage ich Sie, wo föllen denn bei der Bahn durch Oberhessen 4 oder 5 Procent Zinsen herkom, men, bei einer Bahn, welche von Bilbel bis Lollar wenig stens 13 Stunden hat und in dieser Richtung nicht etwa, wie die Belgischen Bahnen, alle vier oder fünf Stunden eine große Stadt berührt, sondern in der ganzen Länge von drei- zehn Stunden nur einige kleine Städte und Städtchen, näm lich Gießen, Buhbach und Friedberg, und einige Dörfer zählt, welche zusammen genommen in ihrem Totalbetrage kaum eine Bevölkerung von 20,000 Seelen haben! Ich frage Sie, wie können wir annehmen, daß der Ertrag dieser Eisenbahn höher sein soll, als jener der Belgischen? Man wird mir freilich sagen, die große Masse der Reisenden, die aus dem Norden kommen, würde die Verzinsung dieser Bahn sichern. Aber selbst abgesehen davon, daß nicht alle Reisenden aus dem Norden dieſe Bahn benußen, daß viele Reiſende auch durch Westphalen nach Köln gehen werden, so ist es auch 16 1 eine bekannte Thatsache, daß die Haupterträge derjenigers Bahnen, welche sich bis jeht am besten rentirt haben, nicht etwa durch die Fremden, welche aus der Ferne kommen, son- dern hauptsächlich durch den vermehrten Verkehr der in der Nähe gelegenen und stark bevölkerten Städte geliefert werden, wie Sie dies namentlich bei der Taunuseisenbahn bestätigt finden können, deren Haupteinnahme nicht etwa die Fremden, sonderng hauptsächlich die Bevölkerungen der drei Städte Mainz, Frankfurt und Wiesbaden liefern, die zusammen wohl 130,000 Seelen betragen und auf einem kleinen Rayon bei: ſammen wohnen und deren täglicher Verkehr durch die erleich, terte Communication außerordentlich gesteigert worden ist. Deswegen wiederhole ich, daß die Frage der Rentirung der oberhessischen Bahn nicht nur sehr problematisch, sondern selbst sehr unwahrscheinlich ist. Was wird nun aber die Folge eines ſolchen Reſultates sein? Die Folge davon wird sein, daß unsere bisherigen Steuern nicht mehr ausreichen werden, um die so bedeutend gesteigerten Bedürfnisse zu befriedigen, und daß wir daher, wenn wir die Grundsteuer nicht mehr erhöhen wollen, was wir doch nicht thun können, wenn wir nicht die Grundeigenthümer ganz und gar mit Steuern erdrücken wollen, nothwendig zu andern neuen Steuern unsere Zuflucht nehmen und somit, wie gestern bereits der Abgeordnete Frank von Reddighausen angedeutet hat, Einkommens, Gehalts und Klassensteuern einführen müssen, welche Erscheinung wir in anderen Ländern, wie namentlich in England, sehen. Zu folchen außerordentlichen Berwickelungen aber Veranlassung zu geben und unser Land solchem außerordentlichen Risico und solchen Gefahren auszusetzen, ja unser Land gewissermas Ben blindlings hinein zu stürzen, diese Berantwortung möchte ich nicht übernehmen. Ich habe gesagt, daß wir gewisser, maßen blindlings unser Land in große Gefahr stürzen wür den, und ich wiederhole dies, denn es scheint mir in der That der vorliegende Gesetzesentwurf bis jetzt noch in keiner Beziehung gehörig vorbereitet. Wir haben bis jest über Nichts genauere Ueberschläge; wir haben noch nicht einmal eine nähere Bestimmung der Direction der Eisenbahnen, welche man bauen will; wir wissen noch nicht, wo Bahnhöfe und wo Stationsplähe errichtet werden sollen, wir haben eben fo wenig Ueberschläge, wie sie gebaut werden und was sie ko. ften sollen. Erinnern Sie sich, meine Herren, wie lange wir erst neulich über die Bewilligung von 60,000 fl. für ein neues Anatomiegebäude in Gießen gestritten haben? Diese Frage hat die Kammer nicht weniger, als zwei ganze Si ! 17 Hungen beschäftigt, obschon wir die genauesten Ueberschläge, Plane und Berechnungen vorliegen gehabt haben. Und heute fagt man uns nicht einmal, wie viel Bahnhöfe errichtet wer den sollen, noch weniger wo und wife dieselben gebaut wers den sollen, noch hat man uns Voranschläge über die Kosten derselben gegeben. Ich gehe weiter und erlaube mir die Frage: haben Sie etwas über die Anhaltspunkte hinsichtlich der Tarife gehört? Denn bei einem Projecte, welches in unseren aanzen Finanz, haushalt so tief eingreift, wo so ungeheuere Kapitalien ver ausgabt und wieder gedeckt werden sollen, da dürften die Stände doch wenigstens über die Anhaltspunkte für die Tarife zu hören und ihnen entsprechende Mittheilungen zu machen. fein. Wie ist ferner das Verhältniß mit der Post? Auch hierüber haben Sie kein Wort vernommen. Will man der Post einen Anspruch auf Entschädigung zugestehen oder nicht? Darüber haben wir nichts gehört. Alle diese Punkte sind aber gewiß von der höchsten Wichtigkeit. Die Staatsregierung hat nicht einmal in dem Gesetzesentwurf einen bestimmten Credit bewilligt, sei es, wie der Abgeordnete Städel in seiner ges strigen Rede von der Tribune vorgeschlagen hat, einen einst- weiligen Credit für diese Finanzperiode, etwa von 2 Millios nen, sei es einen bestimmten für das ganze Unternehmen; sie hat nur beiläufig in den Motiven des Gesetzesentwurfs ge- sagt, daß die Eisenbahn ohngefähr neun Millionen kosten werde. Sie verlangt also ohne irgend eine nähere Präcision einen ungemessenen, unbestimmten Credit. Wenn wir aber diesen mit dem Gesetzesentwurf so geradezu bewilligen, so geben wir die ganze hochwichtige Sache geradezu in die Hände der Regierung, ohne daß wir selbst über einen Punkt näher im Klaren wären. Unter solchen Umständen aber muß ich wiederholt erklären, daß ich den Gegenstand noch nicht ge- hörig vorbereitet halte und daß ich daher dem Gesetze in der Weise, wie es uns vorliegt, meine Zustimmung nicht geben Fann. Der Berichtserstatter hat uns zwar gewarnt, daß wir nicht handeln möchten, wie der Bauer, welcher an dem Fluß ſtehen blieb, um zu warten, bis die Strömung sich verlaufen haben würde, und hat uns vor der Gefahr gewarnt, die wir liefen, wenn wir die definitive Entscheidung über die Eisens bahnen noch verschieben würden. Allein wo ist denn die Ges fahr, welche uns droht, wenn wir selbst ein und zwei Jahre noch mit dem Baue der Eisenbahnen warten? Haben wir etwa zu besorgen, daß im Auslande von einer anderen Seite ; 18 : 1 eine Eisenbahn von Frankfurt nach der Badischen Grenze errichtet und die Provinz Starkenburg umgangen werden. würde? Ich wüßte wirklich nicht, wie dieses geschehen könnte. Außer unserer Wasserstraße auf dem Rheine, welche bereits besteht und auch ferner bestehen wird, wüßte ich keine Linie, welche mit der, von der Staatsregierung beabsichtigten Eisen: bahnlinie durch Starkenburg concurriren könnte. Uber man sagt, daß statt der von der Staatsregierung projectirten Eisenbahn durch die Provinz Oberhessen, wenn wir diese nicht sofort bauten, sehr leicht eine Bahn über Fulda gebaut werden könnte, daß Kurhessen sich beeilen. werde, dieses zu thun. Allein ich bin überzeugt, daß Kur- hessen dieses nicht thun wird und daß wir den Bau einer Bahn in dieser Linie durchaus nicht zu befürchten haben, und zwar schon darum, weil nicht nur Kurhessen selbst eine Bahn über Kassel will, sondern weil es auch, wenn gleich uns solches nicht officiell mitgetheilt worden ist, doch so ziemlich allgemein bekannt ist, daß man von Seiten der deutschen Großmächte die Bahn von Kassel durch die Provinz Ober- hessen nach Frankfurt und Mainz als eine in militäriſch-ſtra- tegischer Beziehung nothwendige Bahn erkannt hat, und mit hin auch wohl kein Zweifel entstehen kann, daß diese Bahn gebaut werden muß. Steht aber dieses einmal fest, so kön- nen wir überzeugt sein, daß wenn unsere finanziellen Inter- essen den Bau der oberhessischen Bahn uns nicht auf unsere Kosten gestatten, jedenfalls der deutsche Bund dieselbe auf gemeinschaftliche Kosten erbauen laſſen wird, und das brauche ich wohl nicht besonders zu erwähnen, daß es besser sein dürfte, wenn unser Land nur seinen verhältnißmäßigen An- theil dazu beiträgt, als wenn wir die ganze Last allein auf uns nehmen. Auch Frankfurt kann nicht zugeben, daß es vom Norden abgeschnitten werde; es kann weder auf seine bisherigen com merziellen Beziehungen mit den Handelsplähen des Nordens, noch auf die großen Vortheile, welche ihm als Handelsstadt die Eisenbahn nach dem Norden darbietet, verzichten. Denn das wird gewiß Niemand bestreiten, daß Frankfurt jedenfalls den größten Vortheil, und größeren Vortheil, als wir selbst, aus der Eisenbahn durch Oberheffen ziehen wird. Nun könnte zwar Frankfurt sich allerdings auch versucht fühlen, die Eisen. bahn über Fulda zu führen, allein sobald der deutsche Bund sich gegen diese Richtung ausspricht und Kurhessen seine Ein: willigung versagt, so bleibt auch für Frankfurt nichts übrig, 19 Sv als die Bahn durch die Provinz Oberheffen zu bauen sehen wir also gleiches Interesse für die Errichtung der ober- hessischen Bahn eines Theils von Seiten des deutschen Bun- des in militäriſch - ſtrategiſcher Beziehung, anderen Theils auf Seiten Frankfurts im Intereffe der Erhaltung und Vermeh- rung seiner commerziellen Beziehungen. Warum sollen wir nun aber unter diefen Verhältnissen, nach welchen__ andere Regierungen, die besser, wie wir, im Stande sind, so große Geldopfer zu bringen, die nicht etwa ein gleiches, sondern sogar ein noch größeres Interesse an der fraglichen Eisenbahn haben, uns beeilen, diese kostspielige Bahn sofort auf unsere allei, nige Kosten zu bauen? Was kann es, so frage ich, unter diesen Umständen schaden, wenn wir noch warten, wenn wir die Sache in dem Sinne, wie ich vorhin angedeutet, vorerst näher untersuchen und vorbereiten, und zugleich mit den an: deren betheiligten Staaten darüber unterhandeln ? Nein, meine Herren, Warten ist hier Weisheit, und Warten kann hier das Land vor ungeheuren Opfern, vielleicht vor seinem Ruin bes wahren. Dies ist meine innige Ueberzeugung. Was nun noch insbesondere die Frage betrifft, ob es zweckmäßiger sei, den Bau der Eisenbahnen Privatgesellschaf ten zu überlassen, oder denselben auf Staatskosten auszufüh- ren? so kann ich mich nur für die erste Alternative, nämlich dafür erklären, daß man Privatgesellschaften zum Baue der Eisenbahnen concessioniren soll. Man Es wird dieses zwar heute von mehreren Seiten als un zweckmäßig bestritten, allein ich habe bis jeht in der That auch nicht einen einzigen, nur einigermaßen erheblichen Grund gegen den Bau durch Privatgesellschaften vernommen. hat gesagt, man könne die Eisenbahnen nicht der Will- führ von Privaten" überlassen. Aber worin besteht denn die Willkühr der concessionirten Eisenbahn Gesellschaften in Deutschland. Welche Willkühr haben die Eisenbahn - Gesell- schaften in Destreich. Preußen, Baiern, die Taunuseisen- bahngesellschaft u. f. w.? Können alle diese Gesellschaften irgend etwas thun, was die Staatsregierung ihnen entweder nicht vorgeschrieben, oder nicht gestattet hat? Stehen sie nicht alle unter der unmittelbaren Aufsicht der Regierung, und haben die Regierungen sie nicht ganz in der Hand? Gewiß, bei der Art und Weise, wie die Privatgesellschaften in Deutschland beaufsichtigt werden, ist es in jeder Beziehung und ganz bes sonders in finanzieller Hinsicht besser, diese die Eisenbahnen. bauen zu laſſen, als durch den Bau auf Staatskosten die 20 Budgets zu überladen und ungeheuere Schulden zu contras hiren. Man hat auch, wenn ich richtig verstanden habe, noch gesagt, daß die Vortheile der Eisenbahnen allen Klassen der bürgerlichen Gesellschaft zu Statten kommen müssen, allein ich glaube, daß dieser Zweck ebenso gut erreicht wird, wenn die Eisenbahnen durch Privatgesellschaften erbaut, als wenn sie vom Staate ausgeführt werden. Blicken wir um uns, meine Herren, so finden wir über- dies, daß die Post, welche doch gewiß ein sehr wichtiges In stitut ist, sich bis auf den heutigen Tag im Besitz eines Pris vatmannes, nämlich des Herrn Fürsten von Thurn und Laris, dem sie als Erbleihe übertragen worden ist, befindet; wir sehen ferner die Dampfschifffahrt, welche doch gewiß ebenso wichtig, wie die Eisenbahnen, ist, ebenfalls im Besitze von Privatgesellschaften; wir sehen endlich die meisten bisher erbauten deutschen Eisenbahnen im Besitze von Privaten. Wir sehen dies in Destreich, Preußen und bei der Taunus: eisenbahn; man kann daher sicherlich auch die Concession zu den in Frage stehenden Bahnen durch das Großherzogthum an Privatgesellschaften ertheilen. Ohnedies wird man wohl den längst anerkannten Sah nicht bestreiten, daß Privatge- sellschaften der Regel nach stets wohlfeiler bauen und admi- nistriren, als der Staat, und ich kann mich in dieser Hin- sicht namentlich auf Belgien beziehen, wo die Eisenbahnen. unter der Selbstadministration des Staates stehen, und wo dieselben, obgleich sie ohne Zweifel die frequentesten Bahnen find, doch nur 3 pCt. ertragen. Man hat freilich auch noch gesagt, es sei keine Aussicht vorhanden, daß sich Privatgesellschaften zum Baue der Eisen- bahnen melden würden. Indessen hatte sich doch bekanntlich bereits eine Gesellschaft gebildet, welche von Frankfurt nach der Badischen Grenze bauen wollte, und welche auch schon gebaut hätte, wenn ihr nur die betreffenden Staatsregierun gen 3 pCt. Zinsen und 1 pCt. Tilgungsfond garantirt und ihr überhaupt die nöthige Unterstühung gewährt hätten. Wer kann nun aber heute in Abrede stellen, daß es viel besser ge= wesen wäre, wenn man dieser Gesellschaft selbst jene gefor derte Garantie geleistet hätte, als daß wir jeht auf Staats: kosten bauen sollen! Uebrigens muß ich auch Denjenigen wi- dersprechen, welche behaupten, daß sich in Zukunft keine Pris vatgesellschaften mehr melden würden. Eben so gut, wie tag täglich an anderen Orten solche Privatunternehmen begonnen werden, eben so gut wird es auch Privatunternehmer für die 21 Eisenbahnen in unserem Lande geben, und ich bin fest übers zeugt, daß wenn morgen der Frankfurter Handelsstand ers fährt, daß wir nicht auf Staatskoßen bauen wollen, sich eine Privatgesellschaft in Frankfurt, namentlich zum Baue von Frankfurt durch Oberhessen, bilden wird, und zwar darum, weil, wie ich dies heute schon bemerkt habe, der Frankfurter Handel ohne die Eisenbahn nach dem Norden sich nicht er- halten kann, und auf der anderen Seite eine Eisenbahn über Fulda unter den bestehenden Verhältnissen nicht denkbar ist. Nach allem dem, was ich bisher auszuführen die Ehre hatte, muß ich mich wiederholt dahin aussprechen, daß ich den vorliegenden Gesetzesentwurf für sehr bedenklich halte und daß ich, zumal unter den jeßigen Umständen, und da der so höchst wichtige Gegenstand selbst, von dem es sich handelt, noch so wenig aufgeklärt und vorbereitet ist, nicht für denselben stimmen kann. Ich erlaube mir daher zum Schlusse folgende Anträge zu stellen, bezüglich welcher ich um besondere Abstimmung über jeden einzelnen bitten muß: 1) den dermal vorliegenden Geſeßesentwurf ehrerbietigſt ab. zulehnen ; 2) die Staatsregierung zu ersuchen, eine Concurrenz für Privatgesellschaften zum Baue der Eisenbahnen in dem Großherzogthume zu eröffnen; eventuell ferner 3) die Staatsregierung zu ersuchen, den Ständen vorerst eine umfassende Gefehesproposition vorzulegen, durch welche folgende Punkte näher bestimmt werden: a. eine genaue Bezeichnung der zu erbauenden Bahn. linie; b. das Verzeichniß der zu erbauenden Bahnhöfe und Stationsplätze; c. genaue Kostenüberschläge für alle Bahnlinien, Bahn. höfe und sonstige Ausgaben; d. die Anhaltspunkte für die Tarifſäße; e. das Verhältniß zu der Post. Indem ich diese Anträge stelle, gehe ich natürlich von dem Wunsche aus, daß alle die wichtigen Punkte, welche ich soeben erwähnt habe, entstehenden Falls, wenn nämlich auf Staatskosten gebaut werden soll, vor allen Dingen von der Staatsregierung, so vorbereitet werden mögen, daß sie dems nächst den Ständen die erforderliche Vorlage darüber machen. fann. Man wird vielleicht dagegen einwenden, daß der Landtag schon soweit vorgerückt sei, daß auf diesem Landtage die ge- Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 1 8 22 wünschten Mittheilungen nicht mehr gemacht werden könnten. Nun wohl, so möge man lieber die Ständeversammlung vers tagen und sie später wieder zusammen berufen. Ich habe wahrhaftig schon lange genug die Last der Landtage mitge tragen, und wünsche nichts sehnlicher, als endlich einmal auf längere Zeit wieder nach Haus und in den Kreis meiner Fas milie zürückkehren zu können. Allein dessen ungeachtet muß ich erklären, daß es doch hundertmal besser für das Land sein möchte, wenn wir diesen wichtigen Gegenstand genauer und nach allen Richtungen prüfen könnten und wenn die Staats- regierung uns zu dem Ende etwa nach einem halben Jahre oder einem Jahre wieder zusammen beriefe, als daß wir heute ein nicht gehörig vorbereitetes Votum abgeben. Die wenigen tausend Gulden, welche eine solche abermalige Zu- ſammenberufung kosten werden, können doch wahrlich nicht in Unschlag_kommen, wenn wir erwägen, wie viele Millionen der vorliegende Gesetzesentwurf kosten wird, Falls wir dem- ſelben unsere Zustimmung ertheilen, und daß wir noch zur Zeit offenbar nicht einmal im Klaren darüber sind, wie und wofür diese Millionen verwendet werden sollen. Wäre es nicht beruhigender für uns und unsere Commit tenten, wenn wir etwa nach einem halben Jahr auf vier Wo- chen zusammenkommen und man uns dann genauere Aus, kunft geben könnte, welche Bahnlinien gebaut, welche Bahn- höfe errichtet werden sollen, welche Summen mit Zuverläßig keit als Betrag der Kosten angenommen werden können, wels chen bestimmten Credit man fordern, von welchen Gesichtss punkten man bei Bestimmung des Tarifs ausgehen werde, welches System man gegenüber der Post einhalten werde, ob man derselben ein Recht der Entschädigung zugestehen wolle und ob in diesem Falle nicht etwa eine Erpropriation im In- teresse des Staats räthlich sei? Ich wiederhole, wäre dieses nicht beruhigender und zweckgemäßer, als über alle diese Fras gen mit Stillschweigen hinweg zu gehen, oder gar dieselben lediglich der Staatsregierung zu überlassen? Dieses werden Sie aber thun, wenn sie den Gesetzesentwurf, wie er hier vorliegt, annehmen. Denn wer A sagt, muß auch B sagen. Haben Sie einmal den Gesetzesentwurf, wie er vorliegt, ohne Beschränkung angenommen, und somit die Staatsregierung ermächtigt, die von ihr beliebten Eisenbahnen zur Ausführung zu bringen, so haben Sie natürlich dadurch auch zu allem demjenigen, was zum Ausbaue der Bahnen erforderlich ist, Ihre Zustimmung ertheilt. 23 ¡ : Ich bitte Sie, meine Herren, die wichtigen Folgen dieser Abstimmung recht sehr zu erwägen, und gebe mich in die ſer Erwartung der Hoffnung hin, daß meine Anträge Ihre Unterstügung und Zustimmung erhalten werden. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Hauptsächlich ist her, ausgehoben worden, daß die Staatsregierung unvorbereitet diesen Gesetzesentwurf in die Kammern gebracht habe. Wenn dies wahr wäre, so würde dies der graveste Vorwurf sein, den man der Staatsregierung in einer so wichtigen Sache machen könnte, und sie hätte ihn verdient. Aber, meine Herren, so lange noch die Eisenbahnen ent fernt von unseren Grenzen waren, konnten wir ruhig zuse- hen, wir konnten abwarten, wie sich die Ereignisse ausbilden würden. Nachdem wir aber rundum von Eisenbahnneßen umgarnt waren, durfte die Staatsregierung nicht mehr müßig bleiben, sie mußte mit andern benachbarten Regierungen sich über ein gleiches Interesse zu vereinigen suchen. Diese Ver: einbarungen sind längst eingeleitet und stehen auf dem Punkte, abgeschlossen zu werden. In dieser Beziehung kann der Staatss regierung kein Vorwurf gemacht werden; sie hat hierin ge. than, was die Zeit von ihr forderte. Was die Größe der Kosten betrifft, so gibt es zwei Wege, Voranschläge zu machen. Die eine Methode ist die, daß man jede Schaufel Erde, jeden Cubiffuß Steine im Einzelnen für die ganze Länge der Eisenbahn berechnet, daß man die Schienen, nach dem Gewichte derselben, im Detail veranschlagt und die Kosten der einzelnen Lokomotive und Wagen zusammenstellt c. und hiers nach ist der Voranschlag der Bahn von Frankfurt über Darms stadt nach Mannheim aufgestellt worden. Allein alle Zusammenstellungen dieser Art haben bis jest getrügt ſie waren alle in der Regel zu gering. Dies erkläre ich unumwunden, da mir jede Täuschung ein Gräuel iſt. Es gibt aber auch noch eine andere, weit zuverläßigere Methode, und diesen Weg haben wir, neben dem andern, ebenfalls eingeschlagen. Wir haben uns officielle Mittheilun's gen über die Kosten der schon fertigen Eisenbahnen in Deutsch- land und Belgien verschafft, und haben hiernach a posteriorl gerechnet und so sind die Zahlen entstanden, welche die Staats: regierung Ihnen summarisch mitgetheilt hat. Wir mußten analoge Bahnen hierbei_zum Grunde legen; die Eisenbahn von Leipzig nach Dresten ist zu dem Ende bereist worden. Wir haben genaue Untersuchungen angestellt, wie sich die 8* : ! : 24 Schwierigkeiten des dortigen Terrains zu denen in der Pros vinz Oberhessen verhalten. Das Terrain für beide Bahnen hat sehr große Wehnlichkeit mit einander; es waren dort Bia, dukts und Tunnels und große Brücken ebenfalls nothwendig und deßwegen ist die Bahnlinie von Dresten nach Leipzig bei der Berechnung für Oberhessen zum Grunde gelegt wor den. Aber noch hat man eine andere Controle eintreten lassen. Weil nämlich der Tagelohn und andere Kosten in Sachsen anders sein kann, als bei uns, so hat man sich offi cielle Mittheilungen über sämmtliche Kosten bei dem Bau der Taunuseisenbahn verschafft, und nach diesen die Rechnung wiederholt. Da nun aber bei der Eisenbahn durch die Pro- vinz Oberhessen auch noch eine außerordentliche Arbeit, nam- lich ein Tunnel vorkommt, welcher bei der Taunusbahn fehlt, so hat man wieder die sämmtlichen Kosten, welche der Zuns nel für die rheinische Eisenbahn zwischen Cöln und Aachen verursachte, verhältnißmäßig in Anschlag gebracht und die nach den Normen der Taunuseisenbahn berechneten Kosten binzugefügt. Sie sehen, meine Herren, man ist mit großer Umsicht und Vorsicht zu Werke gegangen, auch sind die Linien von der nördlichen bis zur füdlichen Grenze mit der größten Genauig feit nivellirt und aufgenommen worden. Freilich verbürgen kann man diese Voranschläge nicht bis auf einige Procente; aber dasjenige, was überhaupt in dieser Beziehung zu leisten möglich ist, das ist geleistet worden. Die Staatsregierung hat jedoch niemals viel Lärm von demjenigen gemacht, was sie gethan, es ist nicht bei ihr Maxime, in die Journalposaune zu stoßen, sie hat vielmehr ruhig und im Stillen die Sache gehörig vorbereitet, es sind überdies an Ort und Stelle Tech, niker geschickt worden, und es ist noch jest Einer derselben, ein sehr ausgezeichneter junger Mann, im Dienste der rheis nischen Eisenbahncompagnie. Der Vorwurf, daß die Staatsregierung unvorbereitet die sen Gefeßesentwurf vorgelegt habe, muß daher zurückgewieſen werden. Wenn nun ferner behauptet wird, daß die Kosten, wenn es auch 10 Millionen seien, von dem Großherzogthum nicht aufgebracht werden könnten, wenn eine Parallele zwischen diesen Kosten und denen, welche die Kriege und sonstige Cas lamitäten hervorrufen können, gezogen werden will, so halte ich beides für unrichtig. Ich will in diesem Augenblick nicht von den großen Staatswirthschaftlichen Vortheilen reden, welche die Eisenbah 25 ་ { } 3 nen ohne Zweifel unserem Lande bringen werden, welches dieser Wohlthat noch in manchen Beziehungen so bedürftig ist; sondern ich rede blos von dem Finanzpunkte, und in dic fer Beziehung glaube ich allerdings, daß mindestens / der Zinsen und Amortisation durch den Ertrag gedeckt werden, und wenn man auch noch so nachtheilig rechnet, so wird nur das leßte Viertel hiervon vom Staate getragen werden müss fen. Was ist aber nun diefes eine Viertel von den 10 Mil- lionen gegen die Vortheile, welche überhaupt die Eisenbahnen für das Land haben? Keineswegs wird daher die Staats: ſchuld sich um die Gesammtſumme von 10 Millionen vermehɛ ren; nein, ſie wird höchstens mit 21½ Million vermehrt wer- den, da das, was die Eisenbahn selbst erträgt, doch wahrhaftig nicht mit aufgerechnet werden kann. Wenn entgegnet worden, daß das Gesetz zu allgemein ge- halten sei, daß die Richtung der Bohn, die Kosten c. nicht darin aufgenommen wären, so hat dieses einen sehr einfachen Grund. Man wollte der Zukunft nicht vorgreifen, man Fannte in dem gegenwärtigen Augenblicke das Bedürfniß noch nicht, in welchen Richtungen die Eisenbahnen gebaut werden müßten; nur über den Bau einer einzigen war man gewiß, und dieſe hat man in den Motiven angedeutet und über diese will man sich mit den Ständen vor Allem vereinbaren. Wenn in Zukunft etwa noch andere Eisenbahnen gebaut wer- den sollen, so kann der Staat die Kosten ebenfalls unter der Herrschaft dieses Gesetzes aufbringen, es wird dann Einheit in dem Ganzen herrschen und nicht ein Theil des Landes gegen den andern benachtheiligt werden. Darum ist in allen Beziehungen die ursprüngliche Redaction des Gesetzes ganz allgemein gehalten worden; dagegen. bleibt die Bestimmung der Bahnen, welche gebaut werden sollen, den besonderen Vereinbarungen der Regierung und Stände vorbehalten, und es ist ganz gewiß, daß diese Art der Behandlung einen großen Vorzug vor derjenigen verdient, wo man über jede einzelne Eisenbahn ein Specialgesetz gibt. Ich glaube, daß die Staatsregierung durch das Vorgeira, gene vollständig gerechtfertigt ist, sowohl in der Beziehung, daß sie gehörig vorbereitet war, ehe sie diesen wichtigen Schritt gethan hat, als auch zweitens, in der Beziehung, daß sie das Gesetz allgemein gehalten hat, um, wie bei den Straßenbau: gesehen, demnächst auch über diejenigen Eisenbahnen, welche noch gebaut werden sollen, sich mit den Ständen vereinbaren zu können. 26 Der Abg. Zulauf: Ich bin vorerst mit der Minorităt des Ausſchuſſes darin einverstanden, daß die Eisenbahnen nicht auf Staatskosten, sondern auf Actien gebaut werden sollen, und zwar aus dem Grunde, weil ich meiner Seits glaube, daß eine Gesellschaft immer viel wohlfeiler baut, als der Staat, und Alles, was der Staat baut, oder selbst verwaltet, überhaupt theuerer ist. Auch werden die Eisenbahnen gewiß nicht für das geringe Publikum gebaut, sondern für die großen Geschäfts- und Handelsleute. Für diese sind sie am meiſten beſtimmt, und darum mag man ſie ihnen auch zu bauen überlassen. Sie haben den Nußen, und mögen daher auch den Schaden, der entsteht, tragen. Es ist von dem Abgeordneten Hügel vorzugsweise hervor. gehoben worden, was die Eisenbahn, welche durch die Pros vinz Oberhessen geleitet werden soll, für Nußen und Vortheile bringe. Allein ich kann mich bis jetzt noch nicht davon über zeugen, daß wenn die Eisenbahn in dieser Richtung gebaut wird, die Provinz Oberhessen so große Vortheile davon hat. Denn ich frage: wie weit ist das Hinterland, wie weit ist der Vogelsberg, wie weit sind die Städte Alsfeld, Lauterbach, und Sälik davon entfernt ? und das sind doch diejenigen Städte, worin die meisten Fabriken und die meisten Geschäfts- leute in Oberhessen sich befinden. Ich frage ferner: was sollen die Dekonomen für Vortheile davon haben? Wenn ich einen Wagen Frucht auflade, um denselben nach Frankfurt zu bringen, und ich soll 12 bis 16 Stunden fahren bis zur Eisenbahn, so kann ich auch eben so gut 6 oder 8 Stunden noch weiter nach Frankfurt fahren; ich werde also die Eisens bahn nicht benußen. Geradeso ist es auch mit den Waaren. Wenn ein Wagen mit Waaren beladen wird, so hat der Fuhrmann einen halben oder ganzen Tag zu thun, bis er die Waaren aufgeladen hat; und wenn er einmal geladen. hat und er soll so weit bis an die Eisenbahn fahren, wäh. rend er nur 6 bis 8 Stunden weiter nach Frankfurt hat, so packt er gewiß die Waaren nicht ab, um sie auf der Eisen. bahn weiter bringen zu lassen, sondern er fährt mit seinem Wagen nach Frankfurt. Ich kann mich hienach durchaus nicht davon überzeugen, daß die Bewohner der Provinz Oberheffen, insbesondere die Geschäftsleute, bedeutende Vor- theile von jener Eisenbahn hätten. 1 Ich kann mich nicht einmal davon überzeugen, daß die- jenigen Städte, welche die Eisenbahn selbst in ihre unmittel bare Nähe bekommen, so große Vortheile dadurch erlangen, als der Berichtserstatter glaubt. Diese Städte werden gewiß 27 auch Noth leiden, und es fragt ſich, ob dieſelben ſich für die Eisenbahn erklären würden, wenn sie alle hier in Betracht kommenden Verhältnisse genau kennten und überlegten. Ich sehe nicht ein, welche Vortheile sie dadurch erlangen, wenn fie die Eisenbahn bekommen. Sie werden in Folae davon keine so große Geschäfte mehr machen, denn die Reisenden werden lieber in Kassel und in Frankfurt sich aufhalten, in Gießen aber und den benachbarten Städten werden wenige einkehren; wir werden nur den Erfolg haben, daß die Rei. senden durch unser Land durchfliegen. 2 Ich gebe Ihnen noch ferner zu bedenken, wie viele Leute durch die Eisenbahn brodlos gemacht werden. Was haben wir allein jeht für eine Menge Hauderer in Gießen und in Friedberg? Noch vor kurzem habe ich von dem Abgeordneten Frit gehört, daß an einem Tage in der letzten Messe 19 Familienwagen von Friedberg befeht gewesen wären. Von denen Reisenden, die auf den Nebenstraßen herkommen uno auf den Zwischenstationen einſteigen, kann wohl nicht die Rede sein Die Hauptreifenden bleiben immer auf der Hauptstraße; diese werden nicht an den - Zwischenstationen aussteigen und die Nebenstraßen einschlagen. - Es ist also natürlich, daß dadurch die Hauderer um ihr Brod kommen. Es werden aber auch die Fuhrleute von der Straße vers schwinden, die seither in den Zwischenorten immer gefüttert haben; und zwar füttern sie daſelbſt Hafer, den sie den Leuten abkaufen müſſen, was ein nicht unbedeutender Vor- theil für lettere ist. Das wird auch aufhören, denn die Eis senbahn braucht keinen Hafer. Ebenso verlieren auch die Handwerksleute, Schmiede, Wagner, Sattler 2c. Dies ist meine Uuſicht von der Sache; und sie wird be. stätigt durch dasjenige, was wir noch vor kurzem von dem Abgeordneten Kilian über das Schicksal der Hauderer in Kastell gehört haben; er hat hervorgehoben, was diese durch die Taunuseifenbahn verloren haben. Nehmen wir uns daran ein Beispiel. Es ist uns auch damit Furcht eingejagt worden, daß man sagte, wenn wir nicht bauten, so würde Kurhessen neben uns herbauen; wir sollten daher nur nicht säumig sein, denn sonst würden die Kurhessen die Eisenbahn über Fulda bauen. Uber, meine Herren, fürchten Sie sich davor nicht; die Kurhessen sind so eilig nicht. Die Kurhessische Regierung besinnt sich erst, ehe sie einen solchen Plan ausführt. Wenn aber auch dies wirklich der Fall wäre, und jene bauten jest über Kaſſel nach Marburg, ſo würden wir uns doch immer ز į : : i 28 i ? } noch anschließen können; und wenn Kurhessen von Kassel über Fulda bauen wollte, so würde dies einen Unterschied von 16 bis 20 Stunden machen, um welche die Bahn län, ger würde. Diese Besorgniß brauchen wir um so weniger zu haben, als Kurhessen über Fulda nicht nach Frankfurt kommen kann, ohne unser Land zu berühren, und ich hoffe doch nicht, daß dies nachgegeben werden wird, wenn man einmal ſich dahin ausgesprochen hat, daß dies für unser Land schädlich wäre. • Wenn sodann behauptet wird, daß die Bahn aus milita rischen Rücksichten gebaut werden müsse, so glaube ich doch, daß, wenn dies wirklich der Fall ist, uns von Bundeswegen ein Beitrag dazu geleistet werden müßte, damit unser Land hierdurch nicht so tief in Schulden kommt. Wenn jedoch eine Eisenbahn gebaut werden soll, so glaube ich allerdings, daß die Bahn durch die Provinz Oberhessen sich mehr rentiren wird, als die andern. Bei lehtern bes zweifle ich überhaupt die Rentabilität, die Straße an der Bergstraße hin hat mit einer Wasserstraße zu concurriren, und sogar nicht blos mit einer, sondern mit zwei oder drei; diese werden der Eisenbahn Eintrag thun. Berücksichtige ich endlich noch die großen Kosten, welche durch den Bau der Eisenbahnen entstehen werden, so kann ich meinerseits mich nicht dazu verstehen, in der Weise, wie der Plan vorgelegt worden ist, für dessen Ausführung zu stimmen; ich möchte nicht die Verantwortlichkeit der bean, tragten Maßregel auf mich nehmen, und zwar aus dem Grunde nicht, weil ich glaube, das Land wird dadurch viel- leicht seinem Ruin, oder doch wenigstens dem härtesten Drucke entgegengeführt werden. ~ Der Herr Geheimerath Eckhardt: Es ist nun schon mehrmals behauptet worden, daß der Staat viel theurer baue, als eine Privatgesellschaft. Ich weiß sehr wohl, dieser Grundsah ist vor ohngefähr hundert Jahren aufgekommen, er wird noch jest in den Lehrbüchern nachgeschrieben, ohne daß die Erfahrungen, die inzwischen gemacht worden sind, dabei berücksichtigt werden. Ich muß gestehen, daß auch ich lange Zeit dieſer Unsicht war, und wie hätte ich auch auf eine andere Ansicht kommen können, wenn sich mir nicht die Gelegenheit geboten hätte, diese Frage von Neuem zu prüfen. Die Reſultate dieser sehr sorgfältigen Prüfung glaube ich der verehrlichen Kammer mittheilen zu müssen. Ich habe näms lich aus vielfältigen Erfahrungen gefunden, daß in dem Falle allerdings ein Private eine Unstalt wohlfeiler errichtet und 29 verwaltet, wenn er das Geſchäft allein übersehen kann. Ganz anders verhält es sich aber, wenn irgend ein größeres Unters nehmen gegründet werden soll, wozu eine Geſellſchaft und wobei eine verwickelte Verwaltung, nothwendig ist. Ich stelle daher die Behauptung auf, und kann sie mit Belegen nach, weisen: es baut und adminiſtrirt der Staat in einem solchen Falle viel wohlfeiler und sicherer, als eine Privatgesellschaft. Die Gründe hiervon lassen sich ebenfalls leicht nachweisen. Eine Privatgesellschaft muß nämlich bei Weitem mehr für Besoldungen an ihre Beamten bezahlen, als der Staat, weil die Privatdiener unter keiner Dienstpragmatik stehen und die Privatgesellschaft sie fortschicken kann, wann sie will. Der Staat administrirt also schon in dieser Beziehung wohls feiler; er wird aber auch bei seinen Unternehmungen eine viel strengere Controle führen, als Privatgesellschaften dies zu thun im Stande sind, und daher weniger Unterschleifen aus- gesetzt sein, als lettere. Vergleichen Sie nur einmal alle diejenigen Anstalten, welche auf Privat: und welche au Staatskosten ausgeführt und verwaltet werden, so werden Sie den Unterschied, wenn Ihnen anders die Materialien offen vorgelegt werden, finden und Sie werden meine Be- hauptung als richtig anerkennen müſſen. Dann ist ferner behauptet worden, die Eisenbahnen würs den blos für die reicheren und größeren Gewerbs: und Ge: schäftsleute gebaut. Ich habe hier eine Mittheilung von dem Direktor der Taunus - Eisenbahn, von welcher ich in dieser Versammlung Gebrauch machen kann. Nach dersel ben fuhren in der ersten Wagenklasse in dem verflossenen Jahre 9176 Reisende, in der vierten Wagenklasse, wo die Station bekanntlich nur 6 bis 8 oder 9 kr. kostet, fuhren 471,043 Personen. Dieß beweist offenbar, daß die Eisenbah, nen nicht vorzugsweise für den reichen Mann bestimmt sind, daß vielmehr der große Bortheil der Eisenbahnen darin bes steht, daß dieselben für arme und geringere Reisende dadurch zugänglich werden, daß die Reisekosten die Kräfte der ärme- ren Klasse nicht übersteigen, daß selbst der Bettler, wie ich mit meinen Augen gesehen, sich auf die Eisenbahn ſeßt, um an fremde Orte zu gehen und zu betteln, weil er auf diese Weise wohlfeiler davon kommt, als wenn er zu Fuße ginge. - Ich glaube daher nachgewiesen zu haben, daß jene Be: hauptung auf einer ganz falschen Ansicht beruht. Der Abg. Schneider: Ich hatte gestern die Absicht nicht, über die allgemeine Frage mir das Wort zu erbitten, ich bin aber immer mehr zu der Ueberzeugung gekommen, 1 30 daß wir hier über eine der wichtigsten Angelegenheiten des Landes berathen, und ich fühle in mir die Verflichtung, auch meinerseits eine Art Glaubensbekenntniß abzulegen, welches ſich nur in Säßen andeuten läßt. Ich halte es daher für meine Schuldigkeit, bezüglich der ersten hier zur Sprache ge- kommenen Frage mich dahin zu erklären, daß ich weder eine Oberhessische, noch eine Starkenburgische und eben so wenig eine Mainzer Bahn im Auge habe, sondern, wenn es sich vorerst von der Anlage der Hauptbahnlinien in unserm Groß- herzogthum handelt, ich nur einen Theil einer deutschen Ei: fenbahn im Auge habe; und daß alle Besorgnisse wegen künf- tiger Rentalilität der Bahn größtentheils durch die, hinsicht- lich der Art und Weise, in der die Ausführung und Verwal tung projectirt wird, uns gewordenen vertraulichen Eröffnun: gen bei mir beseitigt sind. Ich bin auch überzeugt, daß der weitere Verfolg der Diskussion lehren wird, daß wenn die Wünsche und Hoffnungen, welche von den verschiedenen Seis ten geäußert worden sind, sich vereinigen ließen, bei weitem der größte Theil der verehrlichen Kammermitglieder sich schon entschieden haben würde, für die Erbauung der fraglichen Bahnlinie zu ſtimmen. Die Frage wegen Ueberlassung des Baues einer Eisenbahn an Actionäre ist bei mir dadurch beseitigt, daß es wohl ausser allem Zweifel liegt, daß die Zinsen des Anlagekapitals nicht völlig herauskommen, noch weniger aber ein Theil zur Tilgung des Kapitals. Ich glaube daher, daß die Kapitalisten so klug und so vernünftig sein werden, auf ein solches Unternehmen nicht einzugehen. Auf der andern Seite bin ich auch überzeugt, daß dasjenige, was der Staat zur Vervollständigung des Betrags der Zinsen und zur Bildung eines Tilgungsfonds zuzulegen haben wird, seine Kräfte nicht über die Maaßen in Anspruch nimmt. Ich glaube hiernach für die Hauptfrage mit gutem Gewissen stim: men zu können, und ich werde mich in den einzelnen Punk- ten, welche etwa noch zur Sprache kommen werden, fern von allem Provinzialismus, mit offener Redlichkeit aussprechen und demnächst stimmen. Der Abg. von Rabenau (Oberst): Was die in Berathung stehende Vorfrage betrifft, so halte ich den Gegen- stand derselben für zu wichtig, um schweigen zu dürfen. Ich bin fest überzeugt, daß wir dem Bedürfniß der Zeit früher oder später nachkommen müssen, und werde mich daher ents schieden für den Bau einer Eisenbahn durch das Großherzog= thum, wie er von der Staatsregierung proponirt worden ist, erklären. Ich glaube auch ganz bestimmt, daß, wenn wir ! ¡ 31 dahin kommen follten, was ich jedoch nicht hoffe, daß wir uns von dieſem großen Eisenbahnſyſtem ausschlöſſen, wir uns dadurch von dem großen Zollverein isoliren und uns eines Theils der großen politischen und merkantilischen Vortheile dieſes Vereins begeben würden, welche Folgen ich meinestheils nicht - herbeiführen möchte. Es unterliegt feinem 3weifel, daß, wenn die Commercialstraßen sich außerhalb des Großherzogthums um dasselbe herumziehen sollten, ein großer Theil des Com- -merzes und Verkehrs, vielleicht auch manche Anlage oder Fabrik für das Großherzogthum verloren gehen werden. Ich würde es nicht verantworten zu können glauben, mich gegen ein Project, wie das vorliegende, so sehr ich mich auch gegen die damit verbundenen Kosten sträube, zu erklären. Dennoch bin ich aber auch hinsichtlich der Kosten durch die Erklärung des Herrn Regierungscommissärs sehr beruhigt. Ich betrachte die Aufnahme der nöthigen Kapitalien nicht als eine nothgedrungene Operation, die man vollständig verzinsen und, tilgen muß, ohne daraus andere Vortheile zu ziehen; vielmehr glaube ich mit andern Rednern, daß die aufzuneh menden Gelder durch die Einkünfte von der Bahn ſelbſt mit der Zeit gedeckt, also nicht nur die Zinsen gezahlt, sondern auch Ueberschüsse zur Umortisation verwendet werden können. Ich mache mir zwar keine Ilusion darüber, daß dies in dem ersten Jahre geschehen wird, wohl aber wird es späterhin, wenn einmal die Bahn vollständig im Betriebe ist, in rasch ſteigender Progreſſion geschehen. Außerdem erkläre ich mich mit demjenigen einverstanden, was der Abgeordnete Graf Lehrbach heute hemerkt hat, ohne mich weiter in das Einzelne einzulaſſen, um nicht in ungeeig, nete Wiederholungen zu verfallen. Was die zweite Hauptfrage betrifft, ob der Bau durch eine Actiengesellschaft oder auf Staatskosten ausgeführt wer den soll, so erkläre ich, daß ich mit voller Ueberzeugung und nach demjenigen, was viele Redner vor mir zu Gunsten der Ausführung der Eisenbahn auf Staatskosten bemerkt haben, der Ansicht bin, daß auch bei uns die Eisenbahn durch den Staat auszuführen ist. Ich wünsche nicht, daß hinsichtlich der Anlage von Eisenbahnen die Angehörigen des Großher- zogthums der ungeeigneten Speculation der Privatgesellschaft unterworfen werden sollen. Es hat sich aus Erfahrungen ge. seigt, daß solche Privatgesellschaften durchaus keine größere Wohlfeilheit begründen; es ist bekannt, zur großen Unzufrie denheit des betheiligten Publikums, daß die Fahrpreise auf der Taunuseisenbahn die höchsten in Deutschland sind; warum 32 لا sollen wir uns der Willkühr von Actiengesellschaften unters werfen? Der Staat kann meiner Ansicht nach die Sache dem Vortheile der Gesammtheit viel angemessener einrichten, wenn er selbst baut, als wenn die Bahn bloß unter der Oberaufsicht desselben steht. Die aus den früheren Kriegs- zeiten noch auf uns lastenden Schulden können mich nicht abhalten, für den Bau der Eisenbahnen unter den vorliegen, den Verhältnissen zu stimmen. Wäre es gegründet, daß wir, so lange wir noch Schulden hätten, oder aus Besorgniß vor einem möglichen Krieg, auf jede großartige, dem Staat nühs liche Unternehmung verzichten sollten, wie vorhin behauptet wurde, so müßten wir in einer langen Reihe von Friedens- jahren deren wir jetzt 27 zählen auf jedes derartige Unternehmen verzichten, die Hände in den Schooß- legen und ruhig zusehen, wie wir von unseren Nachbarstaaten in allen Vortheilen überflügelt würden. Vor einem solchen Zustande bewahre uns Gott! Der Abg. v. Dörnberg: Da ich sehr viel Interesse an der Nationalöconomie nehme, so ist es meiner Aufmerks ſamkeit nicht entgangen, welche Wirkungen die Eisenbahnen im Zeitraume von 10 oder 12 Jahren in Amerika, in Eng: land und Belgien hervorgebracht haben. Dies und die Gelegenheit, mit sachkundigen Männern zu sprechen, welche mir Mittheilungen darüber gemacht ha- ben, welche Wirkung die Eisenbahnen auf den Nationalreich- thum, auf die Industrie gehabt haben, hat mich bewogen, die im Anfang dieses Jahres von mir gestellte Motion vor der Kammer zu begründen. Ich freue mich, daß jeßt der von mir angeregte Gegenstand durch die Proposition der Staats: regierung der Berathung der Kammer unterworfen wor den ist. Ueber die Frage nun, ob die Eisenbahnen auf Staatsko- ften gebaut werden sollen, erlaube ich mir Einiges zu verle- fen, wonach sich Männer vom Fach über diese Frage dahin ausgesprochen haben, daß Eisenbahnen am zweckmäßigsten auf Staatskosten erbaut würden. In dem von v. Rotteck und Welcker herausgegebenen Staatslexicon wird darüber Folgen: des gesagt: Weise Staatsregierungen haben daher in neuerer Zeit keinen Anstand genommen, zum Behuf der Vervoll- kommnung der Transportmittel enorme Summen zu verwenden und dieselben mittelst 2nleiben aufzubringen." So hat selbst Nordamerika, dieser reie Staat, feine Haupt- unternehmungen in Eisenbahnen auf Staatskosten ausgeführt; } ; 33 zu in neuerer Zeit hat Destreich sein Haupteisenbahnnek auf Staatskosten ins Project genommen, weil es ihm zu gewagt schien, den Händen von Privaten dieses wichtige Bewegungs- mittel zu überlassen; und es hat selbst das Königreich Preu- Ben auf Staatskosten die Vermessung und Veranschlagung der Bahn von Halle nach Caſſel und Cöln vornehmen lassen sich erboten, sobald sich die übrigen betheiligten Regie, rungen dazu bereitwillig erklärten, auf ihren Gebietstheilen bauen zu laſſen. Würden wir uns dazu in der bei uns zur Sprache kommenden Richtung verstehen, so bin ich fest über- zeugt, daß auch Kurhessen, (in welcher Beziehung ich Nach. richten erhalten habe), sich dazu entschließen würde, auch auf Staatskosten zu bauen. Wollten wir aber den Bau der Bahn auf unserem Territorium Privaten überlassen, so würden wir eine solche Gesellschaft gar nicht zusammen bringen können. Die Erfahrungen, welche wir in neuerer Zeit hinsichtlich der Privatgeſellſchaften gemacht haben, würden dabei ganz verlo. ren gehen. Noch vor nicht langer Zeit haben die ſächſiſchen Häuser den Bau der Bahnen durch ihre Territorien ebenfalls Privatgesellschaften überlassen; aber sie haben dieses Project aufgeben müſſen, es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die Bahn auf Staats- oder gemeinschaftliche Kosten zu bauen. Der Minister Nothomb, der bekanntlich die Eisenbahnen in Belgien ins Leben zu rufen das Verdienst gehabt hat, hat darüber ein eignes Werk geschrieben und dargethan, wie vor= theilhaft es für den ganzen Staat ist, die Eisenbahnen auf Staatskosten zu bauen. Uebrigens beträgt die Rente von den Eisenbahnen in Belgien nicht auf jeder Bahn 3 pCt., sons dern auf den Hauptbahnen beträgt sie mehr. Die Haupts bahn von Brüssel nach Antwerpen erträgt 8 pCt. In Bel- gien hat man aber von den Hauptbahnen viele Seitenbahnen ausgehen lassen, welche dem Staate kaum 1 pt. einbringen. Wenn man daher von 3 pCt. Ertrag spricht, so ist dies nur überhaupt vom Ertrage aller dortigen Eisenbahnen im Durchschnitt zu verstehen. Im Uebrigen ist die Bewegung der Reisenden in Belgien fo immens gestiegen, daß da, wo 840 Personen früher reisten, jest 5950 Personen reifen. Uns ſer Land ist bevölkert genug, daß sich diese Progreffion in der Bewegung der Reisenden in dem nämlichen Verhältniß her ausstellen wird, und wenn der Herr Regierungscommiſſär vor- hin bemerkte, daß sämmtliche Bahnen vorzugsweise durch die dritte und vierte Wagenklasse rentbar würden, so ist dies ganz richtig, indem in der Regel die vierte Klasse von Taglöhnern, Handwerksleuten, Handwerksburschen benußt wird. Was die $ 34 1 übrigen Wagenklassen betrifft, so fahren in diesen allerdings vermögendere Leute; aber es geht doch aus dem Angegebenen hervor, daß nicht blos der reiche Mann sich durch die Eisen, bahn eine angenehme Fahrt und schnelle Fortbewegung zu verschaffen sucht, sondern namentlich der Bürger und der Bauer. Man hat behauptet, die in die Richtung der Bahn fallenden Städte würden dadurch zu Grunde gerichtet und die Hauderer würden ruinirt. Man hat diese Besorgniß bei der ersten Errichtung von Eisenbahnen in England ebenfalls gehabt, man hat gesagt, wenn einmal Eisenbahnen bestehen, braucht man 40,000 Pferde weniger. Allein die ersten Eis senbahnen sind dort gebaut worden, es bestehen daselbst jetzt viele Eisenbahnen, und bis jest ist noch nicht ein Pferd deß- halb abgeschafft worden. Bei der Erbauung der belgischen Eisenbahnen, namentlich der, welche von Brüssel nach Unts werpen geht, glaubte man das Nämliche. Die Eisenbahn wurde gebaut und in Brüffel hat man noch mehr Pferde an- schaffen müssen, als früher, um nur die Menschen von und zu der Bahn zu bringen. Aus allen dieſen Gründen, und weil ich die innige Ueberzeugung habe, daß nur der Staat am wohlfeilsten baue, nicht aber eine Privatgeſellſchaft, wie der Herr Regierungscommissär sehr richtig auseinander gefeßt hat zwar kann ein Privatmann allerdings wohlfeiler bauen, als der Staat, aber eine Gesellschaft baut viel theuerer bin ich dafür, daß auch bei uns der Staat den Bau der Bahn übernimmt. Ein sehr bekannter Mann, der viel mit Eisenbahnen sich beschäftigt hat und an der Spike von Actien, gesellschaften steht, Herr Hansemann in Aachen, ferner der bekannte List und der Rath Beil in Frankfurt, Director der Taunuseisenbahn, der England, Frankreich, Belgien, ganz Deutschland durchreiſt hat, und zwar hauptsächlich mit Rück- sicht auf Eisenbahnen, haben sich dahin ausgesprochen, daß es vortheilhafter und zweckmäßiger wäre, die Bahnen auf Staatskosten zu erbauen und sie nicht Privatgeſellſchaften zu überlassen. Ich wiederhole also, ich kann mich nur dahin ausspres chen, daß auch bei uns die Eisenbahnen, welche so nothwen, dig sind und welche vorzugsweise Frequenz und Aufschwung in der Industrie hervorrufen werden, auf Staatskosten erbaut werden. Der Abg. Georgi: Bei der allgemeinen Berathung der vorliegenden Frage würde ich mir das Wort nicht noch einmal erbeten haben, wenn mich nicht dasjenige, was Sie, meine Herren, gestern aus dem Munde des Herrn Abgeordneten 35 ! Prinz vernommen haben, dazu genöthigt hätte. Ich hatte die Frage, die uns beschäftigt, mit Gründen und Thatsachen be- kämpft, wiewohl ich zugestehe, daß ich noch nie in dem Elde- rado, in London war und daß ich begreiflicherweise mir den Stoff meiner Zweifelsgründe nicht bei Herrn Beil_des_Raths zu Frankfurt einsammeln konnte. Was ich geredet habe, war das Product meiner Ueberzeugung. Ich füge hinzu, daß erst vor wenigen Tagen ein freifinniger Lord, im Oberhause des englischen Parlaments, zur Begründung einer Motion mit schlagenden Ziffern nachgewiesen hat, das Elend, die Despe ration sei in den mit Eisenbahnen bedeckten Manufacturdistric ten Englands auf eine nie erlebte, Entfehen erregende Höhe gestiegen. Beachten Sie dies wohl, meine Herren. Der Herr Abs geordnete Prinz wirft mir Mangel an Einsicht, an Erfahrung und Gott weiß, was sonst noch all, vor. Bin ich es denn allein, der die Frage bekämpft hat? Sind nicht auch an- dere, ehrenwerthe Männer in dieser Versammlung, welche mir lauf und vollſtändig beigeſtimmt haben? Mich berührt alſo jener Vorwurf nicht allein. Aber was mich betrifft, ich nehme keinen Anstand, zu erklären, daß ich sehr gerne auf jeden Uns spruch, auf die Ehre verzichte, meinen Verstand, meine Eins fichten, meine Erfahrungen mit denen des Herrn Abgeordne ten Prinz in irgend einen Vergleich gezogen zu sehen. Wenn es Ihre Ueberzeugung erlaubt, Ja zu sagen, wie kann ich es hindern? Ich bin kein Rentier, kein Deconom, kein Indu, strieller, kein Schriftsteller, kein Poet. Was habe ich also für meine Person, für meine Familie bei der Frage zu was gen? Ich kann nur dabei gewinnen, wenn sie bejaht wird. Denn ich denke nicht, daß man so kleinlich sein und mir und den Meinigen demnächst das Mitfahren darum versagen wird, weil ich gegen die Eisenbahnen gestimmt habe. Aber ich muß daran erinnern, daß 25,000 Hessen zur Vertretung ihrer In. teressen mich auf diesen Platz gestellt haben. Ich habe meis ner Ueberzeugung, folglich meiner Pflicht genügt. Widerlegt mich mit Gründen, feßet meinen thatsächlichen Beweisen bess sere Beweise entgegen, und ich bin Euer! Meine Herren, ich sage kein Wort weiter. Der Abg. Hügel: Zuerst habe ich den Abgeordneten Aull und v. Grolman den innigsten Dank abzustatten für die schmeichelhafte Aufnahme meiner kleinen Arbeit. Sie hat eine solche Aufnahme in der That nicht verdient, denn mein Vortrag ist lediglich eine Zusammenstellung desjenigen, was ich Lehrreiches aus den vielen Büchern und Schriften, die in 酱 ​36 neuerer Zeit über Eisenbahnen herausgekommen sind, geschöpft habe. Ich kann daher meine Arbeit nur als eine Sammlung flüchtiger Skizzen ansehen. Auf Gründlichkeit dürfte sie deß- halb wohl keinen Anspruch machen; dagegen bin ich überzeugt, daß sie auf Wahrheit den gegründetsten Anspruch hat. Ich habe in meinem Vortrag die Frage: ob die Eisen- bahnen auf Staatskosten oder durch Privatunternehmungen gebaut werden sollen, nicht berührt, da ich die Erörterung derselben als zum Artikel 1 gehörig betrachtet habe. Da die. felbe aber nun doch schon beim allgemeinen Theile zur Dis cussion ausgesetzt ist, so halte ich es für meine Pflicht, mich ebenfalls darüber noch zu äußern. Meiner Ansicht nach soll eine Anstalt, welche von der All- gemeinheit benust wird, auch von der Allgemeinheit ins Le ben gerufen werden. Nach diesem, durch unsere staatswirth schaftlichen Verhältnisse bedingten Grundsah ist auch bei uns bis jest immer verfahren worden. Allerdings ist auch seither in den andern deutschen Staaten dieser Grundsatz befolgt worden, und dennoch wurden in den meisten dieser Staaten die jetzt im Betriebe befindlichen Eisenbahnen durch Privatge. sellschaften gebaut. Ich kann mir diese auffallende Abwei chung von dem angegebenen Grundsahe nur dadurch erklären, daß die Regierungen, von der Großartigkeit der Eisenbahnbau- unternehmungen überrascht und zugleich von der Ungeduld der Actiengesellschaften gedrängt unterlassen haben, die Frage, ob es nicht besser sei, diese Unternehmungen von Staatswegen auss zuführen, sogleich in Erwägung zu nehmen; und es ist mög. lich, daß man sich durch das Beiſpiel von England, was die Muster zum Bau der Eisenbahnen in Deutschland hergab, hat irre leiten und gleichsam einschläfern lassen. Doch bald kam man in jenen Staaten, wenn ich mich so ausdrücken darf wieder zu sich, und die Folge davon ist, daß nunmehr in fast allen Staaten, wo die vorhandenen Eisenbahnen durch Privatgesellschaften gebaut wurden, die im Augenblick im Bau begriffenen und die projectirten auf Staatskosten ausgeführt werden sollen. Dieses ist namentlich in Destreich, Preußen, Sachsen und Baiern, also in den größten Staaten Deutschs lands, der Fall. Ich habe hier ein Verzeichniß sämmtlicher vollendeten, im Bau begriffenen und projectirten Eisenbahnen Deutschlands vor mir; darin befindet sich zugleich die Angabe, welche Ei ſenbahnen durch eine Privatgeſellſchaft, oder welche auf Staats- kosten gebaut worden sind oder werden sollen. Aus diesem Verzeichnisse, welches 38 Bahnen mit einer Gesammtlänge 37 2 von 777 Meilen enthält, geht deutlich hervor, wie der Bau der Eisenbahnen durch Private nach und nach abnimmt und dem Baue von Seiten des Staats das Feld räumt. Die Eisenbahnen sind meiner Ueberzeugung nach, und ich glaube, daß darüber auch nicht der mindeste Zweifel mehr herrscht, nichts anderes, als verbesserte Straßen; bei dem Bau unserer Straßen hat aber Niemand daran gedacht, die Herstellung derselben Privatunternehmungen zu überlassen. Alle Gründe aber, welche für den Bau der Chausséen auf Staatskosten sprechen, machen sich in erhöhtem Maße für den Bau der Eisenbahnen geltend. Ich will diese Gründe kurz berühren. 1) Zuvorderst ist der Staat allein im Stande, solche öffentliche Anstalten so gemeinnützig, als nur immer möglich, zu machen, was die Privaten nicht können und, besser gesagt, nicht thun. Denn den Privaten kommt es blos darauf an, aus ihrer Privatanstalt eine so große Rente zu ziehen, als es nur immer möglich ist. Sie werden deshalb nicht so bereit ſein, Verbesserungen in der Verwaltung und dem Betriebe der Bahn, die einen größeren Kostenaufwand erfordern, vor- zunehmen; wenigstens werden sie damit so lange als möglich zögern. 2) Der Staat ist durch seine Verbindung mit den Nachs barstaaten allein im Stande, solche Uebereinkünfte mit densel ben zu treffen, die geeignet sind, den Verkehr zu befördern, was Private natürlich nicht thun können; und 3) ist der Staat allein im Stande, die Collisionen, die in Zukunft mit der Postanstalt entstehen werden, auszus gleichen. Uebrigens liefert, im Vorbeigehen bemerkt, dieses Ver- hältniß mit der Post den sichersten Beweis davon, wie ges fährlich es ist, solche Verkehrsmittel, wie die Eisenbahnen find, in die Hände von Privaten zu legen. Über, meine Herren, man hat Ihnen England angeführt und Ihnen gesagt, daß ja dort alle Eisenbahnen durch Pri- vatunternehmungen erbaut worden seien. Das steht ganz richtig; allein in England baut man auch die Straßen, in England baut man auch die Kanäle, kurz alle derartige öf fentliche Anstalten, ja sogar die Schulen auf Privatkosten, und der Staat tritt nur alsdann bei einem solchen Unterneh men durch Leistung eines gewissen Beitrags aus der Staats- kasse oder durch Uebernahme aller Kosten in's Mittel, wenn sich für dieses Unternehmen kein Private findet, weil dasselbe voraussichtlich keine hinreichende Rente verspricht. Protokolle z. d. Verh, d. 2, Kam, Suppl. Bd. 9 į I B · I 38 i Daraus geht also hervor, daß in England ganz andere staatswirthschaftliche Grundfäße befolgt werden, als in Deutschs land, und wenn Ihnen daher die Minorität des Ausschusses - England zum Muster empfiehlt, so mußte sie Ihnen auch consequenter Weise, da sie behauptet, die durch das Großher zogthum projectirte Eisenbahn rentire sich nicht, empfehlen, dieſe Bahn, wie es in England geschieht, auf Staatskosten zu bauen. Sie sehen also, daß die englischen Verhältnisse auf Deutschland nicht immer passen, wie es denn überhaupt ge- fährlich ist, Vergleiche zwischen zwei Ländern anzustellen, wo- von man nur das eine kennt. Und wollte man in vorliegen, der Sache wirklich Vergleichungen anstellen, so muß man in Deutschland selbst bleiben, und hierdurch stellt sich ein ganz anderes Resultat heraus. Baiern und Baden bauen auf Staatskosten; Hannover und die thüringiſchen Regierungen- haben sich entschieden für den Bau auf Staatskosten ausge sprochen; Kurheſſen wird ein Gleiches thun und nach neuesten Nachrichten ist es nicht mehr zweifelhaft, daß Oestreich und Preußen keine Concessionen mehr an Private geben, sondern den Bau dieser Linien auf Staatskosten übernehmen. So. kommt es, daß von oben angegebenen 777 Meilen deutscher Eisenbahnen 407 auf Privatkosten und 370 auf Staatskosten gebaut werden, und dieses Verhältniß kann man doch nicht, wie die Minorität des Ausschusses thut, als wenige Ausnah- men ansehen. } 1 Zum Schluſſe noch einige kurze Erwiederungen auf einige Bemerkungen, die gemacht worden sind. Der Abgeordnete Glaubrech hat bemerkt, daß die in meinem Vortrage enthal- tene Schilderung der Eisenbahnen, der er ebenfalls, wofür ich ihm dankbar bin, Anerkennung hat widerfahren lassen, al lerdings ein wahres Bild der Eisenbahnen von Europa, nicht aber von unserm kleinen Lande fei. Er hat also anerkannt, daß dasjenige, was ich gesagt habe, die Wahrheit ist. In dessen was für Europa Wahrheit ist, muß doch auch wohl für das Großherzogthum Hessen Wahrheit sein. Sodann muß ich auf den ſchon oft vernommenen Refrain zurück kommen, daß die Schulden, die wir durch die Eisen- bahnen contrahirten, vorzüglich und man follte beinahe glau ben allein von den armen Grundeigenthümern bezahlt werden. müßten. Ich mache den Abgeordneten, die dieses gesagt haben, zum Vorwurfe, daß sie das wahre Verhältniß ignoriren. Unsere sämmtlichen Normalsteuerkapitalien im Großherzogthum betragen ungefähr — wir sprechen heute nur in Millionen 39 : 14 Millionen; darunter sind, wie Sie sich aus dem vorjäh, rigen Regierungsblatt Nr. 38 überzeugen können, beinahe 3 Millionen Personalsteuer, 1 Million Gewerbsteuer- und 10 Millionen Grundsteuercapitalien. Berücksichtigen Sie nun das Verhältniß der Personals, Gewerb und Grundsteuer. Pflichtigen, so werden Sie finden, daß gerade die Perso- nalsteuerpflichtigen verhältnißmäßig am meisten getroffen wer den. Zehn Perſonalsteuerpflichtige der IV. Klasse, worin die meisten Staatsdiener hier stehen werden, zahlen z. B. mehr an Personalsteuer, als die Grundsteuer von der ganzen Gemarkung Niedereisenhausen, was ich deshalb nenne, weil mir die Größe des Gesammtnormalsteuerkapitals dieser Ges markung aus der neulichen Debatte noch bekannt ist, beträgt. Der Abg. Zulauf: Es ist mir erwidert worden, daß die Regierungen wohlfeiler bauten, als die Privatgesellschaften. Indem ich vorhin das Gegentheil behauptete, hatte ich nicht blos einzelne Privaten im Auge, sondern auch ganze Privats gesellschaften und ich kann bis jetzt von dieser meiner Uebers zeugung nicht abgehen. Denn ich glaube, daß auch Gea sellschaften wohlfeiler bauen, als die Regierungen, und wenn der Herr Regierungscommissar die Reisenden auf der Taunusbahn angeführt hat und bemerkte, daß so und so viel Tausende in den ersten, dagegen eine ungeheuere Menge in der lehten Klasse gefahren seien, so erwidere ich darauf, daß er die zweite und dritte Klasse ganz vergessen hat, in denen weit mehr als in der ersten, und zwar Personen fahren, die ebenfalls zu den reichen gehören und daß es nicht lauter ges ringe Leute sind, die in der letzten Wagenklasse fahren. Ich bin ſelbſt ſchon mitgefahren, - ich habe mich in einen Wagen vierter Klaſſe geſeht; damals befanden sich unter den Paſſa- gieren viele vermögende Leute, die aus dem Grunde mit der vierten Klasse fuhren, weil sie sich besser umsehen konnten. Ich glaube daher, man kann unter die Paſſagiere in der vierten Wagenklaffe nicht lauter Taglöhner rechnen; man wird wohl über die Hälfte der in der vierten Klasse Zahlenden, wenn auch nicht zu den sehr Vermögenden, doch zu den Mits telvermögenden rechnen können. Der Abg. Prinz: Ich muß vorerst mein Bedauern dar, über ausdrücken, daß ich durch die so eben von dem Abgeordnes ten Georgi vorgetragenen Aeußerungen veranlaßt werde, das Wort zu einer Entgegnung zu ergreifen. Auf die persönlichen Angriffe des Abgeordneten Georgi zu antworten, dazu kann ich mich nicht entschließen; einestheils weil ich es für unpassend halte, Persönlichkeiten in dieser 40 1 verehrlichen Versammlung zur Sprache zu bringen, andern- theils weil ich es noch für unangemessener erachte, solche Per: sönlichkeiten weiter fortzufpinnen; und Persönlichkeiten könnten es doch nur sein, mit welchen ich auf Persönlichkeiten ant- worten könnte. Wenige Worte also nur, meine Herrn, um die gestern von mir geschehenen Aeußerungen zu rechtfertigen. Was Ich habe dem Abgeordneten Georgi nicht Mangel an Einsicht, nicht Mangel an Erfahrung vorgeworfen, ich habe ihm auch keinen persönlichen Vorwurf gemacht in Beziehung auf die Aeußerungen, die er als seine Ueberzeugung ausge sprochen hat; ich habe gestern nur gesagt:,, des Abgeordneten Georgi sarkastischer und allzusehr gesalzener, dabei von einer Verkennung aller Erfahrungen in den Staaten, worin Eisen- bahnen bestehen, wimmelnder Vortrag habe mich nicht über- zeugt." Darin finden sich allerdings zwei Vorwürfe. vorerst das Wort sarkastisch angeht, so nennt man so wohl einen Vortrag, der spöttische Bemerkungen enthält, aber auch der Vortrag wird sarkastisch genannt, welcher mit beißenden und eindringlichen Bemerkungen versehen ist. Daß der gestrige Vortrag des Abgeordneten Georgi Bemerkungen dieser Art mehrere enthält, zeigt ein oberflächlicher Blick in denselben. Das Wort sarkastisch wird also in einem bösen und in einem guten Sinne genommen. Ich nehme keinen Anstand, zu erklären, daß ich es in einem guten Sinne genommen. habe, indem ich den Vortrag des Abgeordneten Georgi sei- ner Form nach für sehr eindringlich halte, und die verehr- liche Kammer wird mir nicht zumuthen wollen, daß ich deſſen Eindringlichkeit auch bezüglich der Materie anerkenne, indem ich sonst mit meiner eigenen Ueberzeugung und meiner gestri- gen Entgegnung in Widerspruch gerathen würde. 1 Ich habe weiter gesagt, der Vortrag des Abgeordneten Georgi wimmele von einer Verkennung aller Erfahrungen in den Staaten, worin Eisenbahnen bestehen; und in der That, meine Herren, ich glaube, an alle Diejenigen, welche über die Erfolge der Eisenbahnen gelesen haben, welche diesen Ei- senbahnen, wenn auch nur in einigen Hauptrichtungen, ſelbſt eine persönliche Anschauung gewidmet haben, welche die all- gemeine Stimme aus Belgien, England, Frankreich und Deutschland nicht verkennen, welche endlich in dem Bestreben. der Regierungen, neue Schienenwege zu schaffen, einen Be- weis für die gemeinnüßigen Erfolge derselben erblicken, appel- liren zu dürfen, um meine Behauptung vor Ihnen zu rechts fertigen, 1 : 41 Der Abgeordnete Georgi hat den Eisenbahnen mangelnde Rentabilität, Tödtung der Industrie in unserm Großherzog- thum, Entwerthung der Städte und Dörfer vorgeworfen, er hat sogar behauptet, daß Tausende von Familien durch die Eisenbahnen zu Grunde gerichtet werden würden. Nun, meine Herren, was soll ich darauf erwiedern? Ich verweise Sie wieder auf die sprechenden und laut verkündigten Erfahrungen anderer Länder, worin gerade das Gegentheil von allem dem, was der Abgeordnete Georgi behauptet, bestätigt wird, näms lich Rentabilität der Eisenbahnen, Belebung des Han- dels, der Industrie und des Ackerbaues, Steigerung des Grundeigenthums eines Landes und seiner Producte, Er- nährung von Hunderttausenden seiner Bewohner. Der Ub- geordnete Georgi wird mir erlauben, dieſen laut verkündigten Erfahrungen in andern Ländern mehr Vertrauen zu ſchenken, als seinen durch Nichts der Art belegten Behaup tungen. Der Abg. Georgi: Ich habe schon vorhin erklärt, meine Herren, daß ich dem Herrn Abgeordneten Prinz nichts mehr entgegnen werde; ich stelle das Ganze lediglich Ihrer Beur theilung anheim. Der Abg. Brund: Ich muß noch einmal auf Actienges ſellſchaften zurückkommen. Man hat uns gesagt, man müſſe auf Staatskosten bauen, man hat uns insbesondere noch ge= sagt, daß ſogar die Nothwendigkeit dazu darum vorliege, weil sich keine Actionäre fänden. Ich müßte sehr bedauern, wenn sich für die Eisenbahn, wie sie projectirt worden ist, auf welcher der Geldkönig von Europa mit andern Geldfürsten wohnt, keine Actionäre dazu finden sollten; dies, wenn es sich so verhält, ſcheint mir eine böse Vorbedeutung für diese Eisenbahn und deren Rens tabilität zu seyn. Man sagt freilich, die Gesammtheit des Staats könne mehr riskiren, als einzelne Actionäre. Es wird also auch von den Vertheidigern des Baues der Eisenbahnen nicht geläugnet, daß uns wirklich ein Verlust bevorstehen könne. Die möglichen Verluste werden aber zu gering ange= schlagen, und davon, wie diese Verluste gedeckt werden sollen, ist noch wenig gesprochen worden, nur der Abgeordnete Hü- gel hat uns soeben darüber etwas gesagt, indem er uns die Berhältnisse der directen Steuercapitalien auseinander gesetzt hat; ich will darauf etwas erwiedern: Meine Herren, wir werden ganz bestimmt schon auf dem nächsten Landtage we- nigstens 200,000 fl. aufzubringen haben für die Verzinsung unserer Straßenbauschulden; wir werden bestimmt noch mehr : 42 1 brauchen, um auch noch einen Tilgungsfond zu crefren. Es ist vorhin angenommen worden, daß wir nur circa 1 pCt. Zinsen an der Eisenbahn verlieren könnten; dieses 1 pCt. Zin fen würde von nur 10 Millionen 100,000 fl. ausmachen; es muß aber auch ein Tilgungsfond geschaffen werden, weil diese Schuld nicht ewig auf dem Staate lasten kann, wenn nicht gänzlicher Mißcredit die Folge davon sein soll. Der geringste Tilgungsfond wäre wohl auch 100,000 fl., um jene Schuld in 100 Jahren zu tilgen. Wahrhaftig, dieſe Zeit wäre lange. Wir bezahlen beinahe 2 Millionen directe Steuer; nehmen Sie nun an, wir haben 200,000 fl. für un- ſern Straßenbau zu decken, dies macht schon 10 pCt. der directen Steuer; wir können aber auch 15 pCt. nöthig haben. Nehmen Sie ferner an, daß wir für die Eisenbahn jährlich noch weitere 200,000 fl. (was ich ganz gering greife) braus chen, so macht dies wieder 10 pCt. aus, dies macht zusams men schon 20 pCt. Dann könnte nach dem nicht erfreulichen Stand unsers Budgets, leicht der Fall eintreten, daß wir die directe Steuer auch noch um 10 pCt. erhöhen müßten. Gehen Sie doch einmal aufs Land, meine Herren, besuchen Sie einmal die Ackerbautreibenden, z. B. nur in Rheinhess sen, wo man doch größeren Wohlstand, als in den beiden dieſſeitigen Provinzen vorausseßt, besuchen Sie, sage ich, ein- mal einen Ackerbautreibenden dort in feinen häuslichen Ver hältnissen, der 100 fl. directe Steuer bezahlt und fast in der Regel weiter - dá bei uns die Gemeinden keine Reve nűen haben - noch 100 fl. Gemeindeumlagen entrichtet neben den indirekten Steuern, untersuchen Sie einmal, ob ein solcher Mann noch weitere Lasten tragen kann, ob er nicht ſchon mit seiner Familie auf die kärglichste Weise lebt, ob er und die Seinigen nicht im Schwefße ihres Angesichts ihr Brod verdienen müssen, untersuchen Sie, ob ihnen noch etwas übrig bleibt, um vielleicht einen Sohn auf eine Reals schule zu schicken, um ihm nur einige oberflächliche Kenntnisse zu verschaffen. Ich glaube, Sie werden finden, daß dies selten oder gar nicht der Fall ist. Unsere Verfassung hat jeden, der 100 fl. directe Steuer entrichtet, einem Staatsdie- ner gleichgestellt, der 1000 fl. Besoldung hat; der Abgeord= nete Hügel fucht uns nachzuweisen, daß die Kathegorie, unter welche er selbst gehört, den größeren Theil der Lasten zu tragen habe. Aber ich möchte doch einmal untersucht wissen, wieviel directe Steuern indirecte zahlt Jeder ein solcher Staatsdiener bezahlt, wie viel ein Kentier, der 3 bis 4000 fl. Revenüen hat und kein Grundeigenthum besist, an directen } * } 43 : Steuern bezahlt. Wer ist nun schon im Verhältniß seines Einkommens, fowohl nach diesen Kathegorien, als nach jener der Gewerbtreibenden, zu hoch besteuert und wem steht noch eine drückendere Belastung bevor? Gewiß nur den Grundbe fihern. Alles will man der directen Besteuerung aufbürden, die indirecte ist freilich auch schon erschöpft. Es ist nur zu bekannt, wie viele Leute jetzt schon ihr Vaterland verlaſſen, Haus und Hof verkaufen, um nach Umerika zu gehen. Biz jezt hat man dies als den freien Willen, als Lust zur Aus- wanderung dargestellt; aber hüten wir uns wohl, die Grund- eigenthümer nicht zur Auswanderung zu zwingen, durch Las sten, die wir ihnen willkührlich aufbürden. Darum meine Herren, wenn Sie auf den Bau der Eisenbahn durchaus eingehen wollen, muß ich die Anträge des Abgeordneten Frank von Reddighausen unterstüßen, daß nur unter der Bes dingung der Bau der Eisenbahn unternommen werde, wenn die Allgemeinheit gleichmäßig besteuert, nämlich bei uns eine Einkommenssteuer eingeführt wird, um die Zahlungen der auf unsern Straßen und Eisenbahnen lastenden Summe zu decken. Wenn behauptet wird, die Gesammtheit habe den Vortheil, so soll auch die Gesammtheit im Verhältniß ihres Einkommens dazu beisteuern. Der Landmann wird die Ei senbahn am wenigsten benutzen, der muß schön zu Hause bleis ben und dafür sorgen, daß er auf den Berfalltermin seine Steuern und Umlagen bezahlen kann, und da geht es ihm. zudem meist sehr übel, die erforderliche Summe zusammenzu: bringen. Ich bin mit den Bemerkungen des Abgeordneten Glaub rech, eine ausgenommen, einverstanden, und unterstütze seine Anträge, die ich noch mit einem weiteren Untrage vermehren will, nämlich, mit dem: daß wir auch nicht auf den Bau der Eisenbahn eingehen, bis uns die Verträge vorgelegt wer den, welche mit andern Staaten abzuschließen sind. Ich verlange hiermit nicht zu viel; werden denn nicht alle Verträge mit andern Staaten auf Ratification abges schlossen? haben wir nicht noch ganz neulich das Beispiel in Frankreich gehabt, daß ein schon längst von der Regierung eingegangener Vertrag mit England von den Kammern nicht gut geheißen worden ist? Wie wichtig solche Verträge sind, das wissen wir zu unserem Schaden bezüglich des Handels auf unserer größten Wasserstraße, dem Rhein; wir sind es einigemal schon gewahr geworden; wer weiß, ob nicht auch bei diesen Verträgen ähnliche Irrthümer oder Versehen so will ich sie lieber nennen stattfinden können, welche 1 i 44 vielleicht doch der Kammer nicht entgehen würden, wie diese ja bereits schon mehrmals nachträglich, nach Abschuß solcher Verträge, oder auch in der Vorausseßung, daß sie abgeschlof. sen werden würden, in welcher letzteren Beziehung ich na. mentlich den Handelsvertrag mit Holland aufzählen möchte, gethan hat. In ersterer Beziehung kann der Vertrag wegen der Taunuseisenbahn genannt werden. Ich trage daher, wie gesagt, darauf an, daß man die Er- bauung der Eisenbahn so lange verschieben möchte, bis ung die besonderen Verträge mit andern Staaten vorgelegt werden. Man hat schon mehrmals hier Amerika erwähnt, wie die- ses Land zu seinem Glück so viele Eisenbahnen und so viele industrielle Anlagen habe. Ja, meine Herren, es hat deren viele, aber leider hat es nur zu viele. iele. Selbst dieſes Land der Grund- und Gewerbsteuerfreiheit, wo aller Staatsauf wand bios durch die Zollgefälle, ohne irgend eine sonstige directe oder indirekte Steuer gedeckt wird, ist durch seine in- dustrielle Unternehmungen so weit gekommen, daß die einzel- nen Staaten wegen Anlage von Eisenbahnen, Kanälen, Straßen tc. theils förmlich Banquerout gemacht und theils keinen Credit mehr haben; ihr großartiges Bankwesen, wie es sonst in der Welt nicht mehr bestand, ist ebenfalls dadurch untergegangen. Dieses hinsichtlich seiner Production und seines Handels so reiche Land ist in gänzlichen Mißcredit gekommen, aus welchem es nicht wieder herauskommen würde, wenn es nicht der Reichthum und Fleiß seiner Bewohner, sein Erwerb und seine Steuerfreiheit schüßten; es wird wieder emporkommen. Aber bei uns find solche Mißgriffe viel gefährlicher. Wir sind schon vollauf belastet, unsere di- recten Steuern haben ihr volles Maaß und die weitere Er- findung von indirekten Steuern wird auch erschöpft sein; jede weitere Last könnte und würde uns erdrücken. Das Bäuerlein, welches der Abgeordnete Schmitthenner an einem Strom, den es nicht überschreiten konnte, verkümmern ließ, könnte wahrhaftig noch eine große Gesellschaft von Bäuerlein bekommen, die an seinem fogenannten Eisenstrom verkümmern, weil sie die Besteuerung nicht überwinden können. Mehrere Abgeordneten versuchten mich zu widerlegen, namentlich auch der Abgeordnete Prinz; indessen er hat uns bei einer andern Sache, ich möchte das Maischsteuergeset nennen, bemerkt, daß seine Committenten die gewichtigsten Autoritäten für ihn seien, wobei ich nur noch anführen will, daß der Abgeordnete Prinz in der durch den Rheinverkehr 2 45 verődeten Bergstraße gewählt wurde, ich aber der Provinz Rheinhessen angehöre; damit wird hoffentlich unsere Differenz abgemacht sein. Etwas hat der Abgeordnete Glaubrech noch angeführt, worin ich auch ihm, wie schon gesagt, nicht beistimmen kann. Er äußerte nämlich, überall wolle man Eisenbahnen. Ich habe mich bemüht, mir darüber näheren Aufschluß zu verschaffen, und ich muß bekennen, daß die besonneneren Leute der Residenz eher Nachtheile, als Vortheile in der Eisenbahn, Unlage erkennen. Wenn die Vortheile wirklich so groß wäs ren, als man sie in Bezug auf die diesseitigen Provinzen schildert, so wäre es nicht nur Pflicht, die Bewohner der Provinz Rheinhessen von allen Nachtheilen loszuzählen, ſon, dern ihnen auch noch eine Entschädigung zu geben, bis sie ebenfalls eine Eisenbahn bekommen. Wie wird anders die Provinz Rheinhessen ihren beglückten Schweſtern gegenüber bestehen können? Ueber die günstigen geographischen Verhältnisse unseres Landes habe ich mich gestern schon ausgesprochen. Der Ab- geordnete Hügel hat angeführt, welcher große Wohlstand durch die Dampfschifffahrt auf dem Rheine entstanden sei. Ich gebe zu, wer dem Rheine zunächst wohnt, mag hin und wies der einen besonderen Vortheil davon haben, es mag an man- chen Orten ein sehr bedeutender Geldumlauf dadurch entste hen, aber dies dehnt sich nicht merklich aus Der Produkten- und Waarenverkehr im Großen wird vor wie nach mit Se: gelschiffen betrieben; nur der Personenverkehr hat zugenom men. Ich bin aber im Allgemeinen ein Verehrer des Vers kehrs, wenn die Opfer dafür im Verhältniß des Vortheils nicht zu groß ſind. Es bleibt mir noch zu untersuchen übrig, was denn eigent lich der Zweck der Straßen Kanäle und Eisenbahnen ist? Der Zweck ist in der Regel kein anderer, als der, die größe: ren Flüſſe dadurch mit einander zu verbinden. Darum nennt man gewöhnlich solche Verbindungsstraßen nach den verbun denen Flüssen, als Donau-Mainkanal, Rhein : Weserbahn, Main - Neckarbahn ic. Daß man früher von solchen Verbin bungen ungeheuere Begriffe hatte, wissen Sie, Sie wissen auch, wie sehr die Frankfurter und andere Kapitalisten sich darauf eingelassen haben; Sie werden aber auch wissen, wie die Actien nun stehen. Der Muth der Uctionäre sinkt in der Regel schon vor der Vollendung, daher das Fallen der Actien, wie der vom Donau - Mainkanal und von andern Unterneh- mungen. Man erkennt dadurch an, zuweit gegangen sein. 46 1 Die Flüsse sind und bleiben fonach die wichtigsten Handels, ſtraßen, alle andern dienen nur zu ihrer Verbindung und dem untergeordneten inneren Verkehr. Weil wir nun solche schiff- bare Ströme wirklich im Vergleich mit andern Ländern im Uebermaß haben und es uns auch an Chauffeen nicht fehlt, ſo find wir in dieser Beziehung schon glücklich genug und bes dürfen keiner weiteren, mit so übermäßigen Opfern verbun denen Beglückung mehr. Bei uns bestehen auch noch andere Rücksichten, als in andern Ländern. Wenn man das Großherzogthum mit an, dern großen Staaten vergleichen will, so weiß ich nicht, wo- hin wir kommen. Man sagt z. B., wir müßten Frankreich entgegen bauen, dort sei der große Centralpunkt, die unges heure Stadt Paris mit ihren immensen Befestigungswerken, die eine, Masse von Truppen aufnehmen und diese von dort nach allen Richtungen befördern könnten. Dies ist wahr; wo ist aber unser deutscher Centralpunkt? ich weiß ihn nicht anders zu suchen, als am Site des Bundestags; aber der Siz des Bundestags ist kein Centralpunkt von Deutschland, er liegt vielmehr gerade am Ende von unsern Eisenbahnen. Da Deutschland wohl ohnehin nicht als eine friegsführende, wenigstens nicht als eine herausfordernde Macht betrachtet werden kann, so bin ich mit dem Abgeordneten Frank einvers standen, daß wir als defensive Macht aus Furcht vor den Franzosen uns sehr hüten müssen, denselben Straßen und Brücken zu einer möglichen Ueberrumpelung zu bauen. Diese Ueberzeugung scheint man höheren Orts schon längst gehabt zu haben. In Rheinbaiern kam vor mehreren Jahren eine Eisenbahn in Vorschlag von Speyer oder Mannheim nach Becksbach bis an die französische Grenze. Dieser Plan ging von der Regierung aus, oder hatte doch Anfangs ihren Bei- fall, es war schnell eine Maffe von Uctien unterzeichnet, mehr als man nöthig zu haben glaubte. Doch bald kam dieſe Sache wieder ins Stocken, es wollte nicht mehr vorwärts gehen, die Regierung schwieg stille, man fragte endlich bei ihr an, warum die Ermächtigung zum Bau nicht ertheilt werde, die Antwort darauf war aber die: man könnte Actio= nären nur unter der Bedingung den Bau dieser Bahn ges statten, daß sie an der französischen Grenze zu gleicher Zeit ein Fort auf dieser Bahn errichteten und die nöthige Garnis ſon darin unterhielten. Damit hatte der ganze Bau ein Ende. - Die Eisenbahnen in Frankreich lassen sich sonach mit den in Deutschland zu erbauenden nicht in Vergleich bringen. Wenn wir die Franzosen als angreifenden Theil J # 1 47 fürchten und ihnen gegenüber einen Vertheidigungszustand be. haupten wollen, so dürfen wir ihnen zu ihrem Fortkommen feine Eisenbahnen bauen. Ebensowenig kann das Großherzogthum Hessen in staats- wirthschaftlicher und finanzieller Beziehung mit Frankreich, und noch weniger mit ganz Europa verglichen werden. Wie kann man behaupten: was für Frankreich, was für ganz, Europa anwendbar ist, ist auch für das Großherzogthumi Hessen anwendbar? So hat man uns z. B. gestern auf die enormen industriellen Verwendungen der Franzosen hingewies fen. Es ist wahr, daß sie solche machen, allein ihre Lage bietet ihnen auch die Mittel dazu, denn bis jetzt haben sie noch kein Papiergeld creirt, wenn sie auch freilich Anleihen macken und eine große Schuldenmasse haben. Woher ihnen übrigens die Mittel kommen, das hätte man auch darthun können; wenn man Vergleichungen darüber angestellt hätte, was die Ber- waltung in dem Großherzogthum Hessen, das nur ungefähr so groß ist, wie ein französisches Departement, und was fie in einem entsprechenden Theile von Frankreich kostet, so roürde fich jedenfalls herausgestellt haben, daß den Franzosen bei gleicher Besteuerung für industrielle Zwecke noch viel übrig bleibt, während bei uns für dergleichen Zwecke niemals etwas übrig bleibt. Ferner wurde behauptet, daß eine Eisenbahn dem Aller- ärmsten nuke, fogar die armen Handwerksburschen und die Drescher aus Oberhessen mit ihren Flegeln würden auf der Eisenbahn fahren. So lange aber von der Station 9 kr. be. zahlt werden, oder eine Distanz, wie die von Mainz nach Frankfurt, auf dem lehten Platz 42 kr. kostet, wird dies der Fall nicht sein, weil solche Leute selten Geld haben, und eis nen noch größeren Weg zu Fuß um einen Lohn von 42 kr. machen würden. Wie kann ein armer Drescher, der in der Regel kaum Geld zur Anschaffung eines Dreschflegels hat, eine solche Fahrtare bezahlen?! In der Praxis werden sich die vermeinten Vortheile ganz anders gestalten, wir sollten daher jedenfalls mit großer Vors ſicht verfahren. Ich bin im Allgemeinen nicht gegen Eiſen: bahnen, ſie mögen hin und wieder große, ja eminente Bor- theile darbieten; ich behaupte auch nicht, daß sie geradezu und ausschließlich nachtheilig für uns find; aber wir haben sehr zu erwägen, ob die Nachtheile die Vortheile nicht in großem Maaße überwiegen. So lange dieser Zweifel bei uns besteht, kann schwerlich das Warten als nachtheilig betrachtet wer den. Gewagte Unternehmungen muß man so lange als mög. 48 ሩ lich verschieben und das alte Sprüchwort beherzigen: „kommt Zeit, kommt Rath." Ich meine noch immer, wir sollten für jeßt die Proposi- tion der Staatsregierung ablehnen und das Weitere ab, warten. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Es ist nun schon zum zweitenmale als Mittel, um das Deficit, welches bei der Eis senbahn entstehen könnte, zu decken, eine allgemeine Vermö gens oder Einkommenssteuer in Aussicht gestellt worden. Es wird daher erforderlich sein, etwas darauf zu erwiedern. Was die Form der Anlage einer solchen allgemeinen Vers mögens oder Einkommenssteuer betrifft, so beruht sie gewöhn lich auf der eigenen Angabe der Steuerpflichtigen, wenigstens glaube ich, daß man diese Form bei dem Antrage im Auge gehabt hat. Eine solche Steueranlage ist bei uns schon früher versucht worden, man hat aber dabei sehr unangenehme Ers fahrungen gemacht. Ich muß aber auch bekennen, daß eine solche neue Steuerart bei uns einzuführen aus dem Grunde überflüssig ſein würde, weil die Grundlage unseres ganzen directen Steuersystems nichts anders ist, als eine reine Ein- kommenssteuer, und wer sich die Mühe gibt, es zu studiren, wird sich davon überzeugen, daß es wohl eines der conse quentesten Systeme in Deutschland ist. In dieser Beziehung brauchen wir daher nicht zu suchen, was wir schon längst besigen. 1 Wenn endlich im Vorbeigehen geäußert worden ist, in Frankreich bliebe freilich für industrielle Unternehmungen noch etwas übrig, weil dort ein Departement, welches ungefähr so groß sei, als das Großherzogthum, weit weniger - Verwal tungskosten verursache, als das Großherzogthum Hessen, so ist das Resultat meiner Untersuchungen, die ich seiner Zeit darü ber angestellt habe, gerade das Gegentheil gewesen; je größer nämlich der Staat ist, desto größer sind auch verhältnißmäßig die Verwaltungskosten. Sie dürfen nicht die Summe der Verwaltungskosten, welche ein franzöſiſches Departement für sich kostet, mit den Verwaltungskosten des Großherzogthums vergleichen, sondern Sie müssen die Kosten der gesammten Verwaltung annehmen und sie dann entweder mit der Zahl der Quardratmeilen, oder der Bevölkerung, oder der Departes mente dividiren, um einen vergleichenden Mcßstab für das Großherzogthum zu finden. Es wird dann sicher eine größere Summe für Frankreich herauskommen, als für das Großher, zogthum Hessen. In einem kleineren Staate kann nämlich Alles verhältnißmäßig in einem weit kleineren Maßstabe 49 ! ! ausgeführt werden, als in einem größeren Staate, und der Unterschied der Vergleichung liegt blos darin, daß ein De- partement nur ein Theil des Ganzen ist, und die Centralko, sten nicht bei ihm erscheinen, weßwegen eine solche Verglei chung hier durchaus nicht plakgreiflich ist. Ich wollte mir diese Bemerkung nur erlauben, um zu zeigen, daß wir auch in dieser Beziehung gegen Frankreich im Vortheile find. Der Abg. Brund: Ich habe bei meiner Aeußerung nicht bloß die Kosten der Verwaltung eines Departements, ſondern auch die verhältnißmäßigen Kosten der Centralver- waltung nach einem Durchschnitt in Anschlag gebracht. Der Abg. Krug: Ich hatte mir nicht vorgenommen, über die allgemeine Frage das Wort zu ergreifen, und be: schränke mich daher auch nur auf die Erklärung, zu der ich mich durch die Aeußerungen mehrerer oberhessischen Abgeord: neten veranlaßt finde, daß ich den Bau der projectirten Ei: senbahn von so hoher Wichtigkeit für das ganze Großherzog- thum, namentlich aber für die Provinz Oberhessen, erachte, daß ich mich wahrhaft einer Verantwortung auszusehen glaube, wenn ich unter den vorliegenden Verhältnissen auf Ablehnung der Proposition antragen und gegen die lettere stimmen wollte, zumal da der Herr Regierungscommissär die amtliche Versicherung gegeben hat, daß allerdings der Bau einer Ei- senbahn von Caffel_nach Frankfurt auf Kurhessischem Ge: biete über Fulda möglich ist, ohne die Provinz Oberhessen zu berühren. Ich werde daher im Algemeinen für die Propoſi- tion stimmen. Der Abg. Glaubrech: Der Herr Regierungscommiſſär hat vorhin in Entgegnung auf meinen heutigen Vortrag be- merkt, daß man mit Unrecht der Staatsregierung den Vor wurf mache, daß fie den vorliegenden Gegenstand nicht gehő, rig vorbereitet habe, während dieselbe doch allerdings keines- wegs unvorbereitet ſei, ſondern alles wohl erwogen und durch Unterhandlungen mit den benachbarten Regierungen vorberei tet habe. Es ist mir indessen nicht in den Sinn gekommen, zu behaupten, daß die Staatsregierung selbst nicht gehörig vorbereitet sei, denn in wie weit dieselbe den Gegenstand bis jest außer der Kammer untersucht und erörtert, was dieselbe außer der Kammer gethan hat, und in welchem Verhältnisse sie zu den benachbarten Regierungen bezüglich deſſelben steht, das weiß ich nicht und ich glaube, wir Alle wissen es nicht. Aber ich habe allerdings gesagt, daß der vorliegende Gesetzes, entwurf für uns nicht gehörig vorbereitet `ſei, um ihn geneh- migen zu können, weil er zu vag und unbeſtimmt gehalten 5 ► 50 i L sei. Ich habe gesagt, der Gesetzesentwurf sei zu allgemein und unbestimmt für die Stände, da derselbe eine Reihe von fehr wichtigen Fragen gar nicht berühre, über welche die Stände, wenn sie die begehrten Bewilligungen ertheilen soll, ten, doch jedenfalls nähere Mittheilung und Nachweise begeh- ren können. Ich habe gesagt, daß die Stände namentlich. begehren könnten, daß die gesammte Bahnlinie bestimmt tra= cirt werde, daß man und zwar durch die Gefehespropoſition selbst bestimme, welche Bahnen gebaut werden sollen, welche Linien gleichzeitig und welche etwa zuerst ausgeführt werden sollen, an welchen Orten Bahnhöfe zu erbauen seien u. s. w., da dieses doch jedenfalls Fragen seien, worüber sich die Staats. regierung mit den Ständen zu vereinbaren habe, und man den Ständen nicht zumuthen könne, lediglich der Staatsre- gierung die Bestimmung der Bahnlinien anheim zu geben. Ich habe gesagt, der Entwurf sei auch in pecuniärer Bes ziehung nicht vorbereitet, weil er keine detaillirten Ueberschläge, weder für die Bahnen selbst, noch für die Bahnhöfe, Statis onspläte und sonstige Kosten, die verwendet werden sollen, enthält. Ich habe gesagt, daß durch den Gesetzesentwurf kein beſtimmter Credit von uns begehrt worden sei, und daß wir keinen ungemessenen Credit bewilligen können. Diefes alles find gewiß Belege dafür, daß der Gesetzes. entwurf für uns nicht vorbereitet ist. Ich habe aber auch ferner gesagt, daß, wenn es feststehe, daß, insoweit die Erträge der Eisenbahnen die Kosten der Unterhaltung und die Zinsen der Kapitalien nicht decken, das Fehlende aus allgemeinen Staatsmitteln durch Bewilligung der Stände gedeckt werden. müsse, die Stände jedenfalls bei den Erträgen der Eisenbah nen und somit bei den Tarifen sehr intereſſirt seien, und da- her, wenn wir auch nicht die Tarife selbst im Detail mit diskutiren wollen, doch wenigstens Mittheilung der hauptsächs lichsten Anhaltspuncte für die Tariffähe begehren und hier- über ein Wort mitzusprechen berechtigt sein dürften. Ich habe Sie endlich auch noch auf das Verhältniß zu der Post auf- merksam gemacht und bemerkt, daß die Stände jedenfalls darüber zu hören seien und ihre Zustimmung zu ertheilen hät ten, ob der Post überhaupt eine Entschädigung zuzugestehen fei? und ob im Entstehungsfalle es nicht sogar räthlich sei, die Expropriation der Post im Interesse des Staates zu beantragen? Mit Rücksicht auf alle diese noch unerörterten und zum Theile nicht einmal berührten Fragen habe ich heute, und ich glaube mit Recht, gesagt, daß der vorliegende Gefeßesent. [ ? 51 1 rourf für uns nicht gehörig vorbereitet sei, und daß ich daher demselben meine Zustimmung nicht ertheilen werde, eine Un- sicht, welche noch fortwährend meine innige Ueberzeugung ist. Was nun die Frage über den Bau der Eisenbahnen durch Privatgesellschaften betrifft, so kann ich meine Behauptung, daß sich gewiß Privatgesellschaften zum Baue der Eisenbah= nen und namentlich zum Baue der Nordbahn melden würden, nnr wiederholen. Es ist, wie ich schon ausgeführt habe, unzweifelhaft, daß Frankfurt sich von dem Norden nicht abschneiden lassen kann, ſondern alle Mittel anwenden muß, um seine commerciellen Berbindungen mit dem Norden zu erhalten. Nun mag es zwar sein, daß von Seiten Frankfurter Kaufleute ein Bau über Fulda bereits in Aussicht genommen worden ist; ich gebe dieses zu, schon darum, weil dieser Weg näher nach Leipzig ist, als der Weg über Gießen. Aber wenn die Frank- furter sehen, daß ihnen, wie ich dieses heute bereits ausge führt habe, nicht gestattet wird, über Fulda zu bauen, dann bleibt ihnen nichts übrig, als die Bahn in der Richtung über Gießen nach Kassel zu bauen, und sie müssen dieses thun, weil sie, wie gesagt, sich von dem Norden nicht abschneiden laſſen können. Es ist daher ganz überflüssig, die Frage zu untersuchen, ob denn für die Provinz Oberhessen selbst und zwar für den Gewerbe und Fabriken betreibenden Theil derselben die Bahn über Fulda nicht sogar vortheilhafter, als jene über Gießen, ſein würde? eine Frage, über welche nach den Weußerungen mehrerer Deputirten, namentlich des Abgeordneten Zulauf, allerdings verschiedene Ansichten denkbar sind, da nach diesen Aeußerungen, wenn die Bahn über Gießen geführt wird, gerade die Fabriken und Gewerbe betreibenderen Theile von Oberheffen, die Städte Alsfeld, Schlik u. f. w., die ganz nahe an der Bahn über Fulda liegen würden, abgeschnitten sind. Indessen will ich die Entscheidung dieser Frage lediglich und um so mehr unseren Oberbessischen Collegen überlassen, da dieselbe doch jedenfalls müßig ist, und in der Hauptsache eine Bahn von Frankfurt über Fulda nicht autorifirt werden wird. Was die Vortheile der Eisenbahnen betrifft, so habe ich zwar anerkannt, daß die Eisenbahnen große Vortheile in ih rem Gefolge haben. Über diese Vortheile sind nach meiner Ansicht in dieser Diskussion jedenfalls zu stark geschildert und übertrieben worden, namentlich in Bezug auf die Provinz Oberhessen. Ich bin fest überzeugt, daß einestheils die Vors theile derselben für die Provinz Oberhessen nicht so groß sind, 1 32 als man ſie geſchildert hat, und daß anderntheils sie den bez deutenden Opfern, die für sie gefordert werden, bei weitem nicht entsprechen. Gießen ist keine Handels- und keine Fabrikstadt, und wird auch keins von beiden werden. Es ist eine Universitäts. ſtadt, der Sik von Professoren und Studenten. Für diese mag allerdings die Eisenbahn recht angenehm sein; sie können heute nach Frankfurt, morgen nach Kaffel fahren, um dort zu Mittag zu essen und sich Vergnügungen zu machen; aber das will in der Hauptsache und im Ganzen nicht viel heißen. Zwar kommen auch Fremde, Reisende und Waaren nach Gies Ben, aber da Gießen weder Fabrik: noch Handelsplaß ist, so gehen die Reisenden und die Waaren, ohne auszusteigen oder umgeladen zu werden, durch. Es kann sich daselbst kein Stapel bilden, weil Gießen der Ort nicht ist, wo man die Waaren umladen wird, und ich weiß daher nicht, wie Gießen durch die Eisenbahn ein Handelsplaß werden soll. Ich glaube daher, daß der Vortheil, der für Gießen aus der Eisenbahn erwachsen dürfte, durchaus nicht so groß ist, als man ihn geschildert hat. Die Hauptvortheile, welche die Eisenbahnen mit sich führen, können nur bei größeren Han- dels- und Fabrikstädten, wie z. B. Mainz und Offenbach, fich zeigen, indem die Belebung und die Blüthe der Fabriken und des Großhandels nicht nur den Handelsstand selbst be- rühren, sondern auch durch ihre mannichfaltigen Canäle auf das wohlthätigste auf den ganzen Staat und auf den Wohl- stand aller Klaſſen der Geſellſchaft zurückwirken. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Es ist abermals bes hauptet worden, daß der Gesetzesentwurf nicht vollständig vorbereitet sei, weil er über die Richtung nichts sage. Dars über habe ich mich aber schon vorhin ausgesprochen, daß in diesem Gefeßesentwurf um deswillen keine Richtung vorkomme, weil er ganz allgemein gehalten ist, um der Zukunft nicht vorzugreifen. Allein die Staatsregierung wird durch dieses allgemein gehaltene Gefeß nicht ermächtigt, nur irgend eine Eisenbahn zu bauen; keine Bahn kann sie erbauen, wenn das Gesetz auch besteht, ohne vorhergängige Vereinbarung. mit den Ständen über dieselbe. } Eine Proposition zum Bau einer Eisenbahn, die zuerst und vor allen übrigen begonnen werden soll, ist aber allers dings in den Motiven enthalten; es ist die Bahn von der Kurhessischen Grenze über Gießen, Frankfurt, Darmstadt nach der Badischen Grenze, und hierüber muß eine Vereinbarung getroffen werden. Es ist dies übrigens ganz dieselbe Behands 1 53 lungsweise, wie bei dem Straßenbau, und daher dem bishe, rigen Verfahren entsprechend. Wenn ferner behauptet worden ist, man müſſe auch die Tarifsätze mit den Ständen vereinbaren, so ist dieses rein unmöglich, da dieselben mit den übrigen betheiligten Regie: rungen verabredet werden müssen, wobei vorzugsweise der Vortheil des Publicums berücksichtigt werden wird. Was endlich die Post betrifft, so hat entweder die Post einen gesetzlichen oder rechtlichen Anspruch auf Entschädigung, oder nicht; hierüber kann mit den Ständen ebenfalls nicht verhandelt werden, sondern diesen Punkt müssen am Ende in letter Instanz vielleicht die Gerichte entscheiden. Der Abg. G. Schenck: Nur wenige Worte, um die Mis norität des Ausschusses gegen den Vorwurf zu rechtfertigen, der ihr von dem Abgeordneten Hügel gemacht worden ist. Die Minorität fagt Seite 30 des Berichts Folgendes: (verlesen.) Wenn sie also hier die Worte einschaltet:,, mit geringer Ausnahme," so sagt sie nicht, daß sämmtliche Eisenbahnen. in der Welt durch Privatunternehmungen gebaut worden sind, sondern nur die meisten, was durch die von dem Abgeordne ten Hügel gegebene Notiz selbst beſtätigt wird. Schließlich will ich nur noch die Anträge des Abgeordne. ten Glaubrech unterstützen, damit sie zur Abstimmung kommen. Der Abg. Kilian: Wenn wir überhaupt auf Eisenbah nen eingehen wollen, so können wir nicht beffer thun, als die Bahn durch die Provinz Oberhessen zu bauen, denn ich habe die Ueberzeugung, daß diese Bahn sich besser rentiren wird, als die südliche. Ich will jeht nicht weiter noch in das Detail eingehen und beschränke mich darauf, zu erklären, daß ich mit dem Abgeordneten Glaubrech darin nicht einver- standen bin, wenn er ſagt, daß auf der Bahn durch die Pro- vinz Oberheffen nur Studenten oder einige andere Leute fah- ren würden. Gerade der große Zug von Reisenden geht von Norden nach Süden, und es ist bekannt, welchen Weg jest, wo keine Eisenbahn besteht, die Reisenden aus dem Norden nehmen. Ich will nur Eins erwähnen. Die Hamburger und Andere aus der dortigen Gegend reisen per Dampfschiff nach Amsterdam, von da den Rhein hinauf in die Taunusbäder. Besißen wir aber eine Eisenbahn in der Provinz Oberhessen, so werden sie in Zukunft dies schnellere und bequemere Trans- portmittel wählen. Es ist eine bekannte Sache, daß die Mehrzahl derjenigen, welche des Vergnügens wegen reiſen, von Norden nach Sü- Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 10 54 1 den gehen, und nicht umgekehrt. Wir können uns daher der Hoffnung hingeben, daß die meisten aus Norddeutſchland kommenden Reisenden unsere Oberhessische Bahn benußen werden. Mit dem : ,, Hannibal ante portas," welches von einigen Seiten laut geworden ist, kann ich mich nicht einver- standen erklären. Ich bin überzeugt, daß die Franzosen nie- mals alle Eisenbahnen bauen werden, die von ihren Kam: mern genehmigt worden sind. Viele, welche die dortigen Verhältnisse kennen, finden in dem ganzen franzöſiſchen Eisen- bahnproject gar nichts, als eine Speculation des jezigen frans zösischen Ministeriums, um sich am Ruder zu halten. Bekanntlich läuft in Frankreich die Wahlperiode bald ab, und es soll nächstens von neuem gewählt und zu dieſem Ende die Kammer aufgelößt werden. Man wartet damit nicht bis zum letzten Momente der Wahlperiode, sondern löst die Kammer schon früher auf. In dieser Voraussicht bringt nun das Ministerium sein Eisenbahnprojekt in die Deputirten- kammer, um nach allen Seiten hin den Wählern ſagen zu können:,,Seht, das Ministerium giebt euch Eisenbahnen", und dadurch hofft man gute Wahlen zu bekommen. Wenn aber auch die Franzosen eine Eisenbahn bis an den Rhein hätten, so kann dies möglicherweise in strategischer Rücksicht ein Motiv sein, auch unserer Seits ebenfalls Eisenbahnen zu bauen. Ueber die ſtrategiſchen Gründe erkläre ich mich aber nicht. Ich würde mich dazu aufgefordert fühlen, wenn in der Proposition der Staatsregierung auch nur die entfernteste Andeutung von der Nüglichkeit der Bahn in der angegebe nen Hinsicht enthalten wäre; ich finde eine solche Andeutung nicht, und darum wird mich, wenn ich demnächst mein Vo- tum abgebe, das commerzielle und industrielle Interesse lei- ten. Vom strategiſchen Geſichtspunkte aus betrachtet, ſcheint es mir aber, daß die südliche Bahn nach Mannheim und nicht nach Heidelberg gehen müßte, und mit dieser Richtung würde sich eine große Zahl der Mitglieder dieser verehrlichen Versammlung nicht einverstanden erklären wollen. Der Abg. Schneider: Der Abgeordnete Glaubrech hat Manches dem Urtheile der Oberhessischen Abgeordneten über: laſſen und ich glaube im Interesse meiner ehrenwerthen Col- legen aus Oberhessen, mag auch ihre Meinung sein, welche sie will, feierlich auf die Generosität der Frankfurter Geldfürsten verzichten zu dürfen, weil ich überzeugt bin, daß weder eine Eisenbahn über Gießen, noch eine über Alsfeld gebaut werden würde, wenn dieſes auf jene Generoſität an- Fäme. 55 і Die Verhältnisse der Stadt Gießen anlangend, so be- daure ich, daß viele Mitglieder dieser verehrlichen Kammer, welche auf der inländischen Universität ihre Studien machten, in einem Lebensalter dort gelebt haben, wo man sich um ma- terielle Interessen gar nicht bekümmert. Hätten sie aber in einem Lebensalter dort gelebt, wo man die verschiedenen Sei- ten der bürgerlichen und materiellen Verhältnisse einer Stadt oder Gegend mit Ernst und Theilnahme erwägt, so würden fie die Bedeutung der Stadt Gießen auf ganz andere Weise beurtheilen, wie dieses schon mehrmals geschehen. Ich bin weit entfernt, die Städte Alsfeld, Lauterbach c. in Hintergrund zu stellen; das steht aber doch richtig, daß, wenn die Bahn über Fulda geführt werden sollte, Gießen noch weiter an die Bahn haben würde, als Alsfeld, wenn die Bahn über Gießen geführt werden sollte. Zu meinen Glaubens- fäßen gehört allerdings auch der, daß wenn man die Bahn- linie über Alsfeld und Lauterbach ziehen, oder sie diesen Orten noch näher legen könnte, einige Stimmen mehr für das Pro- ject im Allgemeinen gewonnen werden könnten, wie ich schon früher bemerkte, daß wenn alle Wünsche und Hoffnungen befriedigt oder vereint werden könnten, die Annahme des Prin, cipalartikels des Gesetzesentwurfs wohl keinem Zweifel unter- läge. Ich bin überzeugt, daß eine Eisenbahn durch Obers hessen über Gießen jedenfalls die entschiedensten Vortheile für jene Provinz darbietet, und denke deßhalb auch, daß man durchaus keine Hoffnungen auf den Unternehmungsgeist der Geldfürsten, resp. auf Actionäre aufkommen lassen soll. Der Abg. Frih: Ich kann mich nur Denjenigen an- ſchließen, welche im Allgemeinen für die Erbauung von Ei- senbahnen sind und ich werde nach reiflicher Erwägung mit voller Ueberzeugung dahin abstimmen, und zwar auch dafür, daß die Bahn auf Kosten des Staats gebaut werde. Der Präsident: Die Vortheile, welche die von der Staatsregierung auf Kosten des Staats projectirte Eisenbahn hat, sind unverkennbar; allein auch die Nachtheile, welche in ihrem Gefolge sind, können nicht weggeläugnet werden. Ich halte sogar in staatswirthschaftlicher Hinsicht die Nachtheile für größer, als die Vortheile. Un der Spitze der Nachtheile steht die ungeheure Schuldenlast, welche durch die Ausführung des Projects den Steuerpflichtigen aufgebürdet wird. Ich sage, den Steuerpflichtigen, da keine Domänen mehr da sind zur Veräußerung Behufs der Schuldentilgung, und da der Ertrag der Eisenbahn nicht einmal die Verzins ſung vollständig decken wird. Die Zeiten haben sich seit 10* ན་ 56 ! dem Entstehen unserer Verfaſſung geändert, und wir mit denselben. Auf dem Landtage von 1823-1824 wurde lange dar über gestritten, ob man eine Kunststraße von Darmstadt nach Mainz bauen solle. Sie fand Unstand, vorzugsweise wegen der Kosten, und doch handelte es sich damals um kaum 100,000 fl. Auf dem Landtage von 1835 1836 wur: den 5 Millionen Gulden bewilligt, um Straßen nach allen Ecken und Enden des Großherzogthums auszuführen. Jeht find wir darauf und daran, 9 Millionen Gulden und mehr für Eisenbahnen gut zu heißen. Es ist mir dies sehr bedenk lich, weil ich nicht weiß, woher wir die Mittel nehmen wol- len, wenn ein Krieg bevorsteht, oder ausbricht. Wir müssen dann zu Anlehen unsere Zuflucht nehmen, und daß diese Unlehen unter viel nachtheiligeren Bedingungen, vielleicht gar nicht zu realisiren sind, wenn wir kaum erst eine neue Schuld von 9 Millionen Gulden gemacht haben, dies wird Niemand bezweifeln. Dennoch werde ich, weil wichtige strategische Rücksichten. hinzukommen, dafür stiramen, daß die Eisenbahn durch die Provinz Oberhessen gebaut wird, und zwar auf Staatskosten, indem ich leider die hohe Wahrscheinlichkeit oder vielmehr Ueberzeugung gewonnen habe, daß sich keine Actiengesellschaft zur Ausführung finden wird. Ich habe mich deshalb auf Erkundigungen gelegt, sie sind aber nicht nach Wunſch aus: gefallen. Was die Starkenburgische Bahn betrifft, so hängt meine Abstimmung hierüber davon ab, ob ich glaube, daß außer den allgemeinen Gründen erhebliche strategische Rücksichten dafür vorliegen. Wenn ich diese nicht finden kann, so werde ich dagegen stimmen. Der Ubg. Becker (von Ortenberg): Ich halte die Eisen- bahnen für einen der wichtigsten Fortschritte unserer Zeit. Ich bezweifle indessen, ob die zu erbauende Eisenbahn von der Kurhessischen bis zur Badischen Grenze sich vollständig rentiren werde, und ob sie namentlich die vielen Vortheile bewirken wird, welche man sich theilweise davon verspricht. Ich bin jedoch der Ansicht, daß unter allen Umständen die proponirte Eisenbahn von der Kurhessischen bis zur Badischen Grenze erbaut werden muß, da unser Land nicht zurückblei ben kann und darf. Namentlich wird die Eiſenbahn, welche durch die Provinz Oberheffen geführt werden soll, dem allge- meinen Verkehr, hauptsächlich für diese Provinz vortheilhaft ſein, und ich werde daher auch für die Erbauung der Eisen= 57 bahn in der Provinz Oberhessen und Starkenburg stimmen. Es würde gewiß gegen das Interesse unseres Landes, und zwar vorzugsweise gegen das Interesse der Provinz Ober- hessen sein, wenn wir zusehen wollten, daß die Eisenbahn in der Richtung von Frankfurt nach Fulda gebaut werden sollte; denn selbst wenn einzelne Bezirke der Provinz Ober- hessen sie bei der Richtung nach Fulda benutzen könnten, so kann es doch nicht im Interesse dieser Provinz liegen, dieſe Eisenbahn im Auslande erbaut zu sehen. Ez ist hiernach je- denfalls im Interesse des Landes und dieser Provinz, daß die oberhessische Eisenbahn sobald als möglich auf Kosten des Staates gebaut, und also durch unser Land geführt werde. Da eine weitere Bemerkung nicht erfolgt, so eröffnet der Präsident die Berathung über die einzelnen Artikel des Gesetzes. entwurfs, und es bemerkt: Zu Artikel 1, sowie zu den gleichzeitig zur Berathung ausgefeßten verschiedenen Anträgen über die Richtung der Hauptbahnlien im Groß: herzogthum, Der zweite Präsident Hesse: In dem Gefeßesentwurf ist nirgends gesagt, welches die Hauptlinien der Eisenbahnen im Großherzogthum seien, und welche dieser Linien gebaut werden soll. Wenn auch die Kammern alle Artikel des vor: gelegten Gefeßesentwurfs annehmen würden, so sind dadurch nur die Grundsäge genehmigt, nach welchen künftighin Ei, senbahnen, über deren Bau sich die Staatsregierung mit den Ständen des Großherzogthums vereinigen würde, gebaut wer den sollen. Denn was in den Motiven geſagt ist, ist kein Gesetz, und über die Motive der Geseze wird nicht abgestimmt; über die Richtung der Bahn, und über die Bahnen, die ge: baut werden sollen, liegt aber ein Gesetzesentwurf oder eine Propoſition nicht vor. Die Staatsregierung hat daher, mei: ner Ansicht nach, auch wenn sämmtliche Artikel des vorgeleg- ten Gesetzes genehmigt werden sollten, entweder nicht die Be fugniß, die projectirte Bahn von der kurhessischen bis an die badische Grenze zu erbauen, oder sie hat die Befugniß, alle Bahnen, die sie für sachgemäß erachtet, und die sie für Hauplinien erklären will, auszuführen. Das Erstere würde der Intention der Staatsregierung zuwider sein, das Andere aber würde sich wie kaum einer Erwähnung bedarf mit den landständischen Rechten nicht vereinbaren. 58 Es scheint mir daher nöthig, daß durch das Geſet denn ich sage, eine Proposition über die Richtung liegt uns nicht vor und ist in den Motiven nicht angekündigt worden bestimmt werde, welches die Hauptlinien der Eisenbahn, die nach Maaßgabe des vorliegenden Gesetzesentwurfs zu er bauen seien, ſein ſollen. In dieser Beziehung nun folgende Bemerkungen: Ich verkenne das Gewicht der Gründe der Minorität ge- gen den Bau der Eisenbahnen im Allgemeinen nicht. Im Gegentheil, ich ehre und achte die Gründe, welche von der Minorität des Ausschusses, von den Abgeordneten Georgi, Glaubrech und Anderen vorgebracht worden sind, denn sie können nur dazu dienen, den so hochwichtigen Gegenstand von allen Seiten beleuchtet zu sehen. Aber ich bin nach reiflicher Erwägung zu der Ueberzeugung gelangt, daß unter den vorliegenden Umständen der Bau der Eisenbahn aller- dings eine bittere Nothwendigkeit sei, und daß, wenn unser Staat nicht etwa größere Nachtheile für die Zukunft erleiden wolle, er den Bau in dem gegenwärtigen Augenblick oder in einer nahen Zukunft unternehmen müsse. Unter dieſen Vorausschungen aber will ich wenigstens für das Land und für die einzelnen Provinzen denn zu diesen Kosten tragen alle Provinzen bei diejenigen Vortheile retten, welche unter den vorliegenden Umständen gerettet wer den können und müssen. Ich berücksichtige vorzugsweise unsere Haupthandels- und Fabrikpläge Mainz und Offenbach, und den Zug der Eisen- bahn der Bergstraße entlang. Sodann aber bin ich der An- ficht, daß die Verhinderung eines jeden von der Stadt Frankfurt in irgend einer Beziehung auszuübenden Stapels besondere Beachtung verdiene. Was die Stadt Mainz betrifft, so brauche ich nicht dar auf aufmerksam zu machen, wie wesentlich der Wohlstand der Grundbefizer von Rheinhessen, von Starkenburg und auch wohl von der Wetterau mit dem Flore des Handels in Mainz zusammenhängt und wie wichtig es daher für das Großher- zogthum ist, den Handel von Mainz, der in den letteren Zeiten, wie aus glaubwürdiger Quelle versichert wird, theils durch die Taunuseisenbahn, theils durch die fatalen Verhält nisse des Rheinschifffahrtsoctrois, wie man sich, wenn man durch den Freihafen von Mainz geht, überzeugen mag, ſo sehr gelitten hat, zu heben und von Neuem zu beleben. Das rum scheint es mir nothwendig, daß die Stadt Mainz in den Bahnzug der Hauptlinie aufgenommen werde, so, daß des 1 59 Personen und des Waarenverkehrs wegen eine directe Ver- bindung vom Oberrhein mit Mainz durch die Eisenbahn von Darmstadt nach Mainz, und nicht eine Verbindung mit Frankfurt stattfinde; eine Verbindung, welche gleichzeitig die oberen Maingegenden Mainz näher rücken wird und vielleicht in einer nicht sehr entfernten Zukunft noch viel näher brin. gen dürfte. Sachverständigen in dieser Kammer überlaſſe ich es, wenn sie mit dieser Andeutung einverstanden sein sollten, die Verhältnisse näher aus einander zu sehen. 1 Ich gehe nun zu Offenbach über. Die Stadt Offenbach hat dadurch, daß im Jahre 1828 eine künstliche Messe dort geschaffen wurde und daß man bei dem Anschluß der Stadt Frankfurt an den Zollverband, wie damals versichert wurde, für die Stadt Offenbach nichts weiter thun konnte, unendlich gelitten. Indessen hat sich die Induſtrie in Offenbach von Jahr zu Jahr gehoben und sie hebt sich von Tag zu Tag mehr. Würde nun die Stadt Offenbach nicht in den directen Zug der Eisenbahn aufgenommen, sondern müßte sie ihre Fabrikate erst durch Hülfe Frankfurter Häuser versenden, fo würde die aufblühende Industrie von Offenbach mit einem Schlage zu Grunde gerichtet, eine Industrie, mit welcher das Wohl und Wehe der ärmeren Klasse der ganzen umliegenden. Gegend bis auf drei Stunden wesentlich zusammenhängt. Es würde aber auch weiter der ganze Speditionshandel von Offenbach vernichtet werden. Dagegen würde die Auf- nahme der Stadt Offenbach in die Bahnlinie auch in finan zieller Beziehung ein sehr brillantes Resultat liefern; denn der Verkehr zwischen Frankfurt und Offenbach ist in dem derma. ligen Augenblick, wo zum Beispiel in jeder Stunde ein Fa. milienwagen von Offenbach nach Frankfurt und wieder zurück geht, so bedeutend, daß er ein Kapital von einer Million repräsentirt. Und dieser im Verhältniß zu anderen Bahn- strecken ganz enorme Ertrag würde der Gesammteinnahme entzogen werden, wenn die Stadt Offerbach nicht in den directen Zug der Bahn aufgenommen werden würde. Der Abgeordnete der Stadt Offenbach dürfte berufen fein, dieſe ihm näher bekannten Verhältnisse der verehrlichen Kam, mer ausführlicher darzulegen. Die Aufnahme der Stadt Offenbach in die directe Bahn- linie ist nun auf zweierlei Weise möglich. Die Stadt Offenbach kann aufgenommen werden, wenn die Eisenbahn aus Oberhessen über Hanau nach Frankfurt 60 1 geführt, oder dadurch, daß Offenbach in den Bahnzug von Darmstadt nach Frankfurt gelegt wird. Was die erste Alternative betrifft, so begreife ich wohl, daß dieſe, da sie von der Kurhessischen Regierung abhängt, nicht unbedingt gewählt werden kann, obschon sie, wie ich glaube, für die Stadt Offenbach das größere Intereſſe haben würde. Dagegen hängt die Wahl der zweiten Alternative einzig und allein von dem Großherzogthum ab, weil wir uns auf dieſer Linie nur allein auf eignem Grund und Boden bewegen; denn was die Einwilligung der Stadt Frankfurt betrifft, so hege ich die Ueberzeugung, daß die Stadt Franks furt, welche durch die Eisenbahn so unendlich gewinnt, sich jeder billigen von unserer Seite gestellten Bedingung fügen müſſe. Sehr wichtig scheint mir sodann, daß die Bahn nicht dis rect nach Mannheim, sondern der Bergstraße entlang nach Heidelberg geführt wird, und zwar theilweise aus ökonomischen, theilweise aus, den Handel von Mainz berührenden, Gründen. Aus ökonomischen Rücksichten betrachte ich den Zug der Bergstraße entlang für äußerst wichtig, weil bekanntlich die Eisenbahnen vorzugsweise durch den Personenverkehr alimen- tirt werden, weil der Zug der Bergstraße entlang eine bei weitem größere Ausbeute verspricht und weil wir auf dem Zug der Bergstraße entlang einige Stunden kürzer zu bauen haben, als in der Richtung nach Mannheim. Sodann würde der directe Zug nach Mannheim für die Stadt Mainz einen sehr empfindlichen Nachtheil mit sich brin- gen, wie ich kaum auseinander zu sehen brauche; ja, man kann fagen, daß die Stadt Mainz, im eigentlichen Sinne des Wortes, Mannheim gegenüber, dadurch trocken gelegt würde. Ich gehe zu einem weiteren, oben berührten Punkte, näm lich dem etwa in Frankfurt auszuübenden Stapel über. Die Nord: und Südbahn ich will ſie ſo nennen und die Bahn von Darmstadt nach Mainz würden, wenn wir unser Hessisches Partikularintereſſe berücksichtigen, den Zweck haben, die verschiedenen Provinzen des Großherzogthums mit einan- der zu verbinden. Es liegt also klar vor, daß, wenn dieser Zweck erreicht werden soll, man direct aus einer Provinz des Großherzogthums in die andere muß gelangen können, ohne genöthigt zu sein, in Frankfurt irgend ein, der Stadt Frank- furt zusagendes Hemmniß zu erfahren; so daß man durch directe Einschreibung und Beförderung zum Beispiel von Darmstadt nach Friedberg und Gießen, und so wieder um- gekehrt von beiden Orten nach Darmstadt, muß gelangen kön- 61 ** : m: nen, ohne daß man gezwungen ist, in Frankfurt irgend einen Aufenthalt zu erfahren, dort in Gasthöfen einzukehren, nibus zu besteigen, Packträger anzunehmen, und was derglei- chen Hemmnisse mehr sind. Wird von Seiten der Staatsregierung dieser Punkt_nicht durch Staatsverträge gewahrt, und wird nicht die Stadt Frankfurt hierin auf das festeste gebunden, so steht nach den seitherigen Bestrebungen der dortigen Behörden zu erwar ten, daß einer solchen directen Verbindung alle möglichen Hindernisse werden in den Weg gelegt werden, Hindernisse, welche nicht nur für den Personen, sondern insbesondere auch für den Waarenverkehr höchst nachtheilig sein würden, wie sich durch Beispiele nachzeigen ließe. } In Folge meiner Ausführungen und theilweise in Con formität mit den Anträgen, welche von der Majorität des ersten Ausschusses zu den verschiedenen Motionen über den Zug der Eisenbahn gestellt worden sind, trage ich darauf an: 1) den Art. 1 des Gesetzesentwurfs abzulehnen; 2) statt dessen folgende Artikel aufzunehmen: ,,Art. 1. Die Hauptlinien der Eisenbahnen des Großherzogthums, welche auf Staatskosten ausgeführt und für Rechnung der Staatskasse zur gleichzeitigen Ausführung gebracht werden sollen, gehen von der Kur- beffischen Grenze über Gießen, Bußbach, Friedberg nach Frankfurt, und von da über Darmstadt nach der Badis ſchen Grenze in der Richtung nach Heidelberg der Berg- straße entlang; sodann von Darmstadt direct nach Mainz. Die Stadt Offenbach wird entweder in die Linie von Gießen nach Frankfurt oder von da nach Darmstadt aufgenommen." " Art. 1a. Zur Erbauung von Lokalbahnen werden Concessionen an Private ertheilt und es bleibt denselben der Betrieb unter der oberen Leitung der Staatsregie- rung überlassen." 3) Die Annahme des Gesetzes von der Bedingung abhän- gig zu machen, durch Staatsvertrag festzustellen, daß in Frankfurt bezüglich des Verkehrs der Nord- und der Südbahn unter sich, sowie rücksichtlich des Verkehrs beider mit der Taunuseisenbahn keinerlei Stapel rück- sichtlich der Waaren und Personen ausgeübt, sondern eine unmittelbare Beförderung von der einen Bahn auf die andere bewirkt werde; 4) auch davon, daß, nach dem Antrag der Minorität des Ausschusses, mit dem Bau nicht eher der Anfang ge: } 62 macht werde, als bis dieses auch von den mitcontrahi- renden Staaten geschieht, die Annahme des Gesetzes abhängig zu machen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Es handelt sich hier hauptsächlich darum, eine feste Meinung darüber zu gewinnen, ob das vorliegende Gesetz seine Algemeinheit verlieren und ob an dessen Stelle ein Partikulargeſetz für bestimmte Bahnen. treten soll. Ich habe nicht die Instruction von Seiten der Staatsre gierung, auf ein solches Partikulargeſetz einzugehen, weil es gegen alles seitherige Verfahren in ähnlichen Fällen streiten würde. Die Gesetze, welche seither über den Bau der Staats: und Provinzialstraßen erlassen worden sind, waren allgemeine Normen, und nie und nimmermehr ist ein Gesek erlassen worden über die zu wählenden Straßenrichtungen, sondern es sind blos in dieser Beziehung Vereinbarungen entweder über Propofitionen der Staatsregierung, oder über Motionen der Stände getroffen worden, welche in die landständische Adresse aufgenommen und in dem Landtagsabschied später genehmigt worden sind. Ich glaube auch, daß dies unter allen Umständen das Zweckmäßigste ist, indem dadurch für alle Zukunft die Ent ſcheidung darüber offen gehalten wird, welche Eisenbahnen man etwa noch für Staatsunternehmung erklären will und welche nicht. Ich muß mich daher auf das Bestimmteste dagegen er: klären, daß ein solcher specieller Artikel in Antrag kommt, indem die Staatsregierung einen solchen nicht annehmen wird. Was nun die anderen Bemerkungen betrifft, so hat der zweite Präsident Hesse sich hauptsächlich zur Aufgabe gestellt, dasjenige im Interesse des Landes zu retten, was noch zu retten ist, und hierfür bin ich ihm sehr dankbar, erlaube mir aber zu gleicher Zeit zu bemerken, daß die Staatsregierung an alle diese Puncte schon längst gedacht und schon aus ei- genem Antrieb dafür Sorge getragen hat; übrigens verstehen sich alle diese Rücksichten so sehr von selbst, daß man wohl der Staatsregierung das Zutrauen hätte schenken können, daß ſie daran von selbst denken würde. Es ist in den vorbereiteten Staatsverträgen allerdings ſchon vorgesehen, daß in Frankfurt sich kein künstlicher Sta- pel bilden kann, indem die nördliche und südliche Bahn sich bei Frankfurt in einen und denselben Bahnhof einmünden wird und daher die Vermittelung eines Frankfurter Spedi- 4 63 teurs wegfällt. Es ist nur in dieser Beziehung schlimm, daß die Taunuseisenbahn das Eigenthum einer Privatgesellschaft ist, sonst hätte man für die drei Bahnen einen einzigen Bahnhof wählen können; dagegen wird man die Stelle für den gemeinschaftlichen Bahnhof der contrahirenden Staaten so wählen, daß die Ueberladung auf die Taunusbahn eben, falls unmittelbar geschehen kann, und auch in dieser Bezie hung kein Stapel für Frankfurt begründet wird. Wenn also dies zuerst feststeht, so werden sich auch die besondern Inte- ressen der Stadt Offenbach vermitteln lassen. Daß die Bahn von Darmstadt nach Mainz in vielfacher Beziehung wichtig sei, habe ich schon in meiner schriftlichen Erklärung zugegeben, und es ist nur die einzige Rücksicht zu nehmen, daß es schwer halten wird, alle wünschenswerthen Bahnen auf einmal zu bauen. Wenn ferner bemerkt wurde, daß man bei einem Beſuche des Freihafens in Mainz denselben leer finde, so hat dies ſeinen einfachen Grund darin, daß nach neueren Anordnun- gen die Waaren in einem anderen Locale verwahrt werden, und wenn der zweite Präsident Hesse sich nach den näheren Verhältnissen erkundigt, so wird er finden, daß das Leersein des Freihafens von Mainz einen ganz anderen Grund hat, als den, welchen er voraussetzt. Der Präsident: Der Herr Regierungscommissär be merkte, der vorliegende Gesetzesentwurf enthalte nur allge: - meine Bestimmungen, welche für alle Eisenbahnen, die jetzt und in Zukunft auf Staatskosten gebaut werden würden, gelten sollten. Dies scheint mir nicht der Fall zu sein; das Gegentheil beweisen die Artikel 2, 3 und 5 des Entwurfs, deren Bestimmungen nur auf die in den Motiven erwähnte Eisenbahn anwendbar erscheinen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Die erste Bestimmung, welche der Herr Präsident im Auge hat und woraus die Spe- cialität des Gefeßes gefolgert werden soll, ist die, daß außer der Anleihe eine Million Kaffenscheine emittirt werden soll. Die Emission der Kassenscheine kann aber nicht den Bahn- linien proportionell sein, welche wir bauen wollen, denn es treten hier ganz andere und höhere staatswirthschaftliche Rück- sichten ein, wonach ein Maximum hierfür bestimmt wer den muß. Eben so hatte die zuleht von dem Herrn Präsidenten er: wähnte Bestimmung im Artikel 5 hinsichtlich der 2 Heller den Zweck, ein für allemal zu sagen, daß man kein größeres Opfer, als das hier erwähnte, an das Land verlange. 1 64 ¡ Der Präsident: Wenn dies die Absicht des Entwurfs war, dann hätten seine Bestimmungen allgemeiner' sein sollen, und ausschließend alles dasjenige, was nur auf die Bahn bezogen werden kann, welche nach der jetzt in Rede stehenden Proposition gebaut werden soll. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Ich muß hierauf wies derholt erwidern, es ist überhaupt in dem ganzen Gesetz gar nicht davon die Rede, was für eine Bahn gebaut werden soll. Der Abg. Otto: Ich erkläre mich einverstanden mit den Bemerkungen des zweiten Präsidenten Hesse und unterstütze die von ihm gestellten Anträge. Durch seine Berufung auf den Abgeordneten der Stadt Offenbach hinsichtlich der gewerb- lichen Verhältnisse der letteren, sehe ich mich übrigens veran= laßt, noch einige weitere Bemerkungen über die vorgeschlagene Richtung der Bahn über die Stadt Offenbach zu machen. Soll die Eisenbahn, welche nach dem vorliegenden Project das Großherzogthum durchziehen wird, dem inländischen Ver: kehr Nuhen bringend sein, so muß die Wahl der Richtung in der Weise erfolgen, daß die gewerbreichsten Orte des Lan, des, deren Lage es zulässig macht, davon nicht ausgeschlossen bleiben, und namentlich dann nicht ausgeschlossen bleiben, wenn der gänzliche Verlust ihres Verkehrs die unausbleibliche Folge davon sein werde. Dieses traurige Loos würde die Stadt Offenbach treffen, wenn sie von der durch Frankfurt ziehenden Eisenbahn nicht berührt werden sollte. Wenn auf der einen Seite als Zweck der Schienenwege angegeben wird, die Hindernisse zu beseitigen, welche der Transport der Er- zeugung und dem Bezug der Bedürfnißgegenstände entgegen- seht, so mögte es auf der andern Seite nicht zu rechtfertigen sein, durch eine den Verkehr ableitende Führung der Bahn die schon bestehende Industrie eines Ortes zu vernichten. Wenn hier nur von einem untergeordneten lokalen Verkehr die Rede wäre, so würde ich das Wort in dieser Beziehung nicht er- griffen haben; in dem vorliegenden Falle handelt es sich aber von einer Stadt mit einer Bevölkerung von 10 bis 11,000 Seelen, die einen ausgedehnten und für unsere Verhältnisse großartigen Fabrikverkehr betreibt, und zwar ausschließlich für den Abſaß nach dem Ausland, deſſen Untergang nicht nur für die nächste Umgebung, sondern auch, wegen der commer- ziellen Beziehungen nach außen, auf das ganze Land eine nachtheilige Rückwirkung äußern müßte. Die Stadt Offenbach betreibt einigen Großhandel in Wein, Wollengarn, Tuch, Häuten und Pelzwerk. Wichtiger ist der Fabrikverkehr daselbst. Offenbach beſißt Offenbach besitzt allein 55 größere 65 Fabriketabliſſements, ungerechnet die kleineren Gewerbsanſtal. ten, deren Erzeugnisse meiſtentheils ebenfalls für den Abſay nach Außen bestimmt sind, und in denen Tausende von Men- ſchen Beschäftigung finden. Offenbach treibt ferner einen ausgebreiteten Speditionsverkehr nach allen Ländern und Rich- tungen, welcher den Fabriken die direkte Versendung ihrer Erzeugnisse, sowie den direkten Bezug der rohen Fabrikmates rialien zu den möglichst billigen Preisen sichert, und ohne welchen dieselben minder vortheilhaft, manche aber gar nicht mehr nach dem Ausland betrieben werden könnten. Wird die Stadt Offenbach von der durch das Großherzogthum über Frankfurt projectirten Eisenbahn ausgeschlossen, oder sollte dieselbe nur durch eine Seitenbahn mit Frankfurt verbunden. werden, so verliert sie ihren Speditionsverkehr gänzlich. Im einen, wie in dem andern Falle geht er an Frankfurt über, weil die Speditionsgüter nur dahin gerichtet werden, wo sie am schnellsten, sichersten und billigsten befördert werden. In dem unterstellten Falle aber müssen sich die Speditionskosten in Offen: bach nothwendig und bedeutend erhöhen; sie müssen sich erhöhen. schon wegen des Zeitverlustes, der in der Regel auch mit grös Berem Kostenaufwande verbunden ist, durch die Kosten des Hin und Hertransports von und nach der Hauptbahn und endlich durch die doppelten Auf- und Abladungskosten zu Of- fenbach und Frankfurt. Ist aber einmal der Stadt Offenbach die Spedition entzogen, so entbehren die Fabriken in Vergleich mit andern Fabrikanten das Mittel der gleich schnellen und billigen Beförderung ihrer Erzeugnisse, sowie des gleich schnel len und billigen Bezugs der Fabrikmaterialien. Mit dem Verlust dieses Vortheils würde ihr die Concurrenz mit ande ren Fabrikanten nicht nur erschwert, sondern in vielen Fällen sogar unmöglich gemacht; und in dieser Lage sieht Offenbach seine Gewerbthätigkeit mit dem baldigen Ruine bedroht. Die Fabrikindustrie von Offenbach hat, wie der zweite Präsident Hesse schon bemerkte, in den letzten Jahren durch den rastlos sen Fleiß seiner Bewohner, durch die Benutzung der neuesten Erfindungen im Gebiete der Wissenschaft einen hoyen Auf- schwung genommen, und sie ist selbst mit den wichtigsten Fabrikstädten, die ihr durch günstigere Verhältnisse, größere Kapitalkräfte weit überlegen sind, mit glücklichem Erfolge in Concurrenz getreten; hierzu hat ihr Speditionsverkehr wesent- lich beigetragen, der, ungeachtet der Anfeindungen, Hemmun gen und Chikanen von Seiten der Nachbarstadt Frankfurt, dennoch seither an seiner Ausdehnung nichts verloren hat. Und nun sollten diese Früchte des rastlosesten Fleißes, der · 66 1 3 4 angestrengtesten Thätigkeit zu Grunde gehen? Die Betrieb: ſamkeit von Tausenden fleißiger Bürger aufgeopfert werden? und warum? weil etwa Baden und Frankfurt nicht wollen, daß die Eisenbahn in unserm Lande die gerade Richtung vers laſſe und mit einem kleinen Umweg von nur ¾ Stunden über ffenbach nach Frankfurt geführt werde? Und doch können die Kosten, die dabei entstehen, nicht in Betracht kommen, da, wie schon bemerkt wurde, dieſe Strecke in finan: zieller Beziehung den Ertrag der ganzen Bahn bedeutend ers höhen wird. Auch vermögte ich den Einwurf, daß, wenn Of- fenbach sich im Hauptzug befände, dann täglich nur ein paar- mal ein Wagenzug über Offenbach gehen würde, wodurch fein Verkehr nicht gefördert werden könnte, nicht als richtig anzuerkennen, denn was sollte und könnte verhindern, zwis schen den Hauptcursen noch so viele Zwischencurſe auf der Bahnstrecke von Offenbach nach Frankfurt gehen zu lassen, als der Verkehr nothwendig macht? Sie werden dieß um so mehr für ausführbar halten, wenn Sie bedenken wollen, daß schon jetzt täglich ungefähr 5600 Personen zwischen Offenbach und Frankfurt durch Fuhrwerke befördert werden. Es gehen, wie bereits vorhin bemerkt worden ist, zu jeder Stunde des Tags von Morgens 7 bis Abends 8 und an einigen Tagen auch bis 9 Uhr Postwagen zwischen Offenbach und Frankfurt, die zwischen 12 - 20 Personen faſſen; es gehen außerdem noch zwanzig Hauderer, wovon die Hälfte in Offenbach, die Hälfte in Frankfurt stationirt; wenn auch für jeden derselben nur eine zweimalige Fahrt und jedesmal zu 4 Personen gerechnet wird, so transportiren diefelben 160 Personen des Tags. Der Marktschiffer von Offenbach fährt täglich zweimal nach Frankfurt und kehrt zweimal nach Of fenbach zurück. Rechnen wir nur 50 Personen für jede Fahrt, es fahren aber häufig auch noch bedeutend mehr so beträgt die Zahl der täglichen Passanten mit dem Marktschiff allein wenigstens 200 Personen. Wenn Sie also nun erwäs gen, daß gegen 600 Personen zwischen Offenbach und Frank- furt täglich durch Fuhrwerke befördert werden, alsó das Jahr an 200,000 Personen, so werden Sie die Ueberzeugung ge- winnen, daß diese Strecke eine jährliche Einnahme von wenig- stens 40,000 fl. liefere und mithin wenigstens ein Kapital von 1 Million verinteressiren wird. R Sowie die Lage von Offenbach, das heißt seine Nähe bei Frankfurt esist,die seine Aufnahme in die Bahnlinie zur Erhaltung seiner Industrie mit Nothwendigkeit fordert, so ist es auch gerade › 67 diese Lage, welche die Ausführung ohne große Schwierigkeit möglich macht, ich mögte sagen, sie erleichtert. Um Sie, meine Herren, für diesen Plan geneigter zu machen, hätte ich Ihnen vielleicht die Katastrophe ins Gedächtniß zurückru fen sollen, durch welche Offenbach im Jahr 1836 seinen groß artigen Handelsverkehr verloren hat, durch welche es aus einer geräuschvollen Handelsstadt in einen einförmigen und stillen Fabrikort umgewandelt worden ist; ich hätte Sie an die blei benden Nachtheile erinnern können, welche der allzuschnell er folgte Wechsel der früheren Handelsverhältnisse herbeigeführt hat, noch ehe der Stadt irgend ein Ersaß für die jenem Zu- stande vielfältig gebrachten Opfer geleistet werden konnte. Noch bluten die Wunden, welche jener Wechsel der Stadt Offenbach geschlagen hat; zu ihrer Heilung könnte ohne Zweis fel die Aufnahme der Stadt Offenbach in die Eiſenbahnlinie vieles beitragen, weil diese eine Garantie für die Dauer der jetzigen Fabrikindustrie darbieten würde; denn jetzt ist sie im mer noch der Gefahr ausgefeßt, ihre lehte Erwerbsquelle zu verlieren. Ich hätte von dem Uebergange der Stadt Offen= bach aus dem früheren Zustande in den jeßigen Ihnen ein düsteres Bild entwerfen können. Ich habe aber von dem Als lem nichts erwähnen mögen, weil ich nicht für nöthig halte, in einer Versammlung, wo von jeher die Grundsähe des Rechts und der Billigkeit herrschend gewesen sind, mich an das Mitleid zu wenden, und weil ich fest überzeugt bin, daß auch Sie, meine Herren, in dem vorliegenden Falle diese Grundsähe zur Anwendung bringen und dem Antrage, die in Rede stehende Eisenbahn über Offenbach nach Frankfurt zu führen, ihre Zustimmung ertheilen werden. Der Abg. Kilian: Nachträglich zu dem von dem zwei- ten Präsidenten Hesse gestellten Antrage erlaube ich mir noch folgenden Antrag zu stellen: die Kammer möge von der Erbauung sämmtlicher in dem Antrage des zweiten Präsidenten Hesse bezeich= neten Eisenbahnen, sowie von der Einhaltung der dort bezeichneten Richtungen, die Annahme des ganzen Ge ſeßes abhängig machen. Ich werde zu diesem Antrage durch zwei Rücksichten be- stimmt. Einmal hat der zweite Präsident Hesse eine Bedingung der Annahme der ganzen Proposition beantragt nur in Bezug auf den in der Stadt Frankfurt nicht einzuführenden Stapel, und dann in Beziehung auf den Punkt, daß man nicht eher bauen foll, als bis dieses auch von Seiten der anderen Staa: ten, mit welchen Verträge abgeschlossen werden sollen, geschähe. 68 { Ich wenigstens habe nicht vernommen, daß die von dem zwei ten Herrn Präsidenten beantragten Bedingungen sich weiter, als auf diese Punkte erstrecken; ich beabsichtige daher durch meinen Antrag die Bedingungen der Annahme noch auf die übrigen Punkte auszudehnen. Enthielte freilich der Antrag des zweiten Präsidenten Hesse eine Bedingung der Annahme in Bezug auf alle darin begriffenen Punkte, so wäre aller- dings mein Antrag überflüssig, kann aber irgend ein Zweifel darüber entstehen, ob jèner Antrag blos als Amendement oder als eine Bedingung sich darstellt, so ist mein Antrag sehr an seinem Plak, und wegen eines möglichen Zweifels, glaubte ich denselben stellen zu müſſen. Für's zweite aber bemerke ich, daß für den Fall, wenn nämlich die Bahnen durch die Provinz Oberhessen `und nach der badischen Gränze gebaut werden, mein Untrag den gleich- zeitigen Bau der Bahn nach Mainz bezweckt. Die Gründe, welche für die eine oder für die andere Hauptbahn angeführt worden sind, sprechen auch für die Bahn nach Mainz. Durch dieſe würden die Vortheile der südlichen Bahn auch auf die Provinz Rheinhessen ausgedehnt, welche sie sonst gänzlich ente behren müßte, denn Jeder, der von Süden nach Mainz oder in umgekehrter Richtung reisen wollte, müßte entweder den Beg über Frankfurt nehmen, oder auf die Eisenbahn verzich ten. Ohne die Eisenbahn von Darmstadt nach Mainz würde die letztere Stadt und die Provinz Rheinhessen, ja sogar die füdliche Bahn Nachtheile erleiden, welche zu augenfällig ſind, als daß sie einer näheren Auseinandersehung bedürfen. ! Was im Uebrigen für meinen Antrag spricht, wiederhole ich nicht, da der zweite Präsident Hesse ihn vollständig be- gründet hat. (Der Abgeordnete Aull unterſtüßt den Antrag des Abge, ordneten Kilian.) 1 Der Abg. Ramspeck: Wenn ich die Karte zur Hand nehme, um den Bau der Eisenbahn, welche von Kassel über Marburg, Gießen, Friedberg, Hanau, Offenbach, Frankfurt u. f. w. geführt werden soll, in seiner Richtung zu beurthei len, so kann ich nach der in der Karte geschehenen Einzeich- nung, nur zu dem Resultate kommen, daß der innere Theil der Provinz Oberhessen durch diese Richtung gar nicht berührt wird. Die Eisenbahn geht nur an dem Rande der Provinz her; darin finde ich aber eher einen Nachtheil, als einen Vor- theil. Ich glaube, daß doch wohl eine Eisenbahn bloß zu commerziellen Zwecken gebaut werden soll, und zwar würden wir vorzugsweise die Orte des Großherzogthums in Betracht 69 zu ziehen haben. Ich kann aber nun keinen Ort zwischen Marburg, Gießen und Friedberg ermitteln, der von der Ei- senbahn besondere Vortheile haben kann, indem die von Kaf: ſel aus links gelegenen Orte, wegen ihrer Entfernung von der Bahnlinie, die Eisenbahn nicht zur Beförderung ihrer Pro- ducte benutzen werden, da sie die Waaren noch eine bedeu- tende Strecke weit durch Fuhren hinbringen müßten. Meiner Ansicht nach sollte man daher die hauptsächlich gewerbetreis benden Städte der Provinz Oberheffen, namentlich Alsfeld, Schliß, Herbſtein, Lauterbach mehr in Aussicht nehmen und durch möglichste Verlängerung der Bahn in dem Schwalm- grunde den Schienenweg mehr in das Innere der Provinz Oberhessen zu bringen suchen. Wird man dies nicht thun, fo kann ich die Bahn, wie sie jest projectirt ist, durchaus nicht für vortheilhaft halten. Der Verkehr würde sich von Kassel an uns vorbei hauptsächlich nach Frankfurt, und so umgekehrt, bewegen; dies würde aber als die größte Unge rechtigkeit gegen die nebenliegenden Städte erscheinen. Wir werden aus unserer Gegend niemals unsere Waaren nach Zie genhain, Traifa u. s w. auf die Bahn bringen lassen kön- nen, indem wir einen mit 50 oder 100 Centnern beladenen Wagen nicht nach sechs Stunden schon wieder abladen und die Waaren auf den Eisenbahnwagen packen lassen können. Wir würden 19 Kreuzer am Centner verlieren, wenn wir von Alsfeld aus auf die neu projectirte Bahn Güter bringen woll- ten, um sie ſo fort nach Frankfurt transportiren zu lassen. Noch viel weniger können also Lauterbach, Schlik, Herbstein Vortheile von der Bahn ziehen. Man scheint die dortige Gegend und den Gewerbsbetrieb der dortigen Städte nicht so zu kennen, als man sie kennen sollte. Ich kann Sie vers fichern, meine Herren, von Alsfeld allein gehen zuweilen. wöchentlich 4 bis 500 Centner Waaren aus. Der Übgeord nete Rausch wird bezeugen können, daß dieses gegründet ist, zumal solches in Lauterbach verhältnißmäßig ebenso der Fall ist. Es fragt sich daher, ob jenen Städten nicht mehr Be- rücksichtigung zu Theil werden soll. Dann frage ich, welche Städte liegen auf der anderen Seite der projectirten Bahnlinie, denen man einen beſonderen Vorzug einräumen sollte? Doch von einem Vorzuge will ich hier gar nicht reden; ich wollte nur der Staatsregies rung den Wunsch an das Herz legen, daß man so viel wie möglich die Eisenbahn im Schwalmthale fortführen möge, um ſie den gewerbetreibenden Orten der Provinz Oberhessen näher zu bringen. Protokolle z. d. Verh. d. 2.Kam. Suppl. Bd. 11 i 70 Į Der Abg. Rausch: Die vorhinige Bemerkung des Herrn Präsidenten in Bezug auf den Zustand unserer Finanzen und die zu befürchtende Erhöhung unserer Staatsschulden halte auch ich für sehr bedenklich, und ich muß offen erklären, daß ich mich für jest noch nicht entschließen kann, dazu zu stim- men, daß der Bau der verschiedenen Bahnen auf einmal vorgenommen werde. Es ist von dem Herrn Regierungscom- missär nachgewiesen worden, daß der Bau der nördlichen Bahn, der Main Weserbahn, wie sie vorhin genannt wurde, der wichtigste für das Großherzogthum ist, besonders aus dem Grunde, weil wir auf dieser Seite durch die Nachbarstaaten ungangen werden können, namentlich durch Kurhessen, wäh rend dies hinsichtlich der südlichen Bahn, der sogenannten Main Neckarbahn, nicht zu befürchten steht. Auf der ganzen Strecke der Bahn aber zu gleicher Zeit den Bau zu beginnen, wird nicht wohl möglich sein ohne die bedeutendsten Schwie rigkeiten und ohne die bedeutendsten Opfer, die nicht im Verhältniß zu den Kräften der Finanzen und des Landes stehen. Es würde daher mit derjenigen Bahnlinie am zweck, mäßigsten zuerst zu beginnen sein, welche am nothwendigsten erscheint, weil wir daselbst von den Nachbarstaaten umgangen werden können. = Ich stelle deshalb den Untrag: die Staatsregierung zu ersuchen, vorerst den Bau der nördlichen, von der kurhessischen Gränze über Gießen nach Frankfurt führenden Eisenbahn in Angriff zu neh men und auszuführen. Dadurch werden wir vielleicht nach Maßgabe der bis jeht vorliegenden Ueberschläge ein Anlehen von 4 bis 5 Millionen nöthig haben, wir werden nicht genöthigt sein, bei Frank- furter Banquiers Anlehen zu machen; im Gegentheil bin ich überzeugt, daß, wenn 4 pCt. Zinsen vom Capital bezahlt werden, im Großherzogthum jener Betrag durch Subscription herauskommt, und, was weiter zu berücksichtigen, ist diese Bahn einmal fertig, so wird sie wenigstens 3 pCt. abwerfen, und wir hätten dann nicht nöthig, von den aufzunehmenden 9 bis 10 Millionen gleich von Unfang an die Zinsen zu bez zahlen. Mein Antrag empfiehlt sich auch dadurch, daß die fragliche Bahnlinie in strategischer Hinsicht die wichtigste ist. (Der Abgeordnete Ramspeck und andere Abgeordnete unter- stüßen den Antrag des Abgeordneten Rauſch.) (Der Präsident verliest den hierauf bezüglichen Beschluß der ersten Kammer.) Der Abg. Kahlert: Ich habe nicht erwartet, daß in dieser Kammer ein Antrag gestellt werden würde, der lediglich 71 auf den Bau einer Bahn in einer Provinz Bezug hätte, ich bin auch überzeugt, ein solcher Untrag wird die Unter- stützung der Mehrheit der verehrlichen Kammer nicht finden. Ich glaube mich daher auch bei dem, was ich mir jeht vor zutragen erlaube, bloß an den vorgeschlagenen Bahnzug und an den von mehreren Abgeordneten in der Richtung von Darmstadt nach Mainz noch weiter beantragten halten zu müssen, und spreche mich daher auch nur im Interesse jeder Provinz, also im Allgemeinen aus. Ich halte die Richtung der Eisenbahn von Kassel nach Frankfurt über Hersfeld und Fulda für unsere Provinz Ober: heffen so nachtheilig, daß nach meinem Dafürhalten die Stände pflichtwidrig handeln würden, wenn sie Mittel bewilligten. um der größten Provinz des Staates einen ungeheueren, nicht mehr zu ersetzenden Nachtheil zuzufügen; jede Bewilligung von meiner Seite für eine Bahn von Kassel nach Frankfurt versteht sich daher nur von der Richtung der Bahn durch un- sere Provinz Oberhessen über Gießen und Friedberg. Ebenso unterstütze ich den Antrag auf Aufnahme der Stadt Offenbach in den Hauptbahnzug, der von der Badischen Grenze bis nach Frankfurt projectirt ist. Für einen nicht großen Staat, wie der unferige, ist eine Fabrikstadt, wie Offenbach, von unendlicher Wichtigkeit; auch ist man der Stadt Offen: bach billiger Weise eine Entschädigung schuldig für die ihr durch den, allerdings wünschenswerthen Beitritt der Stadt Frankfurt zu dem Zollvereine erwachsenen Nachtheile. Was den Antrag auf Erbauung einer Eisenbahn von Darmstadt nach Mainz betrifft, so glaube ich, daß dieser Un trag die lebhafteste Unterstützung der Kammer verdient. Mainz ist die größte Stadt, die erste Handelsstadt des ganzen Großs herzogthums; noch auf dem gegenwärtigen Landtage ist vor- gekommen, wie nachtheilig die dermaligen Verhältnisse auf den Flor dieser ehemaligen Hauptstadt des vornehmsten deuts schen Reichsfürsten einwirken. Ganz Rheinhessen muß bedeu- tend zu allen Staatslasten beitragen; mit welchen Gefühlen wird die ganze Provinz es betrachten, es ertragen, wenn bei der größten Last, die unserem Großherzogthum jemals aufges legt worden ist, ja vielleicht ihm jemals aufgelegt werden wird, bei Eisenbahnen von ungefähr 22 Wegstunden, nicht einmal eine solche von 6 Stunden im vorzüglichsten Interesse jener Provinz und ihrer Hauptstadt erbaut werden soll! Die Taunuseisenbahn kann der Stadt Mainz lein Ersatz sein; außerdem ist diese die theuerste von allen und dient weit mehr auswärtigen, als hessischen Interessen. 11* 1 1 ! 72 Ich unterstütze daher den Antrag des zweiten Präsidenten Hesse und beziehungsweise auch den Antrag des Abgeordneten Kilian. Der Abg. Aull: Vor allem muß ich dem einen Abge, ordneten der Residenzstadt, Herrn Kahlert, meinen Dank für den lebhaften Antheil aussprechen, den er an dem Intereſſe der Stadt Mainz nimmt; er hat als Kaufmann recht gut gefühlt, daß Mainz eigentlich diejenige Stadt ist, die durch den Eisenbahnzug, wenn er, mit gänzlicher Umgehung von Mainz, von Heidelberg nach Frankfurt geht, ungemein verlies ren muß. Die Stadt Main; kann bei dem Bau von Heidelberg nach Darmstadt oder Frankfurt ſehr gleichgültig sein; wenn ich also dennoch die Proposition, daß von hier nach Heidel berg gebaut werde, unterstüße, so geschieht es im Interesse des Großherzogthums Hessen und vorzugsweise im Interesse der hiesigen Residenz, nicht aber im Interesse der Stadt Mainz; denn so lange, als diese Eisenbahn nicht existirt, werden die Dampfboote vom Oberrhein ihre Passagiere nach Mainz bringen, wo diese Boote theilweise des Abends an= kommen, die Passagiere also zu übernachten genöthigt find, was der Stadt Mainz ohne Zweifel günstig ist. Sowie Sie aber eine Eisenbahn von Heidelberg über Darmstadt nach Frankfurt bauen, so können Sie versichert sein, daß alle Pas- fagiere, welche von der Schweizergrenze und dem Oberrhein herkommen, wenn sie nicht aus besonderen Gründen nach Mainz gehen müssen, das Dampfboot bei Mannheim verlas- sen, auf der Eisenbahn bis Frankfurt, von da direct nach Bieberich oder Wiesbaden gehen und Mainz nicht berühren werden. Es ist also klar, daß die Bahn höchst nachtheilig für die Stadt Mainz ist, wenn sie, ohne Zweigbahn nach Mainz, von Heidelberg nach Frankfurt gebaut wird. Diese Nachtheile werden für die Stadt Mainz in geringerem Maße eintreten, wenn eine Bahn von Darmstadt nach Mainz ge- baut wird, weil diese grade und kürzere Bahn solche Rei- sende, welche Frankfurt bereits gesehen haben und nicht gerade Geschäften halber dahin gehen müſſen, deren Ziel eine Rhein- reise ist, wenn sie auch die Dampfschiffe verlassen sollten, den: noch veranlassen wird, lieber direct nach Mainz zu gehen, als den Umweg über Frankfurt zu machen und dort ihr Geld ohne Noth auszugeben. Darum ist es keinem Zweifel unter: worfen, daß es für die Stadt Mainz von der größten Wich- tigkeit ist, daß von Heidelberg über Darmstadt eine Bahn 73 nach Mainz gebaut wird; und was diesen Punkt betrifft, ſo ſchließe ich mich vollkommen dem Antrage des Abgeordneten Kilian an: daß der Bau der Bahn von Heidelberg über Darmstadt nach Frankfurt an die Bedingung geknüpft werde, daß man dann auch von Darmstadt nach Mainz baue. Dieser Antrag ist übrigens nicht so ganz lokaler Natur, wie man im ersten Augenblick glauben kann. Vorerst halte ich sehr viel auf den Bau einer Eisenbahn von Heidelberg über Darmstadt nach Mainz, weil sie mit internationalen Ver: wickelungen nichts zu thun hat, sie ist so zu sagen, und mehr als alle andere im Gesetzesvorschlage in Aussitt gestellten Bahns linien, eine rein hessische Bahn, weil sie, einmal aus dem badischen Lande heraus, kein Land mehr, als das Großher- zogthum Hessen berührt. Ich habe von jeher den größten Werth auf die Nationalität dieser Anstalten gelegt und habe diese Ansichten in einem Berichte niedergelegt, den ich als Mitglied des Gemeinderaths von Mainz über die Frage er- ſtattet habe, ob die Taunuseisenbahn auf dem rechten oder linken Mainufer errichtet werden solle. Da dieser Bericht, dessen Druck der Gemeinderath von Mainz verordnete, ſpäter auch hier auf Betreiben des Herrn Ernst Emil Hoffmann abgedruckt und in vielen Exemplaren verbreitet wurde, so wäre es immer möglich, daß er zur Kenntniß einiger Mitglieder diefer Kammer gelangt wäre. Abgesehen aber davon, daß diese Bahn von der badischen Grenze bis nach Mainz frei von allen so höchst lästigen internationalen Verwickelungen fein würde, so gibt es eine Menge anderer Betrachtungen, die sie empfehlen und die mich veranlassen werden, dafür zu stimmen. Einmal wäre es fonderbar, wenn wir die Keiſenden aus Oberhessen gerade auf die Taunuseisenbahn verweisen wollten, die mehr zu dem Herzogthum Naſſau und zu Frankfurt, als zum Großherzogthum Hessen gehört, und das werden wir thun, wenn wir es unterlassen, von Darmstadt nach Mainz zu bauen. Wird aber diese Zweigbahn ausgeführt, so werden manche, ja sogar viele Reisende, welche sonst auf der Tau, nuseiſenbahn gerade nach Kastel gehen würden, 6 Stunden weiter gehen und Darmstadt befuchen. Darmstadt ist eine Residenzstadt, sie bietet mannichfache Interessen vermöge ihrer reichen wissenschaftlichen Unstalten und ihrer Anstalten im Gebiete der Kunst dar; und ist der Reisende erst mit der Masse von Intelligenz, welche Darmstadt in sich schließt, mit den gesellschaftlichen Tugenden seiner Bewohner bekannt, fo wird mancher daselbst auf längere Zeit seinen Aufenthalt neh. t + ! 74 men, und so wird sich, toenn dem aus Norden kommenden Reisenden die Möglichkeit gegeben ist, seinen Weg von Frank- furt über Darmstadt nach Mainz fortzusehen, in Darmstadt Leben und Gewerbe verbreiten. Es wäre überdies ſonderbar, und es würde Jedem auffallen, wenn man von Heidelberg nach Darmstadt und von da nach Frankfurt, aber nicht zus gleich von Darmstadt nach Mainz baute Einmal wird Darm= stadt durch die Zweigbahn nach Mainz dem Rheine so nahe gebracht, daß es so zu sagen eine Rheinhafenstadt würde. Zum Undern würde es Knotenpunkt; und wer irgend Länder, wie Belgien und England bereist hat, die mit einem Eisens bahnneße überzogen sind, der weiß es, wie höchst wichtig es für eine Stadt ist, Knotenpunkt zu sein. Es hieße wahrhaft alle Rücksichten für die Residenz außer Acht lassen, wenn man ihr, um die großen Ausgaben, welche der Bau der projektirten Eiſen. bahn verursacht, nicht um einige hunderttausend Gulden zu ver mehren, so große und unzweifelhafte Vortheile entziehen wollte. Man baut endlich nicht bloß Eisenbahnen, um als Handels wege durch große Reiche oder vielleicht gar von einem Welt: theile bis zum anderen zu dienen; die Beförderung des innes ren Gewerbfleißes und Verkehrs find Rückſichten, die überall auf ihre Unlage und Nichtung den größten Einfluß ausüben. Es würde daher höchst auffallend sein, wenn man bei dem Bau unserer Eisenbahnen diesen Gesichtspunkt außer Acht lassen und die beiden gewerbreichsten Städte des Großherzog= thums nicht mit einander in Verbindung sehen wollte, indes- sen diese Verbindung durch eine Menge schlagender Gründe motivirt ist, denen gegenüber der dadurch veranlaßte Mehr- aufwand gar nicht in Betrachtung kommt. Ich wieder: hole daher, daß nach meiner Ansicht die Zweigbahn von Darm- stadt nach Maing nothwendig gebaut werden muß, wenn die Bahn nach Heidelberg ausgeführt wird. Dagegen verzichte ich auf die Zweigbahn nach Mainz, sobald der Bau der Bahn von Frankfurt resp. Darmstadt nach der Badischen Grenze aufgegeben wird. Ich glaube durch di‹ſe Erklärung bewiesen zu haben, daß ich mich keineswegs durch das Localinteresse von Mainz leiten lasse, daß ich vielmehr bei meinem Behar- ren auf der Zweigbahn von Darmstadt nach Mainz vorzugs: weise von dem allgemeinen staatswirthschaftlichen Interesse des Großherzogthums, mit Hinblick auf jenes der beiden gewerb reichsten Städte des Großherzogthums, ausgehe. Uebrigens ist es irrig, wenn man die Eisenbahn von hier nach Mainz nicht als rentabel betrachtet. Ich stehe dafür, daß fie rentabler wird, als alle andere Eisenbahnen im Lande. 75 2 Die Mainzer Gasthäuser am Rhein, welche 7-800 Fremde fassen, sind in den Monaten, August, September und Okto ber, wo die Badeorte sich entvölkern und die Reisenden nach ihrer Heimath zurückkehren, jeden Abend so sehr mit Frem den angefüllt, daß sie sämmtlich Filialhäuser haben müssen, wo sie die überzähligen Reisenden unterbringen. Unter diesen Fremden befinden sich sehr viele Schweizer, Elsässer, Franzo: sen, Badenser, Schwaben, Baiern, Würtemberger u. f. w., welche die Rheinreise, oder eine Reise nach Belgien, Holland, England oder Frankreich gemacht haben. Ermüdung, die Sehnsucht nach der Heimath, nach ihren Familien und Ge- schäften bestimmen sie, den kürzesten und schnellsten Rückweg vermittelst der Bahn von Mainz über Darmstadt nach Hei- delberg einzuschlagen, um so mehr, als in diesen Monaten sich auf dem Rheine schon häufig Nebel einstellen, welche die Dampfboote aufhalten und im Allgemeinen der Fahrt zu Wasser allen Reiz benehmen. Dieses genügt, um jeden Zwei- fel über die Rentabilität der Bahn zu beseitigen. Ich Abgesehen von dem aus dieser Frequenz sich ergebenden directen Vortheil für die Bahnkasse, so sind die für die Re: fidenz Darmstadt und den Staat vermittelst der indirecten Steuern aus dieser Zweigbahn entstehenden Vortheile vorläufig nicht zu berechnen, aber ich glaube nicht zu irren, wenn ich sie sehr hoch anschlage. Es ist allgemein anerkannt, daß es ungemein vortheilhaft für eine Stadt ist, an einer Eisenbahn einen Knotenpunkt zu bilden. Es werden dadurch Verhält nisse und Erwerbsquellen aller Art hervorgerufen, welche für die betreffende Localität nur höchst günstig sein können. bin fest überzeugt, daß, wenn einmal der Fremdenzug seine Richtung nach Darmstadt genommen hat, sich in dieser Stadt eine Menge Etabliſſements bilden werden, welche diesen Auf- enthalt dem Reisenden angenehm machen. Schöne Wohnun gen sind ohnehin eine Menge vorhanden. Angezogen durch die Kunstanstalten, woran Darmstadt so reich ist, und durch die socialen Tugenden seiner Bewohner, werden dann viele Fremde ihren Aufenthalt hier nehmen. Im Sommer werden sie durch seine herrlichen Umgebungen, welche die Kunst so sehr verschönert und Hedem so leicht zugänglich gemacht hat, gefesselt werden, wodurch denn Darmstadt an Wohlstand und gewerblicher Thätigkeit bedeutend gewinnen wird. Nach dem Gesagten werde ich für die Bahn von der Kurs hessischen Grenze bis Frankfurt, die ich für, nothwendig und als gemeinnütig für das ganze Großherzogthum ansehe, un- bedingt stimmen; dagegen kann ich die Bahn von Frankfurt ४ 76 કે nach der Badischen Grenze nur dann für vortheilhaft halten, wenn zugleich eine Zweigbahn von Darmstadt nach Mainz erbaut wird. Was noch mehr ist, ohne diese Zweigbahn sehe ich diese Bahn als schädlich für das ganze Großherzogthum und als verderblich für die Stadt Mainz an; ich werde daher für dieselbe nur unter der Bedingung stimmen, daß die Zweig: bahn nach Mainz gleichzeitig gebaut wird, und trage dahin an: daß die Zustimmung der Kammer zur Erbauung der Bahn von Frankfurt nach der Badischen Grenze an die Bedingung der gleichzeitigen Erbauung der Zweigbahn nach Mainz geknüpft werde. (Der Abgeordnete Kilian unterſtüßt eventuell diesen Un, trag. ) Der Abg. Graf von Lehrbach: Ich wünschte zu wiss sen, ob der zweite Präsident Heſſe, oder überhaupt diejenigen Abgeordneten, welche die Erbauung der Bahn von hier nach Mainz in Untrag bringen, auch wohl schon an die dadurch entstehenden Kosten gedacht haben, d. h. ob sie nur auch ap proximativ angeben könnten, um wie viel Millionen sich das durch die Schuldenlaſt ſteigern wird, oder nicht, und ob fie im Stande sind, darüber irgend eine Aeußerung zu thun? Der zweite Präsident Hesse: Auch über den Bau der Bahnen von Oberhessen und bis zur Badiſchen Grenze haben wir keine detaillirten Ueberschläge; der Kostenvoranschlag be ruht auf einer durchschnittlichen Berechnung. Auf diese Weise lassen sich, wie klar vorliegt, auch die Kosten der Darmstadt- Mainzer Bahn nach Verhältniß der Wegstunden um ſo mehr berechnen, als das Terrain keine besonderen Schwierigkeiten darbietet. Der Abg. Aull: Ich schätze die Kosten der fraglichen Bahn, und zwar nach der Aussage von Sachkundigen, nicht höher, als auf eine Million oder vielleicht auf 1,200,000 fl., indem das Gelände in dem ganzen District, den die Bahn durchzieht, sehr wohlfeil ist und sehr wenige Bauten bei die. ſer Bahn vorzunehmen sind. Dadurch wird natürlich die Bahn viel wohlfeiler sein, als irgend eine andere im Groß- herzogthum. Und, meine Herren, eine Million oder auch ſelbſt 1,200,000 fl. sind nicht zu viel für das Großherzogthum, wenn es darauf ankommt, einen wichtigen Grundsaß, ein staatswirthschaftliches Verhältniß zu begründen, welches ohne Zweifel durch diese Bahn bezweckt wird. Der Herr Geheimerath Echardt: Die Richtung der Eisenbahn von hier nach Mainz würde nach den Normen, welche bei allen übrigen Voranschlägen zu Grunde gelegt 77 + worden sind, von hier bis Kostheim 2,100,000 fl. kosten. Hier bei ist noch nicht die Brücke über den Main, die dann höchſt wahrscheinlich oberhalb Kostheim angelegt werden müßte, ´um eine Verbindung mit Kastel und Mainz herzustellen. Eine solche Brücke wird 3 bis 400,000 fl. kosten, wonach sich der muthmaßliche Kostenbetrag der ganzen Bahn auf 2', Mil- lionen beläuft. Der Abg. Schmitthenner: Ich will mich hier nicht. darauf einlassen, eine Parallele zwischen Gießen und Alsfeld zu ziehen; denn ich gehe überhaupt, indem ich für die Eisen- bahnen stimme, nicht von dem Interesse einer einzelnen´Stadt, sondern von demjenigen der ganzen Provinz und des ganzen Staates aus. Wenn der Abgeordnete Ramspeck nun die pro jectirte Linie auf der Karte betrachtet, so wird er finden, daß die Eisenbahn die gemeinschaftliche Provinz Oberhessen, d. h. die Kurhessische und die Großherzogliche, gerade in der Mitte durchschneidet, so daß sie einen großen Strom bilden wird, in welchen sich hernach die Zuflüsse von allen Seiten einmün den werden. Nach dem Project, welches dermalen vorliegt, geht die Eisenbahn übrigens nur einige wenige Stunden an Alsfeld vorüber, und ich habe die feste Ueberzeugung, daß gerade für die Stadt Alsfeld die Bedeutung der Bahn in sehr hohem Grade hervortreten wird. Nach dem Zustande der Fabrikation und des Manufactur, sowie des gesammten Ge: werbwesens in Alsfeld, wie dieses früher bei dem Antrag auf die in Alsfeld zu errichtende Realschule geschildert worden ist, hat Alsfeld ſeine Rivalin nicht in der Stadt Gießen, ſondern mehr in den niederrheinischen Städten zu suchen, die sich mit ähnlichen Gewerbszweigen beschäftigen, und gerade weil man dort mit großem Eifer Eisenbahnen baut und die Fabrikation dieselben benut, wird auch die Stadt Alsfeld vorzugsweise die Eisenbahn im Interesse seiner Fabrikation benutzen, wenn ſie auch nicht gerade über diese Stadt geht, indem ich gar nicht einmal glaube, daß es das Terrain erlaubt, an dersel- ben her zu bauen. E Der Abg. Frank (von Reddighausen): Durch die Be- merkungen des Abgeordneten Schmitthenner ist dasjenige, was ich sagen wollte, der Hauptsache nach erledigt worden. ist durchaus meine Unsicht, daß man, um eines einzelnen Ortes willen, nicht Millionen auf Nebendirectionen der Eisenbahnen verwenden kann. Die Stadt Mainz ist im ganzen Lande der einzige Ort, der meiner Ansicht nach in commercieller Bezies hung einen solchen Mittelpunkt bildet, daß man bei Direction einer Eisenbahn eine vorzugsweise Rücksicht auf ihn nehmen : ". Q 78 1 darf. Weder Friedberg, noch Bugbach, noch Gießen verdie- nen eine solche Auszeichnung, und ich glaube, daß selbst die Staatsregierung den bezeichneten Zug nicht würde gewählt haben, wenn nicht das Terrain es räthlich machte, die Bahn wenigstens an Gießen herzuführen. Inzwischen hat sich mir beim Nachdenken über die Sache die Frage aufgeworfen, ob es nicht wünſchenswerther ſei, von Gießen aus die Bahn et- was weiter links zu lenken, und ob es nicht dadurch mög lich werde, den Tunnel zwischen Butzbach und Polgöns zu sparen? Der Abg. Valdenberg: Da ich leider inzwischen die Ueberzeugung gewonnen habe, daß es für uns durchaus un- möglich sein wird, eine Actiengeſellſchaft zu finden, die auf ihre Kosten diese Eisenbahnen zu bauen unternahme, so werde ich dafür_ſtimmen, daß aus Staatsmitteln dieſe Hauptbahn linien gebaut werden. Was nun die Richtung betrifft, fo habe ich mich früher schon darüber ausgesprochen und bleibe auch nach wie vor der Meinung, daß man mit der oberheffi schen Bahn allein anfangen soll, und ich mache wiederholt darauf aufmerksam, daß, wenn sie über Hanau geführt wird, Offenbach ja ebenfalls zu berühren sein wird. Die Südbahn möchte vor der Hand wohl noch auf sich beruhen bleiben können; in dieser Beziehung bleibe ich ebenfalls bei meiner Ansicht. Denn ich weiß nicht, wo das Geld herkommen soll, wenn man die hier projectirten Eisenbahnen jezt sämmtlich in Bau nehmen wollte. Für die projectirten Bahnlinien sind von der Staatsregierung 9 10 Millionen gefordert wor den. Nach der Ansicht des Abgeordneten Glaubrech werden 15 Millionen herauskommen, und wenn die andern, noch weiter in Antrag gebrachten Eisenbahnen hinzukommen, so werden wir die Aussicht auf 20 Millionen haben. Ich bleibe daher bei meiner Ansicht, daß die Staatsregierung die ober- beffische Bahn vorerst allein in Aussicht stellen möchte, und in so fern unterstüße ich auch den Antrag der Minorität des - Ausschusses. Der Abg. Buff: Ich werde mich mit dem Antrage des Abgeordneten Rausch vereinigen, welcher dahin geht, zuvör- derst die Bahn durch die Provinz Oberhessen von der kurhes- fischen bis zur frankfurtischen Grenze in Ungriff zu nehmen. Ich will damit nicht sagen, daß die hiesige Bahn außer Acht gelaſſen werde, man möge dieselbe definitiv beschließen, aber doch wo möglich erst jene ausführen. Ich muß die Motive anzuführen mir erlauben, welche mich bestimmen, den Antrag des Abgeordneten Rauſch zu un- 79 terſtüßen, damit es nicht scheine, als ob ich mich hierbei von einem gewissen Provinzialgeist hätte leiten lassen. Eisenbah nen sind, wie der Ausschußbericht ganz richtig bemerkt, Ströme von Eisen, sie sind ein Surrogat der wirklichen Ströme und wo die Natur folche versagt hat, werden sie von Nußen sein. Gewiß aber werden sie niemals mit wirklichen schiffbaren Strömen concurriren können, auf welche die Kraft des Dampfes angewendet werden kann. Einen solchen schiffbaren Strom haben wir bereits bei der Bahn von Frankfurt nach Heidel- berg. Der Rhein strömt der projectirten Bahn entlang und durch ihn wird eine genügende Communication in der Zwi- schenzeit erhalten werden. In der Provinz Oberhessen ist das Verhältniß ganz anders. Man wird hier allerdings unge- heuere Kosten verwenden müssen, und ich muß bekennen, sie erschrecken mich. Ich würde überhaupt gegen jede Eisenbahn stimmen, wenn nicht, wie versichert wird, von Kurhessen eine Bahn um unsere Provinz herum gebaut werden würde, wenn wir nicht selbst bauen. Ein solcher, zu einem baldigen Bau auffordernder oder vielmehr nöthigender Umstand findet nur bei der Provinz Oberhessen statt. Nach der geographischen Lage der Provinz Starkenburg kann uns hier eine Bahn im Auslande niemals umgehen und von dem Handelsverkehr zwischen Süden und Norden ausschließen, wie dies in Oberhessen geschehen kann. Wir würden immer, wenn wir die Erbauung der Bahn in Starkenburg auch noch zehn Jahre verschieben, derartiges nicht zu fürchten haben. Eine gleichzeitige Erbauung aller Bahnstrecken würde aber gewiß den Kostenaufwand beträcht- lich vermehren. Die Taglöhne 2c. würden enorm steigen und die erforderlichen Capitalien nur sehr schwer aufzubringen sein und voraussichtlich nur gegen schwere Provisionen von Wech= selhäusern entliehen werden können. Ich werde mich daher, wie schon erwähnt, dem Antrag des Abgeordneten Rausch anschließen. Der Abg. Becker (von Ortenberg): Ich erkenne an, daß unsere hauptsächlichsten Fabrik- und Handelsstädte, Of: fenbach und Mainz, die größte Berücksichtigung verdienen. Aber ich habe die Ueberzeugung und das Vertrauen zu der Staatsregierung, daß dieselbe alle mögliche Rücksicht auf diese Städte nehmen wird. Ich bin daher der Unsicht, daß wir den Artikel 1 des Entwurfs in ſeiner jeßigen Faſſung annehmen können. Ich werde daher sowohl für die Annahme des Art. 1, als auch für das Project einer Eisenbahn von der kurheſſi- schen bis zur badischen Grenze stimmen. Aber ich wünschte 80 doch nicht, daß diese ganze Strecke auf einmal in Bau ges nommen würde. Denn würde man die ganze Strecke in Bau nehmen, so würde die Erbauung der Eisenbahn selbst theurer werden, sie würde auch doch vielleicht nicht so schnell vollen, det werden und sich also nicht so bald rentiren. Ich mache hierbei nicht grade das vorzugsweise Interesse unserer Proving Oberhessen geltend; denn die Bahn durch die Provinz Ober- heffen wird als eine Fortsetzung der Taunuseisenbahn zu bes trachten sein, und ein großer Theil der Bewohner von Stars kenburg und Rheinhessen werden diese Bahn als Verkehrs- mittel benußen. In der Provinz Oberhessen ist aber nur ein Drittel der Orte der Eisenbahn nahe gelegen, während die andern zwei Drittel derselben von unserer oberhessischen Ei- fenbahn eben so fern und, wenn wir die Verbindungsmittel betrachten, die den Rheinhessen und Starkenburgern zu Ge- bote stehen, theilweise noch viel entlegener liegen, als viele Bezirke dieser andern Provinzen. Die Bahn wird keineswegs im vorzugsweisen Interesse der Provinz Oberhessen, vielmehr im Interesse des ganzen Landes gebaut, da die Erbauung Derselben namentlich auch aus strategischen Rücksichten erfor derlich ist, und sie außerdem den Berkehr und den Handel des ganzen Landes beleben, sowie ferner namentlich auf den Verkehr in größeren Städten bedeutenden Einfluß üben wird. Ich werde hiernach in dem vorhin angedeuteten Sinne stimmen. Der Abg. Hügel: Der zweite Präsident Hesse hat den Antrag gestellt, den Artikel 1 des Gefeßes abzulehnen und dafür einen andern anzunehmen, worin die Richtungen der Eisenbahnen aufgenommen werden sollen. Ich muß mich ge= gen einen solchen Antrag entſchieden aussprechen, da ich es für ganz und gar ungeeignet halte, in ein allgemeines Geſetz über die Erbauung von Eisenbahnen im Großherzogthum, also in ein Gesetz, welches die allgemeinen Bestimmungen enthält, wornach nicht allein die jest proponirte, sondern alle demnächst noch proponirt werdenden Eisenbahnen ausgeführt. werden sollen, die Richtung der Eisenbahnen aufzunehmen. Es ist dies meines Erachtens eben so wenig zuläßig, als wenn man in das Straßenbaugesetz die Straßenrichtungen hätte aufnehmen wollen; denn dies würde für jede Straße ein besonderes Gesetz erfordert haben. Gefeß, Daß übrigens die Staatsregierung durch dieses Gefeß die Ermächtigung nicht erhält, nun jede beliebige Eisenbahn im Großherzogthum auszuführen, sondern daß jede einzelne Ei 81 senbahn und ihre Richtung vorerst mit den Ständen verein, bart sein muß, dürfte sich doch wahrhaftig von selbst verste. hen, und ich staune, daß man darüber nur Zweifel erheben konnte. Damit jedoch aller Zweifel entfernt werde, glaube ich einen Vorschlag machen zu müſſen, der auch die Zustim, mung unseres zweiten Präsidenten erhalten dürfte, den näm- lich: in dem Artikel 1 zwischen dem dritten und vierten Worte die weiteren Worte noch aufzunehmen: ,,mit unsern Ständen vereinbarten," so, daß der Artikel dann heißen würde: ,,Der Bau der mit Unſern Ständen vereinbarten Haupt- linie zc." Dadurch werden wohl alle Zweifel gehoben werden Was nun die verschiedenen Motionen wegen Direction der proponirten und Erbauung einer weiteren Eisenbahn von hier nach Mainz betrifft, so werde ich für diesen lehteren An- trag stimmen, dagegen thue ich dieses nicht in Bezug auf den Antrag mehrerer Abgeordneten, die Stadt Offenbach in die Richtung der Hauptbahn aufzunehmen, weil die Realisi- rung dieses lehteren Antrags auf wesentliche Unstände stoßen dürfte. Uebrigens ist mir auch bekannt geworden, daß die Stadt Offenbach selbst wenigstens haben dieß früher die Organe dieser Stadt erklärt auf die Aufnahme der Stadt in den direkten Bahnzug keinen so hohen Werth legt, sondern daß es ihr genügt, wenn nur eine Localbahn von Frankfurt aus angelegt wird. Schließlich erlaube ich mir auf die von dem Abgeordneten Frank von Reddighausen aufgeworfene Frage: ob es nicht möglich sei, durch Verlegung der jetzt beinahe die grade Rich, tung von Gießen nach Bußbach ziehenden Bahnlinie mehr westlich nach dem Taunusgebirge hin, den Tunnel zu erspa ren, Folgendes zu bemerken. Die Großherzogliche Staatsregierung hat mir bekanntlich das ehrende Vertrauen geschenkt, an der Projectirung der Bahnlinie durch Oberheffen Theil zu nehmen. Hierdurch find mir natürlich die Terrainverhältnisse vollständig bekannt ge= worden, so daß ich am Beſten im Stande bin, die gewünschte Auskunft zu geben. Von der Kurhessischen Gränze bei Sichartshausen bis Gießen bietet die Führung der Bahn auf den beiden Lahn, ufern wenig Schwierigkeiten dar. Dagegen ist die Gegend zwischen Gießen und Bußbach stark coupirt und es befindet sich dort der Bergrücken, welcher die Wasserscheide zwischen Lahn 喜 ​82 und Wetter bildet und einerseits bei Bußbach mit den Aus- läufern des Taunusgebirges, andererseits aber mit den Vors Der günstigste bergen des Vogelsberges zusammenhängt. Sattel dieses Bergrückens ist gerade bei Bußbach, da wo die Chaussee von Pohlgöns nach Butzbach hinzieht. Rechts und links von diesem Sattel befindet sich kein Punkt, der tiefer läge. Nichts destoweniger ist dieser Sattel schon 380 Groß- herzoglich Hessische Fuß über Darmstadt, während Gießen nur 40 Fuß über Darmstadt liegt Da nun aber bei Eisen. bahnen keine höhere Steigung als 1/250 der Entfernung an genommen werden darf und der benannte Höhenpunkt unge- fähr 53,000 Fuß von Gießen entfernt liegt, so geht daraus hervor, daß von Gießen aus die Höhe des gedachten Uebere gangspunktes nicht erreicht werden kann, sondern daß hier ein Tunnel unvermeidlich ist (Die Abgeordneten von Rabenau (Oberſt) und Friß un- terstützen den Antrag des Abgeordneten Hügel.) Der Abg. Otto: Der Abgeordnete Hügel hat foeben be merkt, daß die Organe der Stadt Offenbach erklärt hätten, daß man dort zufrieden sei, wenn nur eine Lokalbahn von Offenbach nach Frankfu.t gebaut werde. Um aber zu zeigen, daß man zu Offenbach andere Un- sichten von der Sache hat, darf ich nur auf die von der Stadt Offenbach wegen der Eisenbahnangelegenheit an das Ministerium des Innern und der Justiz eingereichte Vorstels lung verweisen, in welcher ausdrücklich nur der Aufnahme der Stadt Offenbach in die Hauptlinie Erwähnung geschieht. Ich darf mich deshalb auf den Herrn Regierungscommissär beziehen, an welchen von dem Vorstand der Stadt Offenbach ein bes sonderes Schreiben erlassen worden ist, in welchem derselbe auszuführen sucht, daß eine Seitenbahn der Stadt Offenbach in Bezug auf ihren Fabrik. und Speditionsverkehr wenig nüşen könne. - Der vorgerückten Tageszeit wegen wird die Berathung hiermit abgebrochen und deren Fortsetzung auf die Tagesord nung der nächsten Sitzung gesetzt. Zur Beglaubigung: Schenck, Heffe, Lotheißen, Prinz, erfter Präfident. zweiter Präfident. Sekretär. Sekretär. Separat-Protokoll, über die, am Schluſse der zweiundsechs zigsten öffentlichen Situng, gehaltene geheime Sißung, : in dem Sitzungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 10. Juni 1842. Unter Vorsitz des Präsidenten Schend. Gegenwärtig: der Herr Geheimerath Eckhardt, und 48 Mitglieder der Kammer. 1. Der Tagesordnung gemäß schreitet die Kammer zur Fortsetzung der Berathung: über die Vorlage der Staatsregierung, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen im Groß- herzogthum Hessen betreffend. Der Präsident eröffnet, nach vorausgeschickter Einleitung, die Berathung über den Artikel 1 des Gefeßesentwurfs, in Verbindung mit den bezüglich der Richtung der Bahn ge= stellten Anträgen, nämlich: 1) der Abgeordneten Wull, Städel, Jung, Loth. eißen, Kilian und Hesse, auf Errichtung ei ner Staatseisenbahn von Darmstadt nach Mainz; ? ľ 2) der Abgeordneten Otto, Hesse, Frand (Hof- gerichtsrath) und Lotheißen, die Aufnahme der Stadt Offenbach in den Zug der für das Großherzogthum projectirten Eisenbahn von der nördlichen Gränze der Provinz Oberhef. sen bis an die südliche der Provinz Starken- burg, und 3) der Abgeordneten Lotheißen, Franck (Hofges richtsrath), v. Rabenau (Oberforstrath), Heffe und Kilian, die Direction der von Darmstadt bis zur Badischen Gränze zu erbauenden Eisen- bahn betreffend. Hierauf trägt vor: Der Abg. Lotheißen: Schon vorgestern habe ich mich brevissimis für die Proposition der Großherzoglichen Staats, regierung, nämlich dafür ausgesprochen, daß man die durch's Großherzogthum projectirte Eisenbahn auf Staatskosten erbaue, vorausgesetzt, daß zwischen der Staatsregierung und den Ständen über die näheren Bedingungen, Behuf der Ausführung dieses großartigen Unternehmens, eine Vereinba rung erzielt werde. Bei diesem Vorbehalt hatte ich vorzugs- weise im Auge: daß man sich über die Größe des Baukapitals und über die Bahnrichtung verständige. In beiderlei Beziehungen hat der Abgeordnete Glaubrech gestern eventuell angetragen: vorerst genaue Kostenüberschläge, nähere Angabe der Bahnlinie und Anhaltspunkte bezüglich der Tarife zu begehren. Von dem Abgeordneten Brunck ist dieser Untrag unters stützt und hinzugefügt worden: daß vorerst auch die mit den betreffenden Regierungen der Nachbarstaaten abzuschließenden Verträge vorzule. gen seien. Dieses gab gestern dem Herrn Regierungskommissär die Veranlassung zu einer vertraulichen Eröffnung über die Art und Weise der gemeinschaftlichen Ausführung und über den Kostenpunkt. Hiernach halte ich mein Bedenken hinsichtlich der Größe des Baukapitals für beseitigt oder erledigt und nicht nöthig, auf näheren Nachweiſen zu insistiren, zumal, wie sich aus den Andeutungen des Herrn Regierungskommissärs noch wei ter ergeben hat, bei dieser Ermittelung des Baukostenbetrags auf eine dergestalt sorgfältige und einſichtsvolle Weise von i 3 1 der Staatsregierung verfahren worden ist, daß die Befürch tung, man werde mit der in Aussicht gestellten Summe nicht auslangen, forthin nicht mehr begründet sein dürfte. Dagegen ist mein anderes, die Bahnrichtung betref- fendes Bedenken noch nicht gehoben. Hierbei kommen die drei Motionen in Betracht. Die erste derselben ist von dem Abgeordneten der Stadt Mainz und mehreren anderen Collegen gestellt und bezweckt die gleichzeitige Errichtung einer Schienenbahn von Darmstadt nach Mainz auf Staatskosten. Der Herr Regierungskommissär hat sich über diesen An- trag bestimmt ausgesprochen. Er erkennt dieselbe für fachge- mäß, eine Eisenbahn von Darmstadt nach Mainz den Ver- hältnissen angemessen, glaubt aber, daß man mit derselben warten solle, bis erst die von der Staatsregierung pro- ponirte Bahn gebaut sein werde. Der Ausschuß hat sich über die Motion ausgesprochen, die ihr unterlegten Gründe sämmtlich für richtig anerkannt und der verehrlichen Kammer die Annahme der Motion empfohlen. Zur Theilnahme an diesem Antrage des Abge: ordneten von Mainz aufgefordert, entsprach ich dieser Auffors derung hauptsächlich aus folgenden Betrachtungen: Vorerst sah und sehe ich es als ein Gebot der Schicklich: keit und des Anstandes an, die Residenz sobald sie mit Gießen durch eine Eisenbahn verbunden werden soll auch mit Mainz, dem wichtigsten und größten Handelsplate des Großherzogthums, auf gleiche Weise zu verbinden. Dieses Gebot der Schicklichkeit und des Anstandes wäre freilich an und für sich kein Motiv, dem Lande einen weiteren Kosten- aufwand von vielleicht anderthalb Millionen aufzubürden, lägen dem Antrage nicht auch wahrhafte, materielle Interes fen zum Grunde. Das aber habe ich von Anfang geglaubt, und glaube es noch. Für Darmstadt erwarte ich allerdings von der Eisenbahn manche Vortheile, jedoch nicht in folch hohem Grade, wie man sich von einer anderen Seite davon verspricht. Die Rücksicht für Darmstadt, auch wenn für fie durch die Bahn nach Mainz ein Knotenpunkt gewonnen wird, sehe ich hierbei nur als eine secundäre oder untergeordnete an. Dagegen habe ich geglaubt und glaube es noch, daß eine Bahn von Darmstadt in die Mainspiße für die Stadt Mainz und folgeweise für die Provinz Rheinhessen, von sehr erheblichem Vortheil und eine Entschädigung sein wird für die der Stadt Mainz durch die Biebericher Bahn und durch andere, noch nicht reparirte Ereignisse der neueren Zeit geschlagenen Wunden, deren Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 12 1 nachhaltige Folgen noch nicht alle ermessen und erkannt werden Fönnen. Mainz gewinnt durch die beantragte Bahn den Be ſuch aller der Reisenden, welche, ohne die Absicht, Frank: furt zu berühren, auf der Südbahn nach Norden, den Rhein hinunter, ebenso diejenigen, welche den Rhein herauf kommen, aber schon bei Bieberich die Dampfschiffe verlassen und die Tour über Wiesbaden und Frankfurt nehmen, fo lange von Mainz nach Darmstadt eine Eisenbahn nicht be steht. Das Gleiche gilt von den Waarenzügen. Auf diese Weise tritt Mainz mit Würtemberg, Baden, dem Odenwalde, der Bergstraße u. f. w. in eine ihm sehr nüßliche nähere Ver: bindung und es wird durch die fragliche Bahn die der Stadt Mainz gefährliche Concurrenz der Städte Mannheim und Bie: berich einigermaßen neutraliſirt. Erkannte ich aber einmal die Anlage der Bahn von Darmstadt in die Mainspise für vortheilhaft für Mainz und Rheinhessen, ja hierin vorerst das einzige Mittel, die Rheinprovinz nach Möglichkeit von den ſonſt ihr drohenden Nachtheilen zu befreien und ſie dabei an den von den Eisenbahnen erwarteten industriellen und commerziellen Vor: theilen Theilnehmen zu lassen, so mußte ich mich auch verpflich tet fühlen, Rücksicht auf eine Provinz zu nehmen, deren Be: wohner mit uns durch die engsten Bande vereinigt, unsere Brü. der sind und deren Abgeordnete ſchon bei mehreren Gelegenheiten - ich erinnere nur an die Grundrentenablösung im Interesse der beiden anderen Provinzen zu schweren Ausgaben consen: tirt haben, ohne für sich einen anderen Gewinn zu erblicken, als das Bewußtsein billiger und nobler Denk und Hands lungsweise. Meine Herren! dafür sind wir der Provinz Rheinhessen Dank schuldig, dafür müssen wir erkenntlich fein und die Gelegenheit, die sich jest darbietet, sollen wir nicht unbenußt vorüber geben laſſen. Was die Kosten dieser Bahn anlangt, so find sie freilich nicht unter den für die Starkenburger und Oberhefſiſche Bahn in Aussicht gestellten neun Millionen begriffen; sie werden aber auch nicht die Höhe erreichen, in welcher sie gestern dar: gestellt werden wollten. Die Entfernung von Darmstadt bis in die Mainspitze beträgt in gerader Richtung mehr nicht, als höchstens sechs Stunden. Die Baukosten werden, wenn man erwägt, daß die beantragte Bahn durch größtentheils wohlfeiles Gelände führen und mit gar keinen Terrainſchwie- rigkeiten zu kämpfen haben wird, weit geringer, als die wohl feilste, gleich große Strecke der anderen diesseitigen Bahnen, höchstens zu anderthalb Millionen Gulden, anzuschlagen ſein. Ich bringe dabei eine Brücke, welche oberhalb Kostheim über wat 5 den Main zu schlagen wäre, und deren Kostenbetrag mit 300,000 Gulden gestern in Aussicht genommen wurde, nicht in Unschlag, weil wir eine solche Brücke durchaus entbehren können. Es genügt, wenn man die Bahn in die Mainspike dirigirt und von da die Communication mit Mainz durch eine Dampffähre herstellt. Dieses Communicationsmittel wird un gleich schneller seinem Zwecke entsprechen, als die Passage über zwei Flüsse und zwei Brücken. Die wenigen Winter. wochen, während welcher der Rhein zugefroren ist, oder Eis- gang hat, kommen nicht in Betracht und kann in dieser kur- zen Zeit die Communication durch Wägen über Kostheim und Kastel, oder mittelst einer Nähe oberhalb des Einflusses des Mains in den Rhein, an welcher Stelle dieser Fluß bekannt, lich später zufriert, als weiter unten, also auf die nämliche Weise bewerkstelligt werden, wie zwischen Kastel und Mainz, sobald die Schiffbrücke abgetragen ist. Gegen diese Bahn- anlage kann sich die Actiengesellschaft der Taunuseiſenbahn nicht opponiren. Die Anlage betrifft lediglich den Verkehr im Innern. Auch hat jene Actiengesellschaft vertragsgemäß bereits die Verpflichtung, eine Einmündung der Darmstädter in die Taunusbahn sich gefallen zu lassen. Dieses Einmün- den, es sei wo es wolle, halte ich aber weder dem Zwecke der Bahn von Darmstadt nach Mainz entsprechend, noch der Würde unseres Staats angemessen, mit einer Privatgesellschaft in ein Societätsverhältniß zu treten. Man hat gestern auch Befürchtungen in Bezug auf die Frequenz der Bahn gehört. Darüber läßt sich vor der Hand nichts Bestimmtes fagen; aber jedenfalls wird die Bahn durch die Heidelberger viel alimentirt werden, und, wenn auch keinen, demjenigen der anderen Bahnen gleich kommenden Ertrag liefern, doch gewiß ſich ſelbſt erhalten und kein Deficit erscheinen lassen. Die zweite Motion, gerichtet auf eine directe Aufnahme der Stadt Offenbach in die Hauptbahnlinie, beruht auf Grün en des Rechts, der Humanität und der Bruderliebe. Die Stadt Offenbach wurde durch die Zollvereinigung des Großherzogthums mit dem Königreich Preußen, zu einer er staunenswerthen Höhe gehoben. Ihre Industrie, ihre Hans dels und Fabrikverhältnisse erlangten dadurch einen Auf- schwung, ihre Messe eine Bedeutung, der Stadt Frankfurt manche empfindliche Verluste erzeugend und noch größere Gefahr drohend. Mit dem Beitritt der Stadt Frankfurt zu dem Zollvereine fiel das Gebäude des Wohlstandes der Stadt Offenbach zum großen Theil in Trümmer; alle feine, mit 12* 6 1 großen Opfern erkauften Hoffnungen für die Zukunft, seine Messen, waren zernichtet, sein Handel gelähmt, der große Werth der Häuser sank auf die Hälfte und weniger! Man wende mir nicht ein, das Alles hätte man voraussehen főn- nen, man hätte ohne Divinationsgabe wissen müssen, daß dieser blühende Zustand von Offenbach einer Treibhauspflanze zu vergleichen und der Keim des Todes gleich Anfangs in ihr gewesen sei. Das konnte man im Voraus dennoch nicht wissen, zumai da Offenbach manche Aufmunterung Seitens der Regierung erhalten haben soll, auf dem Standpunkte. auf welchem der Zollverein mit Preußen die Stadt gestellt harte, die möglichſte Höhe zu erreichen. Aber eine andere Frage ist, ob man nicht, bei dem Zutritt der Stadt Frankfurt zum großen deutschen Zollverein, für Offenbach allein Reser- vate hätte machen und ihm dadurch wenigstens einen und den anderen Theil seines vorherigen besseren Zustandes hätte er halten sollen? Ich laffe diese Frage unbeantwortet, aus Mangel der Kenntniß der näheren Verhältnisse und in der Ueberzeugung, daß ihre Lösung nicht zum Nachtheil der Großherzoglichen Staatsregierung ausfallen würde, welche, in ihrer bekannten Fürsorge für die Staatsangehörigen, gewiß Alles versucht hat, was in ihren Kräften stand, wenn auch ohne Erfolg. In- deſſen halte ich mich an die Thatsache, daß Offenbach durch die Erweiterung des Zollvereins im Jahr 1836 auf das Här teste gedrückt und getroffen wurde. Der Augenblick ist er- schienen, wo der Stadt Offenbach einige Entschädigung ge- boten und gesorgt werden kann, daß sie durch die Eisenbahn- anlage nicht abermals unerſeßliche Verluste erleide. Offenbach gewinnt jährlich bloß durch seinen Speditionshandel über 100,000 Gulden. Diese Einnahmsquelle ist zernichtet, wenn Offenbach nicht in die Bahnlinie aufgenommen wird. Also bin ich versichert worden, von einem Mann, der volle Glaub würdigkeit hat und die Verhältnisse kennt, wie nicht leicht ein Anderer. Man stellt zwar für Offenbach eine Seitenbahn in Aus sicht. Auf Staatskosten? Ich zweifle; der Zweifel liegt in dem Artikel 1 des Gesetzesentwurfs. Also auf Actien? Dann wird sie nicht zu Stande kommen! Soll aber Offenbach eine Seitenbahn auf Staatskosten erhalten, so sehe ich nicht ein, warum man diese Fabrik und Handelsstadt, die bedeutendste nach Mainz, nicht in die Bahnlinien aufnehmen will. Frank furt und Baden, sagt man, widersehen sich, geben das nicht zu. Ich glaube gerne, daß sie sich sträuben; ich bin aber 7 auch überzeugt, es wird dieser Widerstand zu besiegen sein. Frankfurt will unsere Nord- und Südbahn, ſie ist ihm von außerordentlichem Werth. Sollen wir der Stadt Frankfurt dieses ihr entschiedenes Interesse befördern, so muß sich dieses auch mit dem Interesse des Großherzogthums amalgamiren und nicht auf Kosten einer Stadt, oder einer Provinz, oder des ganzen Landes verlangt werden, sonst unterlassen wir, was der Nachbarin nüht, uns aber schadet. Frankfurt braucht nicht Alles, es huldige dem Grundsaße: Leben und leben laffen! Baden wird ungleich weniger auf dem Ausschlusse von Offenbach bestehen, sein Interesse an diesem Ausschluß liegt zu fern, wenn überhaupt ein solches existirt. In dem kleinen Umweg kann es auch nicht liegen, denn die Bahnlinie auf der anderen Seite der Frankfurter Warte nach Sachsenhausen ist wohl nicht kürzer. Dagegen hat Baden das größte In- tereſſe, daß seine Eisenbahnen, die schon beschlossen und im Bau begriffen sind, von uns abgenommen oder fortgefeht werden; sonst sind seine Bahnen fast werthlos, die darauf verwendeten Millionen beinate nußlos vergeudet. Ich wende mich zu der dritten Motion, welche wünscht, daß die Eisenbahn von Darmstadt, der Bergstraße entlang, direct nach Heidelberg geführt werde und nicht nach Mann- heim. Ueber diese Motion hat sich der Herr Regierungscom- missär sehr unbestimmt und lafonisch ausgesprochen. In sei- nem Antwortschreiben an den Ausschußreferenten wird ge- ſagt: ,,es liege, für den Fall, daß die Bahn von einer Pri- vatgeſellſchaft gebaut werde, ein Staatsvertrag vor, wornach die Richtung nach Mannheim vereinbart wor den, es laſſe ſich nach dem gegenwärtigen Stande der Verhandlungen nicht beurtheilen, in wie fern dem in der Motion gestellten Desiderium entsprochen werden könne; es werde jedoch der Staatsregierung angenehm ſein, die Ansicht der Stände hierüber zu vernehmen.“ Vorerst muß ich bemerken, daß der Staatsvertrag, wo- durch die Richtung nach Mannheim vereinbart wurde, nichts mehr entscheidet. Er ist unserer Staatsregierung nicht bin- dend, er ist nicht zur Vollziehung gekommen, er ist in ſich felbst verfallen mit der Actien gesellschaft dahier, in deien Interesse er abgeschlossen war, und mit welcher er stand und fiel. Über auch abgesehen hiervon und angenommen, jener Vertrag wäre noch in Wirksamkeit, so ist er doch unter ganz anderen Vorausseßungen abgeschloffen worden, als diejenigen find, welche jest, we der Staat für eigne Rechnung batter will, vorliegen. Damals, bei Abschluß dieses Vertrags, wollte die Großherzoglich Badische Regierung die Eisenbahn von Mannheim nicht über Heidelberg sondern unmit, telbar und direct nach Karlsruhe führen. Hätte sie das Lettere gethan, so könnte vielleicht jest eher davon die Sprache sein, unsere Eisenbahn von Heppenheim oder von Weinheim aus nach Mannheim zu dirigiren. Seitdem aber die Großherzoglich Badische Regierung jenen ihren ersten Entschluß selbst aufgegeben und die Eisenbahn direct von Heidelberg nach Karlsruhe beschlossen und auszuführen angefangen hat, ist das Verhältniß ein ganz anderes gewor den, so daß der frühere Staatsvertrag jeßt für unsere Staats- regierung eine bindende Kraft nicht mehr hat. Den dermaligen Stand der Unterhandlungen kennen die Stände nicht und deswegen sind sie allerdings nicht im Falle, ihr Urtheil darauf zu gründen; aber die Großherzog, liche Staatsregierung vermag, eben weil sie die Unterhand- lungen kennt, zu beurtheilen, ob dem Antrage, wie er vor- liegt, stattgegeben werden kann; ich hätte daher ſehr gewünſcht, daß sich über dieſen dritten Antrag von Seiten des Herrn Regierungscommiſſärs beſtimmt ausgesprochen worden wäre. Nach der Lage, in welcher sich diese Angelegenheit jezt bes findet, sind wir völlig im Dunkeln, welche Richtung die Staatsregierung der Eisenbahn von Darmstadt bis zur Ba dischen Grenze zu geben gedenkt. Es fragt sich, soll die Bahn geführt werden von Darmstadt nach Gernsheim und von da den Rhein hinauf bis nach Mannheim? oder soll sie gebaut werden über Pfungstadt, Lorsch, Virnheim direct nach Mannheim? oder foll sie geführt werden von Darmstadt nach Eberstadt und Bickenbach bis Heppenheim, also der Berg- Straße entlang und von Heppenheim über Virnheim nach Mannheim? oder soll sie noch weiter hinauf bis nach Wein- heim und erst von hier aus nach Mannheim, oder soll sie endlich von Heppenheim nach Weinheim und direct nach Heidelberg dirigirt werden? Alle die bis jetzt genannten Bahnrichtungen, mit Ausnahme der leßten nach Heidelberg, scheinen mir für das Großherzogthum Hessen keinen Vortheil darzubieten. Ich glaube, daß von einer Richtung der Bahn nach Gernsheim und dem Rhein hinauf keine Rede sein kann. Diese Richtung ist zwar früherhin bei der dahier be standenen Actiengesellschaft in Betracht gezogen worden, aber ich glaube nicht, daß die Staatsregierung, wenn sie baut, dieſe Richtung der Bahn wird geben wollen. Denn was 1 9 würde uns eine. Eisenbahn nüßen, welche von Gernsheim aus den Leinpfad an einem Fluffe hinauf verfolgt, der täglich mit einer Menge von Dampfschiffen befahren wird? Die Richtung der Bahn über Pfungstadt, Lorsch, Birnheim nach Mannheim halte ich nach der zuerst genannten für die unter allen Richtungen am wenigsten vortheilhafte, nur die größten Nachtheile darbietend, weil man bei dieser Richtung fo recht eigentlich die Fremden mit Dampf durch das Land jagt. Die einzige richtige Bahn, im Interesse des Landes, und vorzugss weise der Provinz Starkenburg, ist die in der Motion be zeichnete. Die Gründe für diese Bahn sind in der Motion ausgesprochen, der berichtende Ausschuß hat den angeführten Gründen volle Anerkennung ertheilt, er hat auch diese Mo- tion, gleich den übrigen, in Schutz genommen, fie der Kam mer zur Annahme empfohlen. Ich will diese Gründe nicht wiederholen, sie sind Ihnen bekannt; ich behalte mir aber vor, wenn sie im Laufe der Diskussion angefochten werden sollten, das Weitere darauf zu erwidern. Die Richtung der Bahn, der Bergstraße entlang, direct nach Heidelberg liegt übrigens auch im Interesse von Baden, ſo daß nicht schwer sein wird, in dieser Beziehung eine Ueber: einstimmung der Ansichten veider Regierungen zu erzielen. Die Proposition der Großherzoglichen Staatsregierung werde ich nur dann genehmigen, wenn von Seiten des Herrn Re- gierungscommissärs noch die bestimmte Versicherung ertheilt, oder sonst in sichernde Gewißheit gestellt wird, daß die Bahn nur der Bergstraße entlang direct nach Heidelberg geführt werde. So lange jene Versicherung nicht vorliegt, muß ich den Antrag, welchen gestern der zweite Präsident Hesse gestellt hat, und den ihm folgenden Antrag des Abgeordneten Kilian unterstützen. Der Antrag des zweiten Präsidenten Hesse lautet: (verlesen.) Der Antrag des Abgeordneten Kilian geht dahin: (verlesen.) Der Zweck dieser Anträge war hauptsächlich die Bahnli nien festzustellen auf eine dem Interesse des Landes am Meis sten zusagende Weise und von dieser Feststellung der Bahnli nien die Annahme des ganzen Gefehesentwurfs abhängig zu machen Die Tendenz des Antrags des zweiten Präsidenten Hesse ist insbesondere darauf gerichtet, der Stadt Offenbach eine directe Aufnahme in die Bahnlinie zu verschaffen, eine Eisenbahn auf Staatskosten von Darmstadt nach Mainz zu ! į 1 10 erlangen und ſich darüber zu versichern, daß die Eisenbahn von Darmstadt nur der Bergstraße entlang direct nach Heis delberg geführt wird. Diese Tendenz in allen ihren Richtun gen entspricht ganz dem Inhalt der 3 Motionen, die ich mitgestellt habe; schon daraus ergiebt sich mit Nothwendig- keit, daß ich den Anträgen des zweiten Präsidenten Hesse und des Abgeordneten Kilian accediren muß, wenn solche nicht durch eine beruhigende Erklärung des Herrn Regierungs- commiſſärs als überflüssig dargestellt werden können. Uebri gens haben wir gestern einen anderen Antrag von dem Ab, geordneten Hügel gehört, der dahin geht, in dem Artikel 1 des Gesetzesentwurfs hinter dem Worte,,Bau" die Worte: ,,der mit unsern Ständen vereinbarten“ (Hauptlinien) einzu- schalten. Der Zweck dieses Antrags ist, den Gesetzesentwurf, wie er vorliegt, in seiner allgemeinen Richtung aufrecht zu erhalten, also zu bewirken, daß sich das Gesetz nicht blos auf die jetzt in Frage stehenden, sondern überhaupt auf alle fünf- tige Eisenbahnen erstrecke, zu gleicher Zeit aber auch den Ständen Sicherheit und Garantie zu geben, daß jest und in Der Folge, ohne ihre ausdrückliche Einwilligung, eine Eisenbahn von der Staatsregierung auf Kosten des Landes nicht gebaut werden könne. Die Vorausschung ist also immer, daß erst die Eisenbahnen mit den Ständen vereinbart sein müssen. Dieser Antrag des Abgeordneten Hügel ist ein vermitteln der, also ein Ausweg, wodurch die von dem zweiten Präsi denten Hesse vorgeschlagene Ablehnung des Artikels gespart und der Artikel 1 des Entwurfs beibehalten werden kann. Ich finde hiergegen nichts zu erinnern, da dieser Ausweg zu demfelben Resultate führt, welches die Anträge der Herren Hesse und Kilian verfolgen; außerdem aber auch dadurch dem Wunsche der Großherzoglichen Staatsregierung entsprochen wire, ein allgemein gehaltenes Eisenbahngeseh zu erlangen, obschon ich einem solchen pro futuro einen practischen Werth noch nicht beizumessen vermag. Entscheidet sich die Kammer für das Amendement des Abg. Hügel, so wird pos. 1 des Antrags des zweiten Präsidenten Hesse, den ersten Passus des Art. 1 abzulehnen, ganz wegfal: len; auch werden die von dem zweiten Präsidenten Hesse vor- geschlagenen Artikel 1 und 1 a in den Entwurf nicht aufzu- nehmen sein, sie werden natürlich ebenfalls wegfallen. Aber der Inhalt des ersten Artikels, so wie der Inhalt der Posi- tionen des Antrags unter 3 und 4 und das weitere Umen- dement des Abgeordneten 'Kilian würden dadurch doch noch 11 nicht überflüssig werden. Diese würden in ihrer Integrität erhalten werden müssen, wenn nicht im Laufe der Discussion der Herr Regierungscommissär sich auf das Bestimmteste für die Propofition noch aussprechen sollte. In der Materie selbst wird also kein großer Unterschied erzeugt werden, nur in der Form. Wir haben gestern auch noch einen Antrag gehört, der dahin ging: vorerst nur die durch die Provinz Ober: hessen proponirte Eisenbahn zu genehmigen. Dies ſer Antrag wurde hauptsächlich auf folgende Säße gegründet: 1) die oberhessische Bahn sei in strategischer Hinsicht als lein von Bedeutung; 2) nur die oberhessische Bahn rentire sich; ſche Bahn rentire ſich; 3) die Provinz Starkenburg bedürfe keiner Eisenbahn, sie habe durch ihre Lage zwischen Neckar, Rhein und Main und durch die oberrheinische Dampfschifffahrt Mittel genug zur Communication und zur Hebung ihrer Industrie und ihres Handels; 4) die oberrheinische Dampfschifffahrt würde dadurch be- einträchtigt, folgeweise das Interesse der Provinz Rheinheſſen gekränkt werden. Was den ersten Grund betrifft, so gebe ich gerne zu, daß die oberhessische Bahn in strategischer Hinsicht von höchster Wichtigkeit ſei; indeſſen wird auch der Eisenbahn in der Pro: vinz Starkenburg in strategischer Hinsicht die gleiche Wich- tigkeit, wie der der Provinz Oberheffen attribuirt werden müſſen. Es kann der Fall vorkommen, daß das achte Urmee- corps, zu welchem unſere, die badischen und würtenbergiſchen Truppen gehören, sich schnell zu vereinigen hat, in größter Eile entweder in der Gegend von Straßburg, oder in der Ge: gend von Mainz, eintreffen muß. In diesem Falle ist die starkenburgische und badische Bahn allein geeignet, diesen Zweck auf die schnellste Art zu realisiren. Es können aber auch Umstände eintreten, welche nöthig machen, Truppen vom Niederrhein schnell nach dem Oberrhein hinauf, oder Truppen vom Oberrhein schnell nach dem Niederrhein zu bringen, und dieser Zweck kann nur erreicht werden durch eine Verbindung der Nord- mit der Südbahn. Die fernere Behauptung, nur die oberhefſiſche Bahn werde sich rentiren, beruht, so wie Alles, was man über die Er: tragsfähigkeit der Bahn gesagt hat, auf bloßen Vermuthun- gen. Ich wünsche, daß sich die oberhessische Bahn rentire, daß sie recht viel eintragen möge; aber ich glaube, die star kenburger Bahn wird, was die Rentabilität betrifft, der ober: 1 12 hefſiſchen in Peiner Weise nachstehen. Sie hat zwar eine ges fährliche Concurrentin an der oberrheinischen Dampfschifffahrt. Hätte sie aber diese Concurrentin nicht, fo würde die starkens burger Bahn das Doppelte rentiren, wie die Bahn in der Provinz Oberhessen. Wohl ist richtig, die Nordländer besu- chen häufiger die südlichen Gegenden, als umgekehrt. Aber wer sagt denn, daß für die Nordländer das Ziel der Reise der Main eder die Stadt Frankfurt sei? Wie viele derselben besuchen die Schweiz, Italien, das füdliche Deutſchland rc.! Es wäre überhaupt schlimm, wenn unsere Eisenbahnen baupt- ſächlich durch die aus entfernteren Gegenden kommenden Rei- ſenden alimentirt werden müßten. Ihre hauptsächlichste Fre= quenz und ihre wesentlichste Alimentation erhalten die Eisen- bahnen durch den inneren und engeren Verkehr der Gegend, durch welche sie führen. Dieser ist in Starkenburg, der Dampfschifffahrt ungeachtet, stärker, wie in Oberhessen. Man darf nur einen Blick auf die Karte werfen, um sich davon zu überzeugen. Die Provinz Starkenburg liegt zwischen dem Neckar, dem Rhein urd dem Main in einer der bevölkertßten Gegenden Deutschlands, die starkenburgische Bahn wird alis mentirt nicht bloß von den zahlreichen Bewohnern der Berg: straße und des benachbarten Odenwalds, sie bekommt ihre Nahrung auch aus dem Würtenbergischen, Badischen und Bairischen; aus den Städten Heidelberg, Worms, Manns heim Mainz, Frankfurt, Darmstadt, Hanau, Effenbach u. f. w. Was hat dagegen Oberhessen für seine Bahn zu erwar: ten? Wenig, im Vergleich zu Starkenburg, von seinem in- nern Verkehr! Starkenburg bedarf der Eisenbahn gerade ſeiz ner Lage wegen und mit Rücksicht auf die oberrheinische Dampfschifffahrt. Was nüht die oberrheinische Dampfschiff- fahrt der Provinz Starkenburg? Nichts! desto mehr schadet sie ihr. Vor dem Bestehen der oberrheinischen Dampfschiff- fahrt war die Bergstraße sehr belebt, Kutsche reihte sich an Kutsche, die Gasthöfe waren immer besucht, immer von Frem- den gefüllt; jezt ſieht man oft an einem Tage nur ein paar Chaisen, die Gasthöfe sind geleert. Fragt man nach der Ur fache, fie liegt in der oberrheinischen Dampfichifffahrt,· denn ſeitdem diese und die Eisenbahn von Heidelberg nach Mann: heim besteht, ist die Bergstraße verödet und leer. Wird aber dicht an der Bergstraße hin eine Eisenbahn geführt, ſo wird diese Gegend, ohne der Dampfschifffahrt großen Nachtheil zu erzeugen, wieder belebt werden, es wird der frühere Wohl- stand wieder bei ihr einkehren, es wird dieses auf die Ges - 13 genben des hessischen Odenwaldes wohlthätig rückwirken; tie seit sechs Jahren im Odenwalde angelegten Kunststraßen wer den sich erst, wenn eine Eisenbahn in der Bergstraße besteht, rentiren, es wird der Odenwald, ausgezeichnet durch Natur: ſchönheiten, bekannt und nach Verdienst gewürdigt und ees sucht werden; er wird bald die hessische Schweiz heißen, wie wir jest schen eine sächsische Schweiz kennen Der Dampfs schifffahrt des Oberrheins geschieht kein Unrecht durch die An- lage der Eisenbahn entlang der Bergstraße; Lettere ge= winnt dadurch theilweise nun wieder, was sie durch jene ver: loren hat. Daß die rheinische Dampfschifffahrt dadurch bes einträchtigt wird, das mag sein, es ist aber kein Grund, der Bergstraße dasjenige nicht zu vindiciren, was ihr durch die Dampfschifffahrt entzogen worden ist. Dagegen wird Rhein- hessen nichts verlieren. Was ins künftige der Stadt Mainz durch die Dampfschiffe weniger zugeführt wird, erhält sie in vermehrter Auflage durch Vermittelung der Eisenbahnen. Die Stadt Worms und Oppenheim, die einzigen Orte, an wels chen die Dampfschiffe oberhalb Mainz in der Provinz Rhein- bessen anlegen, gewinnen nicht und verlieren nicht, die Dampf- schiffe mögen stark befeht sein oder nicht Denn an dieſen Orten verweilen die Reifenden nicht, sie bringen also auch keine Nahrung. Die Dampfschifffahrt auf dem Oberrhein hat auch der Provinz Rheinhessen geschadet; auch hier hat sie bes wirkt, daß, gleichwie in der Bergstraße, auch die auf der linken Seite des Rheins ziehende Kunststraße leer ist, seitdem die Dampfschifffahrt auf dem Oberrhein besteht. Das Geſagte ſpricht genügend gegen den blos für Ober- hessen berechneten Untrag. Wer diesen Antrag gestellt und unterstützt hat, und wer ihm beistimmen wird, der will gar feine Eisenbahn. Ich sehe in diesem Antrage eine Ablehnung der Proposition der Staatsregierung. Denn die Staatsregie rung hat weder eine eberhessische, noch eine starkenburgisce, sie hat nur eine Bahn proponirt. Ich wenigstens gebe mich ſie der zuversichtlichen Hoffnung hin, daß die Staatsregierung diesem Antrag unter keinen Umständen entſprechen wird, daß die Staatsregierung, welche mit gleicher Liebe alle Staatsans gehörige umfaßt, ohne zu fragen, welcher Provinz sie ange hören, nicht blos der einen Provinz ihre Liebe zeigen und Wohlthaten zuwenden, die anderen Provinzen aber hinter. ſchen wird, während dieſe doch an dem, zu jenem Zweck ers forderlichen Kostenaufwand particípiren müßten Dixi et sal- vavi animám. ! 1 14 Der Abg. Glaubred: Meine Herren, ich habe gestern die Ehre gehabt, meine Ansichten über das vorliegende Eisen- bahngeseh überhaupt zu entwickeln und mich dafür ausgespro- chen, daß man, zumal unter den gegenwärtigen Umständen, vor Allem einen Versuch machen möge, die Eiſenbahnen durch Privatgesellschaften erbauen zu lassen und demgemäß eine Con currenz für Eisenbahngeſellſchaften zu eröffnen. Ich bin heute noch der nämlichen Ansicht, wie gestern; ich glaube nicht, daß ich widerlegt worden bin, und habe auch heute noch die Ueber- zeugung, daß, wenn die vorliegende Propofition von uns ab. gelehnt werden wird, Frankfurter Banquiers sogleich zum Baue einer Eisenbahn über Gießen nach Caſſel die Autorisation unferer Regierung nachsuchen werden und daß dieselben sich auch hier- von selbst durch die Besorgniß nicht werden abhalten laſſen, daß Gießen oder Caffel möglicher Weise Stapelplätze geben und als solche den Frankfurtern gefährlich werden könnten. Denn, wie ich schon gestern ausgesagt habe, werden die frankfurter Kaufleute keine andere Wahl haben, und zwar aus dem ein- fachen Grunde, weil ihnen von Seiten der Kurhessischen Re- gierung zum Bau über Fulda keine Conceffion ertheilt wer den wird. 2 Ebenso bin ich überzeugt, daß sich auch wieder Privatge= fellschaften bilden werden, um die Bahn nach Heidelberg zu bauen. Die Gründe, weßhalb die hiesige Eisenbahngesellschaft ihr Unternehmen aufgeben mußte, find bekannt, und Sie, meine Herren, sind gewiß Alle überzeugt, daß, wenn die Staatsregierung seiner Zeit dieser Gesellschaft die gehörige Un- terstützung gewährt hätte, der Bau diefer Bahn bereits begon. nen sein würde. Im Falle daher die verehrliche Kammer auf meinen betreffenden gestrigen Antrag eingehen wird, so werden gewiß Privatgesellschaften den Bau unserer Eisenbahn übernehmen und wir werden alsdann auf diese Weise alle Vortheile der Eisenbahn haben, ohne die schweren finanziel: len Lasten zu übernehmen, welche unser Land erdrücken Fönnen. Sollten Sie jedoch meinem gestern gestellten Untrage Ihre Zustimmung versagen und dagegen beschließen, daß die Ei- senbahn durch das Großherzogthum auf Staatskosten gebaut werde, so muß ich eventuell die Frage aufwerfen: warum sollen die Vortheile, die man von den Eisenbahnen erwartet, nur der Provinz Oberhessen allein oder vorzugsweise zu qur kommen? warum wollen wir nur für die Provinz Oberhessen bauen und eine Bahn durch die Provinz Starkenburg ad calendas Graecas verweisen? Denn dies wird allerdings ge. 15 schehen, wenn wir nicht die gleichzeitige Ausführung sämmt, licher beantragten Bahnen beschließen. Glauben Sie gewiß, es wird in Zukunft noch lebhaftere und bewegtere Discussio- nen geben, als jetzt. Wenn wir jest nicht gleich über den Bau fämmtlicher beantragten Bahnen in Oberhessen und Starkenburg bestimmen, so sage ich im Voraus: es ist allen den Bahnen das Todesurtheil gesprochen, welche jest vertagt werden. Denn wenn wir erst einmal so viele Millionen für die Oberhessische Bahn ausgegeben haben, so werden die spä- teren Kammern schwerlich mehr so willfährig sich zeigen. Da- rum frage ich, warum soll die Provinz Oberhessen allein den Vortheil genießen? Sind eben die drei Provinzen des Groß- herzogthums nicht Schwesterprovinzen? Oder soll die Bahn durch Oberhessen nicht auf gemeinschaftliche Kosten, soll fie etwa blos auf Kosten dieser Provinz gebaut werden? Wenn die Eisenbahn auf gemeinschaftliche Kosten gebaut werden. soll, warum sollen die Provinzen Starkenburg und Rheinhes sen leer ausgehen und warum soll insbesondere auch nicht die Stadt Mainz in den Zug der Eisenbahn aufgenommen wer den? Warum sollen die Vortheile nicht gleich sein? Mir ſcheint es nicht mehr, als recht und billig, daß, wenn die Provinz Oberhessen eine Eisenbahn verlangt und hierzu die Unterstützung der beiden andern Provinzen begehrt, sie sich eben so bereit zur Unterstützung der anderen Provinzen zeigen muß und nicht beantragen darf, daß die anderen Provinzen auf den gleichen Vortheil verzichten oder, mit anderen Wor- ten, wie ich schon gesagt habe, sich damit ad calendas Grae- cas verweisen lassen sollen. Ich frage: was liegen denn für besondere Gründe vor, weshalb vorzugsweise und vor Allem durch Oberbeffen gebaut werden soll? Es ist hier allerdings von strategischen Bezie hungen die Rede gewesen, aber nur von Seiten der Mitglie der dieser Kammer, aber nicht von Seiten der Regierung. Ich habe in der Proposition der Staatsregierung nichts ge- sehen, welches darauf hindeutete, daß von Seiten unserer Regierung der Bau der Bahn durch Oberhessen aus strate gischen Gründen nur proponirt werde. Wenn man von Seiten der Staatsregierung ein Ansinnen in diesem Sinne gemacht hätte, so würde ich mir den Antrag erlaubt haben, die Staatsregierung zu ersuchen, daß sie gegen hohen deut. schen Bund die Verpflichtung zum Bau dieser Bahn nur unter der Bedingung übernehmen möge, daß der gesammte deutsche Bund auf eine entsprechende Summe von so und so viel Millionen sich dabei betheilige, da es doch nicht mehr, 16 als recht und billig ist, daß, wenn eine Eisenbahn durch Sberheffen in militärisch strategischer Hinsicht nothwendig wird, auch der gesammte deutsche Bund die Kosten oder wes nigstens einen bedeutenden Theil derselben übernehme, da sie ja die Vertheidigung des gesammten deutschen Vaterlandes bezwecken soll. Wir könnten alsdann natürlich auch Nichts dagegen zu erinnern haben, daß diese also vorzugsweise vor den übrigen gebaut werden solle, selbst wenn wir sogar einen höheren Beitrag, als unser gewöhnliches Verhältniß zu den Bundeskosten erfordert, mit Rücksicht auf die sonstigen Bor theile für Oberheffen dazu geben müßten. Indessen ist, wie - gesagt, von strategischen Rücksichten durchaus Nichts in der Proposition der Staatsregierung enthalten und ich bin daher auch nicht im Stande, einen deshalbigen Antrag zu stellen. Aus diesem Grunde können wir aber auch hier auf solche Strategische Rücksichten durchaus nicht eingehen, noch uns durch solche bestimmen lassen, wenn gleich dieselben vorliegen, da ibre Würdigung nicht unsere Sache, sondern Sache des ho hen deutschen Bundes ist. Indem ich daher von diesen Ansichten absehe, erlaube ich mir die weitere Frage: Welches sind denn nun die commer. ziellen oder staatswirthschaftlichen Beziehungen, welche für den vorzugsweisen Bau der Bahn durch die Provinz Obers bessen sprechen? Ich weiß recht gut, daß für die Stadt Frank furt in commerzieller Beziehung ein sehr großer Vortheil in dem sofortigen Baue dieser Bahn liegt, indem Frankfurt das durch sofort ſeine Verbindung mit dem Norden vermittelst der Eisenbahn erhält, und es ist dieses daher ohne Zweifel ein sehr wichtiger Gesichtspunkt für Frankfurt. Uber für die Pro- vinz Oberheffen selbst kann diese Verbindung mit dem Norden keine so besonders große Vortheile haben. Die Vergnügungs. reisenden aus dem Norden werden sich in Gießen, Friedberg, Bußbach u. f. w. nicht aufhalten, und die Handelsreisenden werden eben so schnell nach Frankfurt eilen. Besonders wichtige commerzielle oder staatswirthschaftliche Beziehungen, welche, im Interesse der Provinz Oberheffen, die vorzugsweise Errichtung der fraglichen Bahn erforders ten, liegen überhaupt nach meiner Ueberzeugung gar nicht vor. Die Provinz Oberheffen ist, wie dies der Ausschuß ſelbſt ſagt, ein ackerbautreibendes Land und sie verbraucht einen großen Theil ihrer Producte selbst; denn das Hinterland und der Vogelsberg z. B. erzeugen nicht so viel Früchte, als sie bedürfen; die Wetterau muß also diesen Gegenden aus- helfen. Für den Ueberrest ihrer Kräfte aber, welchen die ! 17 Provinz Oberhessen, namentlich aber die Wetterau ausführen kann, hat dieselbe schon Straßen genug, und sie kann, zumal das Land nicht so groß ist, mit wenig Kosten und in wenig Stunden ihre Früchte auf den Markt bringen. Der Abgeord: nete Zulauf hat gestern bemerkt, daß, wenn er Früchte zu transportiren habe, er sich nicht der Eisenbahn bedienen, son- dern, statt den Weg nach der Eisenbahn einzuschlagen und dort umzuladen, lieber noch einige Stunden weiter direct auf den Markt fahren werde. Es bestehen also schon leichte und schnelle Verbindungen genug, namentlich aus der Wetterau, mit den Fruchtmärkten zu Mainz und Frankfurt, und man braucht wahrlich nicht viele Millionen auszugeben damit der ackerbautreibende Theil der Provinz Oberheffen einige Stuns den früher an dem Fruchtmarkt ankommt. Daß die Fabrik, städte in Oberheffen, namentlich Alsfeld, Schlitz 2c. weit ab von dem Zuge der Eisenbahn liegen und von demselben nicht erreicht werden, und daher auch keinen Vortheil von derselben haben, ist gestern bereits mehrfach ausgesagt worden. Abgeordnete Ramset hat deshalb ja fogar beantragt, daß man die Eisenbahn durch das Schwalmthal führen solle. Sie sehen also wohl, daß die Fabriken in der Provinz Oberhessen keine großen Vortheile von der Eisenbahn haben werden. Der Der ganze commerzielle Gesichtspunkt für Oberhessen re: ducirt sich daher am Ende auf die gewiß nicht hoch anzus schlagende Hoffnung, daß, wenn einmal die Lahn bis nach Gießen schiffbar gemacht sein soll, dann möglicherweise sich daselbst mit Hülfe der Eisenbahn ein kleiner Stapel bilden könnte. Denn daß für die Universität Gieken als solche, die Eisenbahn besonders nüßlich oder gar nothwendig sein soll, das wird man doch nicht behaupten wollen. Nicht die Eisen bahn, sondern die Wissenschaft bringt die Universität in Flor; demjenigen aber, der ernstlich dem Studium der Wissenschaft obliegen will, ist allzu großes Geräusch gewiß nicht zuträg- lich. Es ist gewiß viel passender und zweckgemäßer, wenn Lehrer und Studirende in einem ruhigeren und stilleren Orte ganz der Wissenschaft leben, als wenn sie durch die Eisen. bahnen davon abgezogen werden. Es reducirt sich also, wie gesagt, der ganze commerzielle Gesichtspunkt der Eisenbahn durch Oberhessen für diese Provinz auf den kleinen noch in Aussicht stehenden Vortheil, daß sich in Gießen dereinst ein kleiner Stapelplah bilden könne, wenn einmal die Lahn bis nach Coblenz hinunter schiffbar gemacht sein wird. Und für diesen kleinen Vortheil sollen wir 6 oder gar 9 Millionen bee willigen für die Eisenbahn nach Mainz aber, bemerken Sie , + 18 1 2 wohl, für diese Eisenbahn Nichts! Sie haben heute schon die Frage gehört, was denn die Eisenbahn von Darmstadt nach Mainz kosten würde. Sie foll 1½ oder 2 Millionen kosten und dieses ist zu viel für diese wichtige Handelsstadt; aber für Gießen geben wir 9 Millionen aus, das ist in der Ordnung. Ich muß gestehen, daß es mich wahrhaft ge- schmerzt hat, daß Mainz und Offenbach, welche doch die ein- zigen großen Handels- und Fabrikstädte im Großherzogthum find, mit allen ihren einschlagenden Interessen neben hinaus- geschoben werden sollen, und daß dagegen auf kleinliche un- bedeutende commerzielle Gesichtspunkte ein so großes Gewicht. in dieser Kammer gelegt wird. Ich frage nun aber ferner: find denn etwa die Erträgnisse der Bahn durch Oberhessen so gewiß, daß wir mit dieser Bahn vorzugsweise beginnen sollen? Der Abgeordnete Kilian hat uns zwar gestern gesagt, diese Bahn würde sich sehr gut rentiren. Allein ich muß dieses noch immer sehr bezweifeln. Ich weiß wohl, worauf der Abg. Kilian seine Ansichtstüht; er stüßt fie darauf, daß der Zug der Reisenden vom Norden nach dem Süden durch die Eisenbahn sehr bedeutend werden wird. Aber glauben Sie denn, daß es eine Völkerwanderung vom Norden nach dem Süden geben und daß Alles durch die Oberhessische Bahn gehen wird? Denn dieses müßte allerdings geschehen, wenn die Bahn blos durch die Fremden sich rentiren soll. Ich habe Ihnen gestern schon gesagt, daß in Belgien, einem Lande, wo so viele Millionen Menschen auf einem kleinen Flächenraum beisammen leben, wo so viele Städte von 60, 80 bis 100,000 Einwohnern und mehr ganz nahe beisammen liegen, wo außerdem auch selbst der lebhafteste Verkehr von Fremden stattfindet, der Ertrag der Eisenbahnen die Kosten. der Unterhaltung und die Zinsen nicht deckt. Denken Sie einmal an die Eisenbahnzüge von Brüssel über Mecheln nach Antwerpen, von Brüssel nach Lüttich, von Brüſſel nach Gent und Ostende, bedenken Sie, daß dort 7, 8, 10, 12, ja in Flandern selbst 13 bis 14,000 Menschen auf der Quadrats meile leben; und dennoch ist diese große Bevölkerung, mit Inbegriff der ungeheueren Masse von Fremden, nicht im Stande, einen bedeutenden Ertrag herbeizuführen. Wie groß ist nun aber in der Provinz Oberheffen die Bevölkerung auf der Quadratmeile? Nach der Statistik von Dahl kommen in Rheinhessen 7145 Seelen auf die Quadratmeile, in Star, kenburg 4357, in der Provinz Oberhessen 3418 Seelen, also nicht einmal halb so viel, wie in der Provinz Rheinhessen, Nun frage ich, wo ſollen die in Aussicht gestellten großen 19 Į Erträge der Oberbessischen Eisenbahn herkommen, wenn wir bedenken, daß die Bewohner von Vilbel, Grünberg, Bußbach, Gießen, Lollar und noch einigen Dörfern, kurz die ganze Bevölkerung der in einer Länge von dreizehn Stunden von der Oberhessischen Bahn berührten Orte nicht mehr, als einige und 20,000 Seelen hat? Ich wiederhole hierbei, was ich schon gestern geſagt habe, daß die fremden Reisenden, welche aus dem Süden kommen, allein die Bahn nicht rentiren können, sondern daß die Haupterträge, wie Sie dieses fast bei allen Eisenbahnen werden bestätigt finden, durch die in der Nähe beisammen wohnende Bevölkerung zahlreicher Städte und insbesondere durch eine solche Bevölkerung bedingt find, welche durch einen lebhaften commerziellen und gewerblichen. Verkehr zusammengeführt wird. Denn was die blos der Neugierde halber Reisenden betrifft, so wird ein Jeder, der die Eisenbahnen näher kennt, zugestehen müssen, daß das Fahren auf den Eisenbahnen eben kein Vergnügen gewährt, und das, wer ein oder einigemal damit gefahren ist, blos des Vergnügens wegen nicht mehr damit fährt. Jeder, der in der Nähe einer Eisenbahn wohnt, wird dieses bestätigen. Ich selbst bin, so lange die Eisenbahn von Mainz nach Frank furt im Betriebe ist, vielleicht kaum dreimal mit derselben gefahren. Das Schüttern und der Lärm des Zuges, die Hike in den geschlossenen Wagen, der Zug auf den offenen Wagen, dieses Alles sind durchaus keine Annehmlichkeiten und mit dem Reisen auf den Dampfbooten, die in jeder Beziehung weit angenehmer sind, gar nicht zu vergleichen. Nach allem Dieſem bin ich der festen Ueberzeugung, daß, von welcher Seite wir auch, seien es die Verhältnisse der Provinz Ober- hessen, seien es die Verhältnisse der Oberhessischen Bahn, die Sache betrachten, durchaus keine Gründe vorliegen, um die- ser Bahn einen Vorzug vor den übrigen Bahnen zu gestatten. Nun lassen Sie uns, meine Herren, aber auch einmal auf Starkenburg und Mainz einen Blick werfen. Ich habe schon gestern gesagt, daß namentlich nur für große Handels. und Fabrikpläße die Eisenbahnen von manchem Vortheile find, weil sie ein hauptsächliches Mittel zur Hebung und Belebung des commerziellen und industriellen Verkehrs, der eigentlich der Nerve des materiellen Wohlstandes im Staate ist, darbieten. Dies ist auch der Hauptgesichtspunkt, von welchem man in allen Staaten, wo Eisenbahnen gebaut wer den, ausgeht, indem man, wenn man nicht etwa eine Bahn aus rein strategischen Gründen erbaut, immer darauf hinauss geht, große Handelspläge durch die Eisenbahnen mit einander Protokolle . d. Berh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 13 20 : zu verbinden. In unserm Großherzogthum haben wir nun aber nur zwei Handelsplähe von Bedeutung, Mainz und Offenbach. Diese mit einander zu verbinden, zumal durch eine Eisenbahn, die zugleich die Hauptstadt des Landes bes rührt und diese in dem Mittelpunkte wieder mit jenen Han- delsplähen verbindet, würde daher ein wahrhaft Hessisches Unternehmen und die Eisenbahn, wie bereits der Abgeordnete Aull sie genannt hat, eine wahrhaft Hessische Eisenbahn sein. Auch ich habe seiner Zeit, ebenso wie der Abgeordnete Aull, von diesem Gesichtspunkte ausgehend, und von der hohen Wichtigkeit einer Eisenbahn auf dem linken Mainufer für unser Land überzeugt, mich offen für die Bahn auf dem lin- ken Mainufer erklärt und, soweit es meine Kräfte erlaubt haben, dieses Unternehmen damals in jeder Beziehung unter- stüßt. Aus gleichen Gründen spreche ich auch heute wieder für diese Bahn und glaube, daß Niemand, der die Wichtig. keit unserer commerziellen Verhältnisse zu würdigen weiß, sich dagegen aussprechen kann. Mainz ist unstreitig der wichtigste Handelsplat am Rhein, und Mainz würde auch die blü hendste und wichtigste Stadt am Rhein sein, wenn von Seiten unsers Staates auch nur halb soviel für es gethan würde, als von anderen Staaten für ihre Handelsstädte, als z. B. namentlich von Seiten preußischer Regierung für Köln und Koblenz gethan wird, welche sich der größten Un: terstützungen in jeder Beziehung zu erfreuen haben, während für Mainz gar nichts geschicht und diese Stadt lediglich sich selbst überlassen und auf ihre alleinigen Kräfte reducirt ist und allein mit ihren eigenen Kräften und Hülfsmitteln gegen die mächtigsten Kabalen zu kämpfen hat, namentlich auf der einen Seite gegen Frankfurt, welches an feinen größten Hans delshäusern und feinen mächtigen Banquiers, die allenthalben ihren Einfluß geltend zu machen wissen, die kräftigste Hülfe und Unterstüßung hat, auf der andern Seite gegen Köln, für welches die preußische Regierung wirklich alles Mögliche thut, und endlich in neuerer Zeit selbst gegen Mannheim, welches unter dem Schuß der badischen Regierung immer mehr emporblüht. Es ist wirklich unter diesen Umständen zu wundern, daß Mainz, obgleich auf sich reducirt, fich noch immer bis jetzt so erhalten konnte. Glauben Sie nicht, meine Herren, daß ich die Wichtigkeit von Mainz übertreibe. Wollen Sie sich mit eigenen Augen davon überzeugen, so werfen Sie gefälligst nur einen Blick auf die Staatseinnah men, welche Mainz einbringt. Nach dem vorjährigen Regies rungsblatt betragen die directen Steuerausschläge in dem 21 į 4 Steuerbezirke Mainz, wozu außer der Stadt Mainz nur der kleine Canton Niederolm gehört, nicht weniger, als 171,772 fl. an Personal,, Grund- und Gewerbsteuer, also ich bitte Sie, dieſes wohl zu bemerken -, beinahe den zehnten Theil der gesammten Personal, Grund und Gewersteuer des ganzen Großherzogthums; denn diese macht im Ganzen 1,934,832 fl. Wollen Sie wissen, wie viel Mainz an wie viel Mainz an indirecten Steuern entrichtet, so erlaube ich mir, Sie daran zu erinnern, daß wir erst unlängst bei der Berathung über das Trank steuergesetz von dem Herrn Regierungskommissär gehört has ben, daß die Städte Mainz und Worms beinahe die Hälfte des Ertrags der sämmtlichen Zapfgebühr im ganzen Großher: zogthum bezahlen. Ich übertreibe daher gewiß nicht, wenn ich sage, daß die Stadt Mainz allein wenigstens */ dieser Hälfte entrichtet. Ich erlaube mir, Sie ferner daran zu er innern, daß Mainz bloß an Brückengeld für die Rheinbrücke 50,000 fl. jährlich einträgt, wie Sie dieses erst in einer der letzten Sitzungen gehört haben. Ich erinnere endlich daran, daß die Zolleinnahmen in Mainz seither, nämlich so lange die Rückvergütungen für den preußischen Rheinoctroi vom Staate noch geleistet worden sind, so bedeutend waren, daß in dem einen Jahre 1841 allein 170,000 fl. mehr an Zoll- gefällen erhoben worden sind, als früher. Was ist nun aber die Ursache, daß Mainz dies Alles bis jetzt hat aufbringen können? Die Ursache davon ist die, daß Mainz bis jetzt einen bedeutenden Handel betrieben und durch den Handel fremdes Geld in das Land gebracht hat. Wenn daher dieſer Handel zu Grunde gerichtet wird, so müssen nothwendig die Staats- einnahmen sich mindern; Mainz wird die seitherigen Summen nicht mehr aufbringen und es könnte wohl der Fall eintreten, daß der Geldwagen, der jeden Monat hinüberfährt, in Zu kunft nicht mehr so gefüllt werden könnte, wie seither; denn wo ſollen wir unser Geld hernehmen, wenn nicht fremdes Geld durch den Handel ins Land gebracht wird, da aus Darmstadt und aus den diesseitigen Provinzen doch kein Geld hinübergeht? Sollen also Eisenbahnen in dem Großherzogthum erbaut und Millionen dafür ausgegeben werden, so ist es klar, daß die so äußerst wichtige Handelsstadt Mainz nicht nur nicht umgangen werden darf, sondern ganz vorzugsweise Berücksich tigung verdient. Ebensowenig darf Offenbach umgangen werden. Diese Stadt ist als Fabrikstadt ebenfalls sehr wich. tig und es ist die Wichtigkeit derfelben schon gestern von an. dern Rednern so geschildert worden, daß es nicht nöthig ist, 13* 22 darüber etwas Weiteres zu sagen. Sollten unfere in Frage stehenden wichtigen Handelsplätze, Mainz und Offenbach, wis der Erwarten, außer der Linie der Eisenbahn bleiben, so ist es klar, daß diefelben zu Grunde gehen müssen und zwar zum großen Schaden unseres Landes und zum Nußen und Vortheile ausländischer Handelsplähe, wie Frankfurt, Mann. heim u. f. w. Dieses bitte ich Sie, meine Herren, recht sehr zu beherzigen.. Wird dagegen durch die Starkenburger Bahn Mainz mit Offenbach in Verbindung gesetzt, so wird eines Theils Offens bach von Frankfurt emanzipirt und bedarf nicht mehr der Bermittelung der frankfurter Kaufleute, es kann direct mit Mainz verkehren und über Mainz seine Sendungen machen; es werden ferner diese beiden wichtigen Städte, wie ich schon bemerkt habe, dadurch mit der Hauptstadt des Landes ver: bunden, und tritt in diese Verbindung die eben so schön, als reich bevölkerte Bergstraße, so muß schon hiernach ein äußerst reger und lebhafter Verkehr entstehen. Denken Sie sich nun aber noch ferner als Endpunkte auf der einen Seite Heidels berg, auf der anderen Wiesbaden, wohin man alsdann nicht. mehr über Frankfurt wird zu gehen brauchen, sondern wohin man von Heidelberg aus der ganzen Bergstraße und von Darmstadt direct über Mainz wird gelangen können, so fin- den Sie eine zahlreiche Bevölkerung und fünf bis sechs be deutende Städte, Frankfurt, Offenbach, Mainz, Heidelberg und in dem Mittelpunct die Hauptstadt des Landes, Darm- ſtadt, durch eine einzige Bahn verbunden, und dieses giebt uns doch wahrlich ein ganz anderes Bild, als wenn wir die Eisenbahn durch die Provinz Oberhessen betrachten. Ich glaube daher, daß jedenfalls die Oberhessische Eisenbahn kei- nen Vorzug vor derjenigen, die durch die Provinz Starkens burg in Verbindung mit Mainz beantragt ist, verdient, und ich kann mich daher nur, conform mit dem zweiten Präsiden ten Hesse, dahin aussprechen, daß, wenn einmal überhaupt auf Staatskosten gebaut werden soll, keine Bahn vorzugs- weise vor der anderen gebaut, sondern alle gleichzeitig begon- nen werden sollen, und zwar darum, weil sonst ein Theil des Landes zum Vortheile des andern zurückgesetzt und be- nachtheiligt werden würde, und weil wir keine Garantie dafür haben, daß, wenn einmal die eine Bahn erbaut ist, die an- dere ebenfalls noch errichtet werden wird. So gern ich daher auch, mit Rücksicht auf den großen Kostenaufwand, eine an: dere Abstimmung geben möchte, so kann ich doch so, wie die Umstände vorliegen, nicht anders, als für den Antrag des 1 23 zweiten Präsidenten Heffe mit der von dem Abgeordneten Kilian proponirten Bedingung stimmen, in sofern überhaupt auf Staatskosten gebaut werden muß und man nicht, nach meinen gestrigen Unträgen, den Bau Privatgesellschaften übers lassen will, was immerhin das zweckmäßigste sein würde Uebrigens erlaube ich mir zum Schlusse noch die Bemer- kung, daß auch die Kosten der Fortsehung der Bahn von Darmstadt nach Mainz nicht so bedeutend sind, wie man sie von einigen Seiten geschildert hat, zumal eine Brücke über den Main bei Kostheim nicht gerade nothwendig ist, sondern man eben so gut und noch viel wohlfeiler mit einer Dampf- fähre über den Rhein gelangen kann, wie dieses schon von einem andern Redner ausgeführt worden ist. Die Staatsre- gierung wird diese verschiedenen Wege prüfen, und sich ohne Zweifel für denjenigen, der am wenigsten kostspielig und am zweckmäßigsten ist, entscheiden. Jedenfaus ist das Terrain in diefer Gegend von so geringem Werthe, daß die Anschaffung desselben den Staat keine große Summen kosten kann, wenn man überhaupt hier von dem (Srundsaße ausgehen sollte, daß der Staat die Grundentschädigung zu leisten habe, und nicht die Gemeinden, durch welche die Eisenbahn zieht, obwohl die- ſes lettere bei den Staats- und Provinzialstraßen allgemein geschieht, und ich keinen Grund abſche, warum man hier anders verfahren und denjenigen Gemeinden, die durch ihre Nähe bei den Eisenbahnen so große Vortheile erhalten, nicht auch die Verbindlichkeit zur Lieferung des Geländes auflegen soll, während die übrigen Staatsangehörigen, von denen so viele nicht den mindesten Nugen von den Eisenbahnen haben, so große Summen für dieselben aufbringen müſſen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Was der Abgeord, nete Glaubrech rücksichtlich des Ertrags der belgischen Eisen, bahnen bemerkte, muß ich doch in etwas berichtigen. Ich habe die neuesten Berichte darüber von dem belgischen Minis ster Nothomb mitgetheilt bekommen, und darnach stellt sich folgendes Resultat heraus: Im Jahr 1840 war der reine Ueberschuß der belgischen Bahnen 2,250,000 Franken, und im Jahr 1841 wurde nach der vorläufigen Uebersicht ein reis ner Ueberschuß von 3,250,000 Franken erwartet Da nun das Anlagekapital am Ende des Jahres 1839 fich auf 55 Millionen Franken belief, und am Ende des Jahres 1840 auf nahe 65 Millionen gestiegen war, so hat sich das Anla- gekapital im Jahr 1840 mit 4 pCt. und im Jahr 1841 mit 5 pct. verzinset, während hier schon mehrmals nur 3 pt. angegeben worden sind. : 24 Der Abg. Schmitthenner: Meine Herren, ich bin bei der Beurtheilung und Behandlung des von der Staatsregie rung Ihnen vorgelegten Gefeßesentwurfs von der Ansicht aus. gegangen, daß dieselbe uns in ihm einen allgemeinen Gefeßess entwurf vorlegen wollte, in welchem sie mit den Ständen die ſtaatswirthschaftlichen und staatsrechtlichen Grundſäße festzu- stellen gedächte, welche bei dem Bau der Eisenbahnen im Großherzogthume gelten sollten, und, daß sie dann öfter spä ter, was sie auch in den Motiven angedeutet hat, sich über eine besondere Bahnlinie, vorerst über die von der kurhessischen bis zur badischen Erenze, mit den Ständen vereinbaren wolle. Darnach hat mir auch die ganze heutige Verhandlung einen völlig unerwarteten Gang genommen. Durch das Amende ment, welches der zweite Präsident Hesse gestellt hat, ist die Verhandlung über den allgemeinen in dem Gefeßesentwurf ausgesprochenen Grundsah auf die Behandlung oder Bera- thung der Richtung der Linien der zu erbauenden Eisenbah- nen hinweggesprungen. Es wird aber doch auf jeden Fall demnächst, wenn die Frage zur Abstimmung gebracht wird, hier zuerst nur der Proposition der Staatsregie ung der Vor- zug gegeben werden müssen. Ich habe ganz meine Ansicht über die gestellten Motionen, und das von dem zweiten Präsidenten Hesse beantragte Amen. dement, bereits in den einzelnen Berichten dargelegt. Vor allen Dingen bin ich ganz dafür, daß man die Stadt Mainz berücks fichtige. Eben so unerwartet ist mir auch der weitere Untrag gekommen, blos in der Provinz Oberhessen zu bauen. Ich bin Oberhesse und ganz für das Interesse der Provinz Ober- heffen; aber gegen diesen Untrag werde ich auf das allerbe- bestimmteste stimmen. Denn wenn dieser Untrag nicht aus Provinzialismus hervorgeht, welchen ich mitunter auf eine mir etwas schmerzhafte Weise in dieser Kammer habe hervor. treten sehen, so beruht es auf einem Mißverständniß. Ich erkenne zum Theil bereitwillig dasjenige ganz an, was der Abgeordnete Glaubrech hier ausgesprochen hat. Doch muß ich mir erlauben, Einiges, was er in Beziehung auf die Pro: vinz Oberhessen bemerkt hat, durchzugehen. Dabei kann ich zu gleicher Zeit mich über einen Punkt erklären, der hier in der Discussion zur Sprache gekommen ist, und, wenn Sie wollen, mit einem Schlage zwei Mücken schlagen. Es ist mir einmal der Vorwurf gemacht worden, daß die Vortheile der Eisenbahnen in dem Berichte zu sehr hervor, gehoben worden seien; zweitens ist gewünscht worden, daß specielle Kostenvoranschläge vorgelegt worden wären, und : 25 drittens hat man mir den Vorwurf gemacht, daß ich die finanziellen Vortheile der oberheſſiſchen Bahn, im Verhältniß zu der in der Provinz Starkenburg, zu sehr hervorgehoben. habe. Dagegen muß ich aber bemerken: es bestehen ganz genaue Kostenvoranschläge über beide Bahnlinien. Sie alle wissen, daß früher eine Privatgeſellſchaft für die zwei Eisen- bahnen von der badischen Grenze bis Frankfurt und von Darmstadt nach Mainz dahier bestanden hat, welche die Rich tung von Darmstadt nach Mannheim hat nivelliren und nach dem Resultat, welches sich in dieser Beziehung ergab, auch über die Rentabilität der Bahn Ueberschläge hat entwerfen lassen. Nach diesen Ueberschlägen (sie sind in den Händen einer größeren Anzahl) wird diese Bahn über 6 pCt. rentiren. Es bestand und besteht noch, in Cassel ein von der kurhessischen Regierung niedergesetztes und aus den bedeutendsten dortigen Technikern bestehendes Eisenbahncommittée. Dieses Com, mittée, dessen Berichte wahrscheinlich in den Händen des Herrn Regierungscommiffärs sind, der daher im Stande ſein wird, zu bestätigen, was ich hier erkläre, hat über die Rich- tung von Caſſel nach Frankfurt, freilich zuerst und vorzugs, weise in der Richtung über Fulda, vermessen und nivelliren Lassen und genau zu ermitteln gesucht, wie groß der Personen- und Waarentransport auf dieser Route sein würde. Es sind viele Beamte, die Steuer, 3oll: und Postbehörden, mit Bes richt gehört worden. Die Personen, welche die Route passis find gezählt, die Waarenmassen sind berechnet worden, und da hat man eine Berechnung aufgestellt in der Bezies hung, was die Bahn zu bauen, die Schienen, die Bahn. höfe 2c. kosten würden. Dann wurden die verschiedenen Chancen berechnet, entweder, es werde blos bis Cassel gebaut, oder es werde von Caffel weiter gebaut nach Münden und Hannover :c. und in dieser Richtung, oder auch, es werde eine Bahn in der Richtung von Lippstadt nach Cassel und hiernach auch von Berlin nach Cassel gebaut, und für dieſen letten Fall hat dieses, wohlverstanden, aus den bedeutendsten Technikern bestehende Committée, eine reine Dividende von 18 pCt., sage achtzehn Procent, herausgerechnet. Ich habe dieses Resultat nicht in den Bericht aufgenommen, weil ich in der That nicht glaube, das es eine so große Dividende geben wird. Aber Sie sehen, meine Herren, daß ich wohl noch Reserve im Hinterhalte habe, wenn ich in dem Berichte von bedeutenden Vortheilen sprach, und daß ich keineswegs 1 26 ? zu sehr bemüht gewesen bin, das Resultat in Bezug auf den Ertrag der Bahn günstig zu stellen. a? 2 Dann muß ich noch zu dem, was der Herr Regierungs, commiſſär angeführt hat, bemerken: Wir haben die Angaben über die. Rentabilität der Bahnen, welche jetzt bestehen, aus den vorliegenden authentischen Berichten der Herr Refer rent der ersten Kammer, des Herrn Grafen zu Solms Lau- bach Erlaucht, und der Abgeordnete von Dernberg waren an: wesendentnehmen lassen, und darnach ist der Ertrag der belgischen Eisenbahnen zu 3,, beinahe 3½ pCt. jährlich ge- wesen, während nach den neuen Nachrichten, die der Herr Regierungscommissär erhalten hat, dieser Ertrag auf 4 und 5 pCt. gestiegen ist. Dann muß ich noch dem Abgeordneten Glaubrech entgegnen, daß der Ertrag, den er angegeben hat, nur der Durchschnittsertrag ist; denn einzelne Bahnen in Belgien haben weit mehr rentirt; die Eisenbahn von Brüſſel über Mecheln nach Antwerpen hat 8 pCt. ergeben, während andere, die in Belgien gebaut worden sind, nur 2 pCt. rentiren. Ich führe dies nur im Allgemeinen mit dem Zufügen an, daß ich mich nicht für das Amendement, blos in der Provinz Oberbeffen zu bauen, erklären kann, sondern daß ich glaube, wir sind in dieser Versammlung überhaupt Hessen, und müssen für die ganze Bahn stimmen. Der Abg. Rausch: Zur Berichtigung eines in den Neu- Berungen verschiedener Redner vor mir vorgekommenen Jrr- thums will ich nur bemerken, daß ich gestern nicht den An- trag gestellt habe, blos in der Provinz Oberhessen zu bauen, sondern mein Antrag ging nur dahin, vorerst in dieser Pro- vinz den Bau in Angriff zu nehmen. 1 Der Abg. Kilian: Ich will nur einen Punkt berüh ren der mir von Erheblichkeit scheint und formeller Nas tur ist. Ich betrachte meinen Antrag als einen integrirenden Theil des Antrags des zweiten Präsidenten Hesse und ſehe voraus, daß der erste mit dem legfen bei der Abstimmung dergestalt verbunden wird, daß beide zuſammen nur eine Frage bil- den; sollte dieses nicht geschehen, so könnte eine Eventualität vorkommen, die ich vermeiden müßte. Würde ich für den Antrag des zweiten Präsidenten Hesse stimmen, und es ge. schehe dieses in der Hoffnung, daß auch mein Antrag ange- nommen würde, so wäre es ja, wenn über jeden besonders abgestimmt wird, möglich, daß die verehrliche Kammer jenen annähme und diesen nicht genehmigte. Darum muß ich 1 : 27 * bitten, und namentlich diese Bitte an den Herrn Präsidenten. richten, die beiden Anträge bei Stellung der Frage zu vers binden und dem Antrage des zweiten Präsidenten Hesse meis nen Antrag zuzusehen, dergestalt, daß beide nur einen zusam menhängenden Antrag bilden. Sollte diefes einem Anstand unterliegen, so eigene ich mir den Antrag des zweiten Präsi denten Hesse, als einen selbstständigen, von mir gestellten Ans trag an und sehe diesem den von mir gestellten Antrag hin sichtlich der Bedingung, welche sich über den ganzen ersten Antrag verbreitet, hinzu. Was ich im Uebrigen gestern be- merkt habe, scheint mir nicht von der Bedeutung, als daß es den Abgeordneten Glaubrech zu der von ihm vorgetragenen Erwiderung hätte veranlassen können. Ich habe meine An- ficht dahin ausgesprochen, daß die oberhessische Bahn mehr- eintrage, als die südliche und bin noch dieser Meinung, aus dem ganz einfachen Grunde, weil die Provinz Oberhessen nicht die beiden mächtigen Concurrenten hat, wie die südliche Bahn. Der eine Concurrent ist nämlich der nicht sehr entfernte Rhein und auf dieſem haben wir noch einen anderen Concurrenten, nämlich die Dampfschiffe. Anders verhält es sich mit der nördlichen Bahn, dieſe schließt sich an die große Handelsstraße von Norden nach Süden an, und voraussichtlich wird ihre Frequenz, sowohl was Waaren als Personentransport betrifft, groß sein. Ueber den Ertrag kann der Handelsmann am besten Aus. kunft geben und ich möchte daher auf die bewährten Autori- täten, welche wir aus diesem Stande beſißen, compro- mittiren. Noch einige Worte in Bezug auf die Redaction des Ar- tikels 1. Der ganze Artikel ist so gefaßt, als ständen, außer den hier besprochenen, Eisenbahnen in Aussicht und als wollte man ein allgemeines Gesetz geben, an welches sich nachher spätere Gesetzesentwürfe über andere Eisenbahnen anschließen. würden. Ich meine, man sollte das Gefeh ganz speciell für die hier in Rede stehenden Bahnen fossen und sind diese Bah- nen einmal gebaut, so würden wir Eisenbahnen im Lande genug besigen; wir brauchen daher nicht noch an andere Bah, nen zu denken und dann das Gefeß generell_zu_fassen. Obschon es daher Sache der Redaction ist, so stelle ich doch den förmlichen Antrag: den Artikel 1 so zu fassen, wie der zweite Präsident Hesse vorgeschlagen hat. Sollten wir künftighin in den Fall kommen, auf Staats: kosten weitere Eisenbahnen zu bauen, so bedarf es hierzu oh- nehin einer besonderen Bewilligung und es wird sich dann 28 I 1 auch der Mühe lohnen, ein neues besonderes Gesetz dafür zu geben. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Ich sehe mich zu Wiederholungen genöthigt. Es war allerdings die Absicht der Staatsregierung, in dem Gesetzesentwurf diejenigen Principien festzustellen, welche sie im Intereſſe des Landes für zweckmä: Big hielt, um Eisenbahnen in dem Großherzogthum ins Leben zu rufen. Das Gefeß ist, wie schon mehrmals bemerkt, ab sichtlich allgemein gehalten worden, weil man wohl voraus sah, daß noch manche andere Eisenbahnen würden zur Sprache kommen, die man in diesem Augenblick nicht gleichzeitig zur Ausführung würde bringen können; auch aus diesem Grunde ist diese Redaktion gewählt werden. Ich bin übrigens beaufs tragt, zu erklären, daß die Staatsregierung das Amendement des Abgeordneten Hügel annimmt, daß sie aber ihre Zustim, mung zur Aufnahme der Bezeichnung der Bahnen in das Gesetz selbst verweigern wird. Was nun ferner die Richtungen der Bahnen betrifft, fo war es allerdings die Ansicht der Staatsregierung, daß sie nach der Discussion über das Gesetz zur Berathung kommen, und die deßfallſigen Unträge in die Adreſſe aufgenommen wer den würden, worauf die Resolution im Landtagsabschied er- folgt wäre, wie es bei dem Straßenbau und ähnlichen Gele: genheiten der Fall war. Eine Aufnahme dieser Richtungen in das Gesetz hat die Staatsregierung nicht vorgesehen und wünscht sie auch nicht. Wenn nun jest schon, und vor der Berathung über die einzelnen Artikel des Gesetzes, die in das Eisenbahnsystem aufzunehmenden Richtungen zur Discussion kommen sollen, so erlaube ich mir, darauf aufmerksam zu machen, daß die Staatsregierung die Bahn nördlich von der kurhessischen Grenze bis südlich zur badischen Grenze in den Motiven als diejenige bezeichnet hat, welche vor Allem gebaut werden muß, und ich bin beauftragt, zu erklären, daß eine Trennung dieser Bahn in zwei provinzielle Bahnen nicht von der Staatsregierung nachgegeben werden wird. glaube, daß hierdurch die Staatsregierung hinreichend an den Lag gelegt hat, daß sie sowohl im allgemeinen Interesse des Lan- des handelt, als auch diejenigen Verhältnisse berücksichtigt, wele che ihrer Stellung zu den benachbarten Regierungen entsprechen. Ich Der Präsident: Wenn ein Gesetz mit nur allgemeiner Bestimmung für Eisenbahnen zu Stande kommt, so versteht es sich, wie auch von dem Herrn Regierungskommiſſär erklärt worden ist, von selbst, daß keine Eisenbahn gebaut werden kann, bevor eine Vereinbarung mit den Ständen deßhalb 1 29 stattgefunden hat. Die Beschlüsse der Stände haben sich übrigens nicht auf Wünsche und Anträge zu beschränken. Es Fann, wie bei Gefeßesentwürfen, die Genehmigung einer vorgeschlagenen Eisenbahn von Bedingungen abhängig ges macht werden. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Die Staatsregierung hat bei Uebergabe des Gefeßesentwurfs eine Richtung vorges schlagen; diese hätte dann, wenn die allgemeinen Grundsätze des Gefeßesentwurfs durchdiscutirt waren, zur Discussion kommen müssen, und wenn bei dieser Gelegenheit noch an. dere Bahnlinien zur Sprache gekommen wären, so wären auch diese erörtert worden und es würden dann dieß war meine Meinung die Wünsche und Unträge der Stände in die Adresse ebenfalls aufgenommen worden sein. Wenn die Stände dann Bedingungen daran knüpfen, so kann dieß die Staatsregierung nicht wünschen. Der zweite Präsident Hesse: Wenn uns der Herr Res gierungskommissär, wie so eben geschehen ist, erklärt, daß der vorliegende Gefeßesentwurf nur allein die Absicht habe, Grundsähe über den Bau der Eisenbahnen im Allgemeinen festzustellen, und wenn er uns entweder weiter die Erklärung gibt, daß über den Bau der Eisenbahnen von der kurheſſi- schen bis an die badische Gränze weitere Propositionen vou der Staatsregierung gemacht werden würden, oder wenn er proponirt, es möge über diese Bahn, auf den Grund der den Ständen mit dem Geseßesentwurf gemachten Eröffnuns gen, eine Vereinbarung stattfinden, so muß ich auf das von mir gestellte Amendement, weil es dann zu dem Gefehes- entwurf nicht paßt, verzichten; ich stelle es jedoch in allen feinen Theilen zu der Proposition über die zu erbauende Bahn und glaube, daß aus dieser Erklärung meine Bereit. willigkeit, jeden unnöthigen Anstand zu beseitigen, hervorge hen wird Der Abg. Lerch: Nach dem, was unser zweiter Präſi- dent Hesse in seinem gestrigen Vortrage über den Artikel 1 so umfassend, als klar vorgetragen hat, würde ich über die- sen Gegenstand das Wort nicht weiter ergriffen haben, hätten. nicht einige Vorträge von Rednern, die vor mir ihre Ansicht dahin äußerten, daß die Bahn in der Provinz Oberhessen zuerst in Angriff genommen werden möge, eine Ansicht ent- wickelt, die uns bei einem gemeinschaftlichen Unternehmen durchaus nicht leiten darf. Wenn es ſich darum handelte, zu untersuchen, welche der Bahnstrecken, jene von Oberhessen øder jene von Starkenburg, zuerst in Bau genommen werden 1 30 な ​soll, dann mögten sich wohl mehr Gründe gegen, als für die erstere Bahn auffinden laſſen, indem ich nur einen Punkt kurz berühre, den, daß die Bahnstrecke durch die Provinz Starkenburg zwei bereits im Großherzogthum Baden und auf Frankfurtischem und Nassauischem Gebiet im Betriebe stehende Bahnen mit einander verbinden soll und der günsti gen Beschaffenheit des Terrains wegen schneller rentbar ge= macht werden kann, als jene von Oberhessen, welche, so lange die Bahnen aus dem Osten und Norden bis Kaffel und von da bis an unsere Grenze nicht vollendet werden, bei einer schnelleren Vollendung von unserer Seite in ihrem Zuge von Lollar bis Frankfurt nur sehr geringe Renten ergeben wird. Aber auch nach Vollendung des ganzen Bahnsystems wird die Frequenz der Eisenbahn von Kassel über Gießen nach Frankfurt durch den Zug der Eisenbahn von Kassel gegen den Rhein in der Richtung nach Cöln, bedeutend beeinträchtigt werden. Ja, diese Bahn in der Provinz Oberhessen, obgleich fie fast 1000 Klafter kürzer ist, wird, nach dem Ausschußbes. richt, dessen ungeachtet wenigstens eine Million mehr kosten, als die Bahnstrecke durch die Provinz Starkenburg, sie wird sich also um 1,, ja fogar um geringer verintereffiren, als die Starkenburger Bahn. Sie sehen daraus selbst, meine Herren, daß auf dem Wege einer Privatunternehmung sich viel eher eine Gesellschaft für den Bau einer starkenburger Bahn, als jener durch die Provinz Oberheffen finden wird. Doch ferne sei es von mir, ein Unternehmen, welches das Wohl unseres gemeinsamen Vaterlandes só sehr angeht, von einer rein provinziellen Seite zu betrachten, denn nur durch eine gemeinſame Vereinigung der Interessen der drei Provin: zen des Großherzogthums kann und wird das Werk gedeihen. Ist das Gesek und die Richtung der Bahn mit den Ständen vereinbart, sind die Verträge mit den benachbarten Staaten abgeschlossen und die Aufbringung der erforderlichen Kapitas lien zur Genüge sicher gestellt, dann wird sich unsere Staats: regierung mit Umsicht und Energie gewiß beeilen, diese Ka- pitalien sobald als möglich rentbar zu machen. Um aber die Interessen von allen drei Provinzen des Großherzogthums gleich groß für dieses Unternehmen zu befördern, erscheint es mir durchaus angemessen, daß der Rheinstrom an irgend einer Stelle, wo er das Großherzogthum durchfließt, mit der neu anzulegenden Bahn in directe Verbindung gesetzt wird. Mit Vortheil für die ganze Provinz wird dieß nur durch den Bau einer Eisenbahn nach Mainz geschehen können, zumal da die Stadt Mainz die größte Handelsstadt des Großherzogthums 31 ist. Ich meine damit aber nicht eine Einmündung der Bahn in Kastel, dem, gleich Mainz, wie wir bei einer Berathung über einen anderen Gegenstand neulich vernommen haben, die Taunuseisenbahn die gewünschten Vortheile, ihres Zuges nach Bieberich und Wiesbaden wegen, nicht gebracht hat, nein, ich habe dabei einen anderen Punkt zum Uebergang im Auge, nämlich den Punkt an der sogenannten Bleiaue, welche über kurz oder lang zur Deckung der Bundesfestung gegen feind liche Angriffe vom Oberrhein nicht wohl ohne eine starke Bes festigung bleiben kann und wird. Meiner Ansicht nach wird ein aus dem Süden Deutſchlands, direkt nach Mainz füh= render Bahnenzug, dessen Knotenpunkt nach dem gestellten Antrag Darmstadt sein wird, für den Verkehr der Stadt Mainz unendlich vortheilhaft sein, von einem Vortheil, den ich fast demjenigen gleich betrachte, welchen die Stadt Frank. furt von der von Norden kommenden Bahn genießen wird. Dieser Vortheil wird aber um so bedeutender und um so ge- sicherter erscheinen und mit den Einrichtungen der Bahn im Süden noch adäquater sein, wenn die Spurbreite, welche dermalen die Badische Bahn hat, auf dem Bahnenzug von der Badischen Grenze über Darmstadt nach Mainz beibehal ten, im Bahnenzug von Darmstadt gegen den Noiden aber diejenige Spurbreite angenommen wird, welche mit Rücksicht auf die engere Spurbreite der Taunuseisenbahn vielleicht wird zu Grunde gelegt werden können. Wenn es sich um das Wohl einer ganzen Provinz und zunächst um das einer so eng mit uns verbrüderten Stadt, wie Mainz, handelt, dürfen wir bei einem so wichtigen Unternehmen eine weitere Ausgabe von zwei Millionen nicht scheuen; ja ich glaube sogar anneh men zu dürfen, daß die Staatsregierung diesen Vorschlag felbst gemacht haben würde, wenn sie nicht, des weiter erfor. derlichen Kapitals wegen, dabei einigen Unstand genommen hätte. Endlich berühre ich noch Offenbach. Ueber die um: Der fangsreiche Thätigkeit und den Betrieb der Fabriken Offen- bachs, sowie über den Verlust, welchen diese Stadt nach dem sehr späten Zutritt der Stadt Frankfurt zum Zollverein erlits ten hat, darüber will ich mich nicht weiter verbreiten. Abgeordnete Otto hat uns deßfalls schon genügenden Auf- schluß gegeben. Wenn ich aber auch annehme, wie versichert wird, daß die Aufnahme Offenbachs in den Hauptbahnenzug mit großen Schwierigkeiten verknüpft sei, so werden diese Schwierigkeiten, besonders wenn Offenbach in den Bahnzug von Darmstadt nach Frankfurt aufgenommen wird, doch nur von Seiten der Stadt Frankfurt gemacht werden können, 32 denn daß Baden diese Aufnahme beanstandet, will mir nich‹ wohl einleuchten. Viel weniger vermag ich zu glauben, daß Kurhessen oder gar Preußen irgend einen Anstand hier zu machen hätten. Hat unsere Staatsregierung die Wegräumung so vieler Hindernisse und Unstände mit Kurhessen, hinsichtlich der Richtung der Bahn von Kassel nach Gießen bezweckt und sind ihre Bemühungen in dieser Beziehung mit dem besten Erfolge belohnt worden, so muß ich mich auch wohl der Hoff. nung hingeben, daß ihre Bemühungen hinsichtlich der Einrei. hung der Stadt Offenbach in die Hauptbahnlinie ebenfalls von dem besten Erfolge gekrönt werden; denn es kann hierbei von einer Beeinträchtigung der Stadt Frankfurt keine Rede ſein, und gerade eine Verweigerung von Frankfurtiſcher Seite müßte die Staatsregierung zu einer desto größeren Beharrlich- keit in dieser Beziehung veranlassen. Und wahrlich, eine ets waige Rivalität von Frankfurt gegen Offenbach, gegen dieses zweite Altona, würde dem gewerbreichen, betriebsamen Offen. bach nur zur Ehre gereichen, der Staatsregierung und den Ständen aber kann es nur einen desto größeren Sporn abge, ben, von der Stadt Frankfurt eine gleiche Nachgiebigkeit in diesem Punkte zu fordern, wie solches von dem Großherzog, thum bei dem Bau der Taunuseisenbahn geschehen ist. Der Abg. Franck (Hofgerichtsrath): Während der mehr, tägigen Berathung über diesen wichtigen Gegenstand habe ich kein Wort gesprochen Es geschah dieses nicht aus Theil, nahmlosigkeit an diesem wichtigen Gegenstand, sondern haupt- fächlich aus dem Grunde, weil die hier zur Sprache kom- mende höchst wichtige Frage von vielen anderen Seiten genügend und gründlich erörtert und beleuchtet worden ist. Auch heute war es nicht meine Absicht, über diesen Gegen- stand im Allgemeinen zu reden, obgleich ich in der Stellung einiger Anträge, die in der heutigen Discuffion mitberathen werden, Theil genommen habe, also auch zur Unterstützung des einen oder des andern einige Worte zu sagen Veranlassung hätte. Was mich veranlaßt, heute das Wort zu nehmen, ist lediglich der Antrag, welchen der Abgeordnete Rausch gestern gestellt hat, der auch von verschiedenen Oberhessischen Ab. geordneten unterstützt worden ist, daß nämlich vorerst nur die Bahn in der Provinz Oberheffen in Angriff genommen werde; denn dieser Antrag geht eigentlich dahin: die Bahn in der Provinz Oberhessen alsbald in Angriff zu nehmen, dagegen den Bau der Bahn in Starkenburg so lange auszusehen, bis die Oberhessische Bahn vollständig gebaut und ihre Rentabi- lität erkannt worden sei. Diese Tendenz des Antrags geht 33 aus den Bemerkungen hervor, womit gestern der Abgeordnete Rausch seinen Antrag begründet hat. Dieser Antrag hat die Abgeordneten der Provinz Starkenburg nicht überraſcht; ſchon feit 14 Tagen wird im Publicum davon gesprochen und ich kann dem Abgeordneten Rausch versichern, daß er die Abge- ordneten der Provinz Starkenburg vollkommen gerüstet findet, nicht nur gegen den Antrag zu sprechen, sondern auch dagegen zu handeln. Was das lettere, das Handeln gegen den Ans trag betrifft, so mache ich den Abgeordneten Rausch darauf aufmerksam, daß dasjenige Mittel, welches etwa genügend ist, der Provinz Starkenburg die Eisenbahn zu entziehen, auch eben so gut hinreicht, der Provinz Oberhessen dieselbe zu entziehen. Denn wenn ich zugebe, daß es weniger ko- stet, wenn blos die Bahn durch Oberhessen gebaut wird, so wird er mir zugeben, daß es noch weit weniger kostet, wenn in beiden Provinzen gar nicht gebaut wird. Ich Der Abg. Müller: I muß den Redner um Erläutes rung darüber ersuchen, worauf sich seine Aeußerung, daß man schon seit 14 Tagen im Publikum von dem fraglichen Untrag spreche, und die daran geknüpften weiteren Bemerkungen be. ziehen. Es scheint, daß er auf eine genommene Verabredung unter den Deputirten aus Oberhessen hindeuten will; von einer solchen weiß ich aber nichts und meine beiden Nachbarn in diesem Saale, welche auch aus der dortigen Provinz ges wählt sind, wissen eben so wenig etwas davon. Der Abg. Franck (Hofgerichtsrath): Der Abgeordnete Müller hat mich mißverstanden. Ich habe nicht gesagt, daß eine Verabredung von Seiten verschiedener Deputirten statt: gefunden habe, gegen den Bau der Eisenbahnen in der an: deren Provinz zu stimmen. Das Mittel, welches ich meine, liegt einfach darin, wenn etwa einzelne Abgeordnete das In- tereffe der Provinz Oberhessen vorzugsweise berücksichtigen und gegen die Erbauung der Bahn in Starkenburg stimmen woll- ten, so könnten andere Abgeordnete das Interesse der Provinz Starkenburg berücksichtigen und gegen die Erbauung der Bahn in Oberhessen stimmen. In beiden Fällen werden die, welche gegen alle Eisenbahnen sind, auf Seite derjenigen sein, welche gegen eine einzelne Bahn stimmen. Ich glaube nicht, daß ich dadurch irgend einem Abgeordneten zu nahe getreten bin, wenigstens ist dies meine Absicht nicht gewesen. Der Antrag scheint mir übrigens stark nach Provinzialismus zu schmecken, ich glaube dies um so mehr, da diejenigen Abgeordneten, die ihn gestellt und unterſtüßt haben, für nöthig gefunden, sich dagegen zu verwahren, daß ihnen der Antrag selbst oder die • A + 34 : } Unterstützung desselben, vom Provinzialgeiſt eingegeben worden fei. So viel ist gewiß, daß, wenn man diesen Antrag näher erwägt, derselbe nur dahin geht, daß keine Bahn gebaut werden soll, als in der Provinz Oberhessen. In England ist es Gebrauch, daß, wenn man auf höfliche Weise einen neu vorgelegten Geschese ntwurf zurückweist, man darauf anträgt, ihn nach 6 Monaten zu verlesen. Der Abgeordnete Rausch bat das nämliche Mittel in Bezug auf die Bahn in der Provinz Starkenburg angewendet; denn er will, daß der Bau der Bahn in der Provinz Starkenburg vielleicht auf 15 Jahre hinausgeschoben werde; denn wir brauchen in der Proving Oberhessen etwa 6 Jahre zum Bauen und wenn wir noch weitere 6 Jahre lang Erfahrungen darüber sammeln, wie sich die Bahn rentirt, ehe die Bahn in Starkenburg in Angriff genommen wird, so werden leicht 12-15 Jahre daraus. So viel aber ist gewiß, daß, wenn der Bau der Eisenbahn. in der Provinz Starkenburg 15 Jahre hinausgefekt wird, er gar nicht zur Ausführung kommt. So alt find wir alle ges worden, daß wir wissen, daß, wenn ein Unternehmen der Art auf so lange verschoben wird, die Verschiebung der Ver- werfung gleichkommt. Ich kann hiernach in dem Antrag des Abgeordneten Rausch auf Verschiebung des Baues der Eisen- bahn in der Provinz Starkenburg nichts anderes finden, als eine vollständige Ablehnung der Proposition. Wenn man für nöthig hielte, nur in einer Provinz zu bauen, so würde ich der Ansicht des Abgeordneten Glaubrech beistimmen, die Kos ſten aus Provinzialmitteln aufzubringen. Die Provinz Star: kenburg würde wenig dabei verlieren. Die 3 Bahnen, welche zur Sprache gekommen sind, werden zusammen 12 Millionen kosten; davon betragen die Kosten für die Eisenbahn von der Frankfurtischen Grenze bis an die Badische nach Heppenheim etwa 4 Millionen Gulden, also ohngefähr dasselbe, was sie an den 12 Millionen Gulden beizutragen hat. Der größere Theil der Kosten kommt auf die Bahn in der Provinz Ober, hessen und wenn die Boranschläge überschritten werden, fo bin ich gewiß, daß dies nicht in der Provinz Starkenburg, sondern blos in der Provinz Oberhessen geschieht, wo ein Tunnel zu bauen und ein schwieriges Terrain zu überwinden. ist. Dessenungeachtet haben Sie noch von keinem Starken- burger Abgeordneten gehört, daß, weil die Bahn in der Pro- vinz Oberhessen mehr Kosten verursacht, der Provinz Ober- hessen ein größerer Beitrag angemuthet werden soll; wir sind vielmehr gerne bereit, diejenigen Linien, welche gemeinschaft- lich zu bauen vorgeschlagen sind, auch gemeinschaftlich zu 35 bauen, aber wir halten es für unbillig, wenn man die eine Bahn bauen und die andere ad calendas Graecas verwei- ſen will. Was die Begründung des Antrags betrifft, so hat man zur Unterstützung desselben angeführt, daß die Bahn in der Provinz Oberhessen mehr eintragen würde. Es ist darauf schon genügend erwidert worden; so viel aber glaube ich sas gen zu müssen, daß die bei weitem größere Zahl der Reisen- den in Süddeutschland reist und daß die süddeutschen Bahnen deshalb eine größere Personenfrequenz haben werden, wie die nördlichen. Da aber bekanntlich die Personen eine Eisenbahn vorzugsweise rentabel machen, nicht die Güter; so scheint es mir klar, daß, wenn nur die einträglichere gebaut wird, in der Provinz Starkenburg gebaut werden sollte. Ohnehin ha, ben wir schon eine Bahn, welche von dem Großherzogthum Baden aus uns entgegengebaut wird, während wir nicht wissen, wann uns Kurhessen entgegenbaut. Man hat ferner freilich gesagt, die Provinz Oberhessen habe keinen Rhein, Freilich ist die Lahn kein Rhein, aber die Provinz Oberhessen hat auch andere Vorzüge, und wenn wir sagen wollten, wir geben euch unsere Sandstriche, gebt uns euere Waizenfelder, so würde dies nicht angenommen werden. Ich erkläre mich hiernach schließlich dahin, daß ich gerne bereit bin, für jeden Beitrag zur Erbauung von Eisenbahnen zu votiren, daß ich mich aber auf das entschiedenste dagegen erklären muß, daß man zu Gunsten einer Provinz die eine Bahn in Angriff nimmt, während man die Bahn in der anderen Provinz ad calendas Graecas verweist. Was den Antrag des Abgeord= neten Hügel betrifft, so glaube ich solchen, so wie derselbe durch die seitherige Diskuſſion erläutert worden ist, unterstüßen zu müssen. Der Abg. Prinz: Ich hatte mir das Wort in der Absicht erbeten, mich in Bezug auf die beantragte Trennung der Ausführung der Eisenbahn in Oberheffen und in der Provinz Starkenburg in dem nämlichen Sinne auszusprechen, in wels chem sich die Abgeordneten Lotheißen, Glaubrech, Lerch und Franc (Hofgerichtsrath) geäußert haben. Nach ihren Aus- führungen, sowie insbesondere nach der Erklärung, welche der Herr Regierungscommissär zu geben die Güte hatte, halte ich eine weitere Auseinanderseßung der gegen eine solche Trens nung sprechenden Gründe nicht für nothwendig. Ich erkläre daher nur ganz kurz, daß ich mit den Aeußerungen der eben genannten Abgeordneten vollkommen einverstanden bin und mich ihnen in allen Beziehungen anschließe. Protokolle z. d. Verh, d. 2. Kain. Suppl. Bd. 14 靠 ​36 ! Der Abg. Müller: Ich habe gegen den Artikel 1 des Gesetzentwurfs, so wie er gefaßt ist, Nichts zu erinnern, glaube aber in Gemäßheit desselben vorerst nur für die Er bauung der beiden von der Staatsregierung proponirten Eis senbahnen von der Badischen Grenze über Darmstadt nach Frankfurt und von dort über Friedberg, Butzbach und Gießen nach der Kurhessischen Grenze, die ich als eine Bahnlinie betrachte, stimmen zu dürfen. Die Entscheidung der Frage: ob an jener oder dieser der Anfang zu machen sei, kann wohl, insofern die mit den betheiligten Staaten abzuschließenden Verträge nicht ein Anderes erfordern sollten, blos davon ab- hängen, welche derselben in ſtrategiſcher Hinsicht als die wich- tigere zu betrachten und von welcher der größere Ertrag zu erwarten ist; dieß muß aber, meines Erachtens, lediglich der Großherzoglichen Staatsregierung überlassen bleiben. Ich werde mich daher auch gar nicht darüber äußern, ob und in wiefern in der einen oder anderen Beziehung der Starken: burger oder der Oberhessischen Bahn der Vorzug gebühre, unter keinen Umständen aber für die getrennte oder alleinige Erbauung der lettern stimmen. Was die Darmstadt - Mainzer Eisenbahn betrifft, so bin ich nicht dagegen, daß fie in das System der Staatsbahnen aufgenommen werde, wünsche solches vielmehr, glaube aber, daß sie erst nach den vorerwähnten beiden Eisenbahnen zur Erbauung kommen dürfe, weil sie ohne allen Zweifel als die am wenigsten dringliche erscheint und offenbar auch nur den geringsten Ertrag abzuwerfen verspricht. An dem Amendement des zweiten Präsidenten Hesse und resp. des Abgeordneten Kilian werde ich mich, den die Stadt Offenbach betreffenden Antrag etwa ausgenommen, nicht bes theiligen, weil die verlangte gleichzeitige Erbauung der drei Eisenbahnen, meiner Ueberzeugung nach, das Land mit einer unerschwinglichen Schuldenmasse belasten würde. Sollte darauf eingegangen werden, so würde es, meines Dafürhal, tens, viel besser sein, wenn man von der Erbauung einer Eisenbahn ganz abſtände. Nun erlaube ich mir noch einen andern Punkt von parti- culärem Intereſſe zur Sprache zu bringen, bemerke indessen im Voraus, daß, wenn er nicht als hierher gehörig betrachtet werden sollte, ich dann bereit bin, einen beſonderen Antrag deshalb zu stellen. Die projectirte Eisenbahn durch Oberhessen zieht nämlich in der Entfernung einiger Stunden von Alsfeld, Kirtorf und Homberg a. d. an unserer Grenze auf Kurhessischem Ge 1 37 biete bei Ziegenhain, Traysa und Kirchhain in der Richtung nach Marburg vorüber. Wünschenswerth wäre es gewiß, wenn dieselbe in dieser Gegend, wie der Abgeordnete Ram speck gestern schon andeutete, in unser Land oder wenigstens unserer Grenze noch näher gebracht werden könnte. Da dies aber, wie ich überzeugt bin, nicht zu ermöglichen sein wird, ſo beschränke ich mich auf den Untrag : " Die Staatsregierung zu ersuchen, dafür besorgt zu ſein, daß die Städte Alsfeld, Homberg a. d. O und Kirtorf mit der gedachten Bahnlinie an den geeigneten Puncten mittelst der bis zur Grenze bereits beſchloſſenen und größtentheils schon vollendeten Staatsstraßen, oder sonst noch zu erbauenden Chauſſeen in Verbindung ge= ſeßt werden, und zu dem Ende wegen des erforderlichen Entgegenbauens von Kurhessischer Seite das Nöthige in dem abzuschließenden Staatsvertrag vorzusehen.“ Zur Erläuterung bemerke ich, daß eine Staatsstraße von Kirtorf bis an die Kurheſſiſche Grenze in der Richtung nach Marburg und eine andere in der Richtung nach Neustadt bes reits im Bau begriffen ist und in der Kürze fertig werden wird, daß ferner eine Staatsstraße von Alsfeld über Eudorf bis an die Kurhessische Grenze in der Richtung nach Ziegen- hain größtentheils vollendet und nur noch eine kleine Strecke derselben zu erbauen ist, und daß endlich die Stadt Hom berg a. d. . noch zur Zeit zwar direct keine Kunststraße bis an die Kurhessische Grenze besißt, die Entfernung von ihr bis dahin aber nur eine Stunde, und bis zur Eisenbahn bei Kirchhain etwa drei Stunden beträgt. , Hiernach glaube ich, meinen Antrag zur Genehmigung empfehlen zu dürfen, da auf eine solche Weise einem großen Theil der Provinz Oberheffen der Gebrauch der Eisenbahn sowohl nach Cassel, als nach Frankfurt hin eröffnet werden. könnte, von welchem er sonst wegen der schlechten Beschaffen. heit der Wege im kurheſſiſchen Gebiete ausgeschlossen sein würde. (Der Abgeordnete Ramspeck unterstüßt den Untrag des Abgeordneten Müller.) Der Herr Geheimerath Eckhardt: Was der Abgeordnete Müller bemerkte, ist bereits geschehen. Von Kirtorf geht be- kanntlich über Lehrbach bis an die kurhessische Grenze eine Straße, an diese wird von Kurhessen eine Straße über Schweinsberg bis Marburg geknüpft. Der Abg. Müller: Es ist mir bekannt, daß diese Chaus ſee von Kirtorf nach Schweinsberg hinzieht, die projectirte 11* 38 } Eisenbahn wird aber an Kirchhain vorbeigeführt werden, und - dieser Ort liegt auf der Seite von Schweinsberg und ist von da etwa noch eine Stunde entfernt. Ausserdem kommen aber auch die weiter genannten Straßen hier ebenfalls in Betracht, und ich muß daher wiederholt den Wunsch aus. sprechen, daß wegen des erforderlichen Entgegenbaues von kurhessischer Seite an den Punkten, wo eine Verbindung mit der Eisenbahn angemessen erscheinen wird, das Nöthige in dem abzuschließenden Staatsvertrag gewahrt werde. Der Abg. von Dörnberg: Die projectirte Eisenbahn geht nach der vorgelegten Zeichnung an Neustadt in Kurhes- sen vorbei. Ich bemerke in dieser Beziehung, daß von Kir torf über Wahlen bis an die kurhessische Chaussee gebaut wird, wodurch es allerdings möglich ist, eine nähere Verbin dung mit der Eisenbahn für die Orte herzustellen, welche der Abgeordnete Müller im Auge hat. Ich habe übrigens wäh- rend des Laufes dieses Landtags blos im allgemeinen Inter- eſſe des ganzen Großherzogthums, sowie auch der angränzen- den Staaten, des Kurfürstenthums Heffen, des Großherzogthums Baden und der Stadt Frank- furt, meine Motion wegen Erbauung von Eisenbahnen im Großherzogthum gestellt, und ich habe in der Motion auch im allgemeinen die Richtung bereits angegeben, welche die Eisenbahn, meiner Ansicht nach, zu nehmen hätte. Sie sollte nämlich von Marburg über Gießen, Bußbach, Friedberg und von da nach Hanau, Offenbach und Sachsenhausen vorbei hierher geführt werden. Es giebt dort keine so bedeutenden Schwierigkeiten zu überwinden und wegen des zu erbauenden. Tunnels ließe sich vielleicht nach Maßgabe neuerer Erfindun gen eine weniger kostspielige Einrichtung treffen, worüber das Werk von dem Kaiserlich Königlichen Generalinspector der Kaiserlich Königlichen Ferdinandsbahn interessante Mitthei lungen macht. Da der Ausschuß im wesentlichen eine mei- nem Antrage entsprechende Richtung ebenfalls vorgeschlagen hat, so schließe ich mich dem Antrage desselben an; eben so unterflüße ich die Anträge des zweiten Präsidenten Hesse, des Abgeordneten Lotheißen und des Abgeordneten Kilian bezüg lich der verschiedenen Verbindungen mit Mainz und Offen- bach. Jedenfalls wünsche ich, daß die Bahn auf Staatsko- ften gebaut werden möchte. Der Abg. Peerrot: Es giebt viele Sachen, auf die man nicht genug aufmerksam machen und die man nicht genug wiederholen kann. Darum werde ich heute noch einmal wie derholen, was ich vorgestern schon gesagt habe. } 39. 1 Die Provinz Rheinhessen scheint mir bei der in Frage stehenden Operation, die man großartig, jedenfalls aber gewiß auch kostspielig nennen muß, höchst prägravirt zu sein. Anfangs waren nur zwei Bahnen, eine in Starkenburg und eine in Oberhessen projectirt, allein es lag schon hierbei ein großer Mißstand vor, der Mißstand nämlich, daß die Provinz Rheinhessen eximirt und folglich prägravirt war, und deshalb kam man der Staatsregierung, die gewiß diesen Miß- stand zu würdigen gewußt haben würde, durch den Ausweg des Vorschlages einer Zweigbahn von Darmstadt nach Mainz zu Hülfe. Abgeordnete von beiden Städten vereinigten sich zu einer Motion in diesem Sinne und eine sogenannte Bahn für Rheinhessen war gefunden. Ein Redner vor mir hat uns mit seiner anerkannten Courtoisie gesagt, daß Motive von Schicklichkeit und Anstand gegen die Schwesterstadt Mainz in der Motion liegen. Ich glaube dies auch; indessen ist es nicht ein Grund, der mich bestimmen wird. indem ich nach wie vor der Ueberzeugung bin, daß die Provinz Rheinhessen keine Eisenbahn erhält, weil diese Provinz nicht in Mainz liegt und mehr, als acht Zehntheile derselben niemals von dieser Bahn Gebrauch machen können. Ich compromittire ganz keck auf die Stimme meines Col legen Brund, sowie auch auf die meines Collegen Glaubrech, der hier den Canton Pfeddersheim repräsentirt, ob unsere Be wohner auf diese Bahn gelangen können, ohne einen Weg von fünf, acht und zehn Stunden bis an den Rhein zurück, zulegen. Dies sind Bedenklichkeiten wegen eigenthümlicher Verhält nisse, die ich heute in dieser Berathung noch einmal vortra gen zu müssen glaubte; denn später, wenn die Rentabilität der Bahn sich nicht bewährt und die Ziffer dieser Rentabilis tät weit unter dem Voranschlage bleibt, dann wird natürlich die Provinz, welche zu mehreren Millionen in dieser Opera- tion angezogen werden soll, darüber schreien. Indessen meine Herren, soll nothwendig ein Uebel daraus werden, und zwar ein solches, gegen welches gar kein Remedium hilft, dann bauen Sie in Gottes Namen auch nach Mainz; an Klagen und Beschwerden, sowohl bei der Staatsregierung, als bei der Kammer, wird es gewiß nicht fehlen. Uebrigens muß ich, wenn ich Ja oder Nein sagen foll, sowohl hinsichtlich der Stadt Mainz, als auch der Stadt Offenbach, welche gleichfalls eine Bahn haben soll, wissen, wak die Bahn kostet. Ich kenne die Gegend von hier bis 40 + 7 an die Mainſpige recht gut. Eine Bahn in dieser Richtung zu bauen, ist nicht so wohlfeil und leicht, und wenn man die Kosten dafür auf 300,000 fl. für die Stunde, wie ges wöhnlich, anschlägt, so scheint mir dieses nicht zu viel zu ſein. Meine Herren, die Anlegung von Eisenbahnen und Straßen ist eine Krankheit bei uns, und ich selbst war nicht frei davon. Als wir der Staatsregierung Vorschläge und Anträge auf Erbauung von neuen Straßen brachten, haben wir die Sache als leicht und wohlfeil betrachtet und geſchil: dert und nachdem hintendrein die Berechnung der Kosten von Seiten der Staatsregierung kommt, sind wir über deren Betrag erstaunt. Darum möchte ich vor allen Dingen wissen: 1) was die Bahn von Darmstadt nach Mainz, die von der Staatsregierung nicht projectirt war, kosten kann, welche, nach dem Plane der Proponenten, bis an die Mainſpiße und von dort per Ueberfahrt mit einer Fähre über den Rhein an dem Stadtthor ausmünden soll, oder welche Kosten ´entstehen werden, wenn über Kostheim, mit Einmündung in die Tau- nusbahn und Anlegung einer Brücke, die Richtung genom men, und eben so 2) was die Bahn über Offenbach kosten wird? Denn diese drei, vier und fünf Millionen, die man zu den von der Staatsregierung geforderten neun Millionen so ſplendid zuſeßt, schweben mir immer vor Augen und ich komme mit Schrecken an ein Facit von fünfzehn Millionen. Einige Worte, die ich gestern von dem Herrn Regierungs- commiſſär gehört habe, haben mich auf die Idee gebracht, ob es nicht möglich wäre, für die Zweigbahn nach Mainz eine Conceſſion zu ertheilen und eine Geſellſchaft zur Aufbringung von 2,500,000 fl. zu finden, welche Summe die Bahn nach Mainz kosten wird. Dies scheint mir bei der reellen Rentas bilität dieser Bahn, welche die Proponenten vorgebracht ha- ben und noch so eifrig vertheidigen, nicht unmöglich Ich stelle die nämliche Frage in Bezug auf die Eisen- bahnrichtung nach Offenbach. Indessen ist dies eine Sache, die ich der Staatsregierung überlassen muß. Man hat auch viel von einer Oberhessischen und Star: kenburgischen Bahn gesprochen. Man hat gesagt, die Provinz Oberhessen wolle zuerst eine Bahn haben; eine Stimme aus Starkenburg hat geantwortet: ja, dann bekommen wir erst in 15 20 Jahren eine Bahn und das ist ebenso gut, als gar keine. Ich glaube, diese Stimme hat recht; denn in 41 20 Jahren ist das Fieber nach Eisenbahnen wahrſcheinlich verschwunden. Von Provinzialismus ist gleichfalls viel geredet worden. Jede Provinz wehrt sich dagegen. Wir haben keinen provin zialistischen Geist, fagen die Starkenburger. Sie haben recht, und sie bekommen eine Eisenbahn. Die Oberheffen sagen auch wir kennen keinen Provinzialismus, Gott bewahre! Aber sie bekommen auch eine Bahn. Ulein ich, der ich keine Bahn bekomme, spreche mich in jener Weise nicht aus. Man zwingt mich einen Provinzialismus zu haben; ich habe ihn und muß ihn haben, denn man baut nicht für die Pro- vinz, die ich vertrete. Ich werde nach allem Dieſem kein Wort weiter gegen die Er: richtung von Eisenbahnen sprechen, bauen Sie drei, bauen Sie vier Eisenbahnen; ich schweige. Uber fagen Sie mir heute, was der Bau kostet. Ich glaube, daß der Herr Regierungscom- missär vielleicht uns heute schon approximativ wird angeben können, wie hoch die Kosten der Bahn von hier nach Mainz, nach den beiden Projecten, sowie der Bahn nach Offenbach, fich belaufen werden Der Herr Geheimerath Edhardt: Was die Einmün dung der Bahn bis Mainz betrifft, ſo glaube ich nicht, daß es sehr vortheilhaft iſt, bis an die Mainspite zu bauen, weil dann ein Paar Monate des Jahres die Eisenbahn nicht be nuht werden könnte. Der Verlust der Einnahme von der Eisenbahn in diesen Paar Monaten würde gewiß einen bei weitem höheren Betrag ausmachen, als die Intereſſen von dem Anlagekapital einer Brücke, die man bei Kostheim bauen müßte. Auch würde es bei hohen Eisgängen für die Reiſen - den angenehmer sein, wenn sie sich in Kastel aufhalten kőn- nen, als wenn sie an der Mainspige unter freiem Himmel bei Wind und Wetter sich dem Sturm auszusehen genöthigt wären, während man bei der Führung der Bahn über eine Brücke oberbalb Kostheim im Waggon fitzen bleibt und bis an Ort und Stelle im Trockenen fährt. Der Abg. Krug: Ich habe mich gestern für die Propo- sition der Staatsregierung im allgemeinen erklärt; es folgt daraus von selbst, daß ich für die ganze von der Staatsre- gierung proponitte Bahnlinie von der Kurhessischen bis zur Badischen Grenze stimmen werde und es bedarf daher von meiner Seite auch keiner Verwahrung gegen die Aeußerungen des Abgeordneten Franck. Ich werde aber auch dagegen stimmen, daß gerade die Bahn durch die Provinz Oberhessen zuerst und vorzugsweiſe gebaut wird, indem ich in dieser Bezie, A 42 hung ganz mit dem Ausschuß der ersten Kammer einverstan- den bin, daß vorerst nur diejenige Strecke in Angriff genom- men werden soll, deren Vollendung in militärischer Hinsicht am wichtigsten erscheint und welche den größten Ertrag ver ſpricht, wofür sich auch die erste Kammer einstimmig aus.. gesprochen hat. Ich werde mich ferner mit Vergnügen dem Antrage un- fers ersten Ausschusses in Bezug auf die Motion, die Stadt Offenbach in die Hauptbahnlinie zu bringen, anschließen und ich glaube, wir können der Staatsregierung in dieser Bezies hung volles Vertrauen schenken; denn sie hat bereits bethä tigt, daß sie geneigt ist, für die Stadt Offenbach das Mög- lichste zu thun, indem nach dem, dem Ausschuß zugekommenen, Schreiben des Herrn Regierungscommissärs bei den, mit den betreffenden Staaten gepflogenen, Verhandlungen die Bedin gung gestellt worden ist, daß, wenn die Hauptbahn über Hanau geführt werden sollte, die Stadt Offenbach ebenfalls in den Hauptzug aufgenommen werden müsse und außerdem bereits ein Staatsvertrag mit Frankfurt dahin abgeschlossen. worden ist, daß jedenfalls einer Privatgesellschaft zum Bau einer Localbahn zwischen Offenbach und Frankfurt die erfor derliche Concession ertheilt werden soll. Mit Vergnügen werde ich endlich den Anträgen unseres Ausschusses beistimmen, welche bezüglich der beiden weiteren Motionen, die von hier nach der Südgränze projectirte Bahn der Bergstraße entlang nach Heidelberg zu führen, sowie auf Errichtung einer Staatseisenbahn von Darmstadt nach Mainz, gestellt worden sind, und es soll mich sehr freuen, wenn die darüber einzuleitenden Untersuchungen und Voranschläge über Kosten und wahrscheinliche Rentabilität zu einem günstigen Reſultate führen, wenn die Staatsregierung sich dadurch in den Stand gesezt sieht, auch die Erbauung dieser Bahn von hier nach Mainz auf Staatskosten proponiren zu können, was ich indeß, ich gestehe es offenherzig, sehr bezweifle; es würde, meiner Ansicht nach, nicht wie ein guter Hausvater gehandelt sein, wenn man jetzt schon beschließen wollte, auch diese Bahn auf Staatskosten zu bauen, oder gar, wie von dem zweiten Präsidenten Hesse beantragt worden ist, die Bahnlinien gleichzeitig in Bau zu nehmen. Was in Bezug auf die Bahnlinie von hier nach Mainz von Rücksicht das Anstandes der Schicklichkeit und Dankbarkeit bemerkt worden ist, so erkenne auch ich diese Rücksicht an, ich halte ohnedies. den Undank für eines der schändlichsten Laster, allein die Rücksicht auf Schicklichkeit und Anstand muß hier in Hinter 43 1 grund treten, wo es sich von einer weiteren Schuldenlast von mehreren Millionen handelt. Was die andere Rücksicht be= trifft, so erkenne ich es gleichfalls an, daß die rheinhessischen Abgeordneten stets bereitwillig die Hand boten, wo es sich um Verbesserung der diesseitigen Zustände handelte; aber auch die Rheinhessischen Deputirten werden den diesseitigen die An- erkennung nicht versagen, und alle früheren Landtage, nament- lich der jetzige, haben es gezeigt, daß wir eben so gerne be reit sind, zu demjenigen unsere Beistimmung zu geben, was die Zustände der Provinz Rheinhessen zu verbessern vermag. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Es ist keine Frage, daß die Richtung von hier nach Mainz ganz im Inlande ist, und daher keine besonderen Staatsverträge mit benachbarten Staaten dabei nothwendig sind. Was aber das Einmünden in Mainz betrifft, so sind da bei andere Rücksichten zu nehmen, welche nicht ganz von uns abhängig ſind, und darauf muß ich aufmerksam machen. Endlich hat die Staatsregierung allerdings bei der Vor- lage dieses Gesetzesentwurfs die Richtung der Eisenbahn von hier nach Mainz, und von Offenbach nach Frankfurt unter denjenigen im Auge gehabt, für welche sie Concessionen er: theilen wollte und zu ertheilen wünschte. Auch liegt ein Staatsvertrag mit der freien Stadt Frankfurt vor, wonach sich beide Regierungen verbindlich gemacht haben, eine Pri- vatgesellschaft für die Bahn von Offenbach nach Frankfurt gleichmäßig zu concessioniren. Rücksichtlich der vorgeschlagenen Richtung direkt von hier nach Heidelberg sind wir nicht ganz auf unserem Gebiet, und es hängt blos von den Verträgen ab, welche mit den fremden Staaten zu schließen sind, ob hier eine Lenderung der früher vereinbarten Richtung Statt finden kann. Schließlich muß ich Sie, meine Herren, ersuchen, an keine dieser Richtungen eine Bedingung zu knüpfen, dieß könnte leicht die Veranlassung werden, daß keine der verschiedenen Bahnen zu Stande kommt, und dann würde die Staatsre- gierung die Verantwortung für die Folgen nicht übernehmen, welche für das Land daraus entspringen können. Der Abg. Buff: Auf die Aeußerungen der Abgeord: neten Lotheißen, Glaubrech und Franck muß ich mir um so mehr eine Erwiderung erlauben, als jener, von mir unter. stüßte, Antrag ganz und gar mißverstanden worden zu sein scheint. Dieser Antrag enthält durchaus nichts Neues und Anderes, was nicht schon die nicht aus oberhessischen, sondern aus starkenburger und rheinhessischen Depu 1 } } 44 tirten bestehende Minorität unseres ersten Außſchuſſes, sowie der Bericht der hohen ersten Kammer, bereits gesagt haben. Am wenigsten aber hat derselbe wie irrig behaup tet werden will ein specielles Interesse für die Provinz Oberhessen enthalten, noch auch enthalten sollen. Einen solchen Untrag habe ich weder vernommen, noch auch unterstützt. Ich habe lediglich den Antrag unterstützt, welchen der Ausschußbericht der ersten Kammer, sowie die Minorität unseres Ausschusses in Vorschlag gebracht hat, nämlich den, daß man die Bahn in der Provinz Oberhessen zuerst in Angriff nehmen möge. Ganz dieselben Gründe haben mich zur Unterstützung des Amendements bes stimmt, und es dürfte fonach denn auch dasselbe keineswegs nach Provinzialismus schmecken, wie der Abgeordnete Franck irrig behauptet. Außerdem aber hatte ich noch den beson- deren Grund, dadurch zu verhüten, daß wir, wenn in: zwischen Kurhessen seiner Bahn eine andere Richtung ges ben könnte, alsdann ganz abgeschnitten und ausgeschlossen würden. Da ich mich überhaupt nicht gegen den Bau, wie ihn die Großherzogliche Staatsregierung vorgeschlagen hat, erklärt habe, so kann wohl auch eine Verschiebung,,ad calendas Graecas" weder in meiner Absicht noch in meiner Aeuße: rung gefunden werden. Sie werden also, meine Herren, daraus gewiß die Ueber- zeugung ſchöpfen, daß partikulare Interessen mich nicht gelei: tet haben. Wenn ich mich für die Erbauung von Eisenbahnen aus: sprechen werde, dann wird dies, bezüglich der Direction, im Sinne der Proposition' ter Staatsregierung geschehen. E werden mir diejenigen meiner Herren Collegen, welche sich für die Seitenbahnen erklärt haben, gewiß nicht übel neh men können, wenn ich der Staatsregierung, die mehr Kennt nisse von den Kräften des Landes besitzt, mehr Zutrauen. schenke, als Einigen, welche durch besonderes Interesse gelei- tet werden. Daß Mainz möglichst berücksichtigt werden soll, will ich hoffen. Aber die Vergleichung, welche der Abgeordnete Glaubrech mit der Provinz Oberhessen angestellt hat, möchte doch etwas ſehr hinkend sein. Die Provinz Oberheſſen wird darnach als ganz unbedeutend hingestellt, Mainz aber als der Centralpunkt alles Glanzes. Es wird überhaupt eine Vergleichung hinsichtlich der Abgaben aufgestellt werden müſſen. 1 } 45 Wenn wir die Abgaben mit einander vergleichen wollen, welche die Provinz Oberhessen im Verhältniß zur Provinz Rheinhessen liefert; so sind die der Provinz Oberhessen un- gleich größer; denn Sie müssen bedenken, wir haben noch außer den gewöhnlichen Staatsabgaben auch die sehr bes deutenden Revenüen der Domänen, Grundrenten zc., während die Provinz Rheinhessen dieselben nicht hat. Diese Einkünfte der Domänen aber kommen den rheinhessischen Steuerpflich tigen eben so gut, wie den diesseitigen, denn während das diesseitige gesammte Einkommen aus Domänen in die Staatskasse fließt, so beziehen die rheinhessischen Privatbesißer der dortigen ehemaligen Domänen den ganzen Ertrag derselben und entrichten dann blos die Steuern an den Staat. Diese und andere Rücksichten möchte ist zu erwägen ge: ben, um daraus abzunehmen, daß Oberhessen im Verhältniß zu unserem Staate doch nicht so unbedeutend ist, wie nach den von dem Abgeordneten Glaubrech angestellten Vergleichun gen scheinen möchte. Der Abg. Rausch: Ich muß zuvörderst nochmals wieder- holen, daß mein Untrag nicht auf den Bau einer Eisenbahn ein- zig und allein in der Provinz Oberhessen hinausging, ſondern daß er nur dahin gerichtet war, vorerst die Bahn in der Pro- vinz Oberhessen in Angriff zu nehmen Die erste Unleitung zu diesem Antrag hat mir der Antrag der Minorität unseres ersten Ausschusses gegeben, der sub Nr. 2. S. 31 des Be: richts den Antrag dahin richtet, daß vorerst nur mit einer der beiden Bahnen der Anfang gemacht werde zc. (verlesen) Die Motive, warum ich darauf antrug, daß man in der Provinz Oberhessen zuerst bauen möchte, habe ich gestern ent wickelt, und ich bin heute noch der Meinung, daß man zuerst in der Provinz Oberhessen den Bau beginnen und ausführen. soll, damit die Baukräfte sich nicht zersplittern; denn, wenn viele Hände an einem Punkte arbeiten, so wird das Werk rascher fertig, als wenn an 3 oder 4 Orten in verschiedenen Provinzen gearbeitet wird. Was nun den Vorwurf, daß mein Antrag etwas stark nach Provinzialismus schmecke, betrifft, so kann ich das rüber mit Stillschweigen hinweggehen, denn ich habe durch mein Verhalten bei allen Gelegenheiten gewiß gezeigt, daß mich nicht provinzielles Interesse, sondern blos das Intereſſe des gemeinschaftlichen Vaterlandes bei meinen Abstimmungen geleitet hat. 1 46 * ! Uebrigens kann ich nicht umhin, auf einige Bemerkungen des Abgeordneten Glaubrech zu antworten. Der Abgeordnete Glaubrech hat unter Anderem mitgetheilt, wie viel directe Steuern der Steuerbezirk Mainz allein be zahle und hierauf eine besondere Wichtigkeit gelegt. Ich will mindestens ebenfalls eine Steuerberechnung vorlegen, und zwar aus einer Berechnung, die ich kürzlich noch einzusehen. Gelegenheit hatte. In dem Wahlbezirk, den ich zu vertreten die Ehre habe, kommen nach einer genauen Berechnung 1 fl. 17 fr. indirecte Steuern auf den Kopf, während in einem Wahlbezirk von Rheinhessen nur 34 kr. indirecte Steuern auf den Kopf kommen. In dieser Beziehung bezahlen wir in Oberheffen weit mehr Steuern, als in Rheinhessen bezahlt werden, und es möchte sich demnach leicht herausstellen, daß die Provinz Oberhessen im Ganzen weit mehr Steuer bezahlt, als Rheinhessen. Der Abg. Brund: Es hat sich unstreitig bei der gestris gen und heutigen Discussion über die Richtung der Bahnen ein Provinzialgeist entwickelt. Ich möchte daher noch einmal den Vorschlag wiederholen, zuvörderst das ganze Project ab: zulehnen, und zwar noch aus einem weiteren Grunde, der ge= wiß Berücksichtigung verdient. Preußen wird die Bahn nicht anders zugeben, als über Gießen, und ich glaube, daß Preu: Ben hierbei von ganz besonderen Rücksichten geleitet wird. Preußen hat ganz bestimmt die Absicht, von Gießen Lahnab- wärts eine Eisenbahn nach Coblenz und Ehrenbreitstein zu bauen. Dadurch wird der Eisenbahn von Gießen nach Frank- furt hierher, und von hier noch weiter nach Heidelberg oder Mannheim ein gewaltiger Eintrag gethan werden. Glauben Sie wohl, daß Preußen eben so gut eine Eisenbahn zu seiner Verbindung mit Coblenz und Ehrenbreitstein erlangen muß, als wir eine Eisenbahn mit Mainz. Ich zweifle keinen Au- genblick daran. Dann möchte ich noch den besonderen Antrag stellen: so lange eine Aussicht für den Bau einer Eisenbahn in jenen Gegenden noch vorhanden ist, nichts auf die Schiff- barmachung der Lahn zu verwenden; denn dies wäre in dem von mir angedeuteten Falle eine sehr nachtheilige Verwendung. Ich hoffe, daß dieser Antrag Un- terstützung finden wird. Meine Herren, wenn Sie denn doch einmal durchaus Ei- senbahnen haben wollen, so bin ich aber doch ganz besonders dafür, daß man vorerst die Eisenbahn von Frankfurt nach Cassel ausbaut, weil sie, meiner Ansicht nach, jedenfalls die } 47 frequenteste sein wird. Rentirt sich diese Eiſenbahn, ſo zweifle ich gar nicht daran, dann bekommen wir auch noch Eisenbah. nen genug, dann bekommen wir noch zu viele, wie es schon mit den Staats- und Provinzialstraßen bei uns der Fall ist. Rentirt sich aber die fragliche Bahn nicht, dann haben wir mit ihr allein schon zuviel. Die Provinz Starkenburg, welche zwischen dem Main, dem Neckar und dem Rhein eingeengt ist, bedarf durchaus nicht einer Bahn zu eigenem Verkehr. Die Provinz Rheinhessen und die Stadt Mainz bedürfen fie auch nicht. Will man aber einmal alle Eiſenbahnen bewilli- gen, so bewillige man denn in Gottes Namen auch die Eisens bahn von hier nach Mainz und lassen Sie uns gegenseitig un- sere Steuerpflichtigen bedenken, lassen Sie uns, wie man zu ſagen pflegt, unsere Juden prügeln, geben wir aber nur dar- auf Ucht, daß wir sie nicht zu Tode prügeln, denn unser Land würde dabei nur am meiſten leiden. (Der Abgeordnete Kilian unterstüt den Antrag des Abgeordneten Brunck bezüglich der Schiffbarmachung der Lahn.) Der zweite Präsident Hesse: Mehrere im Laufe der Discussion gefallene Bemerkungen, namentlich die Aeußerun- gen des Abgeordneten Brunck, veranlaſſen mich, der verehrli- chen Kammer über den Zweck meines gestrigen Antrags in einer Beziehung offen meine Ansicht auszusprechen. Mein Untrag hatte den Zweck, Eisenbahnen zu erhalten, die ich jedoch, wie bemerkt, für ein nothwendiges Uebel halte; meine Ansicht geht dahin, Eisenbahnen zu erhalten, und in dieser Richtung habe ich meinen Antrag im allseitigen Inte- resse und mit Berücksichtigung der verschiedenen partikularen. Interessen gestellt. Ich hielt es jedoch, damit auch die pro- vinziellen Interessen möglichst gewahrt werden möchten, für recht und billig, daß Mainz und Offenbach, sowie die Berg- straße, berücksichtigt würden. Ich hielt dies aber auch und darüber will ich mich offen aussprechen für flug, denn da so viele Stimmen sich gegen die Eisenbahnen im Allgemeinen ausgesprochen haben, so befürchtete ich, daß, wenn man das Interesse der Provinz Rheinhessen, sowie das Interesse der Bergstraße und der Stadt Offenbach mit den fie umgebenden Distrikten nicht berücksichtigen werde, vielleicht keine Eisenbahn werde votirt werden. Dies bitte ich alle Diejenigen, welche für Erbauung der Eisenbahnen im Allgemeinen sind, und welche sowohl in der Provinz Oberheffen, wie in der Provinz Star, kenburg gebaut haben wollen, zu berücksichtigen. i. · д -- 48 Darauf, was die eine oder die andere der Bahnen in der Provinz Oberheffen oder in der Provinz Starkenburg eintra gen wird, kann es, meiner Ansicht nach, nicht ankommen, wiewohl ich mit dem Abgeordneten Kilian darin einverstan den bin, daß die Eisenbahn in der Provinz Oberhessen in strategischer Hinsicht die wichtigste sein mag und daß sie sich, so wie die Verhältniſſe jezt stehen, vor der Hand wenigstens am besten rentiren wird. Wenn ich weiter beantragt habe, daß man gleichzeitig bauen soll, so bin ich von verschiedenen Seiten mißverstanden worden. Meine Absicht ging dahin, daß nicht beschlossen wer: den solle, man möge in der einen Provinz einstweilen eine Eisenbahn, in der andern aber keine bauen. Von der Staats- regierung muß es, wie sich von selbst versteht, abhängen, an denjenigen Punkten anzufangen, welche sie in merkantiler, in Strategischer und in anderer Beziehung für die wichtigsten hält. Durch die Erklärung des Herrn Regierungscommissårs, der uns gesagt hat, daß die Staatsregierung nicht auf den vor- läufigen Bau der einen oder der anderen Bahn eingehen werde, bin ich vollständig beruhigt worden. Der Abg. v. Rabenau (Oberst): Ferne von jedem pro- vinziellen Interesse habe ich nur immer das Allgemeine des ganzen Großherzogthums im Auge, und in diesem Sinne zu allen Zeiten gesprochen und abgestimmt. Ich kenne kein pros vinzielles Interesse, das ich hier zu vertreten habe; ich bin blos zur Vertretung des allgemeinen Interesses hier. In dies sem Sinne habe ich auch gestern schon im Allgemeinen mich mit der Proposition der Staatsregierung hinsichtlich der Ei- senbahnen einverstanden erklärt. Ich habe darüber nichts mehr zu sagen, und will mich mit wenigen Worten nur noch über die Richtung der Bahnen in Bezug auf die deßhalbigen Vorschläge äußern. Was die Stadt Offenbach betrifft, so glaube ich, daß die Stadt Offenbach durch die Bewilligung einer Zweigbahn zur Genüge berücksichtigt ist. Wenn ich den Herrn Regierungs- commissär recht verstanden habe, so hat er erwähnt, daß der Stadt Frankfurt die Verbindlichkeit obliege, eine solche Eisen bahn nach Offenbach zu conceffioniren. Damit werden die Wünsche, welche ich für Offenbach in jeder Beziehung recht fehr theile, vollkommen beachtet und leicht gewährt werden können, wenn von Privaten auf die Unternehmung einer sols chen Bahn eingegangen wird, was bei der zu hoffenden Fre quenz keinem Zweifel unterliegt. " 3. 49 1 ! Was die Städte Mainz und Darmstadt betrifft, wenn zwischen diesen eine Zweigbahn nach den gestellten Unträgen gebaut werden soll, so werde ich sehr gerne einem solchen Vorschlag beistimmen, wenn die Staatsregierung uns zuvor darüber eine Proposition wegen der Angemessenheit einer sol- chen Bahn wird gemacht haben, und ebenso auch über die Wahrscheinlichkeit, daß eine solche Bahn wirklich die Vor- theile gewährt, welche sich mehrere Abgeordnete davon ver. sprechen. Ehe ich einer solchen Motion meine Zustimmung gebe, muß ich jedoch wissen, was die Bahn kosten wird. Ich gestehe aber aufrichtig, daß ich sehr an den großen Vortheilen der Bahn zweifle. Es hat sich seither schon gezeigt und seits dem eine gute Chaussee zwischen hier und Mainz besteht, daß die Personenfrequenz in fo geringem Grade stattfindet, daß die Post im Begriffe stand, den Briefpostkourrier eingehen zu laſſen. Nehmen wir nun auch an, daß sich die Zahl der Reisenden beim Bestehen einer Eisenbahn auf das hunderts fache, oder vielleicht noch weiter vermehren wird, so wird doch daneben auf dieser Eisenbahn niemals ein eigentlicher Waa: renzug stattfinden, die Bewohner von Mainz und anderen Orten der dortigen Gegend werden immer vorziehen, ihre Waaren auf dem Rhein zu erhalten, weil sie dieselben auf diesem wohlfeiler erhalten können. Darmstadt ist nach der Natur seiner Lage keine Handelsstadt, es wird also die Vor- theile, die man sich von der fraglichen Eisenbahn verspricht, nicht erlangen können. Dennoch erkläre ich mich für den Fall bereit, daß, wenn die Staatsregierung die deßfallfigen Anträge als angemessen darstellt und die Kostenvoranschläge vorlegt, ich dafür stim- men werde, weil ich gewiß nicht gegen das wahre Interesse der Provinz Rheinhessen stimmen möchte. Was den Bau der Bahn von Frankfurt über Darmstadt an der Bergstraße hinaus betrifft, so schließe ich mich dem Antrag auf Einhaltung der Direktion nach Heidelberg an. Aber eine Bedingung knüpfe ich weder an den einen, noch an den anderen dieser Wünsche, und zwar aus dem Grunde nicht, weil ich überzeugt bin, daß die Staatsregierung wegen der Unterhandlungen mit den betreffenden anderen Staaten nicht im Stande ist, in der hier vorliegenden Angelegenheit felbstständig zu handeln. Wir würden also mit Unnahme ei ner solchen Bedingung vielleicht etwas bewirken, was einer Ablehnung der Proposition ganz gleich wäre. 50 : Der Abg. Graf von Lehrbach; Wenn ich nicht irre, meine Herren, so discutiren wir jeht über den Artikel 1 des Gesetzesvorschlags. Ich gestehe, daß ich in der Zwiſchenzeit manchmal irre geworden bin, weil sich die Discussion in einem Kreise ge dreht hat, in welchem, wie es mir scheint, wir durchaus auch nicht einen Schritt voran kamen. Ich glaube, den Arti- kel 1 des Gesetzesentwurfs anlangend, daß es jedenfalls für jekt genügt, wenn nach dem Vorſchlag des Abgeordneten Hű- gel die Worte eingeschaltet werden: ,,der mit den Ständen vereinbarten" (Hauptlinien) Da aber nun einmal auf die Richtung dieser Linien die Rede gekommen ist, die Sache also so angesehen werden muß, als ſei eine wirkliche Proposition mit dieser Bezeichnung der Linien von der Staatsregierung eingebracht worden, wie solche in den Motionen aufzufinden ist, da also, sage ich, über dieſe Direction nunmehr discutirt wird, so ist dies der ein- zige Grund, der mich veranlaßt, meine Ansicht darüber zu ſagen. Ich glaube, daß es das Einfachste gewesen wäre, daß es uns am ſchönsten zum Ziele geführt haben würde, wenn wir die vorgeschlagene Richtung der Bahnlinie auch in der Dis- cussion nicht verlassen hätten, wenn wir uns darüber ausges sprochen hätten, ob dieselbe genehmigt werden soll oder nicht. In der Kammer werden nun von der einen oder anderen Seite Wünsche laut, daß entweder einzelne Orte, wie Offen- bach, in den wirklichen Bahnzug aufgenommen, oder gleichs zeitig eine weitere Bahn, wie die mehrgenannte von Mainz nach Darmstadt, zur Ausführung gebracht werden solle. Mir scheint es, daß diese Vorschläge mehr als besondere Anträge zu betrachten sein müßten, zunächst unabhängig von der Zustimmung oder Verweigerung der von der Staatsre- regierung vorgeschlagenen Hauptlinie. Will hernach irgend ein Mitglied der Kammer, wie schon geschehen, den Antrag stellen, daß von diesen Disiderien, von diesen verschiedenen getrennten Anträgen, und deren Annahme, die Annahme des ganzen Gesezes abhängig gemacht werden solle, nun so steht darüber die Abstimmung der Kammer zu erwarten. Sie kann aber keineswegs, meine ich, in die Discussion über die vorges schlagene Richtung der Hauptbahnlinie, wie sie von der Staatsregierung geschehen ist, aufgenommen werden. Was mich betrifft, so will ich gar kein Urtheil über die verſchiedenen Unträge fällen, und ich kann jegt noch nicht 51 } einmal im Voraus sagen, was darüber meine Abstimmung sein wird. Aber das glaube ich wiederholen zu müssen, daß ich es jedenfalls für unstatthaft halte, wenn man eine Bedingung dieser Art an die Zustimmung zu dem vorgelegten Gesetzes entwurf knüpfen würde. Denn wer überhaupt keine Eisens bahnen haben will, wer sie nicht für vortheilhaft, oder viels leicht die Gefahr vor der dadurch entstehenden Schuldenlast zu groß hält, der soll sich lieber offen und frei gegen die Er bauung von Eisenbahnen aussprechen und an Gründen dazu wird es vielleicht nicht fehlen; aber indirect durch Bedingun gen die Gesetzesvorlage verwerfen zu wollen, das scheint mir nicht räthlich und auch nicht gut. Der Abg. G. Schend: Ich bedauere, meine Herren, Ihre Geduld noch einen Augenblick wegen des so sehr ange fochtenen Minoritätsantrags in Anspruch nehmen zu müssen; es wird aber nicht sehr lange dauern. Sowohl als Starkenburger, als auch als Mitglied der Minorität des Uusschusses, möchte es in der Ordnung sein, daß ich Sie mit den Gründen bekannt mache, welche die Mis norität zu dem so sehr angefochtenen, und ich muß hinzus sehen, zu diesem so ganz mißkannten Antrag veranlaßt hat. 1) Der erste Grund ist: um bei diesem Baue die gemach- ten Erfahrungen auch für die anderen Eisenbahnen benutzen zu können. 2) Der zweite Grund war: weil man die Bahn in ſtra- tegischer Hinsicht für die wichtigere hielt, wenigstens nach unserem Ermessen. 3) Wollte man, was ich für noch wichtiger halte, durch den gleichzeitigen Bau aller vorgeschlagenen Eisenbahnen nicht ohne Noth Materialien und Taglohn vertheuern. 4) Wünschte man, das Land durch die vorerst entstehenden geringeren Ausgaben möglichst zu schonen und die Schulden, last nicht sogleich auf ihren Culminationspunkt zu bringen, und endlich hatte man, und dies ist der Cardinalpunkt, 5) noch den Grund, möglichst zu verhindern zu suchen, daß die Bahn nicht über Fulda geführt werden möge. Diese Gründe werden Sie überzeugen, daß die Minorität nicht aus provinziellen Rücksichten, sondern aus allgemeinen Rücksichten sich zu diesem Antrag veranlaßt gesehen hat; und gewiß, wenn Sie unpartheiisch und ruhig die Sache übers legen wollen, so werden Sie ihr jeßt nicht länger Unrecht geben. Protokolle z. d. Verý. d. 2, Kam. Suppl. Bd. 15 721 i ! 52 J Nur noch ein Wort über die Bahn von Darmstadt nach Mainz. Ich bin Starkenburger und auch Abgeordneter von einem Wahlbezirk in der Provinz Starkenburg. Soll ich Ihnen aber meine Meinung offen und ehrlich sagen, so versichere ich Sie, daß ich eine Eisenbahn von Darmstadt nach Mainz für viel wichtiger halte, als eine Eisenbahn von Darmstadt nach Frankfurt. Meine Idee war auch die gewesen, daß, wenn die Bahn von Darmstadt nach Mainz gebaut wird, die von Darmstadt nach Frankfurt nicht gebaut werde. Dabei bleibe ich und in diesem Sinne werde ich auch stimmen. Der Abg. Zulauf: Wenn ich den Antrag des Abge. ordneten Rausch unterstüße, so thue ich es gewiß nicht aus besonderer Rücksicht für die Provinz Oberhessen. Sie haben auch schon gestern von mir gehört, daß die Provinz Oberhef- fen durch den Bau der Eisenbahn in der jet beabsichtig, ten Direktion keine große Begünstigung und wenig Nußen erhält. Auf die Vorwürfe, welche den oberhessischen Abgeordneten wegen des ihnen Schuld gegebenen Provinzialismus gemacht wurden, will ich nicht eingehen, denn Jeder, der mich kennt und der mit mir schon auf früheren Landtagen war, wird die Ueberzeugung von mir haben, daß ich nicht mit vorzugswei- fer Rücksicht auf das Wohl einer einzelnen Provinz, sondern nur mit Rücksicht auf das allgemeine Landeswohl gestimmt habe. Ich habe aber, nach dem, was gestern gesagt wurde, nur aus dem Grunde den Antrag auf vorzugsweise Erbauung der Bahn in Oberheſſen unterſtüßt, weil diese Bahn sich am er: ften rentiren wird. Ich bin überzeugt davon. - Ich will nicht viel in Bezug auf die Bahnen durch Starkenburg spre: chen; aber die oberhessische Bahn wird sich jedenfalls besser rentiren; denn in der Provinz. Oberhessen ist kein schiffbarer Fluß, da müssen alle Waaren auf der Achse transportirt wer- den, und was ist das für ein Zug an Wagen, der aus Preu- Ben und Cassel in dieser Direktion zieht! Dort findet ein Waarenzug fratt, wie wir sonst keinen haben. Für die star kenburgische Bahn ist noch sonst angeführt worden, daß, wenn man dieselbe baue, man geschwind Militär auf derselben fort bringen könne. Hier könnte höchstens von dem achten Armees corps die Rede sein, um dasselbe auf der Eisenbahn fortzu- bringen. Aber dazu ist die Eisenbahn nicht nothwendig. Wenn es Krieg gibt, so muß durch Oberhessen viel Militär herkommen, besonders da schon im Frieden die Etappen: 1 A % 53 Straße durch Oberhessen so außerordentlich zahlreich benut wird. Unsere Mannschaft will ich gar nicht damit vers gleichen. Der Abgeordnete Glaubrech hat von den von der Stadt Mainz entrichtet werdenden Steuern im Vergleich zu der Provinz Oberheffen gesprochen. Es ist bereits darauf erwi dert worden; allein ich muß gestehen, es hat mich sehr ange: griffen, und ich will nur das Eine darauf bemerken. Außer den gewöhnlichen direkten Steuern müssen in meinem Orte allein, der keine 50 Ortsbürger stark ist, über 20,000 fl. Ren- ten bezahlt werden. Dies sind ebenfalls Lasten, welche mit den Steuern auf eine Linie gestellt werden müſſen. hat aber auch noch weiter der Tranksteuer und-Zapfgebühr erwähnt und angeführt, daß in Mainz und Worms allein bie Hälfte der Zapfgebühr bezahlt werde. Es beweist aber nur Wohlstand, daß dort so viel getrunken wird. Ich wünschte, die armen Leute in der Provinz Oberhessen könnten so viel trinken, sie würden dann auch wohl die Steuern davon entrichten. Mithin kann diese Bemerkung auf sie nicht paſſen. Er Was übrigens gestern der Abgeordnete Ramspeck in Bezug auf die der Eisenbahn zu gebende Richtung bemerkt hat, muß ich der Staatsregierung zur Berücksichtigung empfehlen. Wie jetzt die Bahnrichtung durch Kurhessen projectirt ist, kommt sie von Cassel über Trayſa, Ziegenhain, Neustadt, Kirchhain, und geht von da nach Marburg. Biz nach Zie genhain geht sie im Schwalmgrund. Ich glaube nun, fie könnte von Ziegenhain aus recht gut im Schwalmgrund hers auf bis an unsere Grenze, ja selbst noch über unsere Grenze geleitet und so geführt werden, daß sie in der Richtung der Orte Münchleufel, Schwabenroth, Seibertenrod, Leufel, Ans gerod, Kirtorf und Lehrbach wieder ins Kurhessische und dort an der Amöneburg vorbei über Kirchhain nach Marburg ge- führt wird. Ich will diese Aeußerung der Staatsregierung zur Berücksichtigung empfehlen, fie mag untersuchen, ob die Bahn nicht so geführt werden kann. Jedenfalls würde diese Richtung von sehr großem Nußen und Vortheile für das Land und insbesondere für die dortige Gegend sein, nament: lich für die Städte Alsfeld, Lauterbach und Schlitz. Für dieſe Orte würde die Bahn bei weitem mehr Vortheile ha ben, als wenn sie in Kurhessen her geführt wird, welches vorzugsweise darauf Bedacht genommen hat, alle seine kleis nen Städte, die in der dortigen Richtung liegen, durch die Eisenbahn mit einander in Verbindung zu bringen. \ 15* 1 ! ་ f 54 Im Uebrigen muß ich auch den Antrag des Abgeordneten Müller unterstützen. Die Staatsstraße von Alsfeld nach Kirtorf ist zwar noch nicht ganz fertig, aber auf Kurhessischer Seite werden viels leicht noch Hindernisse in den Weg gelegt. Eben so ist auch auf unserer Seite die Straße von Eudorf bis an die Kurs hessische Grenze fertig. Wird dieselbe auf Kurhessischer Seite bis Ziegenhain fortgefeßt, so würden dadurch die größten Vortheile für unser Land erwachsen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Die Unterhandlungen hierüber sind bereits längst im Gange; aber Sie wissen wohl, meine Herren, wie schwierig sie sind. Ich kann mich weiter nicht darüber aussprechen, es ist von unserer Seite alles Mögliche geschehen und Sie können versichert sein, daß in dieser Beziehung das Erforderliche gewahrt werden wird. Der Abg. v. Grolman: Was zuerst den Artikel 1 des vorgelegten Gefeßesentwurfs betrifft, so habe ich denselben ganz angemessen gefunden, indem die Staatsregierung die Absicht hat, im Allgemeinen die Grundsätze anzugeben, und mit den Ständen festzusehen, wonach im Falle eines Be- dürfnisses von Eisenbahnen, diese für alle Zukunft gebaut werden sollen. Allerdings ist eine wichtige Verbesserung durch das Amendement des Abgeordneten Hügel hinzugetres ten, und da der Herr Regierungscommissär sich hiermit ein verstanden erklärt hat, so werden nunmehr alle Anstände ges gen den Artikel 1 vollständig beseitigt erscheinen. Was nun die nördliche und südliche Eisenbahn und ihre Richtung bes trifft, so habe ich schon in der vorgestrigen Situng mich im Algemeinen über die Eisenbahn, welche von der Kurhessi- schen Grenze durch die Provinz Oberhessen, denn turch Star- fenburg bis an die Badische Grenze ziehen soll, geäußert. Ich muß den dringenden Wunsch aussprechen, daß in so weit, als diese Bahn in die südliche sich abtheilt, die Direction so bestimmt werde, daß sie nach Heidelberg geht. Ich bin in dieser Beziehung ganz mit denjenigen Aeuße rungen einverstanden, welche für die Richtung dieser Straße durch die Bergstraße nach Heidelberg geschehen sind. Ab- gesehen von der Frage der Richtung nach Heidelberg, ist je denfalls die nördliche und südliche Bahn, von der Kurhessis ſchen Grenze bis zum Badischen von der Staatsregierung als proponirt anzusehen, weil höchstdieselbe in den Motiven zu dem Gesetzesentwurf solche bezeichnet und angedeutet bat. Ist aber dies der Fall, dann folgt schon daraus, daß über diese Proposition gesondert abgestimmt werden muß. 55 ز Ich bemerke dies in Beziehung auf einen gestellten Ans trag, wonach sämmtliche Eisenbahnstraßen, die hier in dieser Kammer zur Sprache gekommen und beantragt worden sind, alle in einen Bund zusammen gepackt werden sollen. Dies kann durchaus nicht gehen, schon aus dem Grunde nicht, weil die bezeichnete Bahn von der Staatsregierung proponirt ist, also darüber abgestimmt werden muß; es kann aber auch schon der Natur der Verhältnisse nach nicht gehen, weil in Bezug auf die verschiedenen Eisenbahnanträge ein Abgeordne ter verschiedene Ansichten haben und bei der einen beantrags ten Bahn beitreten, bei einer anderen beantragten aber nicht zustimmen kann; es würde daher eine Störung in der Freiz heit der Abstimmung bezwecken, wenn ein solcher Abgeordnes ter genöthigt sein sollte, über sämmtliche Bahnen auf einmal abstimmen zu müssen, besonders wenn man erwägt, daß die Anträge zur Bedingung für die Annahme des Gesetzes ges macht worden sind, wovon ich noch besonders reden werde. Bezüglich der Bahnrichtungen, welche Gegenstände einzelner Anträge sind, muß ich dem Antrag, daß die Stadt Offen= bach, sei es nun in die nördliche oder füdliche Bahnlinie auf- genommen werde, aus den dafür angeführten Motiven bei- treten und wünschen, daß es der Staatsregierung auch gelin, gen möge, diese Aufnahme im Interesse der Stadt Offenbach zu erzielen. Bezüglich der beantragten Eisenbahn von Darmstadt nach Mainz erlaube ich mir nur im Allgemeinen, auf die vorges brachten Gründe geſtüßt, zu erklären, daß ich für dieſe Trace allerdings auch stimmen werde. Ich gehe in die bes reits angegebenen Gründe nicht weiter ein, sebe aber aller- dings biernach diese Bahn in Beziehung auf die Stadt Mainz als eine sehr wichtige an, und glaube, daß man das Interesse der Haupthandelsstadt Mainz, namentlich auch durch Anlegung dieser Bahn berücksichtigen soll. Doch vers mag ich zur Zeit noch nicht unbedingt für diese Bahn zu stimmen, sondern nur dafür, den Untrag der Staatsregierung zu empfehlen, und einer Vorlage hierüber entgegen zu sehen, und dies um so mehr, weil Sie vorhin selbst von dem Herrn Regierungscommissär vernommen haben, daß die Frage, wie diese Bahn ausgeführt werden soll, bezüglich ihrer Endrichtung noch manchen Schwierigkeiten unterliegt, und endlich weil man doch genau über die Kosten unterrichtet sein muß. Nun komme ich noch auf einen schon vorhin berührten Punkt zurück, den ich für einen wichtigen halte. Es ist nämlich der Antrag gestellt worden, daß die Annahme des 1 ! } ; 56 1 Gefeßes bedingt werde von der Annahme der gestellten und in einen Bund zusammengefaßten Anträge bezüglich der ein, zelnen gewünschten Eisenbahnen. Hieran vermag ich keinen Theil zu nehmen. Ich gestehe Ihnen, es war mir vom ers sten Augenblick an der Gedanke nicht fern, daß dieses allers dings für alle diejenigen Mitglieder unserer Versammlung, welche die Absicht haben, daß überhaupt gar keine Eisenbahn gebaut werden soll, das erwünschteste Mittel ist, daß hierdurch dieses Ziel, welches sie beabsichtigen, erreicht wird. Ich gebe zu, daß man solche Bedingungen für eine einzelne Bahn machen kann. Allein was sehen wir voraus? Jedens falls, daß auch die Staatsregierung in der Möglichkeit sich befindet, auf die Wünsche der Stände bezüglich jeder einzeln beantragten Bahn eingehen, sie erfüllen zu können. Aber überlegen Sie, die Nord und Südbahnen werden ge. meinschaftlich durch die betreffenden Regierungen gebaut. Hier hängt die Staatsregierung nicht allein von sich ab, ſondern sie muß im Verein mit den andern Regierungen zu Werke gehen. Wenn nun dieſe es nicht thun, so können Sie der Staatsregierung keinen Vorwurf machen, wenn sie das, was für sie eine Unmöglichkeit ist, bei dem besten Wil len nicht zu bewerkstelligen vermag. Ich bin überzeugt, die Staatsregierung wird aus allen ihren Kräften sich bemühen und sich bestreben, daß die Wünsche der Stände möglichst re- aliſirt werden; aber ob sie dieselben allenthalben und durch- gängig realisiren kann, das vermag ich nicht zu fager, und darum können wir auch nicht die Annahme solcher Anträge zur Bedingung der Unnahme des Gesetzes machen, wenn die ſes nicht dahin führen soll, daß wir um die Vortheile des Eisenbahnsystems, welches unsere Staatsregierung gemeins schaftlich mit den betreffenden Regierungen ausführen will, kommen sollen, welches zu einer Verantwortung führen kann, die ich nicht auf mich nehmen will. Der Ubg. Ramspeck: Der Abgeordnete Zulauf hat vor- hin über die Einmündung der projectirten Eisenbahn von Norden in unser Land und die Möglichkeit einer theilweisen Fortsehung derselben in der Nähe von Alsfeld, Kirtorf und Homberg, sowie wegen Unnäherung an die Richtung der Bahn bei Neustadt, Einiges bemerkt, was ich nur bestäti gen kann. Nach einer Notiz, die ich aus zuverläßiger Quelle erhal ten habe, liegt die Möglichkeit vor, in dem Schwalmthale auch noch unser Land zu berühren, so daß die Bahn noch 37 weiter in die Provinz Oberhessen eingeführt, und nur allen, falls 2 Stunden Umweg zu machen braucht. Was sodann die Bahn zwischen Darmstadt und Mainz betrifft, fo glaube ich, wie viele meiner Herren Collegen sich auch bereits ausgesprochen haben, daß diese Bahn auf keinen Fall zuerst zu bauen ist; die Staatsregierung hat sie über: dies nicht proponirt und es liegen auch noch keine näheren Voranschläge darüber vor. Ich glaube daher nicht, daß wir über einen Untrag in dieser Beziehung schon jetzt einen bestimmten Beschluß faſſen können. Ferner halte ich mich verpflichtet, mich einer Aeußerung des Abgeordneten G. Schenck, die er in seinem lehten Vor- trag gethan hat, ganz anzuschließen. Auch ich bin weit ents fernt gewesen, bei meiner Unterstüßung des Antrags des Ub: geordneten Rauſch beabsichtigt zu haben, daß wir uns auf den Bau der oberhessischen Bahn allein beschränken sollten, ſondern ich bin ganz dafür, daß die Bahn von Norden nach Süden, von Kaſſel über Marburg, Gießen, Friedberg, Hanau, Offenbach, Frankfurt und weiter über Darmstadt und Heidels berg gebaut werde. Jedoch hielt ich, den Anfang mit der ober- hessischen Bahn zu machen, am räthlichsten, namentlich möchten die Planirarbeiten, wenigstens in den ersten 2 Jahren hindurch, nur auf diese Bahn ausgedehnt, aber nicht gleichzeitig auss¨ geführt werden, wodurch es möglich wird, noch Erfahrungen darüber zu machen, ob nicht in der einen oder anderen Be, ziehung beffer und billiger gebaut werden kann. Der Abg. Becker (von Ortenberg): Ich glaube mich nur gegen die mehrfach angedeutete Unsicht verwahren zu müssen, als hätten die oberheffischen Abgeordneten sich verab redet, nur für die Bahn in der Provinz Oberheffen zu stim, men; ich habe schon bei der gestrigen Berathung ausdrücklich erklärt, daß ich für die ganze vorgeschlagene Eisenbahn von der kurhessischen Grenze bis zur badischen Grenze im Süden des Großherzogthums stimme. Allein der Wunsch, zuerst mit dem Bau der oberhessischen Bahn den Anfang zu machen, ist schon mehrfach begründet und motivirt worden, so daß ich nichts weiter darüber zu sagen brauche. Es war ferner auch dieser Untrag durchaus an keine Be: dingung geknüpft, und ich begreife daher nicht, wie mehrere Abgeordnete diesem Antrag einen so großen Werth haben beilegen können. Es hängt ja von der Staatsregierung ab, ob sie diesem Wunsch entsprechen will, oder nicht? : 58 > { 1 ¡ Der Abg. Valdenberg: Ich war nie anders gemeint, als daß die nördliche und südliche Eisenbahn, beide zusam men, in Aussicht gestellt werden sollen. Als ich aber mich dafür erklärte, die nördliche Bahn zuerst in Arbeit zu nehmen, hat mich der nämliche Grund beherrscht, den der Abgeordnete G. Schenck als Cardinalgrund angegeben hat, nämlich weil nach den Nachrichten, die ich vernommen. bei dieser Bahn Gefahr auf dem Verzug stünde. Nehme ich dies an, ſo mag meine Ansicht in dieser Beziehung ganz gerechtfertigt sein, und ich bleibe daher auch definitiv noch immer dabei, daß man mit dem Bau der nördlichen Bahn anfangen möge. Was die Rentbarkeit dieser Bahn betrifft, so läßt sich darüber gar nichts sagen. Wenn aber der Abgeordnete Glaubrech sich so bestimmt darüber aussprechen zu können glaubt, so kann ich ihm nicht beistimmen. Ich bleibe unbe dingt bei der Unsicht, daß auch die nördliche Bahn, sowohl hinsichtlich des Personen als des Waarentransports, mehr Rentbarkeit darbietet, als die Starkenburgische Bahn. Sie müssen nicht den außerordentlichen Waarenzug vergessen, der fich im ganzen Norden von Deutschland bilden und sich bis nach Schlesien erstrecken wird, und der ganz diese Bahn passiren dürfte. Wir werden in Zukunft auf dieser Bahn alle unsere Wolle beziehen. Alles was von Breslau, Magdeburg, Ber- lin, über Leipzig, Dresden 2c. kommt, werden wir dahin ges her sehen. Dies können wir nicht bezweifeln. Es ist übri gens allerdings richtig, wir werden bei unseren Eisenbahnen in Beziehung auf die Fonds von Einem zum Undern getrieben. Zuerst war nur die Rede von Aufbringung einer Summe bis zum Betrag von 8 oder 9 Millionen; dann war die Rede von 12 oder 14 Millionen und wahrhaftig, meine Herren, wenn wir noch ein klein Bischen weiter gehen und fiatt 14, 16 Millionen ausgeben wollten, so sollten wir, glaube ich, uns dazu bestimmt sehen, uns in unserm Nationalgefühl fo zu erheben, daß wir Eisenbahnen, was die Geldausgaben be trifft, ganz für uns allein bauen sollten, und uns nicht um Nachbarstaaten zu bekümmern brauchten, in so ferne diese nicht ihre Bahn an die unsrige hängen wollten. Wir sollten dann aber von der badischen Grenze bis nach Mainz bauen, von Darmstadt über Offenbach nach Friedberg und Gießen, dann würden die Andern schon nach: und uns entgegen kommen. Wenn wir davon ausgehen, daß wir mit 16 Mil lionen und an den Laden legen wollen und können, (ich mache Sie aufmerksam darauf, es würde mit 16 Millionen das 1 59 A i Werk sich ausführen lassen,) so könnten wir am Ende blos heſſiſche Bahnen haben und wir sind in der That dieſen 16 Millionen weiterer Schulden gewachsen. Unser Staat ist ſo rangirt, daß diese 16 Millionen zu tragen sind, wenn er anfängt Partialobligationen auszugeben und solche späterhin mit Papiergeld unterstützt. Wenn Sie auf diese ungeheueren Summen eingehen wür- den, so würde ich es als ein reines Nationalunternehmen be trachten. Sie bekämen dann eine Bahn von der badischen Grenze bis nach Mainz, von Offenbach eine nach Gießen und würden Frankfurt auf diesem Wege die Stirne bieten, daß dieser Nachbarstaat sich wohl geneigter zeigen wird, uns entgegen zu kommen. Wir haben vernommen, daß man nicht nach Mannheim, ſondern nach Heidelberg zu bauen soll. Wir betrachten Mannheim als die stärkste Concurrentin von Mainz. Darum wäre allerdings zu wünschen, daß die Bahn nach Heidelberg gebaut wird; und wir würden bei den eben in Rede stehenden Opfern gar nicht die Zustimmung des Auslandes nöthig haben, sondern das Ausland hätte Ursache, sich mehr um unsere Zustimmung, wie wir uns um die seis nige, zu bekümmern. Ich schließe übrigens mit der Bemerkung, daß ich, auch ein Eisenbahnmann, durchaus für Eisenbahnen bin, und daß ich in diesem Sinne auch abstimmen werde; allein ich sehe nicht ein, wenn die Kammer sich dafür erklärt, daß wir aus Staatsmitteln bauen, und sich bereitwillig zeigt, die Aufnahme der Gelder dazu zu garantiren, warum wir mit der nördlichen Bahn nicht beginnen und die südliche in Aussicht stellen können. Um so mehr wäre mit der südlichen noch zu zusehen, weil so viele andere Fragen daran gehängt werden und die Staatsregierung wegen Frankfurt und Baden uns noch nichts bestimmtes mitzutheilen vermag. Der Abg. Aull: Ich bin nur durch die Aeußerungen der Abgeordneten Graf Lehrbach und von Grolman veranlaßt worden, noch einmal in dieser Sache das Wort zu nehmen. Der Abgeordnete Graf Lehrbach findet es auffallend, daß wir, was die Richtung der Bahn betrifft, allzu ſehr in's De= tail eingehen, und der Abgeordnete von Grolman hält es für unpassend, daß wir an gewisse Richtungen eine Bedingung knüpfen wollen, in der Weise, daß das Gesetz gar nicht an- genommen werden soll, es sei denn, daß der Bahn diese Richtung gegeben oder die bezüglichen Puncte berührt werden. Auch ich bin keineswegs geneigt, der Staatsregierung solche Bedingungen vorschreiben zu wollen; aber der Herr Regie. } J 1 ? 60 rungscommiſſär hat in seinem lehten Vortrag eine Bemerkung gemacht, die es mir, als Abgeordneter der Stadt Mainz, zur besonderen Pflicht macht, darauf zu bestehen, daß die Richtung der Bahn bestimmt und daß an gewisse Richtungen sogar die Bedingung der Annahme des ganzen Gesehentwurfs geknüpft werde. Ich will vorerst de damno vitando sprechen. Wenn die Bahn nach der Südgrenze der Provinz Starkenburg nicht in Heidelberg ausmündet, sondern nach Mannheim geführt würde, so wäre das Todesurtheil über Mainz gesprochen. Der Abs geordnete Städel ist bekanntlich Präsident der Handelskammer von Mainz, also instruirt in allem, was sich auf den Handel und die Schifffahrt von Mainz bezieht. Er wird Ihnen be zeugen, daß alle Reisende, welche vom Oberrhein kommen. und welche die Dampfschiffe bisher zum großen Theile der Stadt Mainz zugeführt haben, die Dampfboote, wenn die projectirte südliche Bahn in Mannheim mündet, zu Mannheim verlassen, von da mit der Eisenbahn nach Frankfurt und dann weiter, mit Umgehung von Mainz, nach Bieberich gehen und sich dort wieder in die Dampfschiffe einschiffen werden. Mainz, welches bereits dadurch, daß das preußische Rheinschifffahrtss octroi nicht mehr zurückvergütet wird, den größten Theil sei- ner Spedition und seinen ganzen Großhandel verloren hat, welches jest schon unzählige Arbeiter und Taglöhner, die sonst bei diesen Geschäftszweigen ein rechtliches Auskommen fanden, in Mangel und Dürftigkeit verseht sieht, wird den Verlust des Fremdenzugs, der bisher den Gastwirthen, Lohn: kutschern und Lohnbedienten und einer nicht unbedeutenden Anzahl von sogenannten Commiffionären eine erkleckliche Nah- rungsquelle verschaffte, zum Vortheile einer Badischen Stadt erleiden, die ohnehin schon den größten Theil seines Handels an dem Oberrhein und zwar dadurch an sich gerissen hat, daß ihre Regierung das preußische Rheinschifffahrtsoctroi zu- rück erstattet. Ich berge daher nicht, daß ich für die südliche Bahn, vorbehältlich dessen, was ich in dieser Beziehung in der gestrigen Situng gesagt habe, nur dann stimmen werde, wenn ihre Richtung nach Heidelberg ausdrücklich beschlossen und die Vereinbarung über deren Erbauung an die Bedin- gung, daß sie nach Heidelberg und nicht nach Mannheim die mündet, geknüpft wird. Da wo es fich für die Stadt, mir ihre Interessen anvertraut hat, von einerLebensfrage han: delt, halte ich es für Pflicht, alles und jedes Mittel anzu- wenden, um solche Gefahr von ihr zu entfernen; und ich bin von der Gerechtigkeit, von dem Patriotismus meiner ehren. [ 61 werthen Collegen aller`Provinzen überzeugt, daß sie mich in meinen Anträgen unterstützen werden. Ich sehe übrigens gar nicht ein, warum unsere Regierung, warum die Großhers zoglich Hessischen Kammern hier nachgeben sollten? Ist unser Staat nicht, gleich Baden, Mitglied des deutschen Bundes? Steht der Großherzog in seinen Rechten als Souverain dem Großherzog von Baden nach? Ist die Wohlfahrt unseres Landes und jene seiner größeren Städte weniger werth, als jene der Badischen Unterthanen und Städte? - Wahrhaftig nicht. Es muß vielmehr Baden alles daran gelegen sein, daß wir seine von Konstanz bis Heidelberg erbaute oder noch zu erbauende Bahn bis Frankfurt fortsehen, weil sonst diese Bahn die wesentlichsten Vortheile, nämlich die Verbindung mit Frankfurt entbehren würde. Unter so günstigen Umstän den hängt Baden von uns ab. Wir können ihm das Geſet machen und wir sollten im Gegentheil Baden eine so grave Concession machen, welche, wie bereits gesagt, die Stadt Mainz unvermeidlich an den Abgrund führen, sie zu Grunde richten würde? So sehr ich daher auch mit den gewiß sehr loyalen Aeu- Berungen der beiden ehrenwerthen Abgeordneten Graf Lehrbach und von Grolman dahin übereinstimme, daß der Staatsre gierung ohne Noth die Hände nicht gebunden werden dürfen, ſo erscheint es doch hier als meine Pflicht, das äußerste Mit- tel, um Mainz vor dem Untergange zu bewahren, zu ergrei fen, sofort dahin anzutragen, daß die Vereinbarung über den Bau der südlichen Bahn ausdrücklich an die Bedingung ge- knüpft werde, daß diese Bahn nicht nach Mannheim münden darf, vielmehr nach Heidelberg geführt werden muß. Ich erwarte von jedem loyalen Hessischen Deputirten, auf jeden Fall aber von jedem meiner Collegen aus Rheinhessen, daß sie die erste Handelsstadt des Landes, die Hauptstadt der Provinz Rheinhessen, durch ihre Zustimmung zu einer nach Mannheim mündenden Bahn nicht zu Grunde richten lassen, vielmehr einstimmig mein Amendement unterstüßen werden. (Der Abg. Lotheißen unterstüßt den Antrag des Abgeord neten Aull:) Der Abg. Aull (fortfahrend): Was die Frage betrifft, ob von hier über Kostheim nach Kastel gebaut werden soll, oder von hier auf die Mainspitze, so möchte ich gern darüber hinweggehen, ich muß aber dennoch Einiges berichtigen, was in dieser Beziehung geäußert worden ist. Man hat behaup tet, diese Bahn koste mit Inbegriff der Brücke, die zu diesem Ende bei Kostheim über den Main gebaut werden müſſe, 7 • 62 2,500,000 fl. Ich bin kein Techniker, glaube aber, auf die Meinungen von Technikern gestüßt, daß die Bahn an und für sich selbst, da das Gelände nicht theuer ist und keine Tunnel, noch Viaducte oder Brücken zu bauen sind, nicht einmal anderthalb Millionen kosten wird, selbst in der Unter stellung, daß man eine Brücke über den Main bauen würde, denn man hat jeht dergleichen Brücken von Eisen, die viels fältig angewendet werden und sehr wohlfeil sind. Ich bin noch unlängst mit dem Reisenden einer französi, schen Fabrik dieser Art zusammengetroffen, welcher mich ver sicherte, daß seine Fabrik eine solche ciferne Brücke über den Main für 100 bis 150,000 fl. liefern würde. Indessen bedürfen wir einer solchen Brücke nicht und es ist ganz und gar nicht meine Absicht, daß sie erbaut werde; ich sehe nicht ein, warum wir unſere Paſſagiere der Taunus- eisenbahn zuführen sollten, um auf derselben an Mainz vorbei nach Bieberich und Wiesbaren zu gehen; wir gehen viel bess fer geraden Wegs nach Mainz, und dazu brauchen wir keine Brücke, sondern eine Dampffähre, deren Sie in Belgien viele antreffen, womit man in wenig Minuten an Stellen über die Schelde fährt, wo sie siebenmal breiter ist, als der Rhein bei Mainz. Wenn wir einen Schienenweg von Heidelberg über Darm- stadt nach Mainz erbauen und wir willigen ein, denselben 4 Stunden oberhalb Kastel in die Taunusbahn einmünden zu lassen, so würde die Actiengesellschaft der Taunuseisenbahn. fich leicht entschließen, die erforderliche Brücke auf ihre Kosten zu erbauen. Aber das wollen wir nicht, weil dies gegen un, ser Interesse und das Interesse unseres Landes wäre. Man hat gegen die Ueberfahrt vermittelst einer Dampffähre einge- wendet, daß die Communication zwischen der Mainspitze und Mainz dann während 4 Monaten im Jahr unterbrochen und die Bahn ohne Ertrag sein würde. Dies würde auch vor- aussehen, daß wir 4 Monate lang strengen Winter hätten; ich' compromittire aber auf die Register des Finanzministeriums, worin angegeben sein muß, wie viel Tage lang im Jahr die Mainzer Rheinbrücke nach einem zehnjährigen Durchschnitt abgefahren war. Ich bin versichert, daß bei einer genauen Prüfung sich ergeben wird, daß dieser Zustand, ein Jahr in's andere, nicht länger als 14 Tage gedauert hat. Wenn nun überdies diese Epoche in die Zeit fällt, wo wenig gereist wird, so kann dieser Umstand an der Rentabilität der Bahn nichts ändern. Ich habe mich bereits über den voraussichtlichen Ertrag der Bahn geäußert und bemerke daher nur noch, daß 、 63 nicht zu bezweifeln ist, es werde ein großer Theil der höchst beträchtlichen Kasteler Einnahme der Taunuseisenbahn auf die Bahn von der Mainspite nach Darmstadt übergehen. In Darmstadt, sowie in Mainz, werden die Gasthäuser, naments lich in den Monaten August bis October, nicht hinreichen, um alle Reisende aufzunehmen, besonders wenn man die Un- kunft und den Abgang der Bahnzüge auf eine dem Antheil der Stadt Darmstadt entsprechende Weise einrichtet. F Am Schlusse rufe ich Ihnen wiederholt zu: Keine Bahn nach Mannheim. Wollen Sie die Kosten der Zweigbahn nach der Mainspiße nicht aufwenden, so suspendiren Sie den ganzen südlichen Bahnbau, bis derselbe so ausgeführt' werden kann, daß er für Mainz nicht verderblich wird. Der Abg. Otto: Ich komme noch einmal auf die Rich. tung der Eisenbahn von Darmstadt über Offenbach nach Frankfurt, also auf die Aufnahme Offenbachs in die Haupt- linie, zurück. Wenn auch wirklich diese Stadt nur einmal des Tags von dem Hauptzug berührt werden sollte, so wird dies vollständig für ihren größeren Fabrik: und Speditions: verkehr hinreichen. Eine einmalige Fahrt würde dem größeren Verkehr genügen. Was den Localverkehr betrifft; so bedarf Offenbach keiner weiteren Verbindung mit Frankfurt, für diese ist bereits hinlänglich gesorgt, aber im Interesse des Bahn: unternehmens würde es liegen, diesen Lokalverkehr, den man dem zwischen Nürnberg und Fürth gleichgestellt hat, zur Er zielung eines höheren Ertrags auf die Eisenbahn zu leiten. Dies läßt sich auch sehr gut ausführen, weil auf der Haupt- bahn ja nicht den ganzen Tag gefahren wird, und wenn wirklich nur ein oder zwei Hauptzüge, einer Abends, der an- dere Morgens, durchpassiren, so kann die Zwischenzeit benut werden, um zwischen Frankfurt und Offenbach so viel Wa- genzüge geben zu lassen, als für den Verkehr nöthig sind. Aehnliche Einrichtungen bestehen allenthalben bei den Post- curfen und bei der Dampfschifffahrt. Die Kölnische Dampf, schifffahrtsgesellschaft läßt z. B. jeden Tag mehrere Dampfs ſchiffe auf dem Rheine zwischen Mannheim und Köln direct gehen und dessen ungeachtet fahren täglich Localdampfschiffe zwischen den Städten Bingen und Mainz. Es ist vorhin von dem Abgeordneten von Rabenau erklärt worden: er halte auch die Erbauung einer Lokalbahn von Frankfurt nach Offenbach für genügend, besonders, da nach den Bemerkungen des Herrn Regierungscommissärs schon ein Vertrag zwischen Frankfurt und dem Großherzogthum bestehe, wonach eine solche Bahn gebaut werden soll. Es ist aller { $ 1 64 } : dings ein solcher Vertrag abgeschlossen worden; ich habe den felben hier in Händen. Dem zu Folge hatte sich in Offen= bach eine Gesellschaft gebildet, welcher auf ihr Nachsuchen die Concession zur Erbauung der Bahn von unserer Regierung unterm 13. März 1838 ertheilt wurde. Diese Gesellschaft wurde ermächtigt, zum Behuf des Baues und Betriebs der genannten Eisenbahn auf gemeinschaftliche Rechnung mit den betheiligten Frankfurtischen Staatsangehörigen eine Actienge, sellschaft zu constituiren, Subscriptionen auf Actien anzuneh men, die zur Fortsehung der speciellen Richtung der Bahn nöthigen Vorarbeiten vornehmen zu lassen und die Statuten der Gesellschaft zu entwerfen Die Regierung der Stadt Frankfurt hatte einer dortigen Gesellschaft unter ganz gleichen Verhältnissen, unter gleichen Bedingungen, eine vorläufige Concession ertheilt. Der Theil der Gesellschaft, welcher sich in der Stadt Frankfurt befand, hatte bereits die Statuten entworfen und dieselben der Offen, bacher Gesellschaft mitgetheilt. Die Letztere hatte ihre Bemer kungen dazu gemacht und Beides, den Entwurf und die Bes merkungen, unter Anschluß eines Plans über die specielle Richtung nebst den Kostenvoranschlägen, der Frankfurter Ges sellschaft zur demnächstigen weiteren gemeinschaftlichen Beras thung zurückgegeben. Hiermit schließt sich aber auch die ganze Geschichte. Es hatte mittlerweile die Staatsregierung die Zustimmung zur Einmündung der Taunuseisenbahn nach Ka- stel gegeben und von dieser Zeit an hat die Frankfurter Ei- senbahngesellschaft nichts wieder von sich hören lassen, auf feine Erinnerung, fie mochte mündlich oder schriftlich erfolgen, eine Antwort gegeben. Sie sehen also daraus, meine Herren, was von diesem Vertrag zu halten ist; ich bin überzeugt, es wird auf diesem Wege niemals eine Bahn zwischen Frankfurt und Offenbach in's Leben treten, weil man in Frankfurt nicht. gesonnen ist, den Nachbarorten, und namentlich Offenbach, cine directe Verbindung mit dem dortigen Bahnhof zu ge- statten. Der Abg. von Steinherr: Ich habe seither keinen Theil an der Discussion genommen, aus dem Grunde, weil dieselbe so gediegen und gründlich geführt worden ist, daß ich es in der That für vermessen gehalten hätte, über den Gegenstand der Berathung noch viel zu reden. Indessen ist dieser Gegena stand besonders in der Lage, in welcher er sich in dem Augenblick in der Discussion befindet, von so hoher Wichtigkeit, daß ich es für die Pflicht eines jeden Abgeordneten halte, mindestens seine 1 65 Ansicht vorzutragen und die Gründe, die demnächst seine Abstimmung motiviren werden; mit einigen Worten zur Kenntniß der verehrlichen Kammer zu bringen. Ich gestehe offen, für die Abgeordneten aus der Provinz Rheinhessen, vielleicht mit Ausnahme der Abgeordneten der, Stadt Mainz, wird es zu einer sehr schwierigen Aufgabe, sich über die vorliegende Proposition zu äußern. Auch ich mache auf die Ehre Anspruch, mich der Zahl der Anhänger des Fortschritts anzureihen; als solcher bin ich auch ein Verehrer der Eisenbahnen, ich erkenne sie für die großartigste, die ein, flußreichste Erscheinung der neueren Zeit an. Durch sie ist es dem menschlichen Geiste gelungen, das Unmögliche möglich. zu machen, Zeit und Raum verschwinden, die Folgen sind, sie werden unermeßlich sein. In wiefern jedoch diese Folgen für das Großherzogthum vortheilhaft sein werden, kann nur der Zukunft vorbehalten bleiben, jedenfalls wird es proble: matisch sein. Dies haben die bereits darüber geäußerten vers schiedenen Ansichten, die Sie in der gestrigen und heutigen Discussion gehört, zur Genüge bewiesen. Eins nur ist ge= wiß, die Last, die ungeheure Last, die dem Lande dadurch aufgebürdet wird und von welcher es in Frage steht, ob das Land sie wird tragen können, ob es nicht darunter erliegen. wird. An dieser Last muß auch die Provinz Rheinhessen ver, hältnismäßig Theil nehmen, ohne die Aussicht auf irgend einen Vortheil zu haben, ohne die Aussicht, irgend etwas zu gewinnen. Es würde daher im Interesse dieser Provinz sein, gegen eine Proposition sich zu erklären, welche nur Opfer ver. langt, ohne ein Lequivalent dafür zu bieten. Indessen, meine Herren, ich bin nicht allein rheinhessischer, sondern ich bin auch Hessischer Abgeordneter; als solchen müssen mich höhere Rück- fichten leiten. Fordern es ftrategische, fordern es commerzielle und nationalökonomische Rücksichten, daß Eisenbahnen das Großherzogthum durchschneiden, dann ist es Pflicht der Stände, auch die Summen, die dazu erforderlich sind, zu votiren; es ist aber dann auch ihre heilige Pflicht, mit allen Kräften dahin zu wirken, daß das Institut die möglichsten Vortheile für das Inland bringe und ich glaube, mich im Berlauf unserer gestrigen und heutigen Berathung davon über zeugt zu haben, daß die Anträge des zweiten Präsidenten Heffe, des Abgeordneten Kilian, des Abgeordneten Lotheißen, ganz besonders aber der Antrag des Abgeordneten Aull, diesen Gesichtspunkt gehörig in's Auge faßten. Ich schließe mich daher ihnen vollkommen an und werde auch demgemäß meine künftige Abstimmung einrichten. 66 į i Der Abg. Graf von Lehrbach: Ich habe nur das Wort genommen, um, wie es mir scheint, ein Mißverständniß auf- zuklären. Der Abgeordnete Aull hat mich gänzlich falsch ver. standen, wenn er mir einen solchen Sinn bei der vorhin ge- thanen Leußerung zugetraut hat. Ich hätte gewünscht, daß man die Berathung vorzugsweise auf diejenige Richtung bes schränken möge, die in der Proposition der Staatsregierung enthalten oder wenigstens angedeutet ist, daß man die weite ren Wünsche, wobei ich namentlich die Bahn von hier nach Mainz und den Uebergang von hier über Offenbach nach Frankfurt genannt habe, als besondere Desiderien oder Ans träge, wenn auch an dieselben eine Bedingung geknüpft wers den wollte, behandeln möge. Es ist mir aber nicht in den Sinn gekommen, eine andere Direction für die Hauptlinie in der Bahn von der Badischen Grenze über Darmstadt nach Frankfurt, als eben die Direction von Heidelberg her in's Auge zu fassen. Keine andere Direction ist hier genannt worden. Wenn von einer Direction dieser Bahn die Rede war, so war stets die Rede von einer Direction derselben von Heidelberg her. Ich will sogar noch hinzufügen, daß auch ich gegen eine andere Richtung der Bahn, z. B. gegen die nach Mannheim entschieden stimmen, und lieber diese ganze Bahn ablehnen werde, so sehr bin ich von der Wichtigkeit dieser Richtung und von der Schädlichkeit der Richtung der Bahn nach Mannheim überzeugt. Wenn man also geglaubt hat, daß ich eine andere Absicht oder eine andere Meinung gesagt habe, so bin ich unrecht verstanden worden. Der Abg. Städel: Nach demjenigen, was der Abgeord nete Aull gesprochen und was allseitige Anerkennung gefunden, habe ich zu dem von ihm Gesagten lediglich meine Zustim mung zu erklären. Ich will mir nur erlauben, Ihnen einen einzigen Punkt hervorzuheben, daß, wie die Badische Regies rung so Bedeutendes für die Stadt Mannheim und den Mannheimer Hafen gethan hat, es doch nicht an uns ist, dasjenige zu fördern, was sie beabsichtigt, sondern daß wir, so viel als möglich, die eigenen Interessen wahren und in's Auge fassen müssen, und es findet auch diese Ansicht schon darin Begründung, daß im ganzen Verlauf der gestrigen und heutigen Discussion in dieser verehrlichen Kammer von keiner anderen Richtung, als von der Heidelberger, die Rede war. Wenn die Richtung nach Mannheim in Aussicht ge. nommen werden könnte, ſo müßte sich natürlich jeder rhein- hessische Abgeordnete, so würde sich überhaupt auch jeder loyale Abgeordnete dagegen aussprechen, nachdem nachgewiesen ist, 67 welcher ungeheure Nachtheil hierdurch einem Theil des Landes zugefügt werden würde. Der Abg. Glaubrech: Der Abgeordnete Aull ist mir bes reits bezüglich mehrerer Bemerkungen, die ich mir auf die Aeußerungen mehrerer Abgeordneten erlauben wollte, zuvor: gekommen und ich beschränke mich daher darauf, im Wesentli chen demjenigen beizustimmen, was derselbe vorhin ausges führt hat. Auch mir verursacht es jedesmal ein schmerzliches Gefühl, ſo oft ich in dieser verehrlichen Versammlung den Einwand höre, daß diese oder jene Regierung ihre Zustim mung nicht geben würde. Wir liegen mit unserem Lande doch in der Mitte zwischen Baden, Frankfurt und Kurhessen und ich glaube, daß, wie auch schon der Abgeordnete ull bemerkt hat, alle diese Regierungen gewiß ein eben so großes, ja ein noch größeres Interesse bei der beabsichtigten Eisenbahn haben, als unsere Staatsregierung. So gut wir die Zustim mung dieser Regierungen bedürfen, bedürfen auch diese die Zustimmung der unsrigen, denn Kurhessen will und muß durch unser Land bauen, wenn es eine Eisenbahnlinie nach dem Großherzogthum Baden haben will; Baden ist in dem gleichen Falle, wenn es nach Frankfurt will, es muß alsdann durch unser Land bauen, und eben so Frankfurt, wenn es sich mit Baden oder mit dem Norden durch Oberhessen vera binden will. Ich glaube daher, daß unsere Regierung eben so sehr, wie die andern, in der Lage ist, einmal Bedingungen zu machen, oder ,,si non, non" zu sagen. Was wollen die anderen Regierungen und was wollen wir? Die anderen Regierungen wollen das Handelsinteresse ihrer Staaten und vorzüglichen Städte berücksichtigt und bevorzugt wissen; Ba- den will Mannheim, Kurhessen will Kassel, Frankfurt will seine Handelsinteressen gefördert sehen. Warum sollen und können unter diesen Umständen nicht auch die Interessen un- ferer vorzüglichen Handelsstädte, warum sollen und können denn hiernach auch nicht die Interessen von Mainz und Of fenbach, und ganz besonders jene der Stadt Mainz, welche so außerordentlich wichtig sind, in Schutz genommen und gefördert werden? Warum sollen gerade diese geopfert und zu Grund gerichtet und zerstört werden? Ich muß gestehen, daß es mir höchst schmerzlich sein würde, und daß ich es auf's Tiefste beklagen müßte, wenn bei einer Frage, wie die gegenwärtige, die wichtigen Interessen von Mainz zum Nachtheil dieser Stadt und des Großherzogs thums verkannt werden sollten, um so mehr, da wir für Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bo. 16 1 68 Mainz, ich bitte Sie, dieſes wohl zu erwägen, meine Herren, nicht etwa, um neue Vortheile zu erwerben, sondern nur um Abwendung großen Unglückes und großer Verluste käm- pfen, welche nothwendig eintreten werden, sobald man eine Eisenbahn direct von Frankfurt_nach_der_Badiſchen Grenze baut, ohne dieselbe zugleich von Darmstadt direct nach Mainz fortzusehen. Ich unterstüße daher eventuell nicht nur den heutigen Antrag des Abgeordneten Aull, daß die Bahn nach der Badischen Grenze unter keiner Bedingung nach Mann- heim geführt werden darf; fondern eben so auch den gestrigen Antrag desselben, daß auch eine Bahn von Frankfurt nach Heidelberg nur unter der Bedingung erbaut werden solle, wenn dieselbe gleichzeitig über Darmſtadt_direct_nach Mainz ausgeführt werde. Der Abg. Lotheißen: Weder in dem Geſetzesentwurf, noch in den Motiven dazu, noch in dem Vortrag des Herrn Regierungscommissärs, womit beide der Kammer überreicht wurden, findet sich irgend eine bestimmte Andeutung darüber, welche Richtung die Bahn nehmen werde. Es ist bloß ganz allgemein gesagt worden, von der Kurhessischen Grenze über Gießen und Darmstadt bis an die südliche Grenze der Provinz Starkenburg, oder bis an die Badische Grenze. Es bleibt nun der Zweifel übrig, ob von Darmstadt aus die Bahn nach Mannheim oder Heidelberg gehen werde. Dies und die Ueberzeugung, daß ich lieber gegen alle Eisenbahnen gestimmt haben würde, als die Bahn nach Mannheim dirigirt zu sehen, gaben mir die nächste Veranlassung, meinen desfallsigen Un- trag zu stellen. In der Leußerung des Herrn Regierungs- commiſſärs über diesen Antrag, die durch den Ausschuß pro, vocirt wurde, ist ebenfalls über eine bestimmte Richtung der Bahn nichts gesagt. Ich habe heute auf das Bestimmteste um eine solche Aeußerung des Herrn Regierungscommissärs gebeten und darauf hingewiesen, daß sie nothwendig sei. Sie ist uns auch heute nicht im Sinne der Motion geworden, sondern nur in so allgemeinen und ausweichenden Ausdrücken, daß man in der That glauben möchte, es werde die Staatss regierung eher sich veranlaßt sehen, der Bahn die Direction. nach Mannheim, als nach Heidelberg zu geben. Diese un- beſtimmte Erklärung des Herrn Regierungscommiſſärs rief auch in mir die Absicht hervor, einen Antrag stellen zu wol len, den der Abgeordnete Aull vorhin gestellt hat; ich ergreife daher die Gelegenheit, diesen Antrag zu unterstüßen. Der Abg. v. Grolman: Bergönnen Sie mir, meine Herren, daß ich noch einige Worte zum Schlusse zu Ihnen ! 69 : rede. Ich bedaure unendlich, daß ich dem ehrenwerthen Mit gliede dieser Versammlung, unserem Collegen Aull, durch meine vorhinige Aeußerung Veranlaffung gegeben habe, Ges fühle in sich hervorrufen zu sehen, die ihm unangenehm ge- wesen sind; es ist mir dieß um so schmerzlicher, wenn meine Aeußerungen dazu beigetragen haben sollten, hiermit meine Loyalität und Rechtlichkeit in Verbindung zu bringen. Doch ſo unangenehm auch mir diese Verhältnisse sind, so haben sie doch wieder zu etwas Erfreuendem für mich geführt, nämlich zu der Aufklärung der Sache, die ich Ihnen schuldig bin. Ich gebe zu, daß ich vorhin etwas zu generell mich geäußert habe. Der Grund davon hat darin gelegen, weil die sämmts lichen Anträge, welche in Beziehung auf die verschiedenen Tracen vorgebracht worden sind, alle in einem Bund zusam: mengepackt und alle zu einer Bedingung für die Annahme des Gesetzes gemacht worden waren. Dieß hat Veranlassung gegeben, daß ich nun auch generell mich äußern und mir die Erlaubniß nehmen mußte, Sie auf die Folgen davon auf. merksam zu machen. Ich habe, ich gestehe es Ihnen offen, nicht die Bahn, in fo fern die Richtung derfelben nach Hei- delberg zur Sprache gekommen war, hierbei in's Auge gefaßt, sondern ich habe die Bahn von hier nach Mainz und hauptsächlich die Richtung der Bahn von Offenbach nach Frankfurt bezüglich der nördlichen oder südlichen Eisenbahn, welch' lettere zu Begründung der Vereinbarung mit den be- treffenden Regierungen nur problematisch erscheint, im Auge gehabt. Ich bin für beide Bahnen, ich bin namentlich für die von Darmstadt nach Mainz. Aber ich kann nicht dafür sein, daß von diesen speciellen Anträgen die Eristenz des Ges setzes abhängig gemacht werde, und ich kann deshalb um so mehr mich rechtfertigeu, weil die Eisenbahn - Proposition der Staatsregierung ja nicht den Gefeßesentwurf selbst ausmacht, denn dieser Entwurf verbreitet sich blos über die allgemeinen Grundsäte, auf denen in Zukunft die Eisenbahnbauten beru hen sollen. Jetzt, wo Veranlassung durch die Rede des Ab= geordneten Aull mir gegeben worden ist, mich noch specieller in Bezug auf die Eisenbahnen in der Richtung von hier nach Heidelberg äußern zu können, erkläre ich, daß ich in Bezies hung auf diese specielle Richtung ganz den Ansichten des Ab- geordneten Aull beitrete, daß ich auch hierselbst für die Stel- lung einer Bedingung stimmen werde, weil ich davon über- zeugt bin, daß, wenn diese Bahn nicht in der Richtung nach Heidelberg ausgeführt, sondern nach Mannheim gehen sollte, dieß uns nachtheilig ſein, jedenfalls aber für die Stadt Mainz. } 16* } } * * 70 1 der größte Verlust daraus entstehen würde, was ich natürlis cher Weise als Hesse gewiß nicht wollen kann. Ich hoffe, Sie werden in dieser meiner Erklärung in Beziehung auf meine vorhinige generelle Aeußerung eine genügende Erläute. rung finden. Der zweite Präsident Hesse: Nach der nun erst bestimmt entwickelten Intention der Staatsregierung haben wir zu berathen: 1) über den Gesehesentwurf, den Bau der Eisenbahnen im Allgemeinen betreffend; 2) über die Proposition zum Bau der Eisenbahn über Gie Ben nach der Badischen Grenze. Nach dieser Lage der Sache gehören die Desiderien und Bedingungen über die Richtung der Bahn nicht in die dem nächstige Abstimmung über den Gesetzesentwurf, sondern über die Proposition, und wenn man dieselbe im Verlauf der Dis cussion an den Gefesentwurf knüpfte, so gab dazu die Staats- regierung selbst Veranlassung. Der Abg. Frank (v. Reddighausen): Ich halte es an und für sich gar nicht so nothwendig, mit der Anlage von Eisenbahnen zu eilen und glaube nicht, daß sich die Besorg. nisse Mancher, als sei das Warten ein thörigtes Zurückweiſen sehr nahe liegender Vortheile, bald als begründet darstellen werden. Wenn man aber jetzt dennoch mit der Anlage von Eisenbahnen eilen will, so kann ich den Grund hierzu nur finden in dem Gedanken, daß, wenn man nicht schnell mit dem Bau anfangen werde, man für alle Zukunft es una möglich mache, sich in den Besit von Eisenbahnen zu ver- sehen und der daraus in der Folge vielleicht entstehende Scha- den nicht zu ersehen sein möge. Ift Gefahr vorhanden, den Eisenbahnzug durch die Provinz Oberhessen auf immer zu verlieren. wenn wir nicht eilen, indem, wie gesagt wurde, Frankfurter Banquiers Pläne machten, um unsere Provinz Oberhessen herum zu bauen, so ist allerdings, blos um uns für die Zukunft zu sichern, hier Eile nöthig. Wenn nun Mehrere in dieser Kammer derjenigen Bahn, welche durch Oberhessen ihren Zug nehmen soll, den Vorzug geben und dafür stimmen, daß man sie zuerst in Aussicht nehmen möchte, so finde ich diese Ansicht durch die erwähnte Gefahr begrün det, halte jedoch einen besonderen desfallsigen Antrag für überflüssig, indem schon die Verhältnisse hier Eile verlangen. Ueber die Richtung der Bahn nach dem Badischen läßt sich noch nichts bestimmen. So ist, glaube ich, der Provinzialis, mus, über den wir heute haben reden hören, nur scheinbar. 71 Zu dem Antrage, die Oberhessische Bahn zuerst zu bauen, konnte man durch andere Gründe bestimmt werden. Hiermit wird wegen vorgerückter Tageszeit die Berathung abgebrochen und zugleich II. die Situng aufgehoben, indem der Präsident die Forts sehung der Berathung auf die nächste Sihung, Montag, den 13. d. M., vertagt. Schenck, Zur Beglaubigung: Hesse, erfter Präfident. zweiter Präfident. Lotheißen, Pring, Sekretär. Sekretär. 1 : } : . 1 Separat-Protokoll, über die, am Schluffe der dreiundsechszigsten öffentlichen Sißung, gehaltene geheime Si k ung, in dem Sizungsfaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 13. Juni 1842. Unter Vorsig des Präsidenten Schenď. Gegenwärtig: der Herr Geheimerath Eckhardt, und 44 Mitglieder der Kammer. 1. Das Separatprotokoll über die am 9. dieses Monats abgehaltene geheime Sihung wird vorgelesen und genehmigt: 11. Der Tagesordnung gemäß schreitet die Kammer zur Fortsetzung der Berathung: über die Proposition der Staatsregierung, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen im Großherzogthum betreffend. Nach eröffneter Berathung bemerkt : 3u Artikel 2. (und zwar zunächst bezüglich der Emission von Papier geld.) ! 2 Der Präsident: Auf dem Landtage von 1835 1836 trug der erste Ausschuß der ersten Kammer darauf an, daß die Kosten, welche durch die Erbauung der vereinbarten Kunststraßen entstehen würden, vor der Hand größtentheils durch Emission von Kassenscheinen (Papiergeld) gedeckt wer. den möchten. Die erste Kammer nahm diesen Vorschlag an und auch die zweite Kammer trat ihm bei, obgleich sich bei der Berathung gewichtige Stimmen dagegen erhoben hatten. Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat indess ſen dem desfallfigen Unsinnen der beiden Kammern der Stände nicht willfahrt, vielmehr es im Landtagsabschied abgelehnt. Ich gehörte damals zu der Minorität, weil ich fürchtete, daß die Emiſſion von Papiergeld den Staatscredit schwächen und das baare Geld aus dem Lande bringen werde, Beides zum großen Nachtheil des Staats und der Staatsangehörigen, besonders in Zeiten der Noth, bei einem etwaigen Krieg; weil ich fürchtete, daß Papiergeld die Veranlassung sein. würde zu häufigen Fälschungen und durch dieselben zu bedeu- tenden Verlusten des Staats und der Privaten; weil ich das Unglück vor Augen hatte, was das Papiergeld über fremde Staaten z. B. über Frankreich gebracht hat, und aus andern Gründen mehr. Noch jezt habe ich diese Ansicht und ich halte es, wie damals, für eine Calamität unseres Landes, wenn man sich zur Emission von Papiergeld entschließt. Sollte dennoch eine solche beliebt werden, so muß vor der Entscheidung der Frage, welche Summe man in Umlauf ſehen will, alles genau geprüft, insbesondere untersucht wer- den, wie viel baares Geld im Lande circulirt. Ich bin hierin vollkommen mit demjenigen einverstanden, was unser verehr ter Herr Regierungscommissär damals in der ersten Kammer bemerkt hat, ich werde mir erlauben, dasselbe zu verlesen. (Der Präsident verliest die betreffenden Stellen aus den Berhandlungen erster Kammer von 1835 1836, Protokoll Bd. I. S. 513 und S. 518 und fährt sodann fort:) Die angedeutete Untersuchung hat, wie ich weiß, nicht stattgefunden; die Unsicherheit, welche damals obwaltete, wal tet noch ob; Grund genug für die Kammer, den Antrag der Staatsregierung, fie zu ermächtigen, Kaffenscheine bis zum Be trag von einer Million auszugeben, abzulehnen. Wenn aber auch dies nicht geschieht, dann ist wenigstens dasjenige noth- wendig, was der Ausschuß beantragt, und zwar mit Einhellig: keit, nämlich daß man das Nähere geſehlich beſtimmen müſſe, namentlich ob das Papiergeld einen gezwungenen Cours has ben soll, ob die Staatskasse verpflichtet sein soll, Jedem, der 1. S ? ihr Papiergeld präsentirt, baares Gelb dafür zu geben u. f. r. Wird gesetzlich ausgesprochen, daß die Staatskasse Jes dem, der ihr Papiergeld präsentirt, das baare Geld dafür ges ben soll, so ist der Nachtheil für die Privaten weniger groß, fie können sich für erhaltenes Papiergeld baares Geld ver- ſchaffen, wenn ſie dies brauchen; aber für die Staatskasse ist dies sehr gefährlich, besonders in dem Augenblicke, wo ein Krieg bevorsteht, wo sie alles Papiergeld zurück erhalten wird, während ihr baares Geld wesentlich nöthig ist. Denn mit Papiergeld läßt sich kein Krieg führen. Ich werde gegen die Proposition stimmen. Der zweite Präsident Hesse: Ich erkläre mich mit Al lem, was der Herr Präsident über die Emiſſion von Papier- geld gesagt hat, einverstanden und will nur noch Folgendes beifügen: Das Papiergeld des Großherzogthums wird, da sein Quantum und der Staat, von dem es ausgeht, klein ist, niemals auf dem Geldmarkte, namentlich auf dem Geldmarkte der uns so nahe gelegenen freien Stadt Frankfurt im vollen Betrag angenommen werden, oder es wird, wenn es anges nommen werden sollte, alsbald nach unserer Hauptstaatskasse zurückfließen; es muß also fortwährend die entsprechende Summe in der Hauptstaatskasse baar bereitliegen, und der Zinsengewinn, den man durch die Emission des Papiergeldes zu erzielen gedenkt, ist daher wenigstens meiner Ansicht nach rein illusorisch, oder so unbedeutend, daß er mit den sonstigen Nachtheilen, mit den Kosten der Fabrikation, mit der Hem mung im Verkehr, mit der Gefahr der Fälschung in keinem richtigen Verhältniß stehen wird. Ich erinnere an die Nach- theile, welche die Emiſſion des Papiergeldes im Jahr 1806 bei ausgebrochenem Krieg, und im Jahr 1830 bei einem im- minirenden Kriege in Preußen, also in einem großen Staate, der wohl eher im Stande war, den Cours seines Papier- geldes zu erhalten, veranlaßt hat. Der Abg. Schmitthenner: Ich erkenne im Allgemei nen die Bedenklichkeiten, welche unsere beiden Präsidenten gegen die Emission von Kassenanweisungen vorgetragen ha be, für gegründet an, aber ich glaube, daß, wenn blos etwa 600,000 fl. vorerst emittirt würden, große Nachtheile in der That nicht entstehen können. Dafür spricht das Beiſpiel und der Vortheil anderer Staaten. Selbst das Herzogthum Naf- sau, welches bedeutend kleiner ist, als das Großherzogthum Heſſen, hat ein Papiergeld dieser Art creirt, welches selbst in der freien Stadt Frankfurt Cours hat, wobei ich freilich 4 } 1: ¡ nicht bezweifele, daß die dortigen Banquiers, sobald größere Massen solchen Papiergeides verhanden sind, sie wieder an die nassauischen Kaffen zurückſchicken. Ich gestehe, wie ich auch im Bericht bereits gesagt habe, daß ich keine große Erleichterung der Staatskasse von der Emiſſion vom Papiergeld erwarte, aber ich glaube auch nicht, daß, wenn die emittirte Summe nicht zu bedeutend ist, die Gefahr sehr groß sein dürfte, indem nöthigenfalls dieselbe leicht wieder eingezogen zu werden vermögte. Dann mache ich darauf aufmerksam, daß das Papiergeld außer dem, daß es zur Ersparung von Zinsen dienen kann, auch einen Vor- theil darin bietet, daß es den Verkehr erleichtert. Ein Circulationsmittel dieser Art, welches leicht transpor tabel und verschickbar ist, läßt sich also aus staatswirthschaft. lichen Rücksichten empfehlen, wobei es sich von selbst versteht, caß es nicht in zu großer Masse und in einer, den Credit ge fährdenden Weise, emittirt werden darf. Darum werde ich recht gerne für die Emission einer be stimmten Summe in Kassenscheinen stimmen. Was darüber gesagt worden ist, daß noch eine weitere ge- ſehliche Bestimmung nothwendig sei, so bin ich allerdings ebenfalls der Ansicht, daß eine solche besondere Bestimmung nothwendig oder wenigstens räthlich ist, entweder in einem besonderen Gefeh, oder bei dem betreffenden Artikel des vors liegenden Entwurfes. Der Ausdruck:,,welche als baares Geld circuliren scheint mir nämlich zu wenig zu enthalten. Jedenfalls müßte bestimmt werden, daß bei dem von mir vor- ausgefeßten freien Umlauf die Großherzoglichen Kassen gehal ten sind, die Kassenanweisungen, wie dies schon ihr Name ſagt, jederzeit bei der Vorzeigung zu honoriren. Der Abg. Otto: Ich kann den Vortheil, welchen man sich von der Emission von Kassenscheinen verspricht, nicht hoch anschlagen. Dieser Vortheil, der zum Theil in Ersparniß der Anschaffungsprovision bei einem Anlehen, theils in Er. ſparniß der Zinsen besteht, wird in vielen Fällen wieder auf- gehoben durch die Verluste, welche die Schwankungen des Papiergeldes in ihrem Gefolge haben. In einem größeren Lande, welches eine ausgebildete Fabrikindustrie hat, die nicht nur den eigenen Bedarf an Fabrikaten befriedigt, sondern auch noch auswärtige Märkte mit ihren Fabrikaten versieht, kann ein Papiergeld allerdings einen großen Vortheil gewäh- ren. Einem solchen Staate ist es sogar möglich, selbst auf jenen ausländischen Märkten seinem Papiergelde Geltung fast im Nominalwerthe zu verschaffen, weil es dort als ein be- 5 07 quemes Zahlungsmittel zu Rimessen an jenen Staat be. nußt werden kann. Unders möchte sich aber die Sache in einem kleinen, wenig arrondirten Lande verhalten, und na mentlich in dem Großherzogthum Hessen, welches einen aus, ländischen, ſehr bedeutenden Waaren: und Geldmarkt um. schließt, von welchem es den größten Theil seiner Bedürfniß, gegenstände bezieht, an den es sehr bedeutende Zahlungen zu machen hat. Es wird ihm niemals gelingen, dort seinem Papiers gelde den Cours al pari zu sichern, weil die Rimeſſen von uns nach Frankfurt diejenigen von Frankfurt an uns bei weitem übersteigen. Wer dorthin Zahlungen zu leisten hat, würde, wenn fie in Papiergeld erfolgen, immer Verluste zu erleiden haben. Diese Verluste können so groß sein und so oft vor- kommen, daß sie die Ersparniſſe an Zinſen nicht nur ganz absorbiren, sondern unter Umständen noch weit übersteigen. Uber es sind nicht allein die Nachtheile, welche den Verkehr der Privaten treffen, in Betracht zu ziehen, ich kann selbst die Vortheile für unseren Staat nicht sehr hoch in Anschlag bringen. Denn gerade bei der eigenthümlichen Lage unseres Landes wird die Staatsregierung genöthigt sein, immer große Baarschaften in der Staatskasse parat zu halten, um die von Frankfurt und andern Orten zurückkehrenden Kassenscheine auf Verlangen augenblicklich auszuwechseln; sie muß also große Summen bereit halten, an denen auf jeden Fall die Zinsen verloren werden. Ich sehe daher in dieser Maaßregel keine Vortheile für die Staatsangehörigen, ich sehe nur Ber- luste für dieselben, und auch keine großen Vortheile für den Staat selbst; ich werde mich daher gegen die vorgeschlagene Maaßregel erklären. Der Abg. Lerch: Ich gebe zu, daß auf der einen Seite durch Emission von Kassenscheinen dem Staate eine bedeu- tende Summe an Zinsen gewonnen wird, aber auf der an dern Seite muß doch auch angenommen werden, daß durch falsche Kassenscheine für den Staat ein bedeutender Verlust herbeigeführt werden kann, welcher Verlust nicht gedeckt wer den könnte durch verloren oder zu Grunde gegangene Kaffen- scheine. Die Gefahr und der Verlust durch Emission von Kassenscheinen werden aber desto größer, je weniger Papier- geld in einem Staate nach Verhältniß des circulirenden baa- ren Geldes ausgegeben werden sollte. Sowie ich daher der Ansicht bin, daß man Papiergeld, was zu Kriegszeiten in seinem Werthe außerordentlich verliert, nur im äußersten Noth- falle bei dem Bau von Eisenbahnen ausgeben soll, so bin ich Bau_von auch des weiteren Dafürhaltens, daß Anleihen viel leichter auss 6 1 führbar sein werden, wenn man die Obligationen zu etwa 4 pCt. Zinsen in kleineren Summen ausstellt. Ich stelle daher den Antrag: nach den Worten:,,auf dem Wege der öffentlichen An- leihe aufgebracht" folgenden Zusatz zu machen: und zu dem Ende zu 4 pCt. verzinsliche Obligationen von 100, 200, 250, 500 und 1000 fl. ausgefertigt." Inzwischen aber sehe ich mich noch zu dem weiteren Ans trag veranlaßt: daß im Artikel 2, im zweiten Sage, nach den Worten: ,,außerdem ist die Staatsregierung ermächtigt" folgender Zusaß gemacht werde: sobald es derselben zur Förde. rung des Zweckes nothwendig erscheint." Ich beabsichtige hierdurch, daß Kassenanweisungen erst im äußersten Nothfalle ausgegeben werden sollen; ich glaube aber auch selbst, daß, wenn kleinere verzinsliche Papiere ausgefer. tigt werden, ein Ausweg in dieser Weise durch Kassenanweis sungen gar nicht einmal nothwendig sein wird. Endlich erlaube ich mir noch einen Punkt zu berühren, dessen Beurtheilung ich der verehrlichen Kammer überlasse. Wird die Bahn von Darmstadt nach Mainz, und, wie der Antrag geschehen ist, auch von hier über Offenbach nach Frankfurt gebaut, so wird der Kostenbetrag sich von 9, Mil- lionen ungefähr auf 11', bis 12 Millionen stellen; aber selbst davon abgesehen, wird doch die Aufbringung eines Cas pitals schon von 9/2 Millionen in einem so kurzen Zeitraum von 4 bis 5 Jahren mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden sein, weil in der neueren Zeit nicht allein bedeu tende Capitalien zu Unternehmungen ähnlicher Art verwendet worden sind, sondern auch in den kommenden Jahren noch verwendet werden sollen. Täuschen wir uns nicht, meine Herren, über unsere Kräfte, überschreiten wir dieselben nicht, da unser Unternehmen auch von den Zeitverhältnissen und den Handelsconjuncturen abhängt; lassen Sie uns auf das Ende dieses Unternehmens sehen. Ich wenigstens muß bezweifeln, daß bei den vielfältigen Unternehmungen dieser Art die Summe von 10 oder 12 Millionen im In- und Auslande durch Unterzeichnungen, und wenn solche auch nur nach und nach erfolgen, in dem furzen Zeitraume von 4 bis 6 Jahren. aufgebracht werden kann, wenn nicht, bei den einmal bestes henden Verhältnissen des Geldhandels und der Geldaristocra- tie, der größte Theil dieser Summe durch ein solides Ban quierhaus aufgebracht und dadurch das ganze Unternehmen im Voraus sicher gestellt werden wird. Ich spreche so ets ! was aus eigener Erfahrung. Ich habe selbst zu der Gesells ſchaft dahier gehört, welche eine Eisenbahn durch die Provinz Starkenburg bauen wollte, und ich muß bekennen, einzig und allein ist das ganze Unternehmen wohl an der Aufbringung der erforderlichen Summe gescheitert, einzig und allein daran, daß man nicht ein Banquierhaus fand, welches sich vor das Risiko stellen wollte. Der Präsident: Es ist nicht räthlich, den von dem Abgeordneten Lerch vorgeschlagenen Zusaß, daß die aufzuneh menden Capitalien mit 4 pCt. verzinset werden sollen, dem Gesetze einzuverleiben. Bleibt es Frieden, so können wir viel leicht das benöthigte Geld zu 3½ pCt. erhalten, zumal vor nicht langer Zeit Preußen und Würtemberg erklärt haben, daß sie die Zinsen ihrer Staatsschuld von 4 auf 3½ pCt. herabsehen wollen. Der Staatsregierung muß es überlassen werden, unter möglichst guten Bedingungen die Anlehen zu machen. Was die Größe der Summen betrifft, über welche die Obligationen auszustellen sein möchten, so ist in den Motiven nur von Obligationen von 250 fl., 500 fl. und 1000 fl. die Rede. Ich sehe aber nicht ein, warum nicht auch Obligatio= nen von 100 fl. ausgegeben werden sollen, versteht sich in verhältnißmäßiger Anzahl, wie bei anderen Staatsanlehen. Es ist jedoch auch hier nicht nöthig, etwas darüber ins Gesetz aufzunehmen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Ich bin mit dem Herrn Präsidenten vollkommen einverstanden und bin über zeugt, daß die Staatsregierung niemals darauf eingehen wird, eine solche Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen, und zwar ganz aus den Gründen, welche der Herr Präsident so eben angeführt hat. Es wird übrigens keinen Anstand haben, obs gleich in meinem Vortrage nur Obligationen von 250 fl. als die geringsten angeführt sind, auch Obligationen über 100 fl. anzufertigen, nur haben allzukleine Obligationen manche Unbequemlichkeiten bei der Zinsenabtragung in ihrem Gefolge; dieß ist auch der Grund, weshalb blos Obligationen von we nigstens 250 fl. in Vorschlag gekommen sind. Der Ubg. Kahlert: Ich kann mich ebenfalls mit der Proposition der Staatsregierung und mit dem Antrage der Majorität des Ausschusses auf Schaffung eines Papiergeldes nicht befreunden. Dieses Papiergeld wird, wie bereits ers wähnt worden ist, unausbleiblich das baare Geld aus dem Lande treiben und nur dann, namentlich in einer politisch trüben Zeit, seinen Werth behalten, wenn die Staatskasse al これ ​les baar einlößt, was ihr an Papiergeld präsentirt wird. Natürlich fiele aber alsdann jeder Vortheil, welchen es ge- währen soll, weg. Ich erinnere nur an den Fall eines Kriegs; wie bedeutend fielen während desselben die preußischen. Tresorscheine, und Preußen hatte deren zu jener Zeit doch nur für wenige, etwa 4 Millionen Thaler. Unsere Million Paz piergeld würde bei einem Krieg unfehlbar ihren Werth ver lieren. Ich werde daher unter keinen Umständen und in keiner Summe für diese Proposition stimmen. Der Abg. Kilian: Ich muß mich ebenfalls gegen die Emittirung von Papiergeld aussprechen. Das ganze Project beruht auf der Voraussetzung eines ununterbrochenen Friedens von etlichen und 50 Jahren, nach deren Ablauf wir hinsichtlich der zu contrahirenden Schul- den erst wieder auf dem Punkte sein werden, wo wir derma. len stehen. Ein Philosoph des vorigen Jahrhunders hat über den ewigen Frieden ein Werk geschrieben, welches aber durch die nachmaligen Kriegsereignisse eine traurige Widerlegung erhal- ten hat. Man hätte als Untithese ein Werk über den ewigen Krieg schreiben können. Wird sich in dem nächsten Jahrzehend die schöne Idee jenes Gelehrten verwirklichen? Ich wünsche es von Her- zen, aber wer möchte, wer könnte dies versichern? Wir wiſſen ja, wodurch uns seither der Frieden erhalten wurde. Lassen Sie zwei Augen in Europa zugehen und der Frieden kann wieder problematisch werden. War dies nicht schon seit dem lehten Kriege gegen Frankreich zweimal der Fall? Das erstemal nach der Julirevolution; damals fielen die preußischen Kassenanweisungen sogleich bedeutend, sie wurden in großer Anzahl nach Preußen zurückgeschickt, und es bedurfte großer Geldsendungen von daher, um ihren Cours wieder zu he ben. Noch vor nicht gar langer Zeit war die Fortdauer des Friedens ebenfalls wieder in Frage gestellt. Uber mehr noch, als der Bau der Eisenbahnen selbst, ist die Emittirung von Papiergeld auf einen langen vieljährigen Frieden gegründet Gibt es Krieg, so brauchen wir, wie Montecuculi sagte, dreierlei, nämlich Geld, Geld und Geld. In welcher Lage würden wir uns aber befinden, wenn wir dann neue Anleihen contrahiren müßten, und gleichzeitig die jezt zu creirenden Anweisungen auf die öffentlichen Kassen zurückkämen! i { Es bedarf wohl keiner näheren Schilderungen der Verle= genheiten, welche hierdurch dem Staate bereitet werden fönn ten, ganz abgesehen von den übrigen Gründen, die gegen Pa: piergeld überhaupt sprechen und welche bereits vorgetragen worden sind. Der Abg. Valkenberg: Ich war nur für die Ereirung einer halben Million Papiergeld, und zwar nur in der Art, daß während des Baues der Bahn durch eine momentane Emission die erforderlichen Mittel einstweilen aufgebracht, so- dann aber durch Hinausgabe von Obligationen die ausgege bene Kassenanweisungen sogleich wieder eingezogen werden sollten. Denn im Allgemeinen bin ich gar nicht für Papier. geld und möchte es also gar nicht haben, ich sehe nicht den entferntesten Vortheil hiervon ein. Dagegen scheint mir der besondere Nachtheil daraus hervorzugehen, daß, wenn neben dem Ausgeben von Obligationen auch zu gleicher Zeit Papiers geld erscheint, nothwendig unser Credit, folglich der augenblick- liche Cours unserer Obligationen gedrückt werden und verlie ren wird, und nun die Obligationen nicht zu dem Cours angenommen werden, als wie sie sonst angenommen werden würden, wenn das Papiergeld nicht in das Leben tritt. Die unangenehmen Eindrücke, die gewiß die Emiſſion von Papier- geld machen wird, werden nicht zu vermeiden sein, und es werden dadurch schon sehr bedeutende, ja unabsehbare Hinder- nisse für das Verwerthen unserer Obligationen eintreten. Es ist sehr einladend, eine Million in Kassenanweisungen aufzunehmen und dadurch 40,000 fl. jährliche Zinsen zu er sparen, aber auf der andern Seite wird diese Ersparniß durch die nicht ausbleibenden Fälschungen jenes Papiergeldes wieder verloren gehen. Man würde ferner bei unseren Kassen im- mer einen entsprechenden Vorrath an baarem Geld halten müſſen, um das Papiergeld, wenn es präsentirt wird, einzulő, sen; dadurch vermindert sich der eingebildete Gewinn an 3in fen außerordentlich. Es bleibt also am räthlichsten, wenn es nur immer möglich ist, von diesem Papiergeld zu abstrahis ren und sich nicht darauf einzulaſſen. 1 Es giebt noch einen Grund, der scheinbar für das Pa- piergeld spricht, das ist der, daß davon viel im Gebrauch verloren geht, dessen Betrag die Regierung, die folches aus- giebt, gewinnt. Dies ist anwendbar in einem Staat wie Preußen, wo man zwischen Aachen und Posen, zwischen Kö- nigsberg und Breslau stets in Geschäftsverbindung ist; in einem Staate, der von bedeutendem Umfange ist und in bez deutenden Verkehrs- und Handelsverbindungen steht, wo= ཟ་, 10 darum durch den Umschlag manches von dem Papier in Ber lust geräth, wovon der betreffende Staat den Gewinn hat. Ein anderes ist es bei uns. Es fragt sich überhaupt, ob es in Frankfurt genommen wird für Wechselzahlung, wo man unsere 10 Guldenstücke noch nicht einmal ohne Verlust nimmt. Unser Papiergeld wird dann nach Frankfurt gehen und von dort wieder hier zur Einlösung präsentirt werden; auf dieser kleinen Reise wird keines verloren gehen, und also auch auf diesem Weg kein Gewinn zu erwarten stehen. Aus diesen Gründen erkläre ich mich gegen das Papier. geld, wenigstens gegen dessen Emission gleich von Anfang an; wenn es nachher die Noth erfordert, hat man wohl noch Zeit, sich darauf einzulassen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Sie haben, meine Herren, aus demjenigen, was der Hr. Präsident vorzulesen die Güte gehabt hat, ersehen, daß ich in dieser Ungelegenheit nicht befangen bin, und ich habe auch jezt noch die damals ausgesprochene Ansicht. Aber zu gleicher Zeit werden Sie auch aus meinen Bemerkungen entnommen haben, daß ich die Emiſſion des Papiergeldes an gewisse Bedingungen knüpfe und so in Aussicht gestellt habe, daß Umstände ein, treten können, unter denen es nicht so nachtheilig sein würde, eine gewisse Quantität Papiergeld von Seiten des Staats auszugeben. Man bedenke nun erstlich, daß, wenn wir unser Staats budget als Anhaltspunkt annehmen, diese eine Million Pa- piergeld ungefähr '/, unseres Staatsbudgets ist, und daher diese Summe sehr klein gegen diejenige erscheint, welche in anderen, sowohl kleineren als größeren Staaten, ohne Nach theil circuliren. Man bedenke ferner, daß bei der Haupt- ſtaatskasse ohngefähr zwei Millionen Gulden unmittelbar ein, genommen und ausgegeben werden; wenn man daher eine Million Staatspapiere in Kassenanweisungen ausgiebt, fo würden dieselben nicht bloß in die Hauptstaatskasse zurückkeh ren, sondern im ganzen Lande verhältnißmäßig vertheilt bleis ben, so daß die Hauptſtaatskasse an und für sich nicht sehr dadurch belästigt werden kann. Wird endlich die Ausgabe desselben Unfangs nur im Kleinen versucht und dann all- mählich mit größerer Summe fortgefahren, so wird man ſehr bald seben, ob sich dies Papiergeld auf dem auswärtigen Geldmarkt ebenfalls Geltung verschafft oder nicht. Wenn es nun wirklich auf der Stelle in die Staatskasse zurückkehren follte, sowie es ausgegeben wird, oder wenn es schon nach kurzen Terminen in Masse dahin zurückkehrt, so wäre dies allerdings ein Zeichen, daß dies Papiergeld nicht angenehm fei; allein demohngeachtet wären wir nach diesem Versuch nicht schlimmer daran, als vorher; wir müßten nun an die Stelle der zurückgewiesenen Kassenscheine, Obligationen ſehen und ausgeben, und hätten doch in der Zwischenzeit die Zinsen gespart. Die Gefahr der Ausgabe von Papiergeld in so geringer Maſſe iſt daher nur scheinbar. Was ist übrigens Papiergeld, und wodurch unterscheidet es sich von andern Staatsschuldscheinen, als dadurch, daß es auf sehr kleine Summen lautet und keine Zinsen trägt?! Man hat überdies in neuerer Zeit, namentlich in Dest- reich, eine Erfindung gemacht, wonach man auch mit diesem Gelde eine Verzinsung verbindet, jedoch in einer Form, welche die Staatskasse nicht sehr belästigt. Ich glaube daher, daß Papiergeld und andere Staatsobligationen ihrer Natur nach als ziemlich gleich zu betrachten sind, und daß das Papier- geld noch Vorzüge besikt, wenn man bestimmt, daß es die Staatskaffe jederzeit ganz gleich wie baares Geld annehmen müſſe. Wir haben einen ähnlichen Versuch mit der Scheide- münze gemacht. Es ist bekannt, daß man vor einigen Jah ren außerordentlich über die Menge der Scheidemünze, nas mentlich im südlichen Deutschland, geklagt hat. Es wurde daher von unserer Seite bei den Unterhandlungen wegen der Münzconvention in München der Vorschlag gemacht, man möge sich nur verbindlich machen, daß jeder Staat die Scheiz demünze in jedem Augenblick und in jeder Quantität wieder annehmen müsse, die aus seinen Münzstätten hervorgegan gen sei. Dieser Vorschlag wurde vielfach beanstandet, weil man fürchtete, daß dann die Staatskassen mit Scheidemünze über- schwemmt werden würden; allein die Erfahrung hat das Ge- gentheil bewiesen. Es sind vielmehr jest, namentlich in un seren Staatskassen, hierdurch die Scheidemünzen so felten ges worden, daß wir häufig auf Ansuchen der Hauptstaatskasse neue Scheidemünze schlagen lassen müssen, um dem Bedürf- niß abzuhelfen. Es beruht ihre Geltung also lediglich auf der Gewißheit, die ich habe, daß bei der Staatskasse jederzeit dieses Circulationsmittel in seinem wahren Nennwerthe ans genommen wird Wenn man nun ausspricht, daß das zu emittirende Papiergeld ebenfalls jeden Augenblick als Zah lungsmittel von allen Staatskassen angenommen werden solle, so glaube ich nicht, daß die Ausführung dieser Maßregel von Nachtheil sein fann. Protokolle z. d. Verh. d. 2.Kam. Suppl. Bd. 17 i 1 t 12 Der Präsident: Es scheint, als solle das Papiergele, welches man einzuführen gedenkt, einen gezwungenen Cours haben, d. h. Jeder verbunden sein, dasselbe bei Zahlungen für voll anzunehmen, so daß alſo ein Kapitalist, der ein Kapital abgetragen erhält, den ganzen Betrag in Papiergeld anzunehmen genöthigt wäre. Nicht minder scheint beabsichtigt zu werden, daß die Staatskasse diese Papiere nur dann an- nehmen soll, wenn Jemand an ſie Zahlung zu machen hat, nicht aber, daß die Staatskaffe dieſe Kaſſenanweisungen Je- derzeit einwechseln soll, wenn sie ihr präsentirt werden. - Meine Herren, ich hoffe nicht, daß wir das Eine und Un- dere gut heißen werden. Der Abg. Städel: Ich habe bereits sogleich bei Eröff- nung der Discussion über den vorliegenden Gegenstand mich im Allgemeinen gegen die Ausgabe von Papiergeld oder Kas- fenscheinen ausgesprochen. Meine fünfzigjährige commerzielle Erfahrung läßt mir ein solches Erperiment als durchaus unräthlich und erfolglos erscheinen. Im Auslande würden diese Scheine keine Gel: tung haben, im Inlande würden sie auch nur eine sehr bes ſchränkte Unwendung finden, wenn man ihnen nicht etwa gar einen gezwungenen Cours geben und diefelben blos bei Ein: zahlungen an die öffentlichen Kaſſen, oder bei Entrichtung der Steuern annehmen wollte, was ich jedoch durchaus nicht bils ligen kann. Weniger nachtheilig möchte es sein, wenn man bestimmte, daß sie bei allen Staatskassen jeden Augenblick gegen Silber umgesetzt werden könnten, was allein die Ope- ration ausführbar machen würde. Über auch der Vortheil durch Ersparung der Zinsen auf den Betrag der ausgegebenen Summe würde dadurch sehr geschmälert werden, wie ich dann die gehoffte Zinfenersparniß immer nur für unbedeutend an- genommen habe, in der Voraussetzung, daß man eine Aus- wechselung der Scheine gegen baares Geld in den Staatskaffen eintreten lassen und hierzu die nöthigen Gelder bereit halten müßte. Nur durch das Vertrauen, welches als eine natür- liche Folge der jeden Augenblick angebotenen Umwechselung her- vorgerufen werden könnte, würde es möglich sein, einen ets was namhaften Betrag solcher Kaffenscheine auszugeben und theilweise im Umlauf zu erhalten. Ich füge noch eine weitere Betrachtung bei, die ebenfalls Erwägung fordert. Durch die größere Lebhaftigkeit in der Cirkulation des Geldes als Tauschmittels. durch die anzuleihenden Millionen, die sogleich in Cirkulation treten und die sogar zum Theil ; 13 aus dem Auslande einfließen, wird die Masse des Cirkulas tionsmediums im Lande ohnehin bedeutend vermehrt, und es muß eine weitere Vermehrung mittelst Ausgabe von Papier, geld als unnöthig, unräthlich, ja selbst nachtheilig erscheinen, besonders auch weil dadurch der Arbeitslohn noch weiter ge steigert würde. Aus allen diesen Gründen werde ich gegen diese Proposis tion stimmen. Der Abg. Aull: Meine Herren, ich habe bis jest theos retische Betrachtungen gehört, die gewiß sehr verdienstlich sind; aber ich meine, ein solcher Gegenstand muß haupt- jächlich von der practischen Seite beleuchtet werden, weil sich von diesem Standpunkte aus das Ergebniß der proponirten Maßregel am besten beurtheilen läßt. Nun lassen sich nach dem Gange der bisher gepflogenen Vers handlungen zwei Fälle denken; nämlich, entweder bauen wir die ganze, im Gesetzesvorschlag in Aussicht gestellte Bahn von der hessischen bis zur badischen Grenze und mit der Zu- gabe der Bahn von Darmstadt nach der Mainzspite, oder wir bauen nur die Bahn von Marburg bis Frankfurt. In der zweiten Unterstellung, mit andern Worten, wenn wir nur die oberhessische Bahn bis Frankfurt bauen, kann man den ganzen Kostenaufwand zu 5 6 Millionen Gulden anschlas Die Kosten der Vorarbeiten würden dann viel geringer und so gering sein, daß sie recht gut aus dem Betriebscapis tal bestritten werden könnten. Wir brauchten dann im ersten Jahre noch nicht zu Anleihen zu schreiten, und so würde die Emission von Papiergeld von geringerem Belang sein und vielleicht umgangen werden können. In der ersten Unterstellung würde sich die Totalausgabe für den Bau der Bahn auf 9, und wie der Abgeordnete Herr Lerch meint, vielleicht auf 12 Millionen belaufen; die Ko- ten der Vorarbeiten würden sehr beträchtlich sein und viels leicht im ersten Jahre schon eine Million Gulden absors biren. In dieser Unterstellung würde uns die Emission von einer Million Kassenscheine der Nothwendigkeit überheben, so- gleich im ersten Jahre verzinsliche Obligationen auszustellen. So würden wir sogleich im ersten Jahre 40,000 Gulden Zinsen sparen, eine Ersparniß, die, weil sie, was dieſe Million betrifft, bis zur völligen Wiedereinlösung dieser Kaſſeſcheinen fortdauerte, sich bis zu einer sehr notabeln Summe steigern würde. 17* 14 ! Man sagt nun, dieses Papiergeld würde kein Vertrauen genießen und, nachdem es kaum ausgegeben, würden die In. haber zu den Großherzoglichen Kassen strömen, um es wieder gegen Geld zu vertauschen; so würden die Staatskassen stets die ganze Million baar in ihren Kassen haben müssen, wo, durch der beabsichtigte Interessengewinn illusorisch werden würde. Um diese Behauptung zu rechtfertigen, weißt man auf die französischen Assignaten hin, man redet sogar von den preußi- schen Tresorscheinen. Unsere Lage ist Gottlob eine von jener, worin sich Frank. reich zur Zeit der Assignaten befand, ganz verschiedene, und ein Vergleich jener Assignaten mit den projectirten Kassenschei nen ganz und gar unpassend. Uebrigens standen Anfangs diese Assignaten pari, nachdem aber die königliche Regierung vernichtet worden war und man in Erfahrung brachte, daß die an ihre Stelle getretene factische Regierung die Assignaten maßlos und bis zu der enormen Summe von 40 Milliarden vermehrte, um den Bedürfnissen von 12 Armeen, die damals Frankreich aufgestellt hatte, einigermaßen zu steuern, so ver schwand alles Vertrauen, und es ist notorisch richtig, daß man ein Huhn mit 3000 Franken Assignaten, und eine Elle Tuch mit 4-6000 Franken, bezahlen müßte. Der terreur, wenig verlegen um die Auswahl seiner Mittel, erstand nun das so- genannte Marimum, mit andern Worten, einen Tarif für alle Lebensbedürfnisse, und verfügte, daß die Inhaber dieser Le- bensbedürfnisse sie bei Todesstrafe um den festgesetzten Preis gegen Affignaten abgeben müßten. Die Folge hiervon war, daß die Waaren sich verbargen und aller Verkehr aufhörte. Dieses kümmerte eine Regierung nicht, die hauptsächlich zer- stören und terre rase machen wollte, um auf dieſen Trüm. mern ein Gebäude aufzuführen, dessen Plan ihr selbst nicht klar geworden war. Was die preußischen Tresorscheine betrifft, so erinnere ich mich, daß es im Jahr 1830 ängstliche Leute gab, welche sie mit Verlust verkauften. Aber ich weiß auch recht gut, daß neben dieſen ängstlichen Leuten sich eine Menge Kaufleute fanden, die gegen einen Nachlaß von 2 pCt. alle preußischen Tresorscheine kauften, die man ihnen anbot. Was ein ängst- licher Mensch vielleicht träumt, was er für Besorgnisse hegt, kann den Bernünftigen nur wenig kümmern. Uebrigens hats ten diese Besorgnisse nicht sowohl in dem drohenden Kriege ihren Grund, denn die preußische Militärverfassung flößt das größte Vertrauen ein, man fürchtete nur im Falle eines Krie- ges eine ungemessene Vermehrung dieses Papiergeldes, dessen 15 numerischer Bestand ohnehin nicht genau bekannt ist und durch die Behauptung, daß ſich doppelte Nummern von der- felben Serie vorgefunden hätten, nur noch zweifelhafter wurde. Solche Befürchtungen sind in einer conftitutionellen Monarchie nicht denkbar, bei uns können und werden niemals mehr Kassenscheine emittirt werden, als mit den Ständen vers einbart find. Bei allem Vertrauen, welches wir in die Re- gierung sehen, bringen es unsere Institutionen schon mit sich, daß die Emission einer strengen Controle unterliegt und es ist wahrscheinlich, daß die beiden ständischen Delegirten bei der Staatsschuldentilgungskasse gleich dem Finanzminister und andern Behörden diese Kassenscheine mit unterzeichnen werden. Ich zweifle daher ganz und gar nicht, daß ein solches Papier- geld im Lande das volleste Vertrauen genießen und gleich dem baaren Gelde kursiren wird. Es ist dazu nicht einmal nothwendig, daß man die Inhaber berechtigt, fie jeden Au genblick an den öffentlichen Kassen gegen klingende Münze zu Verwechseln. Es genügt, wenn alle Sahlungen an die Staats kassen in diesen Scheinen gemacht werden können; eine Be- fugniß, die bei einem jährlichen Budget von 8 Millionen in dem Kassewesen gar keine Störung veranlassen oder sonstige Schwierigkeiten im öffentlichen Dienste erzeigen kann. Aus dem, was ich über die Circulation der Kassenscheine gesagt habe, ist es klar, daß ich nicht die französischen bons du trésor von 500 bis 1000 Franken, vielmehr folche Scheine, wie die preußischen sind, im Auge habe, die eben darum, weil fie in kleineren Summen ausgeprägt und sehr leicht transpor- tabel sind, eine große Annehmlichkeit im Verkehr darbieten. Aus den oben entwickelten Gründen halte ich die Creirung von Kassenscheinen bis zum Belauf einer Million, im Falle wir die ganze Bahn bauen, für eine vortheilhafte Maßregel und werde dafür stimmen. (Auf die Frage des Präsidenten, was dem Abgeordneten Aull über die naſſauiſchen Kaſſenanweisungen bekannt sei, be merkt derselbe weiter:) Was die nassauischen Kassenanweisungen betrifft, so kann ich bestätigen, daß ich aus der Generalkaffe von Nassau aus Auftrag eines pariser Freundes 12000 fl. zu empfangen hatte. Diese ganze Summe wurde in nassauischen Kassenanweisun gen bezahlt; da ich sie nun nicht nach Paris schicken konnte. fo gab ich sie in Mainz an Herrn Kertell ab, der mir für diese 12000 fl. ohne allen Abzug pariser Papiergeld gab. Dies ist die volle Wahrheit und wenn Sie wollen, so können I ! 16 Sie sich noch heute in den Fertellschen Büchern davon überzeu: gen. Es war dies in einer Zeit geschehen, wo der Herzog von Naſſau noch eine besondere Kaſſe in Frankfurt hatte, auf wel- che die Anweisungen gestellt waren. Ich weiß nicht, ob dieſe Kaffe noch besteht. Der Präsident: Der Abgeordnete Aull empfing also von der nassauischen Kasse kein Papiergeld, fondern Anweis ſungen an ein frankfurter Haus. Der Abg. Valckenberg: Die nassauische Regierung hat von jeher eine Kaſſe bei dem Hauſe von Rothschild in Frankfurt und es werden von dort aus alle Zahlungen ge- macht, wie man auch alle Zahlungen für Rechnung der nass fauischen Regierung an das Haus Rothschild machen kann. - Bei allen Weinversteigerungen, die die naſſauiſche Domainen. verwaltung macht, heißt es in den Zahlungsbedingungen, man könne an Rothschild zahlen. Darum ist es ein Unterschied, wenn ich von der nassauischen Regierung einen Cassa - bon auf das Haus Rothschild bekomme, und man verwechsele diefe Bons nicht mit Kaſſenanweisungen. Bei Weinversteigerungen von Privaten im Rheingau heißt es stets bei den Zahlungsbedingungen:,,kein Papier Fein Gold; Silbergeld." Das beweist abermals, daß man nirgendwo gezwungen wird, unfreiwillig Papier zu nehmen. Der Abg. Frik: Indem ich mich demjenigen anschließe, was der Herr Präsident in Beziehung auf die Kassenanwei sungen bemerkt hat, spreche ich mich auf das Bestimmteste gegen Fertigung von Papiergeld aus. Ich bin überzeugt, daß es zu mehr Nachtheilen als Vortheilen gereichen wird. Im kleinen Handel werden diese Scheine fast in allen Fällen angenommen werden müssen; die Kaufleute können aber da mit ihre Einkäufe nicht bezahlen, da diese meistens im Aus; land kaufen; wenigstens würden sie Verlust dabei leiden Sie werden daher entweder mit den Waaren so viel hinauf gehen, oder, wenn sie dies nicht können, ihren Absah verlie. ren und somit Schaden leiden. Denn im Auslande nimmt man ihnen die Papiere nicht anders, als um einen herabge. ſehten Preis an, dies bringt Nachtheile für die Handelsleute und für den ganzen Staat; denn wir bekommer das Pa. piergeld zu seinem vollen Nennwerthe zurück und unser baa- res Geld wird auf diese Weise sich bei uns vermindern. Ich werde aus diesen Gründen gegen die Creirung von Papiergeld stimraen. } 17 Der Abg. v. Grolman: Solches Papiergeld, von wel chem jest cie Rede ist, und das ich Unweisungen auf die Staatskasse nenne, halte ich, wenn es nicht im Uebermag emittirt wird, dem Interesse des Staats und dem Interesse des Publikums nicht für nachtheilig; ich sehe aber hier bei voraus, daß das Vertrauen auf diese Papiere dadurch hervorgerufen wird, daß fie folidirt sind, daß nämlich der Staat mit seinem Credit eintritt, und er die Summe, welche die Papiere enthalten, gewährt, das heißt, daß er auch in ſeinen Kassen die von ihm ausgestellten Scheine einlößt. Es ist richtig, daß, wenn die Herausgabe des Papiergeldes in einem Mißverhältniß zu dem baaren Metallgelde steht, welches sich im Umlaufe befindet, das heißt, wenn das Pa piergeld in folchem Maße emitirt wird, daß es dieses Me: fallgeld im Umlauf ſtört, alsdann nur nachtheilige Wirkun gen entstehen können. Diese Wirkungen sind keine andere, als die, daß bei Ueberschwemmung des Papiergeldes das baare Geld aus dem Lande hinausgeht, und selbst im In- lande eine Theuerung herbei geführt wird, weil Jeder, welcher viele seiner Bedürfnisse, wozu er Metallgeld haben muß, hiermit nicht bestreiten kann, die hieraus für ihn entstehenden Nachtheile auf den Preis seiner Waare schlagen wird. Wenn man fraat, was das richtige Verhältniß, bei wel chem man sagen kann, es würde die Emiſſion solcher Papiere Feine nachtheiligen Folgen herbeiführen, sein möchte, so nimmt. man hier gewöhnlich die Staatseinkünfte zum Maßstabe an; es fagen selbst gewichtige Autoren in der Staatswirthschafts lehre, daß das Papiergeld, wenn es bis zur Hälfte der Ein- künfte des Staats fabricirt werde, noch mit keinen nachtheili- gen Wirkungen für den Verkehr verbunden sei. Ich glaube, daß dies wohl zu weit gehen würde. Hier aber tritt offenbar der Fall ein, daß, da nach der Proposition der Staatsregierung nur für eine Million folcher Papiere creirt werden sollen, dies zu keinen Nachtheilen führen kann, indem diese Summe zu dem Total der Staatseinkünfte nur in einem sehr geringen Verhältniß steht. In diesem Fall befürchte ich durchaus keine Nachtheile, es werden vielmehr die betreffenden Kassenscheine selbst die Gel tung des Metallgeldes annehmen, denn sie erscheinen als ein sehr leichtes Verkehrs- und Austauschmittel, was, zumal wenn es auf kleine Summen für Verkehrsbedürfnisse einge richtet werden sollte, als baare Münze gilt, allenthalben ge- sucht, gerne angenommen werden und auch in seinem Cours nie fallen wird, eben aus dem Grunde, weil es ſeine Sicher: 41 : 18 : i heit auf die Staatskaffe gründet, wo es jederzeit eingelöst werden kann. Ich befürchte nicht, sobald die Sache einmal im Gange ist, daß, was geäußert worden ist, zu starke Ue: berschwemmungen der Staatskasse mit Papiergeld eintreten werden, und zwar aus dem Gründe, welchen der Herr Re- gierungscommiffär Ihnen vorhin vorgelegt hat. Könnte aber auch, was ich für sehr unwahrscheinlich halte, jemals ein solcher mit Nachtheilen verbundener Fall eintreten, nun so haben wir es ja immer in der Hand, diese Nachtheile durch schnelle Einziehung der Papiere abzuwenden. Wenn man übrigens Papiergeld machen will, so muß man es nicht, wie von Mehreren bemerkt worden, bis zur Zeit der Noth aufschieben, ſondern gerade in einem Staat, wie bei dem unsrigen, dessen Finanz- und Ereditverhältnisse so geordnet find, in den Zeiten des Friedens ausführen. In Kriegszeiten können Sie mit Creirung von Papier- geld nicht mit Nuhen und Vortheil handeln. Geben wir aber dieses Pagiergeld nur in dem mäßigen Betrage, wie es in der Absicht der Staatsregierung liegt, ab, dann glaube ich, werden selbst den unglücklichsten Fall, den Ausbruch eines Kriegs, unterstellt die Nachtheile nicht so bedeutend auf den Staat zurückwirken, weil eben die Summe nicht so groß ist, daß der Staat dadurch in eine ganz besondere Verlegen- heit gerathen könnte. << Ich werde daher unter der Vorausſehung, daß demnächst durch ein Gesetz diese Verhältnisse bezüglich der fraglichen Kassenscheine genau geordnet werden, für die Proposition der Staatsregierung stimmen. Der Abg. Hügel: Als ich bei dem Studium des vorlie genden Gesetzesentwurfs an den Artikel 2 kam, nahm ich meine Hefte über Finanzwissenschaft und Nationalöconomie, und zugleich die besten Werke über diese Wissenschaften zur Hand, und ich kann versichern, daß ich weder in der Finanz- wiſſenſchaft, noch in der Nationalöconomie Gründe aufgefun- ben habe, die gegen die Zulässigkeit eines vorsichtig angeleg, ten Papiergeldes sprächen. Der Grund, weshalb die Ansich- ten über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Papiergeldes so sehr verschieden sind, liegt offenbar darin, daß man ger wöhnlich nicht unbefangen darüber urtheilt, weil man von den traurigen Folgen nicht abstrahiren kann, die das Papier: geld in andern Ländern, aber auch zu andern Zeiten, herbeis geführt hat, wo die Emission von Papiergeld eine frivole Staats- Finanzoperation war, oder wo, wie sich der alte Staatswirthschaftslehrer von Jakob sehr richtig ausdrückt, - 19 mit Papiergeld eine stille Plünderung der Staatsangehörigen vorgenommen wurde. Man denkt gewöhnlich an die Periode gegen Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts, wo Frankreich bes kanntlich durch die Zerrüttung seiner Finanzoperationen vers leitet wurde, und wo von 1689 bis 1699, 96½ Millionen Livres, und in den Jahren 1700 1707 40 Millionen Livres durch solche moyens extraordinaires, wie man sie nannte, aufgebracht wurden; oder man denkt an die schon mehr erwähnte Assignatengeschichte, oder an das Schicksal der preußischen Tresorscheine. Bei unbefangener Erwägung der Sache indeß ergiebt sich ein anderes Resultat, denn man wird sich alsdann davon überzeugen, daß das Papiergeld unter gewissen Bedingungen allerdings eine gute Finanzoperation ist. - Ich will versu- chen, Ihnen diese Bedingungen kurz anzuführen. Es find hauptsächlich folgende: 1) das Papiergeld darf niemals in größerer Summe emittirt werden, als nothwendig ist, um die Masse des vor= handenen Metallgeldes zu dem Betrage zu ergänzen, den der Zustand der Betriebsamkeit und der Verkehr erheischt. Durch den Bau der Eisenbahnen werden aber bedeutende Ca- pitalien in Umsatz kommen müssen. Es muß daher dafür ge. sorgt werden, daß der möglicher Weise augenblicklich fehlende Betrag an Metallgeld sogleich ergänzt werden kann. Dazu ist Papiergeld das beste Mittel, weil die Staatsregierung das Mittel hat, augenblicklichen Verlegenheiten abzuhelfen. 2) Das Papiergeld ist unschädlich, wenn es zu jeder Zeit gegen Metallgeld von gleichem Werthe ausgewechselt werden kann. Das Papiergeld ist bekanntlich eines der leichtesten Circulationsmittel, daher kommt es denn auch, daß es in den- jenigen Staaten, wo Papiergeld coursirt und wo die Versi cherung gegeben ist, nichts an diesem Geld zu verlieren, sogar beliebter ist, als das Metallge Anfangs werden die öffentlichen Kassen zwar einen star- ken Zudrang zu Auswechselungen auszuhalten haben, bald aber wird sich durch die Bereitwilligkeit der Kassen das Zu- trauen befestigen und man wird sich sehr schnell mit den Vor: zügen des Papiergeldes, nämlich Leichtigkeit der Aufbewah- rung Ersparung der Transportkosten für das äquivalente Metallgeld u. f. w. befreundet haben. 3) Es muß das Papiergeld in einer vollkommen ruhigen Zeit und unter der Voraussetzung emittirt werden, daß der finanzielle Zuſtand ein durchaus normaler sei. Diese Bedin- 20 ! gung tritt aber in dem vorliegenden Falle ein, denn unser finanzieller Zustand ist ein guter. Bei solchen Erwägungen finde ich die Befürchtungen, welche man heute schon mehrfach ausgesprochen hat, nicht allein nicht begründet, sondern bin sogar zur Ueberzeugung gelangt, daß uns das Papiergeld, unter & wissen Verhältnisser, die nicht ausbleiben werden, welche ich aber nicht weiter erör tern will, gute Dienste leisten wird; ich werde daher für die Emission von jener Million Kassenscheine, eventuell für den Antrag des Ausschusses, stimmen. Der Abg. Graf v. Lehrbach: Die Aussicht, in einem Augenblicke, wo es sich um ein so bedeutendes pecuniäres Interesse in unserem Lande handelt, durch Emission von einer Million Kassenscheine eine jährliche Ersparniß von 40,000 fl. zu erwirken, ist allerdings so lockend, daß mich der Plan die fer Emission Anfangs in der That sehr eingenommen hat. Ich kann aber eben so wenig leugnen, daß die Ausführungen und die wichtigen Gründe gegen diese Emission, die von meh reren Rednern geäußert worden sind, mich auf andere Ge= danken gebracht haben. Der Herr Regierungskommissär hat zwar in seiner lehten Rede einige dieser Besorgnisse zu zerstreuen gesucht, und ich glaube auch wirklich zerstreut, den Einwand nämlich, daß zu besorgen sei, daß die Staatskaffe mit Papiergeld überschwemmt. und Mangel an baarem Gelde erleiden werde. Aber auf zwei Fragen ist er weniger eingegangen, 1) namentlich auf den Fall eines ausbrechenden Kriegs und 2) den der Fälschungen. Was den ersteren Fall betrifft, so 'glaube ich allerdings, daß in einem solchen Augenblicke gegründete Besorgnisse zu hegen sein dürften, daß die ganze Masse des Papiergeldes in die Staatskasse zurückkehren und Verlegenheiten bereiten. würde. Was aber, den zweil Fall betrifft, so glaube ich, daß solcher in diesem Augenblick besondere Beachtung ver dient. Ich weiß nicht, ob Ihnen, meine Herren, eine Nachricht, die ich vor einiger Zeit in einem öffentlichen Blatte gelesen habe, bekannt ist, daß man nämlich in neueſter Zeit ein Fäl- schungsmittel in Daguerres Erfindung entdeckt habe, vermit telſt deſſen es besonders leicht sein soll, Papiergeld jeder Art nachzumachen, so daß ein bedeutender Preis ausgeseht worden ist, für die Erfindung eines Papiers, wodurch man wenig- stens im Stande sei, das Falsche von dem Wechten zu unter- ་་ 21 scheiden. In wieweit diefe Beforgniß gegründet fin mag oder nicht, das weiß ich natürlich nicht zu sagen. Doch glaube ich, daß man sie nicht so ganz unbeachtet lassen soll. Wenn man also nun solcher Gefahr sich aussehen will, dann glaube ich, muß der Nußen klar und als bedeutend nachgewiesen sein, den eine Emission von Papiergeld dem. Lande gewähren wird. Wenn man aber - was nicht ge: leugnet werden kann diesen Nußen denn doch nicht so hoch anschlagen darf, wenn sogar nicht einmal eine Million ausgegeben wird, wenn zu der augenblicklichen Einlösung dieses Papiergeldes in der Staatskaffe ein bedeutender, aus: schließlich für solche Einlösungen bestimmter Vorrath gehalten werden muß, der die Zinsen theilweise oder ganz absorbiren dürfte, und wenn zu besorgen ist, daß dieſe Scheine nur im Lande, nicht aber im Auslande Geltung erhalten; so sehe ich die gehofften Vortheile größtentheils verschwinden. Es ist wohl ohne Frage richtig, daß die Stadt Frankfurt, ziemlich in der Mitte dieses Landes gelegen, diejenige Stadt ist, nach welcher mehr oder minder der Geldzug seinen Weg nimmt, daß also davon, ob Frankfurt unsere Kassenanweisungen oder unser Papiergeld annehmen wird, an und für sich ein sehr bedeutender Moment abhängen wird. Dessenungeachtet aber möchte ich nicht, daß durch eine Abstimmung, welche bie Emiſſion von Kassenanweisungen ganz verwürfe, vielleicht die Staatsregierung in ihren Unterhandlungen gehindert wä.e. Ich sehe nur den Fall, daß bei den unternommen wer- denden Eisenbahnbauten davon die Rede sein könnte, oder die Rede sein würde, daß die übrigen Staatsregierungen, welche an dem Bau der genannten Bahnstrecken betheiligt sind, sich zur Emission von Papieren dieser Art entschlössen. Ich sage ich sehe diesen Fall, da mir natürlich von einer Idee dieser Art auf Seiten jener Regierungen gar nichts be kannt sein kann; dann möchte ich, wenn dies geschähe, wenn andere Regierungen diese Bedenklichkeiten nicht hätten, auch unserem Staate den gleichen Vortheil nicht entziehen, weil eben so manche der geäußerten Bedenklichkeiten dann ver: schwinden würden. Wenn man z. B. von Seiten der contrahirenden Staa- ten dahin überein käme, eine bestimmte Summe Papiergeld zu emittiren, dann würde jedenfalls das Papiergeld des einen Staates in diesen sämmtlichen Staaten und namentlich in Frankfurt Cours haben, welches doch immer den Plah bil den wird, der für uns in allen Geldbeziehungen der wich- tigste ist. 1 22 Ich wünsche daher, daß, wenn ein solcher Fall eintreten. sollte, durch eine Bestimmung, die in den vorliegenden Ge- segesentwurf aufgenommen würde, die Staatsregierung ers mächtigt ſein möchte, Kaſſenanweisungen in einem durch Ge segesvorlage zu regulirenden Betrage, sowie in der dadurch zu bestimmenden Art und Weise zu emittiren. Der Abg. von Breidenbach zu Breidenstein: Ich gebe sehr gerne zu, daß eine Ereirung von Papiergeld in der Regel sehr mißlich ist, und die Proposition der Staatsregie- rung, ein solches bei uns einzuführen, hat mir deshalb eben, falls anfänglich mißfallen. Aber ich theile dessen ungeachter die großen Besorgnisse nicht, welche von mehreren verehrli chen Mitgliedern dieser Kammer in dieser Beziehung geäußert worden sind. 3. B. fürchte ich wenige oder gar keine Fälſch- ungen, eben aus dem Grunde, weil es nur eine kleine Summe ist, welche emittirt werden soll und weil dieselbe muthmaßlich im Lande bleibt. Sämmtliche Nummern werden in kürzerer øder längerer Zeit bei der Staatskasse präsentirt werden, und kann man alsdann bald sehen, ob falsche vorhanden sind. Eben so wenig besorge ich, daß der Credit der Staatskasse Dadurch gefährdet wird, und daß, wenn es Krieg gäbe, durch die sofort eintretenden Umwechselungen das baare Geld aus der Staatskaffe wegkäme und nur Papiergeld darin bliebe, mit dem man natürlich keinen Krieg führen kann. Da aber nach dem Antrag der Majorität des Uusſchuſſes nur für 600,000 fl. creirt werden follte, so wird die Emission dieser geringen Summe an Papiergeld uns nicht hinderlich fein und die erforderlichen Mittel an baarem Gelde werden nach wie vor vorhanden bleiben, um die Kosten des Kriegs zu bestreiten. Obgleich ich nun nach dem Gesagten zu der Majorität des Ausschusses gehöre, so gestehe ich doch, daß sich dieselbe keinen großen Vortheil von dieser Manipulation versprach. Der Berichtserstatter hat auch bereits eine ähnliche Bemer- kung in diesem Sinne gemacht und noch ein größerer Bes weis dafür ist der, daß der Abgeordnete Otto, der doch frü her, wie mir nicht anders bekannt ist, auch zur Majorität des Ausschusses gehörte, sich heute gleich von vorneherein gegen die Emission von Papiergeld erklärt hat. Ich erkläre daher gleichfalls, daß ich für meine Person gar nichts dagegen habe, wenn die Proposition der Staatsre- gierung in dieser Beziehung verworfen wird, obgleich ich seibst nicht dagegen stimme. \ A : 23 - Der Abg. G. Schend: Ich erkläre mich zuvörderst mit denjenigen Rednern einverstanden, welche gegen die in Frage stehende Proposition der Staatsregierung gesprochen haben. - Schon bei einer früheren Gelegenheit habe ich mich ebenfalls auf das Bestimmteste gegen die Fabrikation und Emission von Papiergeld ausgesprochen. Heute denke ich noch wie damals, und halte fortwährend das Papiergeld, besonders für einen kleinen Staat, für eine sehr bedenkliche Sache. Meis ner Ueberzeugung nach muß dabei mit der größten Vorsicht zu Werke gegangen werden, damit unser schönes, lachendes, klingendes Geld nicht fortgeht und wir dasjenige in der Tasche behalten, woraus das Papier gemacht wird. Es hat mich übrigens sehr gefreut, daß sich bis jetzt auch nicht ein dem Handelsstand angehöriges Mitglied dieser Kammer für die Sache erklärt hat, und ich glaube, daß die Kaufleute in die- ser Sache nicht blos Theoretiker sind, sondern. daß man ihnen auch einige Praris zutrauen kann. Ich sage, es hat mich gefreut, daß sich noch kein Kaufmann für die Proposition ers klärt hat, und ich hoffe auch, da sie das Gewicht dieser Sache kennen, daß sich auch kein Kaufmann dafür erklären wird. Der im Verhältniß zur Sache nicht bedeutende, aus der Opes ration entstehende Zinsengewinn steht mit den unermeßlichen Verlegenheiten, welche im Falle eines Krieges daraus entſte- hen können, im größten Mißverhältniß. Ich erlaube mir in dieser Beziehung nur aus eigener An. schauung, nicht aus eigener Erfahrung, denn ich habe sie nicht selbst gemacht, also aus eigener Unschauung ein Beispiel anzuführen, wie es mit solchen Kassenanweisun gen geht, wenn man nur im Entferntesten von Krieg spricht. Ich war im Jahr 1830 in Frankfurt bei einem Geld- wechsler und hatte dort Geld zu verwechseln. Während ich da war, kam ein Mann er war aus der hiesigen Ge- gend und hatte 3000 Thaler preußisches Papiergeld. Das Kriegsgeschrei war damals an der Tagesordnung, aber noch war kein Kanonenschuß gefallen. Rathen Sie einmal, was dieser Geldwechsler, den ich als einen billigen Mann kenne, in dem Augenblick für die Umwechselung in baares Geld vers langte? Er wollte ihm von jedem preußischen Thaler 5 Kreus zer, also ungefähr 5 pCt. abziehen, und zwar im Augen- blick, wo noch kein Krieg, wo noch kein Kanonenschuß gefal len war. 1 ; 1 24 Sie sehen daraus, daß wohl in Friedenszeiten diese Pas piere Werth haben können, wie aber Krieg ausbricht, oder nur droht, ſo verlieren sie denselben. Ich erlaube mir, nun noch eine weitere Frage zu berüh ren, nämlich die: Wenn die Eisenbahn gebaut werden sollte, ſo kann dies natürlich nur geschehen, wenn wir über die auf- zunehmenden Anleihen Obligationen ausgeben, die dann auf dem Geldmarkte Cours haben werden. Ich hoffe, daß es ein guter Cours sein wird. Aber ich frage, wenn auf der einen Seite Obligationen ausgegeben werden und auf der an deren Papiergeld gemadt wird, ob dieses nicht einen nach- theiligen Einfluß auf den Cours der Obligationen haben möchte? Ich schließe nach demjenigen, was ich schon früher ge- gen die hier in Rede stehende Propofition gesagt habe, mit dem lateinischen Sprüchwort: noli me tangere, das heißt in freier Uebersetzung: Lassen wir die Hände davon! Der Abg. Glaubrech: Ich bin ebenfalls gegen die Einführung von Papiergeld. Es mag allerdings richtig sein, daß, wie der Abgeordnete Hügei bemerkt hat, die Theorien der Lehrer der Finanzwissenschaft und Nationalöconomie der Creirung von Papiergeld nicht entgegen feien; allein ich stimme. Demohngeachtet dagegen und zwar aus practischen Gründen, ich stimme dagegen im Hinblick auf die menschliche Natur. Wenn ich nämlich die menschliche Natur erwäge, so finde ich auf der einen Seite, daß das Papiergeld sehr gefährlich ist für die Finanzmänner, für die Regierungen, weil, wenn man so leicht Geld machen und sich die Mittel zu Ausgaben ver schaffen kann, man auch eben so leicht zu großen, gewagten und nicht gehörig, überlegten Unternehmungen, welche die Kräfte des Landes übersteigen, sich verleiten lassen wird. Man fängt natürlich mit geringen Eummen an, kömmt aber im mer tiefer hinein und am Ende selbst zu den größten Summen. Auf der anderen Seite finde ich ebenfalls im Hinblicke auf die menschliche Natur, daß diejenigen, welche das Pas piergeld annehmen sollen, nämlich das Volk, stets den ent: schiedensten Widerwillen gegen jedes Papiergeld haben. Mag immerhin dasselbe gesetzlichen Cours erhalten, das Volk hat kein Vertrauen darauf, und wenn zehnmal das Gefeß ſagt, daß das Papier Geld sein solle, glaubt toch das Volk, daß es kein Geld sei, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil es eben keine Münze, sondern Papier ist, und Niemand will es haben, noch behalten. In der Provinz Rheinhessen hat man im Allgemeinen * 25 eine solche Abneigung vor dem Papiergeld, daß keine Hypo- thek in Rheinhessen gemacht wird, in welcher nicht die aus. drückliche Clausel steht, daß der Schuldner im Voraus darauf verzichtet, bei Zahlung von Zinsen oder Capital sich Papier- geldes zu bedienen, selbst wenn ein solches jemals gesetzlichen Cours erhalten sollte. Im Uebrigen sind wohl in der seitherigen Discussion die Gründe, welche gegen die Creirung von Papiergeld sprechen, so ausführlich entwickelt worden, daß ich eine weitere Erörs terung der Sache für überflüssig erachte. Ich würde auch nicht das Wort begehrt haben, wenn ich nicht die Absicht hätte, eventuell ein Amendement in Vorschlag zu bringen. Ich werde nämlich gegen den zweiten Sah des Artikels. 2 stimmen und hoffe auch, daß dieser zweite Sah nicht durch= gehen wird. Sollte indeffen die Majorität der verehrlichen Kammer sich wider Erwarten dennoch für die Creirung von Papiergeld aussprechen, so würde natürlich der Antrag der Minorität des Ausschusses auf pag. 32 des Ausschußberichts, nämlich, die Staatsregierung zu ersuchen, den Ständen vor Allem einen Gesetzesentwurf über die Emission von Kassens anweisungen vorzulegen, zur Abstimmung kommen, und da mir ein solcher Gefeßesentwurf von großer Wichtigkeit er: scheint, so erlaube ich mir eventuell hierzu noch das Amen: dement zu stellen: daß von der Unnahme, resp. der Genehmigung dieses Ersuchens die Annahme des ganzen Gesetzes abhängig gemacht werde. (Der Abg. G. Schend unterstützt diesen Antrag.) Der Präsident: Im Falle der Verwerfung des zwei- ten Sahes des Artikels 2 möchte. worauf ich antrage, die Annahme des Gesetzes davon abhängig gemacht werden, daß dieser Saß nicht in das Gefeß aufgenommen wird. Der Abg. Glaubrech: Diesen Antrag unterstütze ich ebenfalls. Der Abg. Peerrot: Ich bin noch nicht darüber im Klaren, ob man die Absicht hat, dem, nach der Proposition der Staatsregierung zu creirenden Papiergeld einen gezwun- genen Cours zu geben. Der Präsident: Es scheint dies allerdings die Ab- ficht. Die Worte des Artikels 2, welche als baares Geld circuliren" follen wohl eine solche Verpflichtung der Annahme des Papiergeldes aussprechen. Der Abg. Peerrot: Dann mùß ich, mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung in der Provinz Rheinhessen und ihre Uor M 26 4 gänzliche Abneigung gegen Papiergeld mich für einverstanden erklären, mit dem, was ein Redner vor mir gesagt hat, daß nämlich der kleine Verkehr dadurch sehr Noth leiden wird. Dies ist sicher, denn wenn ich einem Handwerksmann einen. Kassenschein von 5 fl. hinlege, so muß er ihn für voll an: nehmen, nun geht aber seine Frau hin und will nur / Pfund Kaffee kaufen, dann können Sie gewiß annehmen, meine Herren, daß der Kaffee wenigstens 3 bis 4 kr. per Pfund mehr kosten wird; denn der Kaufmann muß gutes Geld her- ausgeben und in Frankfurt wird er schwerlich den Kassen- schein ohne einen namhaften Verlust anbringen. Wir ver: kehren stark und täglich mit Rheinbaiern; allein unser Papier- geld wird dort gewiß nicht beliebt, das bleibt bei uns stecken, oder mir müssen uns einen hohen Rabatt gefallen lassen. Von Zahlung in Scheinen bei den Kassen ist die Rede gewesen; ich frage aber, ob jeder Erheber, sowohl der direkten, als der indirekten Abgaben, wie auch die Rentmeister dieses Papier- geld annehmen müssen? ob diese Erheber auch damit auszah len können? ob dieselben geneigt sein werden, Leute die nichts zu bezahlen haben, sondern nur Kassenscheine in baares Geld umsehen wollen, schnell zu expediren, ob nicht vielmehr ihre Geschäfte, die anberaumten Bureauſtunden und andere Gründe mehr den schnellen Umtausch hindern und folgleich die Scheine entwerthen werden? Das ist gewiß, wenn nur 2 oder 3 Personen auf morgen oder übermorgen zurückgewiesen werden, so ist die Depreciation schon da. Ich bin daher gegen die Emission von Papiergeld fowohl im Betrag von 600,000 fl., als auch im Betrag von 1 Million. Es ist vorhin von franzöſiſchen Aſſignaten gesprochen worden. Man hat aber nicht Alles gesagt. Ich habe zur Zeit der Revolution in Frankreich gelebt und ich bin dem Hauptschauplahe derselben sehr nahe gewesen. Als nun die große Revolution in Frank- reich ausgebrochen war und durch dieselbe ist alles umgestal- tet worden, fanden die, welche damals an dem Ruder der Geschäfte waren, kein Geld zur Erreichung ihrer Anordnungen. Da indeſſen eine Staatsmaschine einmal gehen muß, ich sage, gehen muß, à tout prix, ſo creirte man 1000 Millionen Assigna- ten. Das Wort assignat bedeutet hinlänglich, was sie was ren, weiter nichts, als eine Uffignation oder Anweisung auf die öffenlichen Kassen, aber nicht um dort gegen Geld gewech- felt zu werden, sondern um Nationaldomänen, die man er- steigte, zu bezahlen. Die Epoche dieser Emiſſion von Usſignaten war nämlich auch die, in der ſo viele Nationalgüter in Frankreich zur Verſtei: 27 gerung gebracht wurden. Diese wurden natürlich mit Aſſig, naten bezahlt, denn es war wenig anderes Geld im Umlauf. Diese Versteigerungen folgten sich einander rasch und auf allen Punkten von Frankreich; die Taxation war gering, die Zahl der Liebhaber ſtand nicht im Verhältnisse zu den aus- gebotenen Gütern, und daher der Ursprung von vielen großen Vermögen in jenem Land. Die Masse der Domänen war enorm und überſtieg bei weitem den Betrag der in Circulation gesetzten Assignate, deswegen hielten diese sich fest. Nach der Kriegserklärung gegen Oestreich verloren sie etwas ihren Werth, allein man verkaufte immer Nationalgü ter und sie blieben immer noch die Ressources der Staats: regierung und das Hauptgeld der Circulation. Bald aber, als 56 Mächte sich gegen Frankreich coalliirt hatten, als die Franzosen 12 Armeen auf den Beinen hatten, fielen die Assignaten schnell und tief, die Regierung glaubte immer mehr und mehr emittiren zu müssen, wodurch, wie natürlich, sie immer mehr und mehr fanken. Daher das erwähnte f. §. Maximum und so weiter. Indessen es bleibt fest, daß die Assignaten Frankreich gerettet haben. Wie viel man emittirt hat, dieses weiß, glaube ich, Niemand; jedenfalls mehr, als 2 oder 3 Milliarden. Ulein (und das geschahe bald,) als sie nur 3 oder 4 Procent galten und die äußeren Verhältniße besser wurden, der Feind zurück gedrängt und der Terroris- mus besiegt war, wurden die Assignaten in Mandate umge tauscht immer noch anweisbar auf Domänenverkäufe, (die fortgesetzt wurden), aber nur um /, des Nennwerths. Diese Mandate wurden wiederum, und zwar bald, umgewandelt in Rescriptions, auch wieder mit heruntergefeßtem Cours, aber immer lautend en payement de Domaines nationaux. Sp ter aber wurden die Rescriptions nicht mehr bei Zahlung von Domänen angenommen, sondern diese für Silbergelö verkauft, und die noch, circulirenden Rescriptions liquidirt zu den Staatsschulden, und in dem sogenannten Grand livre de la dette publique eingeſchrieben, unter der Rubrik Tiers consolidé. Ein solches Fallen des Papiergeldes beschränkte sich übrigens nicht auf Frankreich allein; Amerika bei seinem Kampf mit England_ſah auch sein Papiergeld so tief im Credit finken, daß der General Lafayette, der bei der Gallo, Amerikanischen Urmee diente, selbst erzählt, daß er 10,000 Franken für ein Paar Stiefeln bezahlt habe. Freilich, folche Beispiele aus den Kriegszeiten und aus dem Ausland ent nommen beweisen für unsere Verhältnisse weiter nichts, außer daß bei einer Epoche des Kriegs alles Papiergeld fällt. Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam Suppl. Bd. 18 28 ļ Man hat auch von Tresorscheinen gesprochen und es ist sicher, daß man in andern Staaten, auch in Frankreich, jolche Scheine hat; aber dort haben sie keinen gezwungenen Cours, sie sind bloße Anweisungen, einfache Mandate des Ministeriums auf die Staatskasse und immer innerhalb des Budgets ausgetheilt. Auch die Engländer haben solches Pa- piergeld, die sogenannten bons de l'Echiquier; dies sind eben. falls Anweisungen auf den Staatsschaß, und um diese bes liebter zu machen, hat man sie noch mit einem Unnerum von kleinem Zinsengenuß dotirt. Sie sehen aber, daß dies bei uns nicht paßt und auf die proponirte Emission nicht anwend= bar ist. - Der Ubg. Schneider: Bei der so vielfach geäußerten Besorgniß wegen Aufbringung der Mittel zur Deckung der Kosten, die dem Lande durch die Erbauung der Eisenbahnen erwachsen würden, muß ich bekennen, daß ich nicht gerne auf das in Aussicht gestellte Mittel der Emission von 1 Million Gulden Kassenscheine und Ersparung von 40,000 Gulden Zinsen verzichten möchte. Ich finde die Gefahren, die mit dieser Operation verbunden sein sollen, durchaus nicht so groß, wie sie geschildert werden, namentlich kann es nicht darauf ankommen, ob daß Großherzogthum groß oder klein im Verhältniß zu den Staaten, welche bereits Papiergeld besitzen, ist, wenn nur die Summe, die wir emittiren, den Berhältnissen des Großherzogthums entspricht. Preußen hat dermalen 25 Millionen Thaler Kassenscheine in Circulation, und es ist bekannt, daß diese Preußischen Scheine seit Jah, ren in Frankfurt höher gehalten wurden, als Preußisch Cou- rant, und daß in neuerer Zeit zu allgemeinem Bedauern dies ſes beliebt gewefene Circulationsmittel so selten geworden ist, daß man den gänzlichen Rückzug desselben nach Preußen als eine wahre Unbehaglichkeit betrachtet. In ganz Oberhessen, welches an das Preußische und Nassauische grenzt, wurden die Preußischen Kaffenscheine im Privatverkauf so gerne an- genommen, daß man jeden Tag mit Bitten bestürmt wurde, ob man nicht einige Thaler disponibel habe und gegen Sil- bergeld verwechseln wolle, was früher öfter möglich war, weil die Kassenbeamten einerseits öfters genöthigt waren, im Interesse der Zahlungspflichtigen derartige Scheine anzuneh men, während es andererseits untersagt war, sie an die Groß- herzogliche Hauptstaatskasse einzuschicken. Wie bequem es ist, bei geringen Rimessen sich des in Frage stehenden Circula- tionsmittels zu bedienen, wird kaum einer Erwähnung bes dürfen, und deshalb auch der Wunsch des Publikums erklär 29 i bar sein, sich dasselbe auf die einfachste Weise verschaffen zu können. Auch die Naſſau’ſchen Kaſſenſcheine, ja ſelbſt 'Coupons von Donau-Main-Kanalactien haben sich schon in Oberhessen gezeigt, deren Annahme im Privatverkehr durchaus nicht be- anstandet wird. Nehmen wir an, daß Preußen bei einer Bevölkerung von 15 Millionen Menschen 25 Millionen Kassenscheine in Cir- culation hat, so kommen auf den Kopf 12, Thaler oder 2 fl. 42 kr. Wird die Bevölkerung des Großherzogthüms zu 800,000 Seelen angenommen und für 1 Million Gulden dergleichen Scheine im Umlauf geseht, so trägt es?auf den Kopf erst 1 fl. 15 kr. Wäre dieses Papiergeld in allen Fa- milien nach Köpfen gleich vertheilt, so würde der Schah einer Familie von 8 Personen sich nicht höher, als auf 10 Gulden belaufen; weshalb um so weniger zu besorgen ist, daß dieses Papiergeld immer nur zu den öffentlichen Kassen hin- drängte und in diesen am Ende immer eine große Masse baaren Geldes disponibel gehalten werden müßte, um dessert Einlösung zu bewirken, da sich die Vertheilung der Kassen- scheine unter das inländische Publikum ganz anders stellen wird, als ich beispielsweise angeführt habe. " Was den gezwungenen Cours betrifft, so verstehe ich dies sen Ausdruck so: Die Hauptstaatskasse ist die Eigenthümerin des creirten Papiergelds und emittirt dasselbe theilweise bei Bestreitung ihrer Ausgaben, wo dasselbe als baares Geld an- genommen werden muß; sind dagegen Zahlungen an die Staatskasse, sei es unmittelbar oder mittelbar durch andere Recepturen zu leisten, ſo nimmt es die Hauptstaatskaſſe na: türlich auch wieder an. Ob sich vielleicht ein eigner Cours im Privatverkehr bil- den möchte, das lasse ich dahin gestellt sein; es mag vielleicht anfänglich bei dem einen oder dem andern Geschäftsmann eine Bedenklichkeit gegen die Annahme aufstoßen, sobald aber einmal dargethan ist, daß das fragliche Papiergeld wie gutes Geld bei andern Geschäftsleuten angebracht wird, so wird der anfängliche Widerwillen schnell verschwinden, sowie überhaupt die bedeutende Concurrenz im Handel und dem gewerblichen Verkehr die Besorgnisse eines organisirten Widerstandes gar nicht aufkommen läßt, denn was der Eine etwa nicht zu lei- ſten Willens sein sollte, wird der Andere gerne schnell zuge. stehen, um sich Ubsah und Kundschaft zu vermehren. Der Abg. Ramspeck: Ich finde keine Veranlassung für mich, über die Emiſſion der Kaſſenſcheine noch viel zu sagen, 18* 12 1 ¿ 30 } i ་ nachdem bereits so viel Richtiges darüber gesagt worden ist. Ich bin ebenfalls gegen die desfallsige Propofition und finde mich nur bewogen, dasjenige, was der Abgeordnete G. Schend in factischer Beziehung anführte, zu bestätigen, daß nämlich im Jahr 1830, als von vielen Seiten ein Krieg befürchtet wurde, die Preußischen Tresorscheine mit Verlust angeboten worden sind. Im merkantilischen Fach ist namentlich im Falle der etwa bevorstehenden Calamität eines Kriegs, bei allen Papieren dieser Art Verlust sehr zu befürchten, und es ist auch für die gewerbtreibenden Klassen in mancher Bezie- hung nachtheilig, wenn solches Papiergeld einen gezwungenen Cours hat. Es sollen z. B. die Urbeiter an einem Straßen: bau ihren Lohn bekommen, die Kassenbeamten können ihnen im Augenblick kein baares Geld geben, und nun würden jene Leute gezwungen sein, Kassenanweisungen zu nehmen, um damit ihre Bedürfnisse zu bestreiten. Da aber die Kas senanweisungen im commerziellen Verkehr nicht so leicht Auf- nahme finden, weil der Kaufmann mit den Kassenanweisun gen keine Einkäufe bezahlen kann, so würden, als nothwen dige Folge davon, die beispielsweise angeführten Arbeiter ein paar Kreuzer Verlust erleiden müssen. Ich stimme schon mit Rücksicht hierauf gegen die frag: liche Proposition und schließe mich im übrigen vollständig den von dem Herrn Präsidenten geäußerten Ansichten an. Der Abg. Kilian: Wenn ich die seitherige Discussion richtig aufgefaßt babe, so sollen die öffentlichen Kaffen be rechtigt und beziehungsweise verpflichtet sein, Zahlungen in Papiergeld zu leisten und zu empfangen. In dieser Voraus- sehung würde aber der Verkehr sich als ein sehr beschränkter darstellen. Soll er aber dahin ausgedehnt werden, daß Je= dermann das Papiergeld anzunehmen verbunden ist, so be: dürften wir vor allem eines Gesetzes, welches diejenigen mit Strafe bedroht, die dasselbe anzunehmen sich weigern, denn meines Wissens hat das neue Strafgesetzbuch in dieser Hin- sicht keine Vorsehung getroffen. In Ermangelung eines solchen Gesehes könnten die größ- ten Mißstände sich ergeben z. B. wenn die Verkäufer der nothwendigsten Lebensbedürfnisse sich vereinigten, kein Papier- geld anzunehmen. Wie wollte man sie zwingen, wenn fie nicht zur Strafe gezogen werden können? Wenn übrigens die Preußischen Tresorscheine bei uns und allenthalben angenommen wurden, so lag der Grund darin, daß die Preußischen Kaffen auch die falschen Anweiz sungen einlösten. Dieses wird aber künftig anders werden, : 1 31 wenn das, was ich kürzlich in der Mainzer Zeitung gelesen habe, wahr ist, daß nämlich bei den Preußischen Kaffen die falschen Unweisungen nicht mehr angenommen, sondern zu- rückbehalten werden, und um fernere Fälschungen zu vermeis den, nicht einmal angegeben wird, worin diese bestehen. Jedenfalls müßte übrigens, wenn das proponirte Papier- geld creirt werden soll, ausgesprochen werden, wie es mit den falschen Anweisungen gehalten werden soll. Die Minorität des Ausschusses hat in dieser Hinsicht einen förmlichen An trag gestellt, es heißt Seite 32 des Ausschußberichtes aus- drücklich: (verlesen.) Bleibt das Publikum über die Annahme der falschen Scheine bei den öffentlichen Kassen in Ungewißheit, so wird fie jedermann zurückweisen, indem er immer fürchten müßte, falsche Scheine zu bekommen, und es oft nicht leicht ist, die Fälschung zu erkennen. Dieses müßte aber die nachtheiligsten Folgen auf den Ver- kehr haben. Ich gebe aber auch auf der anderen Seite zu bedenken, wie groß die Gefahr ist, welche der Staat läuft, wenn er sich zur Einlösung der falschen Unweisungen verstehen `wollte. Der Abg. Valckenberg: In Preußen existirt kein Ge- sch, wonach das ganze Publikum, gleichviel Privaten oder Geschäftsleute, gezwungen ist, preußische Kassenanweisungen bei Zahlungen anzunehmen. Ich kann versichern, daß die kölner Bank selbst auf Wech- ſeln in pr. Ct. zahlbar, zuweilen ausdrücklich erklärt hat, sie wolle keine preußischen Kassenanweisungen haben; man ist dort nicht gezwungen, Kassenanweisungen zu nehmen, der fremde Kaufmann, der Waaren nach Preußen verkauft hat, hat nicht nöthig, preußisches Papiergeld dafür zu nehmen, wenn er nicht freiwillig will. Was der Abgeordnete Schneider von dem Cours von Coupons von Donau-Main Kanalactien in Gießen und der Umgegend bemerkt hat, kann jetzt nicht mehr gültig sein, weil keine Coupons von Donau- Main: Kanalactien für den Au- genblick eingelöst werden; diese Verhältnisse sind, wie bei manchen andern Papieren, sehr problematisch, ich bin aber überzeugt, daß man in Paris keine preußischen Tresorscheine gegen baares Geld ohne großen Verlust umwechseln kann. Der Abg. Aull: Gerade im Gegentheil, bei jedem Wechsler können Sie soviel preußische Treſorſcheine umwech- 32 seln, als Sie wollen, ich kann dies dem Abgeordneten Val- ckenberg aus eigener Erfahrung versichern. Der Abg. Valckenberg: Es wird dies doch nur mit Ausnahmen der Fall sein; übrigens glaube ich, daß ein ge= zwungener Cours durchaus nicht stattfinden kann. Daß aber die preußischen Kaſſenanweisungen, was auch schon frü- her hervorgehoben ist, so viel Credit finden, davon liegt der Grund darin, daß der Steuerpflichtige in Preußen gezwungen ist, seiner Steuer in Kaſſenanweisungen zu zahlen und / baares Geld; dies ist ein Hauptgrund, weßhalb man in Preußen diese Kassenanweisungen so gerne nimmt; und ebenso bekommen auch die Beamten ihres Gehaltes in Kassenan weisungen und / in baarem Gelde. Ich glaube aber, daß */ unsern Beamten nicht gedient wäre, wenn sie ihren Gehalt in Kassenanweisungen ganz ausgezahlt bekämen und damit ihre Lebensbedürfnisse sich anschaffen sollten. 4 5 Der Herr Geheimerath Eckhardt: Ich habe die zwei Gesetze, welche sich auf die Tresorscheine in Preußen bezie. hen, bei mir. Das erste Gesch ist vom Jahr 1806, wodurch die Tresorscheine zuerst geschaffen worden sind und worin als lerdings ein solcher gezwungener Cours bestimmt war. Auch ist in diesem Gesetz zu gleicher Zeit die Bestimmung enthal ten, daß ein aliquoter Theil der Steuern in solchen Kaffen- anweisungen entrichtet werden müſſe; und es konnte daher leicht der Fall eintreten, daß von dem Steuerpflichtigen die Coursdifferenz ebenso, wie bei dem Gold, bezahlt werden mußte, wenn er keine Kassenanweisungen in Natur aufbrin- gen konnte. Dieser gezwungene Cours ist aber durch eine Verordnung vom 15. März 1813 aufgehoben worden. Der gezwungene Cours hört hiernach in Preußen auf, dagegen aber auch die Verbindlichkeit der Staatskaffe, alle Zahlungen ganz in solchen Tresorscheinen nach ihrem Nennwerthe anzu nehmen. Die Staatsregierung hat übrigens bei der geringen Menge von Papiergeld, welche emittirt werden soll, vorausgeseht, daß sich sehr leicht ein fester Cours bilden würde, und nur zur Festhaltung desselben in Aussicht gestellt, daß alle Zahlungen, welche an die Staatskasse zu leisten sind, unbeschränkt in Pas piergeld sollen gemacht werden dürfen; wogegen die Staats- kasse aber auch befugt sein muß, ihre Zahlungen ebenfalls in Papiergeld zu leisten. In Beziehung auf einen Zwang gez gen Private aber, die z. B. ein Anlehen machen, hat der Gefeßesentwurf aus dem Grunde nichts bestimmt, weil ein folcher gezwungener Cours, worauf sogar Strafbestimmungen 33 anwendbar sein sollten, nicht in der Absicht der Staatsregie- rung_lag. Der Abg. Schmitt henner: Ich will mich nicht zum Udvokaten des Papiergeldes in dieser verehrlichen_Kammer aufwerfen. Nur muß ich der Vollständigkeit der Discussion wegen noch auf etwas anderes hinweisen. Man hat hier mehrfach mit zu geringer Würdigkeit von der Theorie der Staatswirthschaft gesprochen und namentlich die kaufmännische Praxis als maßgebend für staatswirthschaftliche Gegenstände aufgestellt. Dem muß ich entgegen treten. Die Grundsätze, welche die Wiſſenſchaft der Staatswirth- schaft aufstellt, beruhen keineswegs blos auf einem Räson. nement a priori, sondern meist auf Erfahrungen, freilich nicht auf solchen, welche, wie vorhin bemerkt ward, gleich find Ab- stractionen von der menschlichen Natur, sondern auf Beobach, tungen von Erscheinungen und Erperimenten im Staatsleben, die größtentheils außerhalb der Sphären der kaufmänniſchen Praxis fallen. Es ist im Bericht ausdrücklich darauf hingedeutet worden, wie es allerdings Staaten gegeben hat, in denen das Papier- geld einen unglücklichen Ausgang genommen hat; es ist aber auch nicht zu übersehen, daß es Staaten gibt, z. B. gerade derjenige, welchen die bedeutendsten Kaufleute der Welt bewoh- nen, England, wo bei Weitem der größte Theil der Ver kehrsgeschäfte durch Banknoten vermittelt wird, ohne daß Nachtheile für Staat und Gesellschaft hervortreten. Ich wiederhole, daß ich die Emiſſion von Kaffenſcheinen für rathsam und für gefahrlos halte. Für einen gezwunge= nen Cours im normalen Zuſtande des Staatslebens würde ich aber nicht ſtimmen, ſondern ich würde dafür ſein, daß dem Papiergeld ein freier Cours gegeben, natürlich aber die Staats- kasse verbindlich gemacht wird, es jeder Zeit auf Verlangen wieder einzulösen, was die Annahme desselben im Privatver- kehr verbürgen wird. Der Abg. Kahlert: Man hat gesagt, es würden durch Emiſſion von einer Million Papiergeld jährlich anţ 40,000 fi. Zinsen erspart werden, man hat aber auch weiter gesagt, daß in jeder Provinz wenigstens eine Kaſſe ſein müsse, welche das Papiergeld einlöse. Wenn aber Lehteres der Fall ist, dann ist jedenfalls der gehoffte Vortheil verloren, wenigstens der größte Theil der 40000 fl. würde nicht erspart werden kön nen. Ich frage aber, wenn wir wenig dabei gewinnen kön- nen, ist es dann der Mühe werth, daß wir uns die Folgen und die Verlegenheiten bereiten, welche das Papiergeld mit [ 34 ! fich führt? Ich glaube nicht, daß unsere eine Million als zu den 25 Millionen des preußischen Staats in einem richti gen Verhältnisse stehend angesehen werden kann, denn neh- men Sie an, meine Herren, wie groß und ausgebreitet sind die Geschäftsbeziehungen, in welchen Preußen zu dem übri gen Deutschland steht, wo jeder preußische Fabrikant diese Kassenanweisungen sehr gerne annimmt, und sie wegen des leichteren und weniger kostspieligen Versandes statt baaren Geldes selbst im Auslande gesucht sind. Nach der Beschaffenheit unseres Landes aber und hinsicht lich seiner Geschäftsbeziehungen zu dem übrigen Deutschland, wird uns die Emission von Papiergeld solche Vortheile nicht bringen. Ich bin daher nach wie vor dagegen, weil ich wäh rend der Berathung über diesen Gegenstand nichts vernom- men habe, was meine Besorgniß darüber beseitigt hätte. Der Übg. Kilian: Ich möchte noch beispielsweise dar auf aufmerksam machen, daß nicht einmal die nassauische Kupfermünze hier in Darmstadt Cours hat. Daß übrigens die preußischen Kassenanweisungen häufig, ja ich möchte sagen unaufhörlich, gefälscht worden sind, ist eine bekannte Sache. Die preußische Staatsregierung hat sogar Beamte, welche eigens beauftragt find, an Ort und Stelle zu reisen, wo die falschen Scheine zum Vorschein gekommen sind, um die ge- richtliche Verfolgung zu veranlassen. (In Bezug auf die auszufertigenden Obligatio. nen au porteur namentlich deren Größe): Der Abg. Balckenberg: Ich möchte den Wunsch aus- drücken, daß man den Ausdruck,,Eisenbahnobligationen" nicht gebrauche; denn ich halte den Zusah,,Eisenbahn" in den Obligationen nicht für nothwendig, wenn die Staatsregierung mit den Ständen die Garantie für die Partialschuldscheine übernimmt; und daß man bei dieser Gelegenheit dann auch die Staatsregierung ermächtigen möge, wie der Herr Präsi dent sich vorhin ausgesprochen hat, das Unlehen Anfangs zu dem Zinsfuß von 4 pCt. zu negoziiren, unbeschadet der Maß- regel, daß man, wenn später weiter Capitalien aufgenommen werden müssen, 3', pCt., wenn es unser Intereſſe erheischt, ausbiete und in Conto bringe. 250 fl., 500 fl., 1000 fl. wären wohl die richtigen Summen, und nicht kleinere, wie 250 fl. Disse stelle man auf Namen oder au porteur, wie man es verlangt. -Dann möchte ich noch die Bemerkung machen, daß ich auf die Eröffnung einer Subscription zur Aufbringung des Anlehens nicht viel Werth lege, ich habe war nichts dagegen, daß die Subscription allerdings statt- 1 35 finde, aber da das Anlehen unter der Garantie der Stände stehen wird, so glaube ich unbedingt, daß es pari ausgegeben werden kann, besonders dann, wenn das Papiergeld weg bleibt. Wenn sich Liebhaber zur Subscription melden, zu pari á 4 pCt, so komme man ihnen mit Vergnügen entgegen, bis zu einer bestimmten Summe und gewissen Terminen. Man laſſe Inländer wie Ausländer zu. Ist eine solche Summe ausgegeben, daß der Geldbedarf für 2 Jahre gedeckt ist, so steigere man im Cours oder offerire 3/2 procentige Obliga- tionen. Auf jeden Fall gebe man unter pari keine 4 procen tige aus, sondern finden solche hierzu augenblicklich keine Neh- mer, so gebe man eine Parthie gegen Geldvorschuß in Ver- fah; und würde man absichtlich den Cours drücken wollen, dann ist es noch Zeit genug, Kaffenanweisungen auszugeben, und wenn es auch mehr wie eine Million wäre. Der Herr Geheimerath Echardt: Ich glaube nicht, daß die Staatsregierung darauf beschränkt sein kann, nur zu 4 pCt. Zinsen Geld aufzunehmen; denn es können allerdings Umstände eintreten, wo man auch oder 1/2 pEt mehr ges ben muß, wenn man Geld haben will, besonders bei so bes deutenden Anleihen. Ich verhehle Ihnen in dieser Beziehung die Schwierigkeiten nicht, welche mit der Aufbringung des Anlagecapitals verbunden find, ich rede hier ganz offen mit Ihnen und will Sie durchaus nicht zu dem Glauben verleiten, daß man das Geld so leicht aufbringen könnte; dies ist nicht der Fall, ja es werden vielleicht bedeutende Opfer in dieser Beziehung gebracht werden müssen und ich mache Sie schon jeht hierauf aufmerksam, um späteren Bemerkungen vor zubeugen. Der Abg. Kilian: Ich glaube zwar, daß viele Kapita- lien zu einem geringeren Zinsfuß als 4 pCt. aufgebracht wer- den können. Indessen wird sich der Nichthandelsmann, wel cher sein Geld auf Hypothek anlegt, schwerlich zu weniger als 4 Procent verstehen. Es ist aber auch möglich, daß augenblicklich nur zu einem höheren Zinsfuß Geld aufgebracht werden kann. Da die Staatsregierung sich im Stande be- finden muß, unter allen Eventualitäten das Geschäft zu förs dern, so scheint es mir unumgänglich nöthig, daß ihr hinsicht- lich des Zinsfußes freie Hand gelassen werde. Zu Artikel 3. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Ich muß hier über- haupt die Bemerkung wiederholen, welche ich auch der eisten Kammer gemacht habe, daß die Positionen dieses Gesetzes ६ J 36 ihrem wesentlichen Inhalte nach mit den Ständen vereinbart werden müssen. Was aber die definitive Redaction betrifft, so muß natürlich der Staatsregierung überlassen bleiben, das Gesagte zu einem harmonischen Ganzen zu verarbeiten und zusammenzustellen. Der Abg. Aull: Der Ausschuß hat darauf angetragen, in diesem Artikel die pos. 3 zu streichen; ich stelle aber den ausdrücklichen Antrag: daß in dieser Beziehung der Gefeßesentwurf vollständig beibehalten werde, nämlich daß in dem Falle, wo sich die Bahn als rentabel beweist, nach vordersamstiger Berichtigung der Zinsen und der zur Amortisation auszusetzenden Summe, der Ueberschuß bis zum Belauf von 1 pCt. zur Bezahlung eines 5. Pro- zents verwendet und so eventuell für die zur Erbauung der Bahn aufgenommenen Kapitalien ein Zinsenertrag von 5pCt. in Aussicht gestellt werde. Es ist vielfältig geäußert worden, daß man mit Umge hung eines durch Banquiers zu bewerkstelligenden Anlehens das zum Bau erforderliche Kapital so viel thunlich im Lande aufbringen wolle. Ohne Zweifel werden auf diesem Wege die bedeutenden Kosten einer Negotiation durch Banquiers erspart. Wenn ich mich nun auch nicht darüber täusche, daß es schwer fallen dürfte, den ganzen Betrag von 12 Millionen im Lande aufzubringen, so sind doch die Finanzen unseres Landes in einem solchen Zustande, daß sie auch den Fremden Vertrauen einflößen müſſen; besonders, wenn es sich von einem productiven Darlehen handelt, welches auf ein renta- bles Object verwendet werden soll. Unsere vierprozentigen Obligationen stehen bereits auf 102 pCt., das neue Unlehen könnte diesen Cours möglicherweise etwas drücken; wenn Sie dagegen das 5. Prozent in Aussicht stellen, so wird dieses Anlehen auf der Stelle Gegenstand der Speculation und wir werden Abnehmer genug für unsere Obligationen finden; ich möchte sogar dafür bürgen, daß sie nicht nur den Cours un- serer jezigen 4 pCt. Obligationen erreichen, sondern nach Verlauf einiger Zeit sehr gesucht sein und bedeutend steigen werden. In der That ist der Zinfuß von 5 pCt. seit einiger Zeit in den Hintergrund getreten; bei allem dem spricht die Gewohnheit für ihn und begreiflicher Weiſe ſind Obligationen, deren Solidität sonst nicht verdächtig ist, die 5 pCt. Zinsen tragen, oder wenigstens diesen Zinsfuß unter Bedingungen, die nicht rein chimärisch find, in Aussicht stellen, sehr beliebt. 37 Ohne Zweifel ist dieses auch der Grund, wodurch Rußland sich bewogen fand, bei dem großen Anlehen von 50 Millionen Silberrubel für die Erbauung seiner Eisenbahnen das 5. Pro- zent gerade ſo in Aussicht zu stellen, wie dieses in dem Ge- sehesvorschlage geschehen ist, den wir so eben berathen. Ein Gleiches hat Hannover bezüglich des dreiprozentigen, für die Erbauung seiner Eisenbahnen aufzunehmenden Anlehens ge- than; der Vorschlag der Regierung wurde von der ersten Kammer angenommen; die zweite Kammer hat ihn vorerst verworfen und es steht noch zu erwarten, in welcher Weise sich die beiden Kammern am Ende vereinigen werden. Aus allen diesen Gründen erkläre ich wiederholt, daß ich für den Antrag der Regierung in der vollesten Ueberzeugung stimme, daß dadurch das Unlehen mit Leichtigkeit und ohne unserm Credit zu schaden, bewerkstelligt werden wird. Der Präsident: Meiner Ansicht nach sollten wir über den Punkt, welchen der Abgeordnete Aull nachträglich zur Sprache gebracht hat, nicht streiten, da der Fall nicht wohl vorkommen wird, daß die Eisenbahn mehr, als 4 pCt. abwirft. Kein Kaufmann, kein Banquier, kein Kapitalist, kurz Nie- mand, der es versteht, wird sich durch die Zusicherung eines wenigstens sehr ungewissen weiteren Zinsenprozents zur Be- theiligung bei der Anleihe bestimmen lassen. Der Abg. Lotheißen: Ich kann dem Herrn Präsiden ten insofern nicht beistimmen, als ich nicht glaube, daß man jezt schon voraussehen kann, die Eisenbahn werde niemals mehr, als 4 pCt. eintragen. Ich glaube im Gegentheil, nach einiger Zeit wird sie jedenfalls mehr eintragen, vielleicht erst in 6, 8 oder 10 Jahren Tritt dann der Fall ein, daß die Bahn 5 pCt. rentirt, so wird das 5. pCt. der Staatskasse fehr zu gute kommen; aber es wird auch, wie ich wenigstens glaube, das einzige Mittel sein, das zu negociirende Anlehen zu Stande zu bringen, ohne Contrakt mit einem Banquier. Das 5. pCt. ist eine esca, eine Lockspeise, für Manchen, der ohne dieses 5. pCt. ſein Geld nicht der Tilgungskasse leiht. Indessen wird man, auch wenn dieses 5. pCt. in Aussicht gestellt bleibt, im Inlande das erforderliche ganze Baukapital nicht aufbringen können. Eröffnet man aber dabei auch den ausländischen Kapitalisten die Concurrenz, so dürfte in dem vorgeschlagenen Wege das Kapital durch Privatanlehen zu erlangen und die kostspielige Hülfe eines Banquierhauses zu umgehen sein. Sollte dieses dennoch nicht möglich sein, also der Fall eintreten, zu einem Banquier die Zuflucht zu neh men, dann möchte ich dieses 5. pCt. nicht in Aussicht genom- 1 1 : 38 men sehen; denn bei den Unterhandlungen mit einem Ban- quier würde dieser auf das 5. pCt. keine Rücksicht nehmen, die Bedingungen zur Anleihe darum nicht billiger stellen, und den in Frage stehenden fünften Zinsgulden nur zu sei nem Vortheile benugen. Ich wünsche deshalb, daß ein Weg ausgemittelt werden könnte, auf welchem blos denjenigen Darleihern, die unmit telbar der Tilgungskasse das Geld leihen, das 5. pCt. in Aussicht gestellt werden könnte, mit Ausschluß des Ban- quiers und derjenigen, welche demnächst die Obligationen durch den letzteren beziehen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Ich möchte mir nur die Frage erlauben, wo das 5. pCt. herkommen foll? Denn wenn ich die Beschlüsse der ersten Kammer und die Anträge des Ausschusses richtig verstanden habe, ſo ſind ja alle reine Ueberschüsse zur Amortisation bestimmt und diese 50,000 fl. Tilgungsfond werden nach gegenwärtiger Interpretation nur für den Fall in Aussicht genommen, daß diese Ueberschüsse nicht hinreichen, um wenigstens 50,000 fl. jährlich zu amor tisiren; nur dann, wenn alles, was nach der Zinsenzahlung übrig bleibt, nicht zur Amortisation bestimmt wäre, könnte dieſer Ueberschuß zur Zinſenerhöhung verwendet werden. Der Abg. Aull: Ich bin mit dem Abgeodneten Lothei- Ben ganz und gar einverstanden. Nur möchte er irren, wenn er glaubt, daß wenn wir uns an Banquiers wenden müßten, das in Aussicht gestellte fünfte Procent uns keinen besonde ren Vortheil gewähren würde. Je nachdem die Bedingungen vortheilhafter find, desto leichter und zu desto besseren Preisen feht der Banquier die Obligationen ab, und in demselben Maße sind seine Forderungen für die Negotianten billiger. Kann er hoffen, die Obligationen bald zu 102 pCt. zu pla- ciren, so wird er fie gerne pari übernehmen, weil sein Be nefice dann auf jede Million die enorme Summe von 20,000 fl. beträgt. Darf er gar hoffen, den Cours auf 104 pCt. zu treiben, so wird er die Obligationen gerne zu 102, vielleicht zu 1021/½ oder 103 übernehmen. Muß er aber fürchten, die Obligationen nur pari placiren zu können, so giebt er höchstens 98 pCt. Da wir unsere Obligationen ohnehin, um den Zinsenverlust zu vermeiden, nur in 4 oder 5 Raten emittiren werden, so bleibe ich dabei, daß es am be: sten ist, wenn die Staatskasse diese Emission an die einzelnen Darleiher selbst bethätigt, und bin fest überzeugt, daß es ihr an Abnehmern nicht fehlen wird. } į 39 Der Abg. Valdenberg: Der Abgeordnete Aull scheint zu übersehen, daß wenn das fünfte Procent in Aussicht ge- nommen ist, dadurch viele Inconvenienzen entstehen und der Banquier, der das Anlehen in seine Hände bekommt, viele Vortheile zu unserem Nachtheil daraus ziehen kann, die man ihm nicht zugestehen soll; darum ist es besser, wenn in run- der Summe das nöthige festgestellt und das fünfte Procent nicht in Aussicht gestellt wird. Stellen Sie das fünfte Procent in Aussicht, so ist es allerdings ein Lockvogel, welcher die Kapitalisten animirt, sich bei dem Anlehen zu interessiren, allein wir brauchen keinen Lockvogel, weil wir Geld genug à 4 pCt. gegen unsere von den Ständen garantirten Obligationen finden, und dagegen uns, durch das in Aussicht gestellte fünfte Procent, dergestalt in ihre Hände geben, daß ich nicht voraussehe, wie wir uns folchen wieder entwinden können. Ja, der Tilgung würde auch ein solches fünfte Procent sehr im Wege stehen, und die Inhaber von Obligationen, die ein fünftes Procent in Aus- ficht stellen, würden uns dadurch an der Kordel führen, während wir durch ein vierprocentiges Papier bei der Til gung uns ganz frei bewegen können. Das fünfte Procent in Aussicht stellen, heißt im Interesse der Kapitalisten gesprochen, während der, welcher auf vier Procent stehen bleibt, im Interesse unseres Staatshaushaltes spricht. Zu Artikel 4 u. 5. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Rücksichtlich des von der ersten Kammer in diesem Artikel votirten Tilgungsfonds von 50,000 fl., will ich mir nur die Bemerkung erlauben, daß, um die Allgemeinheit des Gesetzes aufrecht zu erhalten, es vielleicht zweckmäßiger wäre, wenn man statt eines be- stimmten Fonds von 50,000 fl, 1/2 pCt. des Anlagekapitals hierfür festsette. I Der Abg. Städel: Wenn Sie nur 1/4 pCt. oder 25,000 fl. als Tilgungsfond aussehen, so brauchen Sie 81 Jahre, um ein Anlehen von 10 Millionen zu tilgen; wenn Sie dafür 1/2 pCt. bestimmen, so brauchen Sie 54, und wenn Sie nach meinem Antrage 1 pCt. verwenden, fo brauchen Sie 43 Jahre zur Tilgung. Es liegt bei jedem Tilgungsfond in der Natur der Sache, daß die Zinsen, welche von den bereits zurückgezahlten Kapitalien erspart wer den, dem Tilgungsfond als weiterer Zuschuß zufließen. Dies liegt in der Idee selbst und braucht nicht besonders ausge sprochen zu werden, 40 2 Wenn Sie, meine Herren, sich für einen starken Tils gungsfond aussprechen, so haben Sie bessere Aussicht, ein großes Kapital, wie Sie solches brauchen, zu günstigeren Bedingungen aufzubringen, als wenn Sie nur '/, oder auch 1½ pCt. jährlich zur Tilgung bestimmen. Sie müssen in lekterem Falle natürlich eine längere Reihe von Jahren für die allmählige Rückzahlung voraussehen, das Anlehen wird also von den Kapitalisten und in der Handelswelt nicht so gesucht werden, als wenn man. 1 pCt., wie dies gewöhnlich bei Staatsanlehen für diesen Zweck in Aussicht genommen wird, bestimmt. Wenn Sie 1 pCt. festsehen, so werde ich beistimmen, daß Sie alsdann zu gleicher Zeit die von der Staatsregierung beantragte Subvention von 2 Heller von einem Gulden Normalsteuerkapital bewilligen, um die Mittel zu schaffen, und zwar von dem Zeitpunkte an, wo eine gewiſſe Summe des Anlehens aufzunehmen und zu verwenden bestimmt würde. Durch diefe Subvention würde der Tils gungsfonds gebildet und ein Ueberschuß bliebe verfügbar, um die Zinsen des nach und nach aufzunehmenden Kapitals wes nigstens zum Theil zu decken, bis zu der Zeit, wenn die Bahn rentbar würde. Auf diese Weise werden Sie zu den günstigsten Bedin- gungen ein Anlehen negociiren können. Es fragt sich nun, ob Sie nicht dieses Unlehen durch Concurrenz zu besseren Bedingungen machen? Wenn auch bestimmt wird, daß 10 Millionen aufgenommen werden sols len, so brauchen Sie diese Summen doch nicht im ersten Jahre, sondern nur nach und nach. Die Gesellschaft, welche ein solches Anlehen übernehmen würde, oder der Banquier, der sich damit befaßte, würde auf 6 Jahre hinaus etwa in monatlichen Raten die Zahlungen übernehmen, und Sie würden vielleicht auf diese Weise Ihre vierprocentigen Oblis gationen zu 101 oder 102, wie jeht die vierprocentigen Fonds stehen, anbringen. Es ist aber gewiß, daß die Aussicht einer schnelleren Til- gung einen günstigeren Cours bedingen wird Wenn durch Subscription im Inlande das Anlehen nicht erfüllt würde, müßte man doch zu den Banquiers seine Zu- flucht nehmen, und es wären alsdann weniger günstige Bes dingungen zu erwarten, da bei der erwiesenen Unzulänglich, keit der Subscription die Nothwendigkeit bestünde, sich in die Vorschläge zu fügen. Um diesen Nachtheil zu vermeiden und doch dem inländischen Kapitaliſten eine Betheiligung zu sichern, könnte man sich die Verfügung über eine Summe 41 von einer Million, oder mehr, vorbehalten, die man solchen Liebhabern abgeben könnte, unter der Bedingung, den nicht verwendeten Rest an den Unternehmer des Anlehns zu übers weiſen. Ich wiederhole nochmals, wenn Sie 1 pCt. Tilgungsfond festsehen, und 4 pCt. Zinsen bewilligen, so werden Sie die Obligationen etwas über pari anbringen können, und darin besteht ein beachtungswerther Vortheil. Ich glaube, es ist dies besser, als wenn Sie damit anfangen, eine Subscription für Einzahlungen zu eröffnen. Der Betrag derselben wird weit hinter dem wirklichen Bedürfniß zurückbleiben, und um so lästiger werden hernach die Bedingungen sein, unter denen die Banquiers, an die man sich am Ende doch wenden müßte, die Anlehen übernehmen würden. Der Abg. Aull: Was die Umortisation betrifft, so bin ich der Meinung, daß man eine sogenannte compo nirte Amortisation eintreten lasse, mit anderen Worten, daß man dazu die in Aussicht gestellte jährliche Summe von 50,000 fl. bestimmte. Dadurch werden für das nächste Jahr bei 5 pCt. Zinsen schon 2500 fl. an Zinsen gespart. Diese 2500 fl. läßt man dem Amortisationsfond zuwachsen und auf diese Weise macht sich die Amortisation weit schneller, als sonst bei den Bestimmungen eines Tilgungsfonds geſche- hen sein würde. Ich glaube, daß dieses die Ansicht der er ften Kammer und auch der unseren ist. Ich habe also dar- über nichts mehr zu sagen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Zu dem Vorschlag des Abgeordneten Städel erlaube ich mir erläuternd zu be- merken, daß, wenn man 4 pCt. Zinsen und 1/½ pCt. Tilgungs- fond annimmt, die Tilgungsperiode 56 Jahre dauert. Bei 4 pCt. Zinsen und einem ganzen pCt. Tilgungsfond dauert aber die Tilgung nur 41 Jahre. Der Unterschied beträgt also 15 Jahre; ich lasse dahin gestellt sein, ob hierdurch ein wesentlicher Vortheil errungen wird. Der Abg. Lotheißen: Nur in der Summe ist ein Un- terschied. Das 1/2 pet. wird jährlich 45,000 fl. betragen, wenn man annimmt, daß mit 9 Millionen die ganze Bahn gebaut werden kann. Der Abg. Schmitthenner: Die Ansicht des Ausschus- ses ist eigentlich die gewesen, den Amortisationsfond von 50,000 fl., oder von 1/2 pCt. als Minimum zu betrachten, welches in allen Fällen zur Tilgung verwendet wird. Außer dem ist aber angedeutet, daß aus den Ueberschüssen, welche die Rente der Bahn etwa abwirft, ein weiteres Rembourses 42 ment stattfinden möge. Indem endlich in dem Ausschußbe richte von einer nach den gewöhnlichen Regeln eingerichteten Amortisation die Rede ist, so versteht sich, daß dem Tilgungs. fond die Zinsen der getilgten Kapitalien zuwachsen, die Til- gung also in geometrischer Progression fortschreiten solle. Der Präsident: Es sollen also nach den geäußerten Ansichten aus den Ueberschüssen, welche die Bahn liefert, vor- zugsweise 1) die Zinsen der aufgenommenen Kapitalien gedeckt, und nach Berichtigung der Zinsen, 2) die Kapitalabſchlagszahlungen geleistet werden. In den Jahren, wo diese aus den Ueberschüssen zu leis stenden Abschlagszahlungen nicht 50,000 fl., nebst den durch die Amortisation erspart werdenden Zinsen betragen, oder nach dem Vorschlag des Herrn Regierungscommissärs nicht 1/2 pCt. des Anlagekapitals, soll das Fehlende aus Staatsmitteln zus geschossen werden. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Ich habe früher den Beschluß der ersten Kammer so verstanden, daß die 50,000 fl. als ein absoluter Zusatz zum Tilgungsfond zu betrachten seien, und daß außerdem noch die Ueberschüsse der Bahn zur Umor- tisation verwendet werden sollen. Der Präsident: Ich habe den Beschluß der ersten Kammer anders verstanden, nämlich dahin, daß aus den Ueberschüssen 50,000 fl. nebst dem Betrag der durch die Amor: tiſation erspart werdenden Zinsen getilgt werden sollen. Be- trügen aber die Ueberschüsse weniger, so soll das Fehlende aus Staatsmitteln zugeschossen werden. Zu dieser Ansicht bestimmen mich hauptsächlich die in dem Ausschußbericht der ersten Kammer, Seite 5, pos. 3 enthals tenen Motive, und die Betrachtung, daß die Abstimmung der ersten Kammer lediglich als Folge des Ausschußberichtes, und nicht als Folge der Diskussion in der ersten Kammer zu betrachten ist. Der Abg. Schmitthenner: Was der Herr Präsident so eben bemerkte, ist auch ganz die Ansicht, welche unser Ausschuß gehabt hat. (Der Abgeordnete Valckenberg unterstüßt den Antrag des Abgeordneten Städel.) Der Abg. Peerrot: Ich bin der Ansicht, daß man die vorhin gemachte Proposition des Herrn Regierungskommiſſärs annehmen soll. Einmal sind die 50,000 fl. nur in sofern hin- länglich und in Voraussicht gestellt, als die Eisenbahnen nur circa 10 Millionen kosten sollten. Allein es ist sicher, die 43 1 1 Summe bleibt nicht auf 10 Millionen beschränkt, und wenu man nun ½ pCt. von dem zu der ganzen Operation vers wendeten Kapital annimmt, so wird der vollständige Betrag des proponirten Tilgungsfonds gedeckt werden und es werden, nach meiner muthmaßlichen Berechnung, in dem Voranschlag den wir von der Staatsregierung vorgelegt bekommen, unge- gefähr statt 50,000 Gulden, 75,000 Gulden aufzuführen sein Denn ich glaube, daß das Ganze 15 Millionen kosten wird, in dem Falle nämlich, wenn die beantragten Zweig- bahnen auch mit ausgeführt werden. Seht man aber 1 pCt., wie der Abgeordnete Städel beantragt, fest, so macht dieß auf 15 Millionen gerechnet, jährlich 150,000 fl. und für ein solches Inserat in unserem Budget kann ich nicht stimmen, dazu ist die Summe zu groß. Ich glaube auch nicht, daß es im Interesse der Kammer ist, für diesen Vorschlag zu stimmen. Der Abg. Graf v. Lehrbach: Jedenfalls würde ich, sollte auch die verehrliche Kammer auf den Vorschlag des Ub- geordneten Städel rücksichtlich des 1 pCt. eingehen, gegen den weiteren Zusak in seinem Antrag mich erklären, daß dann auch der Steuerausschlag von 2 Heller zu gleicher Zeit statts finden solle. Einestheils aus dem Grunde, weil dadurch die ganze Eisenbahnanlage in ihrer Popularität sehr verlieren würde; zweitens aber auch aus dem Grunde, weil ich es ganz für unnöthig halte. Sowie die Staatsregierung und die Stände die Garantie der Zinsenzahlung und der Amorti sation des Kapitals übernehmen, so ist alles damit gethan, und Alles gesagt, was auszusprechen ist. Tritt der unglück- liche Fall ein, daß eine Erhöhung der direkten Steuer noth- wendig ist, um die jest zu übernehmenden Verbindlichkeiten erfüllen zu können, dann ist erst der Moment eingetreten, wo darüber zu berathen ist. Herr Der Abg. Schmitthenner: Der Abgeordnete Städel hat durch sein Amendement eine der interessantesten Fragen der Finanzwissenschaft zur Sprache gebracht, welche in der französischen Deputirtenkammer vom Jahre 1827 zwischen Herrn Lafitte und dem damaligen Finanzminister v. Villèle sehr ausführlich und gründlich discutirt worden ist. Lafitte war als Kaufmann ebenfalls dafür, einen großen Til gungsfond zu bestimmen und lieber nach der Art, wie bei den Franzosen gewöhnlich in dieser Beziehung verfahren wird, ein höheres Nominalkapital anzuerkennen, weil er sagte, man gewinne durch die Festsehung einer geringeren Rente und eines höheren Nominalkapitals die Mittel zur Bildung eines stär Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 19 ! • `44 keren Amortisationsfonds und je größer dieser sei, desto schnel ler erfolge die Tilgung. Herr v. Villèle entgegnete aber richtig, einmal daß sich dieser Saß nicht allgemein aufſtel- len lasse, sondern alles von der bestimmten Größe des Fictiſkapitals und des Tilgungsfonds abhänge, wobei eine specielle Berechnung Vortheil und Nachtheil aufzeigen müsse, sodann aber, daß wenn die Mittel zur Dotirung eines stär keren Amortisationsfonds aus den Staatsmitteln entnommen werde, dieselbe Größe, die als positive in der Form des ils gungsfonds operire, auch als negative in der Taſche der Steuer- pflichtigen nach einer geometrischen Proportion anwachse. - Wir würden auch hier, wenn wir ein höheres Tilgungspro- cent annähmen, die Last, welche überdieß auf der Gegenwart ruht, vermehren müssen. So sehr auch die Bemerkung des Abgeordneten Städel richtig ſtehen mag, daß eine Erhöhung der Tilgungsrente den Credit erhöhen und das Unlehen bei den Geschäftsleuten beliebter machen könne, so würde es auf der anderen Seite auch um so mehr auf die Contribuenten im Staate drücken. Ich bedaure daher, dagegen sein zu müſſen. Der Ubg. Lotheißen: Wenn ein jährlicher Amortisa- tionsfond mit 1, pCt. angenommen wird, so wird dieß bei einem Anlagekapital von 9 Millionen 45,000 fl. betragen, und die jährlichen Zinsen vom Kapital würden sich zu 4 pCt. auf 360,000 fl. berechnen, das Ganze also zusammen jährlich auf 405,000 fl. Bei 1 pCt. Tilgungsfond wachsen dem jähr lichen Bedarf zur Amortisation weitere 45,000 fl. zu. Wir hätten also jährlich für Zinsenzahlung und Amortisation 450,000 fl. zu bezahlen. Dieser Unterschied ist aber jedenfalls so bedeutend, daß ich mich viel eher für die jährliche Tilgung mit 1/, pCt. des Kas pitals entscheide, und unseren Nachkommen etwas überlasse, als für die der gegenwärtigen Generation lästigere Tilgung mit 1 pCt. Ich schließe mich dem Antrage auf die Bestimmung einer geringeren Summe zur Kapitaltilgung um so mehr an, als ich von der Voraussetzung ausgehe, daß, was wir hoffen, wenn die Eisenbahn bedeutend mehr reveniren sollte, als zur Aufs bringung der Zinsen und des Amortisationsquantums noth- wendig ist, es ja unbenommen sein wird, stärkere Tilgungen eintreten zu lassen, zu welchem Ende nothwendig erscheint, in den Obligationen, oder in dem Gesetz, oder wo es sonst am passendsten ist, den Vorbehalt einer beliebigen stärke ren Tilgung ausdrücklich zu poniren, so daß die Tilgungs, -Paſſe im schlimmsten Falle nur verpflichtet sein wird, das Mi- 45 nimum von ½ pCt. mit dem Betrage der ihm zuwachsenden, durch die früheren Kapitalrückzahlungen ersparten Zinsen zu präſtiren. Sollte nöthig sein, förmlichen Antrag zu stellen: daß der erwähnte Vorbehalt entweder in die Obligationen, oder in das Gesetz aufgenommen werde; so will ich dieses hiermit beantragen. Der Präsident: Es wird genügen, wenn der Vorbes halt stärkerer Tilgung in die Obligationen aufgenommen wird. Der Abg. Lotheißen: Es ist nach dem bisher Verhan- delten wohl hinreichend, daß der Gegenstand in dem Proto- koll gewahrt oder zur Sprache gebracht ist. Der Ubg. Aull: Ich theile die Ansicht des Abg. Lothei- ßen; ein Staat baut ein Werk der Art nicht blos für sich und die Gegenwart, sondern er baut es für die Zukunft, und dieſe Zukunft ist schuldig, an einer solchen Anlage, welche für die Ewigkeit ist, das Ihrige beizutragen, und wir hätten sehr unrecht, die Gegenwart zu sehr zu belästigen. Wir han deln als recht gute Familienväter, wenn wir eines Theils die Interessen des Anlagecapitals bezahlen, und wenn wir auf der anderen Seite den Gegenstand, den wir für Industrie und Handel geschaffen haben, gehörig unterhalten und schon in der Gegenwart eine verhältnißmäßige Amortiſation eintreten lassen. Daher halte ich eine Amortisation von 1 pCt., welche jährlich 90,000 fl. oder vielleicht gar 120,000 fl. betragen wür de, für zu hoch, und bin vielmehr damit einverstanden, daß man die Amortisation auf ein halb Procent beschränke, wenn gleich dadurch die Tilgung des Baucapitals auf 60 und viels leicht noch mehrere Jahre verschoben wird; denn das Werk wird nach 200 und mehreren Jahren noch bestehen und un- ſern Nachkommen Nußen, und vielleicht größeren Nußen als uns selbst, bringen. Dagegen bin ich vollkommen damit ein- verstanden, daß die Tilgungssumme vergrößert werde, wenn dieses aus dem Ertrage der Bahn geschehen kann. 1 * } Der Präsident: Es gibt auch noch andere Gründe, welche eine frühere Tilgung herbeiführen können. Es kann z. B. eintreten, daß wir Anfangs zu 4 pCt. Capitalien aufs nehmen müſſen, während wir später solche zu 3 pCt. oder 3, pCt. erhalten können. In einem solchen Falle muß der Staat die vierprocentigen Schulden aufkündigen und tilgen können. Also hüte man sich, ihm durch eine oder die andere Bestimmung im Gesetz die Hände zu binden. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Sobald die Fassung so ist, daß aus den paratesten Staatsmitteln der Bedarf ges nommen werden darf, und daß, wenn diese nicht hinreichen, 19* : 46 ! auch noch ein besonderer Steuerausschlag stattfinden soll, so habe ich nichts dagegen zu erinnern. Der Abg. Aull: Unsere Eisenbahn kann auf keinen Fall vor Ablauf von 5 oder 6 Jahren etwas eintragen. Unge- nommen nun, wir nehmen im ersten Jahre 2 Millionen auf und jedes folgende Jahr ebensoviel, so wären im ersten Jahre an Zinsen zu 5 pCt. 100,000 fl., im zweiten Jahre 200,000 fl., * im nächst folgenden 300,000 fl. und so fort erforderlich, nachy Ablauf von 5 Jahren hätten wir also 1,500,000 fl. oder zu 4 pCt. 1,200,000 fl. auszugeben. Wie sollen wir diese Zinsen bezahlen, soll etwa ein weis teres Capital dafür aufgenommen werden? dann würden wir nicht 9, sondern 10, 11, 12, 13 Millionen aufnehmen müssen. Darum hielt ich die erste Proposition der Staatsre- gierung für sehr gut, daß auf der Stelle zwei Heller vom Gulden Normalsteuercapital erhoben werden sollen. Nach mei- ner Ansicht könnte diese Maßregel nur dann umgangen wer den, wenn man zu der Emiſſion von 1 Million Kaſſenſcheis ne stimmte, weil dadurch der Zinsenbetrag des Baucapitals während der Zeit, wo die Bahn noch nicht rentabel ist, wes nigstens approximativ gedeckt werden würde. Will man aber eins und das andere nicht, so werden wir bei Vollendung der Bahn an Zinsen anderthalb Millionen absorbirt haben, die Schuld für den Bau der Bahn wird um anderthalb Millio- nen größer, fonach die Rentabilität der Bahn um eben so viel geschmälert sein. Man hat geäußert, wenn man die Steuer von zwei Hels lern com Gulden Normalsteuer- Kapital und die Emiſſion von einer Million Kassenscheine nicht bewillige, so müsse nöthigen Falls ein Steuerausschlag erhoben werden. Da dieses doch nicht anders, als mit Zustimmung der Stände geschehen kann, so wünschte ich eine nähere Erklärung über diese Aeu, Berung. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Der Abgeordnete Aull macht hier auf eine Lücke aufmerksam, welche in einem vor- deren Beschluß der hohen ersten Kammer zu sein scheint. Man hat aber im Ausschußbericht der zweiten Kammer nur für die Periode Vorsehung getroffen, wo schon einiger Ertrag aus der Bahn hervorgehen wird, und nicht an die Periode während des Baues gedacht, wo noch nichts eingeht. Die Staatsregierung hatte deßwegen schon vom 1. Juli d. I. an den Zusatz in dem Steuerausschlag proponirt, um daraus die Zinsen des Capitals zu erhalten; darauf ist auch die Berechnung gegründet worden, welche ich dem Herrn Aus: { 47 schußreferenten mitgetheilt habe. Wenn man später den Vor- schlag machte, daß man die Worte: ,, zur Verminderung des Betrags der Anleihe" weglassen und die emittirten Kassenscheine vorzugsweise zur Berzinsung während des Baues verwenden wolle, so fand ich um deßwillen hierbei nichts zu erinnern, weil der Zweck des Steuerausschlags hierdurch auf andere Weise erreicht wur- de. Wenn man aber nun die Kaſſenſcheine und den Steuer: ausschlag ganz wegnehmen will, dann wird jeden Falls ein bedeutendes Deficit entstehen, und dann müßte für diesen Ausfall von einer Million während des Baues der Bahn Vorsehung getroffen werden. Nur unter der Voraussetzung, daß Kassenanweisungen bis zu einer Million emittirt werden, ist alles gewahrt. Fällt diese Emission aber hinweg, so muß jeden Falls schon jest für die Verzinsung eine Bestimmung getroffen werden. Wie mir scheint, ist daher in dem Beschluß der ersten Kammer keine Lücke, sondern sie entsteht erst dann, wenn die Kassenanweisungen nach dem gegenwärtigen Antrage weg- fallen. Der Präsident: Wenn die Kassenanweisungen wegfal- len, dann geht es wie bei gewöhnlichen Privatunternehmun gen. Das Geld, welches man, bevor die Bahn rentbar wird, zu den Zinsen bedarf, muß aufgenommen und dem Kosten- betrag der Eisenbahn zugefügt werden. - Der Abg. Aull: Bei der Uctiengeſellſchaft für die Tau- nuseisenbahn find während des Baues gar keine Interessen bezahlt worden, die Zinsenzahlung war vielmehr, so viel ich weiß, suspendirt, bis die Bahn rentabel geworden war. Dies ist aber bei einer Staatseisenbahn unmöglich. Sowie wir ein Capital aufnehmen, beginnt auch der Zinsen Lauf; so werden die 9 Millionen, die wir jest votiren, in so weit wir nicht einen besonderen Fond für die Verzinsung anweis sen, bis zur Vollendung des Baues zu 10 Millionen an: fchwellen. Wenn wir aber den Steuerausschlag von zwei Heller genehmigen, oder wenn wir eine Million Kassenscheine creiren, so haben wir Mittel, die Interessen für die ganze Bauperiode zu zahlen, ohne daß wir am Ende des Baues, wo die Bahn rentabel iſt, eine neue Schuld von einer Mit: lion und mehr für die Zinsen finden. Der Abg. Schmitthenner: Ich bitte die verehrliche Kammer, nicht zu übersehen, daß nach der Berechnung, wel che sich auf Seite 17 des Ausschußberichtes befindet, immer vorausgesett ist, daß gleich im Anfang des Jahres die ganze f i 48 Summe aufgenommen wird und blog in diesem Falle die Zinsen von der einen Million, welche im ersten Jahre auf- zunehmen ist, 40,000 fl. betragen können. Nimmt man aber an, daß das Capital erst in der Mitte des Jahres aufgenom men wird, dann betragen die Zinsen im ersten Jahre nur 20,000 fl. Das System des Ausschusses, wie es der Bericht andeu- tet, ist das soeben von dem Herrn Präsidenten ausgesprochene, das nämlich die Zinsen mit zum Baukapital gehören sollen. Wir haben außerdem geglaubt, daß es möglich sein werde, künftig bei dem Budget in einer Finanzperiode, welche so bedeutenden Aufwand erfordert, nicht unbedeutende Erspars nisse eintreten zu lassen, daß es namentlich, da hoffentlich die diesmal so bedeutende Position für ungewöhnlichen Militär- aufwand wegfällt, thunlich werde, einen Theil wenigstens der Zinsen aus den laufenden Staatseinnahmen zu decken. Die Umlage einer Steuer ist nur als das äußerste Sub- fidium von dem Ausschusse betrachtet worden. In Beziehung auf einen neulich ausgesprochenen Wunsch des Abgeordneten Frank von Reddighausen, für den Fall, daß eine Steuerumlage nöthig werden sollte, eine Einkommentare einzuführen, will ich nur bemerken, daß unser ganzes Steuer- system auf das reine Einkommen basirt ist, bei einer Umlage also auch Alle, die ein reines Einkommen im Staate haben, verhältnißmäßig zugezogen werden. Der Präsident: Es liegt im Antrag unseres Aus- schusses und in dem Beschlusse der ersten Kammer, daß die Zinsen der aufgenommenen Capitalien bis zur Rentbarkeit der Bahn aus den paratesten Staatsmitteln bezahlt werden sollen. In Baden heißt es:,,die Capitalien, welche aufge- nommen werden, sollen aus den Ueberschüssen verzinßt wer-s den und wenn diese nicht hinreichen, aus Staatsmitteln." So lange die Bahn nicht fertig ist, gibt es keine Ueberschüsse und muß man deßhalb entweder die Zuflucht zu den Staats, mitteln nehmen, oder Falls dieses nicht thunlich ist, das Bes dürfniß durch Anleihen, aufbringen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Das ist natürlich; wie die erste Kammer ihren Beschluß gefaßt hat, so war als lerdings die Emissson der Kaffenscheine für die Verzinsung hinreichend. Sobald aber die Kassenscheine wegfallen, muß der Bedarf durch irgend ein anderes Mittel gedeckt werden, denn die Ueberschüsse der Staatskasse aus anderen Rubriken find dazu durchaus nicht genügend. 49 Der Ubg. Franc (Hofgerichtsrath): Hoffentlich wird das Defizit bis zum nächsten Budget nicht so bedeutend sein, daß wir nicht den Gegenstand bis zur nächsten Finanzperiode verschieben könnten. Fehlt es uns im nächsten Budget an Mitteln, um die Ausgaben, wozu auch diese Zinsen gehören, zu decken, so werden wir dann auf neue Mittel denken müs sen, um unsere Einnahme zu erhöhen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Dagegen muß ich protestiren, daß aus den Ueberschüssen der Staatskaffe etwas zu diesen Zwecken verwendet werde, indem das Budget übers dies schon so beschnitten ist, daß wir die nothwendigsten Bes dürfnisse nicht damit befriedigen können. Dies muß ich hier ganz unumwunden erklären, indem die Staatsregierung auf so etwas unter keinen Umständen eingehen kann. Der Abg. Lotheißen: Auf jeden Fall scheint mir aber der Ausschlag von 2 Heller auf den Gulden Normalsteuercas pital zu viel. In dem Jahr 1842 sind noch gar keine Zin- ſen fen zu entrichten. Erst im nächsten Jahre wird von einer geringen und im Jahr 1844 von einer etwas stärkeren Zin- fenzahlung die Rede sein; bis zum Anfang der nächsten Fi- nanzperiode werden mithin keineswegs 350,000 fl. Zinsen zu bezahlen sein. Der Steueraufschlag von 2 Heller auf 1 Gul. den Normalsteuercapital berechnet sich aber für jedes Jahr, wie der Abgeordnete Hügel mich versichert hat, auf 116000 fl. Dieser Steueraufschlag würde also jedenfalls das Bedürfniß bei weitem übersteigen, weßhalb auch ich der Lage der Sache angemessen finde, von einer Deckung der Zinsen durch Steuer- ausschlag vor der Hand zu abstrahiren. Der Präsident: Der Ausschlag würde um so mehr zu hoch sein, da er auch die Amortisation betrifft und in den er sten Jahren nicht amortifirt wird. Der Herr Geheimerath Edhardt: Wenn der fragliche Ausschlag nur zu diesem Zwecke stattfindet, so wird dasjenige, was übrig bleibt, allerdings nicht in die Staatskasse fließen, sondern es wird für die Zukunft aufgespart werden müssen. Der Präsident: Mir scheint es zweckmäßig zu ſein, daß für diese Finanzperiode kein Steuerausschlag wegen der Eisenbahn stattfindet. Die Staatsregierung kann, wie be reits erwähnt, das jedenfalls nicht bedeutende Zinsenbedürfniß aus Staatsmitteln entnehmen oder durch Unlehen aufbringen, und dann auf dem nächsten Landtage weitere Propofitionen machen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Ich nehme dieſen Borschlag, wonach die Staatsregierung ermächtigt werden soll, 50 dasjenige, was zur Verzinsung nothwendig ist, ebenfalls ais Capital aufzunehmen, nur für den Fall eventuell an, daß weder Kassenscheine emittirt, noch ein Steuerausschlag bewil ligt werden sollte. Dagegen erkläre ich wiederholt, daß eine Berweisung auf die Ueberschüsse der Staatskasse durchaus nicht plahgreiflich ist. Der Abg. Frank (von Reddighausen): Ich bin der Ansicht des Herrn Regierungscommissärs und glaube, daß, wenn wir uns entschließen, eine Eisenbahn zu bewilligen, wir uns auch entschließen müssen, dem Volke sogleich anzus kündigen, daß sie Kosten macht und daß Steuern ausgeschrie ben werden müſſen. Ich kann aber nicht dem Vorschlag beistimmen, daß auf jeden Gulden des jeht vorhandenen Normalsteuercapitals 2 Hel- ler oder irgend ein anderer Betrag ausgeworfen wird, weil dadurch die Grundeigenthümer gedrückt werden würden. Wenn man sagt, unsere gesammten directen Steuern seien Einkommensteuern, so ist dies nicht richtig. Wir haben gehört, daß die Normalsteuercapitalien übers haupt 14 Millionen betrager Von diesen 14 Millionen sind, glaube ich, 10 Millionen Grundsteuercapital, alſo würden von der ganzen Summe, welche ausgeschlagen werden würde, 1º/1, ausschließlich den Beſikern des Grundvermögens zur Last fallen. Dann haben wir etwa 1 Million Gewerbsteuercapi- tal. Von dem ganzen Ausschlag fiele alſo 1/14 ausschließlich den Gewerbtreibenden zur Last. 10 14 Nur die übrigen 3 Millionen, also nur, des Ganzen, sind Personalsteuercapital oder solche Steuercapitalien, nach welchen auf das gesammte Einkommen des Volkes Steuern ausgeschlagen werden und wobei die Besitzer des Grundver- mögens wieder beigezogen werden, und zwar in dem nämlichen Verhältnisse, wie die übrigen Staatsangehörigen auch. Wenn ich also vorschlage, daß auf dieses Personalsteuercapital, oder ein Klassen: oder Einkommensteuercapital, - einerlei, in welcher Form oder unter welchem Namen, der ganze Aus- schlag geschehe, so beruht dies auf dem einfachen Grundsaße, daß die Vertheilung der Steuerbeiträge ganz gleich nach dem Einkommen geschehen müsse. Soll die ganze Last, oder doch der größte Theil dersel ben auf die Grundbesiter geworfen werden, so kann ich auch nicht für einen Finger breit Eisenbahn stimmen Der Herr Geheimerath Eckhardt: Wird denn, frage ich, die Grundsteuer nicht ebenfalls von dem reinen Einkom- men der Grundbesitzer aus dem Ertrag ihres Grundeigen- 51 thums erhoben? Es werden an dem Rohertrage erst alle Kulturkosten für Tagelohn, Saat, Ernte, Fuhren c. abgezo gen, und dasjenige, was dann rein übrig bleibt, wird als Steuercapital angefeht. Es ist dies alſo das reinste und ein noch viel reineres Einkommen, als dasjenige, welches auf den Gewerben und den Personalsteuerpflichtigen ruht. Der Abg. Frank (von Reddighausen): Was der Herr Regierungscommissär so eben bemerkte, finde ich zwar im All gemeinen richtig, aber wenn wir diesen Sah weiter verfolgen wollten, so müßte Jedem, der irgend eine andere Art Renten bezieht, feien es Capitalzinsen oder Gehalte oder sonst etwas, der Betrag hiervon als Steuercapital, und hiernach nochmals ein Einkommensteuercapital angesetzt werden. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Dies geschieht voll- kommen mit Hülfe der Personalsteuer und besonders durch die indirecten Abgaben. Ich glaube aber nicht, daß dieſe Diss cuſſion hierher gehört, es führt dieselbe auf ganz andere Ge- genstände, als diejenigen, welche der gegenwärtigen Berathung vorliegen. (In Bezug auf die Beſtimmung des Entwurfs, die Ein. ſehung der zu erbauenden Eisenbahn zur Spezialhypothek be- treffend): Der Herr Geheimerath Echardt: Ich überlasse ledig, lich der verehrlichen Kammer, hierüber zu beschließen. Zu Artikel 6. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Ich glaube nicht, daß der von dem Ausschuß zu diesem Artikel vorgeschlagene Zusaß an und für sich nothwendig ist. Denn er versteht sich schon von selbst, wenn das Unlehen durch die Vermittelung der Staatsschuldentilgungskasse gemacht wird, da alsdann ohne dies alles unter landständischer Controle steht. Dieser Untrag könnte nur in dem Falle eine Bedeutung haben, wenn eine besondere Commission für das Eisenbahnanlehen ernannt wers den sollte, wo alsdann bestimmt werden müßte, daß auch dieſe unter Controle der Landstände stehen solle. Am Schlusse der Discussion über den Gesetzesentwurf bemerkt: Der Präsident: Ich halte für nöthig und beantrage, daß in das Gesetz die Bestimmungen des Artikels 2 und 3 des Gesetzes über die Tilgung der Staatsschuld vom 16. Juli 1833 aufgenommen werden, etwa so, wie dies in dem Geſetze vom 29. März 1836 über denselben Gegenstand geschehen ist, also folgendermaßen: 52 . : : : ,,Die Artikel 2 und 3 des Staatsschuldentilgungsgesetzes vom 16. Juli 1833 finden auf die in Folge des gegen. wärtigen Gesetzes vorzunehmenden Capitalabtragungen Anwendung." Erwähnte beide Artikel des Gesetzes vom 16. Juli 1833 lauten wie folgt: " ,,Art. 2. Die Ausmittelung der Kapitalien, welche ab: getragen werden sollen, geschieht durch Verloosung in Serien. Die Aufkündigung der Kapitalien, worüber Obliga: tionen auf Inhaber ausgestellt sind, erfolgt in der Groß- herzoglichen Zeitung, oder in einer frankfurter oder ans deren ausländischen Zeitung. Art. 3. Die aufgekündigten Kapitalien müssen nach Ablauf von drei Monaten gegen Rückgabe der quittir. ten Originalobligationen, und der etwa dazu gehörigen nicht fälligen Zinskoupons in Empfang genommen wer den. Ihre Verzinsung hört mit dem ersten Tage des weiteren Monats auf." Benn meinem Antrag nicht Folge gegeben wird, so wers den alle Mißstände wieder eintreten, welche vor der Erlassung des angezogenen Gesetzes vom 16. Juli 1833 in Bezug auf die Tilgung der Staatsschuld obgewaltet haben. (Der Antrag des Präsidenten wird von Seiten vieler Mit- glieder der Kammer unterstüßt.) Der Herr Geheimerath Eckhardt: Ich habe bei den Vorschlägen des Herrn Präsidenten durchaus nichts zu er innern. Zu den von dem Ausschuß, bezüglich der von der er sten Kammer beschlossenen weiteren Wünsche, gestellten Uns trägen, und zwar: Weiterer Ausschußbericht S. 7) wird nichts bemerkt. äußert: 10 Zu Nro. 1 und 2 Zu Nro. 3 Der Abg. Frank (von Reddighausen): Da das Mate: rial, welches zum Bau der Eisenbahn verwendet wird, vor. zugsweise Eisen sein dürfte, so möchte mit dieser Bestimmung nicht viel gewonnen werden, weil weder in unserem Lande, noch in den übrigen Zollvereinsstaaten so viel Eisen fabriciri wird, als wir zum gewöhnlichen Gebrauch nöthig haben, alſe 53 schon jest der Mangel durch Zuschuß aus Belgien oder Eng- land gedeckt werden muß. Von der fraglichen Bestimmung wäre jedenfalls kein großer oder gar kein Vortheil zu erwarten. Zu Nro. 4. Der Abg. Schmitthenner: Ich mache nur darauf aufmerksam, daß das hier in Rede stehende Defiderium der ersten Kammer mit dem Vorbehalte zur Unnahme empfohlen worden ist, daß die mit anderen Staaten abzuschließenden Verträge seiner Gewährung nicht im Wege stehen. Der Abg. Otto: Ich bin mit diesem Untrage im Aus- schusse nicht einverstanden gewesen. Es mag daher auf einem Versehen beruhen, daß meine abweichende Ansicht in dem Ausschußbericht nicht aufgenommen worden ist. Zu Nro. 5. Der Herr Geheimerath Edhardt: Der hier in Anre- gung gebrachte Gegenstand hängt von den Vereinbarungen ab; es beruht dies nicht allein in den Händen der Staatsre- gierung, und auch nicht allein in den Händen der Nachbars staaten, hier müssen wohl höhere Rücksichten entscheiden. Zu Nro. 6 erfolgt keine Bemerkung, und wird hierauf die Berathung über diesen Gegenstand von dem Präsidenten geschlossen. Zur Beglaubigung: Schend Heffe, Lotheißen, erster Präsident. zweiter Präfident. Sekretär. Prinz Sekretär. } K L i : Separat-Protokoll über die, am Schluffe der fünfundſechszigsten öffentlichen Sißung, gehaltene geheime Sißung, in dem Sitzungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 17. Juni 1842. Unter Vorsit des Präsidenten Schend. Gegenwärtig: 47 Mitglieder der Kammer. Der Tagesordnung gemäß schreitet die Kammer zur Ab. stimmung: A. über den Gesetzesentwurf, den Bau und Be. trieb der Eisenbahnen im Großherzogthum Hessen betreffend. Die Frage; 1 1) Will die Kammer, nach dem Antrage des Abgeord neten Glaubrech, den Gesetzesentwurf ablehnen und die Staatsregierung ersuchen, eine Concurrenz für Privatgesellschaften zum Bau der Eisenbahnen im Großherzogthum zu eröffnen? wird mit 34 gegen 13 Stimmen verneint. 1 2 Die Frage: 2) Nimmt die Kammer den Artikel 1 des Entwurfs an, wenn in denselben nach dem Antrage des Abgeord neten Hügel statt:,,der Bau der Hauptlinien der Eis senbahnen" gesetzt wird: der Bau der mit Unſeren Ständen vereinbarten Hauptlinien der Eisenbahnen“? wird mit 37 gegen 10 Stimmen bejaht. Die Frage: 3) Nimmt die Kammer den ersten Satz des ¡Urtikels 2 des Entwurfs an? wird mit 45 gegen 2 Stimmen bejah t. Die Frage: 4) Nimmt die Kammer den zweiten Saß des Artikels 2 an ? wird mit 31 gegen 16 Stimmen verneint. Die Frage: 5) Nimmt die Kammer den Sah 2 des Artikels 2 des Entwurfs dann an, wenn statt: einer Million Guls den" gesetzt wird:,,Sechsmalhunderttausend Gulden"? wird mit 26 gegen 21 Stimmen verneint. Die Frage: 6) Will die Kammer von dem Strich des zweiten Sa hes des Artikels 2 die Annahme des Gesezes abhän gig machen? wird mit 25 gegen 22 Stimmen verneint, die Kammer legt übrigens die Bemerkung in's Protokoll, daß durch die Stellung dieser Frage und die Abstimmung darüber kein Präjudiz bezüglich des von mehreren Mitgliedern behaupteten Grundsatzes ausgesprochen werden solle, daß im Falle der Ablehnung eines Artikels eines Gesezesentwurfs, oder eines Theils desselben, solcher in das Gesetz nicht aufges nommen werden könne, ohne daß es erforderlich sei, von dem Striche des Artikels oder des betreffenden Theils, die Un- nahme des Gesezes abhängig zu machen. Die Frage: 7) Ging die Kammer bei Beantwortung der vorigen Frage von der Ansicht aus, daß jedenfalls, bevor Papiergeld ausgegeben werde, erst, nach dem An. trage des Ausschusses, das Nähere desfalls gefeßlich bestimmt werde, und will sie davon, daß hiernach verfahren werde, die Annahme des zweiten Sages des Artikels 2 noch abhängig machen? wird mit 44 gegen 3 Stimmen bejaht. 1 3 Die Frage: 8) Nimmt die Kammer den Artikel 3 des Entwurfs an? wird einstimmig verneint. Die Frage: 9) Nimmt die Kammer den Artikel 3 in der vón der ersten Kammer beschlossenen Faſſung dann an, wenn darin statt:,,der reine Ueberschuß des dem Großher, zogthum zufallenden Untheils am Ertrage der Eiſen- bahn" gefeht wird,,der reine Ertrag der Eisenbahn"? wird mit 46 gegen 1 Stimme bejaht. Die Frage: 10) Nimmt die Kammer die Artikel 4 und 5 des Ents wurfs an ? wird mit 46 gegen 1 Stimme verneint. Die Frage: 11) Nimmt die Kammer die Artikel 4 und 5 in der von der ersten Kammer beschlossenen Fassung an? wird einstimmig verneint. Die Frage: 12) Nimmt die Kammer die Artikel 4 und 5 in folgen, der Fassung an ? Art. 4 Zur ſucceſſiven Rückzahlung der zum Eisenbahnbau aufgenommenen Kapitalien ist unverkürzt die Summe bestimmt, welche von dem reinen Ertrag der Eisenbahn nach Berichtigung der Zinsen übrig bleibt. Sollte diese Summe nicht ein halbes Pro- cent von dem Anlagekapital der Eisenbahn in einem oder dem anderen Jahre ausmachen; so soll das Fehlende aus den bereitesten Mitteln der Hauptstaatskasse zugeschossen werden. Die stückweise Kapitalrückzahlung beginnt mit dem ersten Jahre nach Eröffnung der Eisenbahn. Art. 5. Die Stände des Großherzogthums erkennen die für die Eisenbahn contrahirten und verwendeten Kapitalaufnahmen als Staatsschuld an.“ wird einstimmig bejaht. Die Frage: 13) Nimmt die Kammer den von dem ersten Präsidenten vorgeschlagenen Zusagartikel 4 a an, lautend: 1 4 1 ê 4 Die Artikel 2 und 3 des Staatsschuldentilgungs- geſehes vom 16. Juli 1833 finden auch auf die in Folge des gegenwärtigen Gesetzes vorzuneh menden Kapitalabtragungen Anwendung."? wird einstimmig bejaht. Die Frage: 14) Nimmt die Kammer den Artikel 6 des Entwurfs an? wird einstimmig bejaht. Die Frage: 15) Tritt die Kammer dem Antrage des Abgeordneten Frank von Reddighausen, daß zur Deckung der Zin sen und der Anlagekosten, soweit sich solche nicht durch die Eisenbahnrenten von selbst ergeben, eine Einkommenssteuer angeordnet werden möge, bei? wird mit 36 gegen 11 Stimmen verneint. Die Frage: 16) Tritt die Kammer dem Antrage des Abgeordneten Frank von Reddighausen, daß zur Deckung der Zins sen und Anlagekosten, soweit sich solche nicht durch die Eisenbahnrenten von selbst ergeben, eine Klassens Steuer angeordnet werden möge, bei? wird mit 35 gegen 12 Stimmen verneint. Die Frage: 17) Tritt die Kammer dem Antrage des Abgeordneten Frank von Reddighausen bei, wörtlich lautend: die Personalsteuer bei den zu erhebenden Beträgen zum Grunde zu legen, jedoch mit der Modification, daß die durch das Personalsteuergesetz dermalen Erimirten. ebenfalls beigezogen werden müßten, wornach aber dieser Personalsteuer ein anderer entsprechender Name, etwa die Benennung Wohnungssteuer" zu geben sein möchte? wird mit 39 gegen 8 Stimmen verneint. B. über die Proposition der Staatsregierung, betreffend den Bau einer Eisenbahn von der Kurhessischen Grenze über Gießen und Darm- stadt nach der Badischen Grenze, sowie C. über die Anträge a. der Abgeordneten Otto, Hesse, Frand (Hof gerichtsrath) und Lotheißen, die Aufnahme der Stadt Offenbach in den Zug der für das Großherzogthum projectirten, unter B be: zeichneten Eisenbahn, betreffend; } 5 ง h. ber Abgeordneten Wull, Städel, Jung, Loth eißen, Kilian und Hesse, die gleichzeitige Ausführung einer Eisenbahnverbindungsli nie zwischen Darmstadt und Mainz betreffend; c. der Abgeordneten Lotheißen, Frand (Hofge= richtsrath), v Rabenau (Oberforstrath), Hesse und Kilian, die Richtung der projectirten Eisen- bahn von Darmstadt nach der südlichen Gränze der Provinz Starkenburg betreffend. Nachdem sich darüber eine Discussion entsponnen hatte, ob die von dem Präsidenten entworfenen Fragen bezüglich der Richtung der proponirten Eisenbahn in der Reihenfolge, wie solche der Präsident vorgeschlagen hatte, zur Abstimmung ge- bracht werden sollten, und diese Frage hiernächst von der Kammer mit 34 gegen 13 Stimmen bejaht worden war, auch die Kammer auf den Vorschlag ihres Präsidenten den Vors behalt in das Protokoll niedergelegt hatte, von einem oder dem andern der gefaßt werdenden Beschlüsse die Annahme der Proposition abhängig zu machen, vorausgeseht, daß der Beschluß nicht einen Wunsch oder ein einfaches Ersuchen an die Staatsregierung enthalte, stellt der Präsident folgende Fragen: 1. (18) Ertheilt die Kammer dem Antrage der Staatsres gierung auf Erbauung einer Eisenbahn von der nörd- lichen Gränze der Provinz Oberhessen über Gießen und Darmstadt bis an die südliche Gränze der Pro- vinz Starkenburg auf Staatskosten, ihre Zustimmung? wird einstimmig verneint. 2. (19) Ertheilt die Kammer dem in der Frage 1 (18) er: wähnten Untrage der Staatsregierung dann ihre Zu stimmung, wenn die Eisenbahn der Bergstraße ent lang direct in den Bahnhof zu Heidelberg geführt wird? wird mit 24 gegen 23 Stimmen bejaht. Auf den von mehreren Abgeordneten geäußerten Wunsch erklärt, zur Vermeidung irgend eines, wiewohl kaum denks baren Zweifels, die Kammer zum Protokoll, daß sie ihren vorstehenden Beschluß zu der Frage 2. (19) als Bedingung der Annahme der Proposition betrachte. 3. (20) Will die Kammer dem Antrage der Abgeordneten Otto, Hesse, Franck (Hofgerichtsrath) und Lotheißen, auf Aufnahme der Stadt Offenbach in den Zug der in der Frage 2 (19) erwähnten Eisenbahn, in der Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 20 > } L } } von dem ersten Ausſchuſſe Seite 2 und 3 vorgeſchla- genen Weife Folge geben? wird mit 34 gegen 13 Stimmen bejaht. 4. (21) Will die Kammer dem Untrage der Abgeordneten Aull, Städel, Jung, Lotheißen, Kilian und Heſſe, wegen gleichzeitiger Ausführung einer Eisenbahnver. bindungslinie zwischen Darmstadt und Mainz auf Staatskosten, wie er gestellt ist, Folge geben? wird mit 24 gegen 23 Stimmen bejaht. 5. (22) Will die Kammer nach dem Antrage des zweiten Präsidenten Hesse die Zustimmung zu der in der Frage 2 (19) erwähnten Propoſition der Staatsre- gierung ferner von der Bedingung abhängig machen, daß durch Staatsvertrag festgestellt werde, daß in Frankfurt bezüglich des Verkehrs der Nord- und Südbahn unter sich, sowie rücksichtlich des Verkehrs- beider mit der Taunuseisenbahn, keinerlei Stapel rücksichtlich der Waaren und Personen ausgeübt, ſon- dern eine unmittelbare Beförderung von der einen Bahn auf die andere bewirkt werde? wird einstimmig bejaht. 6. (23) Tritt die Kammer dem Antrage der Minorität des ersten Ausschusses bei, dahin gehend, daß mit dem Bau der Eisenbahn nicht eher der Anfang gemacht werde, als bis dieses auch von den mitcontrahiren. den Staaten geschehe, und will die Kammer nach dem Vorschlag des zweiten Präsidenten Hesse hiervon die zu der Frage 2 (19) beschlossene Zustimmung ab: hängig machen? wird mit 46 gegen 1 Stimme bejaht. 7. (24) Tritt die Kammer dem Antrage des Abgeordneten Rausch bei, dahin gehend: daß die Staatsregierung erſucht werden möge, vorerst nur den Bau der nörd- lichen Bahn von der Kurhessischen Gränze über Gies Ben nach Frankfurt in Angriff zu nehmen und aus, zuführen? wird mit 25 gegen 22 Stimmen bejaht. 8. (25) Will die Kammer nach dem Antrage des Abgeord neten Brunck die Staatsregierung ersuchen, infolange Aussicht für die Erbauung der Eisenbahn für Sie- Ben vorhanden sei, für die Schiffbarmachung der Lahn Nichts zu verwenden? wird mit 26 gegen 21 Stimmen bejaht. 1 7 ! 9. (26) Will die Kammer nach dem Untrage des Abgeord neten Müller die Staatsregierung ersuchen, dafür beſorgt zu sein, daß die Städte Alsfeld, Kirtorf und Homberg a. d. D. mit der Kurhessischen Bahnlinie zwischen Ziegenhain und Marburg an den geeigneten Punkten mittelst der diesseits bis zur Gränze erbaus ten und beziehungsweise beschlossenen Staatsstraßen in Verbindung gesetzt werden; und zu dem Ende das erforderliche Entgegenbauen bei der Kurhessischen Staatsregierung, entweder in dem über die Eisenbahn abzuschließenden Staatsvertrag, oder sonst auf zwecks dienliche Weise zu veranlassen? wird einstimmig bejaht. (Der Ubgeordnete Peerrot verläßt den Sißungsſaal.) 10 (27) Will die Kammer die Staatsregierung ersuchen, den Ständen vorerst Kostenüberschläge über die zu erbauenden Eisenbahnen vorzulegen? wird mit 25 gegen 21 Stimmen verneint. 11. (28) Tritt die Kammer dem Beschlusse der ersten Kame mer bei, wornach der Staatsregierung der Wunſch ausgesprochen werden soll, daß, soweit als möglich und soweit es ohne bedeutende Kostenvermehrung ges ſchehen kann, das zum Bau der Bahn nöthige Ma, terial im Inland, oder wenigstens innerhalb der deuts schen Zollvereinsstaaten, angeschafft werden möge ? wird einstimmig bejaht. 12. (29) Tritt die Kammer dem Beschlusse der ersten Kam mer bei, wornach die Staatsregierung ersucht wer- den soll, dahin zu wirken, daß bei der Anlage der Eisenbahn zwischen allen deutschen Staaten allges meine Uebereinstimmung hinsichtlich der Spurbreite eintrete ? wird einstimmig bejaht. 13. (30) Tritt die Kammer dem Beschlusse der ersten Kam mer bei, wornach der Staatsregierung der Wunsch vorgelegt werden soll, daß möglichst viele Anhalts, punkte an der innerhalb des Großherzoglichen Ges biets laufenden Eisenbahn angebracht werden? wird mit 41 gegen 5 Stimmen bejaht. 14. (31) Tritt die Kammer dem Beschlusse der ersten Kam, mer auf ein Ersuchen an die Staatsregierung: die zu eröffnende Subscription auf die 4 pCt. Partial schuldscheine nicht blos auf inländische Kapitalisten 20* 1 8 1 f } zu beschränken, sondern eine allgemeine Concurrenz eintreten zu lassen, bei? wird mit 43 gegen 3 Stimmen bejaht. Die Kammer beschließt die erforderliche Mittheilung an die erste Kammer, und es wird hierauf von dem Präsidenten diese geheime Sigung geschlossen. Zur Beglaubigung: Schenck, Heſſe, Lotheißen, Prinz, erſfer Präsident. zweiter Präsident, Sekretär. Sekretär. 1 (Auszug.) Einundsiebenzigste Sigung in dem Sigungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 2. Juli 1842. Unter Vorsiß des zweiten Präsidenten Helſe. Gegenwärtig: 44 Mitglieder der Kammer. 2C. 2C. V. Ebenfalls in geheimer Sitzung macht der Präsident als neue Eingabe noch bekannt: einen Erlaß der ersten Kammer, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen im Großherzogthum betreffend, welcher an den ersten Ausschuß zur Berichtserstattung ver wiesen wird. Heffe, zweiter Präfident. 2C. 2C. Zur Beglaubigung : Lotheißen, Sekretär. Prinz, Sekretär. 1 1 (A u s`z u g.) Zweiundsiebenzigste Sihung in dem Sigungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 7. Juli 1842. Unter Vorsiz des zweiten Präsidenten Hesse. Gegenwärtig der Herr Geheimerath Echardt, und 30 Mitglieder der Kammer. i 2C. 20. III. Es werden Berichte erstattet: A. Namens des ersten Ausſchuſſes : 2C. 2C. 2) von dem Abgeordneten Schmitt henner: über den Erlaß der ersten Kammer bezüglich der Proposition der Staatsregierung, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen im Groß. herzogthum betreffend. (Beil. Nr. 12.) (Dieser Bericht wurde nur angezeigt.) 20. 2C. Zur Beglaubigung : Heffe, zweiter Präsident. Lotheißen, Sekretär. Prinz Sekretär. i 1 Separat - Protokol über die, im Laufe der vierundsiebenigsten öffentlichen Sigung, gehaltene geheime Sizung, in dem Sigungssaale der zweiten Kammiec der Landstände. Darmstadt, den 7. Juli 1842 Unter Vorsiz des zweiten Präsidenten Hesse. Gegenwärtig: der Herr Geheimerath Eckhardt, und 39 Mitglieder der Kammer. Die Kammer schreitet zur Berathung: über den Erlaß der ersten Kammer, die Vors lage der Großherzoglichen Staatsregierung wegen des Baues und Betriebs der Eisen- bahnen im Großherzogthum betreffend. Der Präsident schickt die erforderliche Einleitung aus den Acten voraus und eröffnet die Berathung über diesen Gegenstand. Zu dem ersten Differenzpunkte bezüglich des Artikels 4. des Gesehesentwurfs, wird Nichts bemerkt. (U. B. S. 1 c) ♦ Zu dem zweiten Differenzpunkte, die Richtung der Bahn nach Offenbach betreffend; äußert: (U. B. S. 2. 3.) Der Ubg. Kilian: Ich nehme das Wort, um die Bitte vorzutragen, daß der Vorbehalt, welcher in dem Beschlusse der ersten Kammer hinsichtlich der von Offenbach nach Frank, furt auf Staatskosten zu bauenden Eisenbahn enthalten ist, von dem übrigen Theile jenes Beschlusses getrennt werden möge, indem die bezüglichen Punkte sehr verschieden sind Es handelt sich hier von der Initiative zu dem Bau von Frankfurt nach Offenbach, und voraussichtlich werden die hier: aus erwachsenden Kosten sehr bedeutend sein; denn bekanntlich haben die Grundstücke in der Gemarkung Sachsenhausen einen sehr hohen Werth. Es könnten daher auch über den fragli, chen Vorbehalt verschiedene Meinungen bestehen. (Der Abg. Fritz erklärt sich hiermit einverstanden.) Der Ubg. Valckenberg: Es war in der früheren Be- rathung auch die Rede davon, daß die Bahn aus dem Nor- den über Hanau und von da über Offenbach nach Frankfurt geführt werde. Man ist dieser Richtung der Nordbahn in der zweiten Kammer beigetreten; es ist aber hiervon in den sämmtlichen Beschlüssen der ersten Kammer gar nicht die Rede. Der Abg. Schmitthenner: Ich will mir nur die kurze Bemerkung erlauben, daß ich zwar nichts dagegen habe, wenn der Beschluß der ersten Kammer in mehreren Fragen zur Abstimmung gebracht wird, daß ich es aber für meine Pflicht halte, die verehrliche Kammer darauf aufmerksam zu machen, daß für den Staat nicht die mindeste Gefahr vorhanden sein kann, wenn der Staatsregierung der Wunsch zu erkennen ge- geben wird, sie möge sich das Recht bei den etwa abzuschlie- Benden Staatsverträgen vorbehalten, eine Zweigbahn zwischen Frankfurt und Offenbach auf Staatskosten auszuführen; denn einmal wird die desfallsige Proposition dann doch vorher an die Kammer kommen, und zweitens bin ich davon über: zeugt, daß keine Bahn in ganz Deutschland, außer etwa der Nürnberg - Fürther Bahn, sich besser rentiren also auch noch eine Einnahmsquelle für den Staat abgeben wird, als diese Bahn. Der Abg. Otto: Ich kann mich mit der Aeußerung des Abgeordneten Schmitthenner nicht einverstanden erklären. Er hat bemerkt, daß er nichts dagegen habe, wenn die Frage 3 + bei der Abstimmung getrennt werde, da er voraussetzen müſſe, daß der Gegenstand noch einmal an die Stände komme. Meine Herren, wenn wir es darauf wollen ankommen laſſen, daß die Stände noch einmal über die Ausführung einer Bahn zwischen Frankfurt und Offenbach ihre Zustim. mung geben sollen, dann ist es besser, wir lassen die ganze Sache auf sich beruhen; denn wenn einmal die Hauptbahn gebaut ist, wenn der Verkehr sich einmal von Offenbach nach Frankfurt gezogen hat, dann kann die Erbauung einer Zweig. bahn von Offenbach nach Frankfurt nicht mehr helfen. Da durch kann der einmal abgelenkte Verkehr nicht wieder nad) Offenbach zurückgeführt werden. Der Stadt Offenbach ist ihr Verkehr für immer verloren. Wenn Sie geneigt sind, der Stadt Offenbach ihren Ver- kehr zu erhalten, so müssen Sie dem Antrag, welchen der Ausschuß der ersten Kammer gestellt und den diese zu ihrem Bes schlusse erhoben hat, beistimmen. Im Interesse der Gesammt heit, im Interesse des ganzen Landes soll doch überhaupt die ganze Eisenbahn gebaut werden. Schon nach den früheren Verhandlungen in dieser Kammer ist es sehr problematisch, ob und welche Vortheile überhaupt unser Land von den Ei- senbahnen hat; daß aber die Stadt Offenbach völlig zu Grunde geht, wenn sie von der Bahn nicht berührt wird, darüber besteht bei allen denen, welche die Verhältnisse der Stadt Offenbach kennen, durchaus kein Zweifel. Mit welchem Recht aber können wir von einem einzelnen Orte ein Opfer für die Gesammtheit verlangen, wenn diese Gesammtheit noch nicht einmal einen Gewinn davon hat, wie es hier doch offenbar der Fall ist? Wollen wir die Industrie der Stadt Offenbach zu Grunde gehen lassen, damit die durchreiſenden Fremden höchstens einige Minuten an Zeit ersparen, oder damit das Land vielleicht 200,000 fl. weniger zu verwenden hat, oder daß die Spedition der Stadt Frankfurt auf Kosten der Offen- bacher Fabrikation und des Verkehrs daselbst einen jährlichen. Zuwachs von 3 bis 400,000 Centner Gütern erhält? Meine Herren, das können und werden Sie nicht wollen. Wir ers füllen nur eine Pflicht und üben einen Act der Gerechtigkeit aus, wenn wir uns mit der ersten Kammer in ihrem weites ren Beschlusse vereinigen. Ich kann mich daher mit dem Antrag des Abgeordneten Kilian nicht einverstanden erklären. Der Abg. Lotheißen: Ich schließe mich ebenfalls der Bemerkung des Abgeordneten Stto in allen Beziehungen an. Auch ich bin der Meinung, daß es nicht, wie der Abgeordnete Schmitthenner gemeint hat, noch eines Kammerbeschlusses " T 4 Bedürfe zur Erbauung einer Eisenbahn von Offenbach nach Frankfurt. Die zweite Kammer hat bei ihrer früheren Abstimmung, zur Frage 20, ihre Genehmigung zu dieser Bahn auf Staats: Fosten bereits ertheilt. Ausserdem glaube ich auch nicht, daß es so großen Schwierigkeiten unterliegen wird, den eventuellen Beschluß der ersten Kammer, wenn wir uns mit demselben einverstanden erklären, zur Ausführung zu bringen. Ich hege in dieser Beziehung die Hoffnung, daß unsere Staatsregierung bei den Unterhandlungen mit den benachbar ten Staaten sehr kräftig und energisch auftreten wird, und in diesem Falle sollte ich denken, wird es nicht schwierig sein, unsere Nachbarn zur Nachgiebigkeit zu bringen. Der Abg. Kilian: Ich kann den Beschluß der ersten Kammer nicht anders verstehen, als daß die Staatsregierung ersucht werde, sich das Recht vorzubehalten, eine Lokalbahn auf Rechnung der Staatskasse von Offenbach nach Frankfurt zu erbauen. Wenn wir diesen Wunsch an die Staatsregie rung gelangen laſſen, ſo glaube ich, wird damit noch nicht die Zustimmung zum Bau der Bahn selbst ertheilt, und die Be- willigung der erforderlichen Fonds gegeben; es würde viel- mehr, wenn die Bahn demnächst gebaut werden soll, den Ständen desfalls eine Proposition zu machen sein. Eben so wenig kann man sagen, daß die Zustimmung der Kammer hinsichtlich des Baues dieser Lokalbahn bereits ertheilt fei; denn die vorderen Beschlüsse unserer Kammer beziehen sich auf die Richtung der Hauptbahn von Darmstadt über Offen: bach nach Frankfurt. In dem fraglichen Beschluß der ersten Kammer handelt es sich um eine Hauptbahn in directer Rich- tung von Darmstadt nach Frankfurt und von einer Lokalbahn. von Offenbach nach Frankfurt. Dies sind zwei ganz ver: schiedene Punkte. Wenn der Abgeordnete Otto glaubt, es fei die Frage nunmehr dahin zu stellen, daß die Staatsregierung die Bahn in directer Richtung über Offenbach bauen möge, ſo entspricht dieſe Unſicht dem Beschlusse der ersten Kammer nicht, welcher in der angegebenen Beziehung blos den Vor- behalt wegen einer auf Staatskosten von Offenbach nach Frankfurt zu bauenden Bahn zum Gegenstande hat. Ich wiederhole also meine Bitte um Trennung der Frage und bemerke noch, daß auch der mehrerwähnte Vorbehalt mit dem, was der fragliche Beschluß der ersten Kammer wei- ter enthält, in keinem nothwendigen Zusammenhang steht. Der Ubg. von Dörnberg: Ich habe schon in meiner Motion, die Eisenbahnen betreffend, den Wunsch ausgespro 5 chen, daß die Eisenbahn von hier über Sachsenhausen, Offens bach und Hanau und von da weiter nach Norden geführt werden möge. Ich habe diesen Wunsch auch bei der Dis- cuſſion in der Kammer selbst geäußert und hoffe, daß man im Interesse des Verkehrs dieser Fabrikstädte wirklich eine Eisenbahn so anlegen wird, indem dies im Interesse der bei- den hessischen Staaten wäre. Der Abg. Schmitt henner: Es scheint mir, daß die Abgeordneten Otto und Lotheißen meine Aeußerung mißver- standen haben. Der Zweck meiner Bemerkung ist nur der gewesen, der verehrlichen Kammer den Beschluß der ersten Kommer zur Annahme zu empfehlen, sei es nun, daß er im Ganzen oder getrennt zur Abstimmung kommen werde In- dessen bekenne ich, ich habe den Beschluß der ersten Kammer ebenso verstanden, wie der Abgeordnete Kilian, nämlich daß die Staatsregierung sich zuvörderst nur das Recht, eine Eisen- bahn dort zu bauen, vorbehalten möge. Ich selbst würde übrigens auch dafür stimmen, daß der Staatsregierung die Ermächtigung gegeben würde, in dem Falle, daß die Haupt- bahn nicht über Offenbach nach Frankfurt gehe, eine Zweig bahn von Offenbach nach Frankfurt zu bauen. Der Abg. Frand (Hofgerichtsrath): Ich wollte das Nämliche sagen, was der Abgeordnete Schmitthenner bemerkte, indem ich ganz mit dem, den Beitritt zum Beschlusse der er sten Kammer beantragenden Antrag unseres Ausschusses ein- verstanden bin. Es scheint mir aber nicht, wie der Abgeord nete Lotheißen gesagt hat, in dem Beschluß der ersten Kam- mer zu liegen, daß dadurch im Voraus schon die Bewilligung zu dem Bau der Zweigbahn gegeben worden wäre, wovon jetzt die Rede ist, indem der angezogene Beschluß nur von der Richtung der Hauptbahn ſpricht. Der Abg. Lotheißen: Ich habe nicht behaupten wol len, daß dies in dem Beschluß der ersten Kammer liege, ich wollte vorhin nur bemerken, daß durch Bejahung der Frage 20 die zweite Kammer sich bereits für die Errichtung einer Eisenbahn von Offenbach nach Frankfurt auf Staatskosten ausgesprochen habe. Der Abg. Franck (Hofgerichtsrath): Durch den Be schluß zur Frage 20 haben wir uns nur über die Richtung der Hauptbahn ausgesprochen, wenn aber eine Zweigbahn von Offenbach nach Frankfurt besonders gebaut werden soll, so glaube ich, daß darüber noch vorerst eine Propoſition an die Kammer gelangen müßte. نا 4 Der Abg v. Breidenbach zu Breidenstein: Ich möchte mir nur die Frage erlauben: ob denn in Frankfurt ein Expropriationsgesetz hinsichtlich der zwangsweisen Abtre tung des Geländes zur Eisenbahn besteht? Ohne ein solches würde uns selbst der bloße Vorbehalt des Rechts, auf Staats- kosten eine Eisenbahn von Frankfurt nach Offenbach zu bauen, nichts nützen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Es existirt allerdings in Frankfurt ein Expropriationsgeseh, was aber gerade so gut ift, wie gar keins. Der Präsident: Es existirt in Frankfurt ein Erpro- priationsgesek, wonach die Summe, welche derjenige, der er propriirt werden soll, fordert, vor allen Dingen baar deponirt werden muß. Wenn also für ein Grundstück, welches einen wirklichen Werth von nur 2000 fl. hat; 2 Million gefor- dert wird, so muß nach dem Erpropriationsgesetz der freien Stadt Frankfurt diese halbe Million deponirt werden. Da= rum ist, wie der Herr Regierungscommissär bemerkt hat, die- fes Expropriationsgesetz so gut, wie gar keins, und dieserhalb, sowie aus den Gründen, welche so schön und so wahr in der ersten Kammer angeführt worden sind, hoffe ich immer noch, daß es der Staatsregierung gelingen wird, die Stadt Offens bach in den Hauptzug der Bahn aufnehmen zu lassen. Denn ich frage, meine Herren, wer kann dieser Aufnahme wider- sprechen? Nur die Stadt Frankfurt, und wenn sie wider spricht, so muß dies für unsere Staatsregierung die drin- gendste Aufforderung sein, gerade darauf zu bestehen, daß die Stadt Offenbach in den Hauptbahnenzug aufgenommen wird. Denn wenn der Handelsstand der Stadt Frankfurt nicht zum Nachtheil von Offenbach das dringendste Interesse dabei hätte, auf einem solchen Ansinnen zu bestehen, so würde er dies nach allen früheren Erfahrungen nicht thun; denn die Er- fahrungen des Großherzogthums gehen dahin, daß, was die Stadt Frankfurt will, von jeher zum diesseitigen Nachtheile gereicht hat. 1 Ich habe davon sprechen gehört, daß man aus dem Grunde die Richtung der Bahn über Offenbach aufgeben müsse, weil man in anderer Beziehung von Seiten der Stadt Frankfurt vortheilhaftere Bedingungen zu erlangen gedenke. Ich sage, ich habe davon sprechen hören: denn ich habe mir nicht als möglich gedacht, daß wirklich ein solcher Grund vorliegen könne, die Stadt Offenbach zu opfern. Denn es dreht sich in dem vorliegenden Falle nicht darum, daß man der Stadt Offenbach einen Vortheil zuwende, ſondern es dreht sich 7 darum, daß man den Ruin der Stadt Offenba c nicht herbeiführe; und den Ruin der Stadt Offenbach positiv zu veranlassen, um in anderer Beziehung vortheilhaf tere Bedingungen von der freien Stadt Frankfurt zu erlan: gen, das ist ungerecht, und auf eine solche ungerechte Bedin: gung wird sich, das bin ich überzeugt, unsere Staatsregierung niemals einlassen. Der Abg. Kilian: Auch ich hege die Hoffnung, daß es den Bemühungen unserer Staatsregierung gelingen wird, die Stadt Offenbach in den Zug der Hauptbahn aufzuneh men. Demjenigen, was der Herr Präsident in der angegebe nen Hinsicht so eben bemerkt hat, will ich nur noch hinzufü gen, daß wir uns der ausgesprochenen Hoffnung um so mehr hingeben dürfen, da unser Ja eben so viel Gel- tung hat, als das Nein, welches Frankfurt aussprechen könnte. } Der Abg. Hügel: Die Bemerkungen des Herrn Präst denten veranlassen mich, das Wort zu nehmen. Wenn der: felbe nämlich bemerkt, daß die Stadt Frankfurt allein ein Interresse dabei haben könne, daß die Bahn von hier nach Frankfurt nicht über Offenbach geführt werde, so bin ich an- derer Meinung und glaube, daß auch Baden und alle Staa: . ten, durch welche die Weser, Main- und Neckarbahn zieht, ein Interesse dabei haben müssen, indem es diesen nicht gleichs gültig ſein kann, wenn die Bahn von ihrer möglichsten dis recten Richtung abweicht und Umwege macht. Namentlich ist mir aber bekannt, daß man in Baden, das auch ein Wort bei der Main-Neckarbahn mitzusprechen hat, ganz und gar ges gen die Richtung der Bahn über Offenbach ist. Der Abgeordnete Otto hat die Frage aufgeworfen mit welchem Recht man von einem einzelnen Orte ein Opfer für die Gesammtheit verlangen könne? Abgesehen davon, daß ich in der Nichtaufnahme von Ofs fenbach in die Hauptbahnlinie keinen Nachtheil für diese Stadt erblicke, sondern daß ich es sogar für vortheilhafter für dieselbe halte, wenn sie eine besondere Localbahn nach Frank- furt erhält, kann man eben so gut die vom Abgeordneten Otto aufgeworfene Frage umkehren und fragen: mit welchem Rechte man im Interesse einer einzelnen Stadt ein solches Opfer von der Allgemeinheit verlange? Ich bin zwar durch- aus mit dem Antrag des ersten Ausschusses einverstanden, aber ich bezweifle sehr, daß es der Staatsregierung gelingen wird, für Offenbach die Aufnahme in die Hauptbahnlinie zu crlangen; denn es könnte dies vielleicht nur unter Conces 1 30 8 sion ähnlicher Ansprüche der Mitcontrahenten geschehen, was für die ganze Bahn unter Umständen sehr nachtheilig sein könnte. Der Präsident: Die Aeußerung des Abgeordneten Hügel veranlaßt mich zu folgender weiteren Bemerkung: Wenn von Seiten der badischen Regierung Einsprache gegen die Richtung der Bahn über Offenbach erhoben wird, so will es mir scheinen, daß der Weg dieser Einsprache von Franks furt über Karlsruhe nach Darmstadt gehe. Baden hat kein Interesse, gegen die Direction der Bahn über Offenbach zu protestiren, gerade so wenig, als es Interesse dabei haben wird, sich darum zu bekümmern, ob wir die Bahn über Wirs hausen oder über Schneppenhausen und über Erzhausen füh, ven. Dieses Alles hat für Baden gar kein Interesse. Aber die Stadt Frankfurt ist es, welche im Hintergrund steht und das rum habe ich nicht von Baden, sondern ich habe blos von der Stadt Frankfurt gesprochen. Was die Richtung von hier nach Heidelberg betrifft, so ist die Staatsregierung auf das Vollkommenste geschützt; sie hat den Beschluß der Kammern. in Händen. Einen ähnlichen hätte sie bezüglich der offen- bacher Richtung mit Wohlgefallen von den Ständen entgegen nehmen sollen, denn alsdann wäre sie auch dort außer aller Verlegenheit gewesen. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Auch dieser Kam- merbeschluß hilft am Ende nichts; denn der bereits vorlie- gende Staatsvertrag aus früherer Zeit bestimmt, daß die Ei- fenbahn von Mannheim ausgeführt werden soll. Wenn wir daher von der badischen Regierung etwas erlangen wollen, so ist es eine Concession, gegen welche sie eine andere stipulis ren kann. Der Präsident: Ich kann mich von der Richtigkeit der so eben von dem Herrn Regierungscommissär gemachten Bemerkung nicht überzeugen. Denn der früher abgeschlossene Staatsvertrag beruht auf ganz anderen Voraussetzungen. Derselbe ist abgeschlossen worden für den Fall, wenn eine Privatgesellschaft die Bahn bauen würde; jest aber ist ein anderer Contrahent, der Staat, in die Mitte getreten und für dieſen kann aus jenem Staatsvertrag keine Verbindlichkeit abs geleitet werden. Der Abg. Lotheißen: Daß unsere Staatsregierung die fragliche Verbindlichkeit noch jezt habe, das stelle ich ebenfalls in Abrede. Der frühere Vertrag ist nicht mehr gültig und bindend; es liegen jetzt ganz andere Verhältnisse vor, wie damals. Bei der ersten Berathung habe ich mich 1 1 9 darüber ausführlicher ausgesprochen. Insbesondere halte ich den Umstand erheblich, daß früher im Plane und wohl auch verabredet war, es sollte Baden seine Eisenbaha von Mann- heim direct nach Karlsruhe führen. Seht aber wird die Bahn von Mannheim über Heidelberg nach Karls: ruhe dirigirt. Wäre es bei der ersten Verabredung geblieben, so hätte unsere Bahn eher die Richtung nach Mannheim nehmen können, wiewohl ich solche auch in diesem Falle für nachtheilig und die Bahn der Bergstraße entlang für ange messener gehalten haben würde. Baden hat zwar wohl einiges Intereffe, daß die Eisen- bahn nicht über Offenbach, sondern direct nach Frankfurt ge: führt werde, sowie überhaupt jeder Staat, der die durch sein Gebiet führende Eisenbahn den örtlichen Verhältnissen und dem Vortheil des Landes angepaßt hat, gerne sehen wird, wenn diese, von seinen Nachbarn aufgenommene Bahn in den anderen Gebietstheilen die directefte und geradeste Rich- tung nach den entferntesten Hauptorten nimmt ohne Umwege; aber im vorliegenden Falle ist dieses Interesse für Baden ein sehr unbedeutendes, indem der Umweg über Offenbach kaum der Rede werth und vielleicht nicht einmal ein Umweg ist. Auf der anderen Seite aber ist das Interesse des Großherzog- thums Baden, seine Bahn durch die ganze Länge unseres Großherzogthums weiter geführt und auf diese Weise sich mit Norddeutschland in eine nahe Verbindung gesetzt zu seben, fowie das Interesse der freien Stadt Frankfurt an unferer Eisenbahn so enorm groß, daß sich unsere Staatsregierung allerdings in dem Falle befinden wird, bezüglich der Bahn- richtung im Großherzogthum, sowohl der Regierung der freien Stadt Frankfurt, als auch der des Großherzogthums Baden Gesetze vorschreiben zu können. Der Abg. Peerrot: Ich bin ganz gewiß sehr geneigt, alles zu thun, was die Stadt Offenbach in Etwas wenige stens für das Opfer entschädigen kann, welches sie bei einer gewissen politischen Einrichtung gebracht hat. Aber mit dem Beschlusse, dessen Fassung hier beantragt wird, ist immer eine Geldfrage verknüpft, und zwar eine sehr wichtige Geld- frage. Mir wäre es viel lieber, wenn die Stadt Offenbach in unseren Hauptbahnzug aufgenommen würde. Ist es nicht so, unternehmen wir, was die erste Kammer hier gewollt hat, so umgehen wir nicht die Nothwendigkeit, eine Bahn mit enormen Kosten zu bauen. Denn es ist nicht, wie der Abgeordnete Kilian bemerkt hat, blos eine Art Reservat, ein Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 21 10 ad libitum, sondern es stehen ausdrücklich im Bericht der ersten Kammer die Worte: ,,und so auf alle Fälle das Zustandekommen einer Ei senbahnverbindung mit der Hauptbahn zu sichern." Es wäre also der Bau der Eisenbahn von Offenbach nach Frankfurt zwar an das Nichtzustandekommen des Haupteisen- bahnzugs über Offenbach geknüpft, aber nicht minder gewiß und sicher. Sobald wir aber sagen: wir reserviren uns, diese Eisenbahn zu bauen, oder nicht zu bauen, so wird sie nicht zu Stande kommen, weil zwischen beiden Kammern keine Concordanz vorliegt. Aus diesem Grunde wäre ich viel lies ber geradezu für die Aufnahme der Stadt Offenbach in den Hauptbahnzug. Im ersten Falle brauche ich nicht zu fragen, was die Bahn kosten wird, denn das wäre im Ueberschlag über die Kosten der Bahn im Allgemeinen begriffen, und die technischen Boranschläge sind hier genügend. Im zweiten Fall aber möchte ich doch wissen, was eigentlich eine solche Zweigbahn kosten dürfte? Sie kann 4 Millionen, fie kann 21/2, sie kann auch nur 2 Millionen kosten. Man muß doch eine gewisse Basis haben, wenn man hier etwas decre- tiren und Geld votiren soll. Der Präsident: Es ist schon bei der früheren Bera: thung vielfach geäußert und nicht widersprochen worden, daß keine Eisenbahn in ganz Deutschland, vielleicht mit einziger Ausnahme der von Fürth nach Nürnberg, sich so gut rentiren wird, als die von Offenbach nach Frankfurt. Es wird also gerade bei dieser Bahn auf den Kostenpunkt am wenigstens ankommen, weil die Einkünfte bedeutender sein werden, als die Zinsen des aufzuwendenden Kapitals. Der Abg. Otto: Ich habe mir nur gegen eine Aeuße, rung, welche der Abgeordnete Hügel vorhin gethan hat, eine Bemerkung erlauben wollen. Er hat vorhin erwähnt, es liege in dem allgemeinen Interesse, daß die Bahn in mög lichst gerader Richtung gebaut werde, und er leitet daraus wahrscheinlich die Verbindlichkeit für unseren Staat ab, die selbe in ihrem Gebiete direkt und nicht über Offenbach nach Frankfurt zu bauen. Dann hätte aber auch die Staatsregie rung nothwendig Einsprache erheben müssen gegen die Rich: tung, welche man in Kurhessen eingehalten hat. Ich habe hier eine Karte vor mir, in welcher die projectirte Eisenbahn- linie nach dem Vertrage eingezeichnet ist, den die preußische. Regierung mit der kurhessischen abgeschlossen hat; hiernach befindet sich der Knotenpunkt der Bahn von Eisenach nach Frankfurt in Kaffel. Die aus Thüringen kommenden, nach 11 Frankfurt bestimmten Wagenzüge müssen daher von Grifte bis Kassel, und sodann auf demselben Wege bis Grifte (ges gen 4 Stunden Wegs) wieder zurückgehen, wo die Frank- furter Bahn dem Eder und Schwalmihal folgt. Hierdurch entsteht ein Umweg, gegen welchen der über Offenbach nach Frankfurt verschwindet. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Der Abgeordnete Otto hat eine Karte vor sich liegen, worauf keine Berge ges zeichnet sind; deswegen kann man nicht darauf die Terrains schwierigkeiten erkennen, welche einer anderen Richtung im Wege stehen, und ich kann nur bemerken, daß wenigstens 6 verschiedene Richtungen des Bahnzugs in Kurhessen aufges nommen worden. sind. Die Richtung, welche auf der Karte des Abgeordneten Otto eingezeichnet ist, ist noch nicht einmal festgestellt. Der Abg. Otto: Dann erlaube ich mir als Erwiderung auf die vorhin von dem Abgeordneten Peerrot gemachte Bes merkung, eine in der ersten Kammer gefallene Aeußerung in Bezug auf den Kostenpunkt zu verlesen: Wiewohl ich nach dem in der heutigen Discuſſion Vorgekommenen nicht zweifle, daß sich die Regierung auf alle mögliche Weise bemühen wird, die geschilder- ten Nachtheile von der Stadt Offenbach abzuwenden, so will ich doch schließlich noch bemerken, daß, meiner Ansicht nach, im Nothfalle das Großherzogthum fogar ein Opfer nicht scheuen darf und die Strecke zwischen Offenbach und Frankfurt auf eigene Kosten bauen follte. Ein solches Opfer läßt sich verschmerzen, die Nachtheile aber, wenn Offenbach umgangen wird, sind ewig und irreparabel." Diese Aeußerung rührt von dem Herrn Staatsrath und Kanzler Dr. v. Linde ber. Ich muß wirklich bedauern, daß die weiteren Verhandlungen der ersten Kammer über die Eis senbahnfrage sich noch nicht gedruckt in Ihren Händen besins den; es sind dort äußerst wichtige und interessante Bemers kungen von den hochachtbarsten Mitgliedern jener Kammer niedergelegt worden, und ich bin überzeugt, sie würden ihren Eindruck auch auf die Mitglieder dieser verehrlichen Kammer nicht verfehlt haben Der Herr Geheimerath Eckhardt: Nach den verschiede nen Aeußerungen, welche gefallen sind, sollte man wirklich am Ende glauben, die Staatsregierung wäre gar nicht für das Interesse der Stadt Offenbach besorgt, die Staatsregie› 21* i 12 : } rung batte bis jest durchaus alle Bemühungen, die Stadt Offenbach in den Bahnzug aufzunehmen, unterlassen; es wäre ihr ganz gleichgültig, ob die Stadt Offenbach in den Bahnzug aufgenommen werde, oder nicht. Ich muß diese Bemerkung, wenn sie Vorwürfe sein sollen, zurückweisen; denn die Staatsregierung hat, und dies habe ich schon mehr. mals erklärt, sich bis jetzt unendlich Mühe gegeben, die Hauptrichtung der Bahn über die Stadt Offenbach, entweder durch die Nord- oder durch die Südbahn, zu bewerkstelligen, und alle Mittel, die ihr zu Gebote standen, benutzt, und zwar nicht allein bei der Regierung der Stadt Frankfurt, sondern namentlich auch bei der badischen Regierung, und es ist vornehmlich die Großh. Badische Regierung, welche im, mer fest dabei beharrt, daß die directe Richtung von Darm- stadt nach Frankfurt beibehalten werden müſſe. Ich kann aber auch noch jeht die Versicherung geben, daß bei allen künftigen Verhandlungen Alles versucht werden soll, was nur irgend möglich ist, um den Wünschen dieser verehr: lichen Kammer zu entsprechen. Ob es aber glücken wird, das kann ich nicht verbürgen. Der Abg. Valckenberg: Ich finde, daß dasjenige, was vorhin der Herr Präsident ausgesprochen hat, ganz das Bahre und Rechte ist, und ich glaube auch, wie der Abge- ordnete Kilian schon bemerkte, daß unser Ja nicht nur ebenso- viel werth ist, als das Frankfurter Nein, sondern auch ebensogut, wie das Nein der Badischen und Kurhef= fischen Regierung. Ich sehe nicht ein, daß die Staatsregie: rung durch dasjenige gebunden sein soll, was früher mit Rücksicht auf die Bildung einer Privatgesellschaft vereinbart worden ist. Sobald die Privatgesellschaft aufgehört hat, sind auch die Verträge erloschen, die man auf Grund des Beste hens dieser Gesellschaft von oben herab abgeschlossen. Aus diesem Grunde kann ich mir nicht anders denken, als daß man ebensogut von unserer Seite darauf bestehen kann, die Eisenbahn über Offenbach nach Frankfurt zu führen, wie jene Regierungen auf den Richtungen, die sie vorzugsweise wüns schen, bestehen wollen. Ich erkläre mich hiernach unbedingt für den Hauptzug der Bahn über Offenbach rach Frankfurt, während ich nicht dafür bin, daß man für eine besondere Eisenbahn von Offenbach nach Frankfurt auf Staatskosten zu bauen stimmen foll. - Es versteht sich von selbst, daß, wenn man eine Zweigbahn von Frankfurt nach Offenbach auf Staatskosten bauen will, hierzu aufs Neue die Bewillis gung der Stände eingeholt werden muß. t 13 1 Der Abg. Schneider: Es soll Niemand angenehmer fein, als mir, wenn es der Staatsregierung noch gelingen follte, die Hauptbahn über Offenbach zu führen, und ebenso angenehm soll es mir sein, wenn später durch einen Privat- verein (Actiengesellschaft) eine Eisenbahn von Offenbach nach Frankfurt gebaut wird, oder daß auch der Staat selbst viel leicht den Bau unternimmt. Daß aber in dem Beſchluſſe der hohen ersten Kammer dasjenige gegründet wäre, was die Abgeordneten Lotheißen und Stto vorhin bemerkten, das muß ich in Zweifel ziehen. Wenn auch, wie der Abgeord= nete Peerrot vorhin bemerkte, das Zustandekommen der Ci senbahn durch diesen Vorbehalt sicher gestellt werden soll, is ist darum doch noch nicht gesagt, daß sie absolut gebou: werden müsse, sondern nur, daß sie gebaut werden könne, wenn es nöthig erscheint. Die Staatsregierung wird in diesem Falle eine neue Proposition der Kammer vorlegen und die Kam- mer dieselbe prüfen müssen. Wenn dem Beschlusse der ersten Kammer, diejenige Auslegung gegeben werden sollte, welche die Ubgeordneten Lotheißen und Otto unterstellen, so würde ich genöthigt sein, dagegen zu stimmen Der Abg. Hügel: Zur Erläuterung meiner vorhinigen Aeußerung in Bezug auf die Einbaltung einer möglichst ge- raden Richtung der Bahn, muß ich bemerken, daß ich von der Wefer. Main: und der Main: Neckarbahn, und nicht von der öftlichen Bahn, welche von Berlin über Eisenach nach Kaſſel zieht, gesprochen habe. Auf die Entgegnungen rücksichtlich meiner Aeußerung aber, daß mir bekannt geworden sei, daß man in Baden gegen die Richtung der Bahn über Offenbach sei, bemerke ich, daß ich meine Nachrichten direct von Karlsruhe habe. Uebrigens hat Ihnen der Herr Regierungscommiſſär als richtig bestätigt, was ich is dieser Beziehung gesagt habe. Daß uns Allen, Der Abgeordnete Graf Lehrbach: meine Herren, das Interesse der Stadt Offenbach nahe liegt, kann wohl von Niemanden bezweifelt werden. Ob der Schaden für die Stadt Offenbach, wenn sie nicht in den Bahnzug aufgenommen wird, wirklich so groß, oder weniger bedeutend sein dürfte, das, glaube ich, kann hier nicht in Betracht kommen. Die Staatsregierung hat durch den Mund ihres Regierungscommiſſärs uns wiſſen laſſen, daß man sich schon alle Mühe gegeben habe, und ich glaube, wir dürfen und sollen den fehnlichsten Wunsch aussprechen, daß auch in den künftigen Verhandlungen von Seiten der Staatsregierung Alles aufgeboten werde, die Stadt Offenbach in den directen i ! 7 } 14 Bahnzug, fet es nun durch die sogenannte Nord : oder die Südbahn, zu bringen. Wenn wir aber diesen Wunsch aus: sprechen, sollen wir uns damit begnügen und abwarten, ob troß allem dem, und troß aller unserer Wünsche und der Wünsche der Staatsregierung, dem entsprochen werden kann, oder nicht, wobei ich, im Vorbeigehen bemerkt, kein Hinder: niß in den früher mit dem Großherzogthum Baden abgeschlos fenen Staatsverträgen erblicken kann, einestheils aus dem Grunde, weil auch ich glaube, daß diese Verträge basirt was ren auf die Conceffionirung einer Privatgesellschaft zur Er: bauung dieser Bahn, anderntheils aus dem Grunde, weil ich nicht glaube, daß die Staatsregierung in dem Falle war, eine Verbindlichkeit der Art lediglich auf ihre eigene Berant. wortlichkeit hin zu übernehmen, ohne daß die Stände ihre Zustimmung gegeben haben sollten, was, so viel ich weiß, niemals geschehen ist. Ich will damit sagen, meine Herren, daß unsere Staatsregierung, gegenüber der Badischen Regie: rung, wohl keine Verbindlichkeit übernommen hat, die nicht lößlich ist, wenn die Stände nicht ihre Zustimmung gegeben. haben. Ich wiederhole also, wenn das Alles sich so befindet und, dessen ungeachtet, die Stact Offenbach nicht in den Hauptbahnzug sollte aufgenommen werden können, so glaube ich, wird die verehrliche Kammer weiterer Proposition über den Bau einer Zweig oder Lokalbahn von Frankfurt nach Offenbach entgegen sehen müssen. Denn auch ich sehe ein Beitreten zur Abstimmung der ersten Kammer durchaus nicht als eine sofortige Ermächtigung der Staatsregierung zum Bau dieser Bahn an, vorausgeseßt, daß nicht eine Privat- gesellschaft sich fände, wobei allerdings der Staatsregierung das Recht der Concessionirung vorbehalten beiben müßte. Der Abgeordnete von Dörnberg: Indem ich mich den Ansichten, welche so eben der Abgeordnete Graf Lehrbach ent- wickelt hat, ganz anschließe, erlaube ich mir, nur noch Eini- ges hinzuzufügen. Da wir, um eine Bahn nach Offenbach zu erhalten, jedenfalls durch das Gebiet der freien Stadt Frankfurt bauen müssen, so wäre es sicher von dem größten Intereſſe, wenn die Stadt Frankfurt ein Expropriationsgesetz in dem nämlichen Sinne und Geiste, wie das unsrige ist, ers hielte. Die Stadt Frankfurt würde auch selbst das größte Intereſſe dabei haben, denn sie befindet sich ja selbst in dieser Beziehung jetzt in der größten Verlegenheit. Dies ist auch, wie ich aus Erkundigungen weiß, namentlich bei dem Gelände zu dem Bahnhof in Frankfurt der Fall; dafür hat der Ei. genthümer 130,000 fl. verlangt und noch steht die Sache im 15 Proceß Wir werden ähnliche Fälle bekommen, wenn wir uns in dieser Beziehung nicht vorsehen, und eben da, wo zur Führung der Bahn überhaupt auf Frankfurtischem Gebiet gebaut werden müßte, würde das Gelände mit Gold aufge. wogen werden müssen. Wenn daher ein gutes Expropriations. geset in Frankfurt angewandt werden könnte, so würde dies der Frankfurtischen Regierung selbst nur willkommen fein können; es würde in ihrem Interesse selbst liegen, wenn ſie von anderen Staaten darum angegangen wird, ein Erpro priationsgesetz zu geben. Der Abgeordnete Graf Lehrbach: Ich will mir er, lauben, meiner vorhinigen Aeußerung noch die Frage zuzus fügen: ob die Kammer vielleicht nicht für räthlich halten wird, über die dem Beschlusse der ersten Kammer zu gebende Auslegung, Falls der meinigen beigeſtimmt werden sollte, einen förmlichen Beschluß dahin zu fassen, daß damit, wenn man auch hier dem Beschlusse der ersten Kammer beitrete, nicht eine Ermächtigung für die Staatsregierung ausgesprochen sein. soll, ohne Weiteres zur Ausführung einer solchen Bahn auf Staatskosten zu schreiten? Ich will der Kammer anheim geben, ob es nicht vielleicht räthlich wäre, dies in einer bes sonderen Frage zu wahren. Wenn es für räthlich gehalten werden sollte, so stelle ich den Antrag, daß diese Auslegung insbesondere durch einen förmlichen Beschluß in der angedeu- teten Weise gewahrt werden möge. Der Präsident: Der Intention des Abgeordneten Gra fen Lehrbach wird es entsprechen, wenn, nach der Abstim mung über die Hauptfrage, noch eine Frage dahin gestellt wird: ob die Kammer bei ihrem Beschlusse von der Unsicht ausgegangen sei, daß, Falls die Eisenbahn von Offenbach nach Frankfurt auf Staatskosten gebaut werden sollte, zuvőr- derst den Ständen darüber von Seiten der Staatsregierung weitere Vorlage zu machen sei ? Der Abgeordnete Graf Lehrbach: Ich bin ganz mit dem Herrn Präsidenten_einverstanden; denn auf welche Weiſe es gewahrt wird, ist mir gleichgültig. Der Abgeordnete Städel: Nach demjenigen, was bis icht bemerkt worden ist, insbesondere nach der Bemerkung des Abgeordneten Grafen Lehrbach, bleibt mir nur wenig noch zu sagen übrig; denn auch ich wollte auf dasselbe Ziel hinsteuern. Nur will ich noch die einzige Bemerkung hinzu fügen, daß, da unsere Eisenbahn durch die ganze Länge des Großherzogthums Hessen die Verbindung der südlich und nörd. lich heranziehenden Bahnen vermitteln muß, unsern Nach- M t 16 barn daran liegt, uns zu bestimmen, diese bedeutende Bers bindung herzustellen, wir also jedenfalls ein gewichtiges Wort zu sprechen und unsere Bedingungen zu stellen haben; daß, namentlich dem Großherzogthum Baden gegenüber, die Interessen der Stadt Frankfurt auf unsere Seite treten und sich mit den unsrigen vereinigen werden, um die Großhers zoglich Badische Regierung zu bestimmen, in die Richtung der Bahn nach Heidelberg einzugehen und auch nichts dage, gen einzuwenden, wenn wir die Bahn in unserem Lande über Offenbach führen. Der Abgeordnete Kilian: Ich nehme noch einmal das Wort, um zu erklären, daß durch den Wunsch, die Stadt Offenbach in den Hauptbahnzug aufzunehmen, in keiner Weise ein Mißtrauen gegen die Staatsregierung ausgesprochen wer den sollte, was sich schon daraus ergiebt, daß bemerkt wurde, man sei im Voraus überzeugt, die Staatsregierung werde zur Realisirung jenes Wunsches alle ihr zu Gebote stehenden Mittel anwenden. Wenn der Herr Regierungscommissär in meinen Worten einen Ausdruck des Mißtrauens gefunden hat, so hat er mich mißverstanden. In Hinsicht auf den in Rede stehenden Staatsvertrag hege ich meines Theils keinerleiBesorgniß. Der Vertrag befagte nichts anders, als daß unsere Staatsregierung sich verpflichte, eine Privatgesellschaft zu formiren. Das ist aber eine ganz andere Voraussetzung, als diejenige, welche gegenwärtig vors liegt. Dort follte von einer Privatgesellschaft der Bau be thätigt werden und dermalen handelt es sich von dem Bau der Eisenbahn für Rechnung des Staats. Baden könnte uns nur alsdann den fraglichen Vertrag entgegenhalten, wenn es zu behaupten im Stande wäre, wir trügen die Schuld, daß eine Privatgesellschaft für den Bau der Bahn nicht zu Stande gekommen sei und unser Staat wolle, um dieser Berbindlich keit zu entgehen, jest selbst bauen. Dies wäre das Einzige von Erheblichkeit, was die Badische Regierung vorzubringen. vermöchte. Um hiermit durchzudringen, müßte sie aber auch beweisen, daß die Möglichkeit vorhanden gewesen sei, eine Privatgesellschaft in's Leben zu rufen ein solcher Beweis ist aber nicht möglich.-Es kann daher jener Vertrag auf das dermalen vorliegende, wesentlich verschiedene, Verhältniß keis neswegs bezogen werden. Ich glaube, daß es überflüssig ist, der Staatsregierung diese Bemerkungen vorzutragen; sie wird wohl selbst dies Alles, was uns zur Seite steht, zu würdigen wiſſen. Ueberdies find wir, nach meiner festen Ueberzeugung, bei der ganzen Angelegenheit nur im Vortheil gegen das - 17 Auslant. Baden hat Interesse dabei, daß wir den von dies fem Staat angefangenen Bau der Eisenbahn fortfehen; Frank furt hat Intereffe, daß wir ihm die Eisenbahn zuführen. Wir können daher eher Bedingungen machen, als daß wir uns welche gefallen zu laſſen nöthig haben. Was kann üb. rigens Baden daran liegen, daß der Hauptbahnzug nicht über Offenbach geht, mit andern Worten, daß der Reisende, wels cher aus dem Großherzogthum Baden nach Frankfurt und Norddeutschland reist, ein paar Minuten früher ankommt? Wir müssen ja auch, wenn wir von hier nach Mainz oder wieder zurück reisen wollen, über Frankfurt reisen. Meine Herren, ich glaube, es wäre besser, gar keine Eisenbahnen zu bauen, als dadurch Städte, wie unfere, zu Grunde zu richten. Die Stadt Offenbach wird unerseßlichen Schaden leiden, wenn sie nicht in den Hauptbahnzug aufgenommen wird, und wenn die Eisenbahn von hier direct nach Mann, heim geführt werden sollte, so ist dieses der Todesstoß für die Stadt Mainz. Der Abgeordnete Frank (von Reddighausen): Das Großs herzogthum Baden ist gewiß bei Erbauung der Eisenbahn von Heidelberg nach Frankfurt mehr interessirt, als unser Baden bat beschlossen, so viele Millionen für eine mit dem Rhein parallel laufende Eisenbahn zu verwenden. Sollte dieſe an dem Neckar endigen, so würde die Anlage in dieser Beschränkung als ein Werk der Thorheit erscheinen und, um nur einen der Nationalzwecke, wozu die Eisenbah nen gebaut werden, wenigstens mit einiger Vollkommenheit zu erreichen, muß Baden durchaus dafür sorgen, daß seine Eisenbahn bis nach Frankfurt kommt. Ich glanbe nun, daß wir lieber die Starkenburger Eisenbahn aufgeben sollten, als darauf eingehen, zum Schaden für den Handel in Mainz, die Badische Eisenbahn in Mannheim aufzunehmen und durch ihre Führung nach Frankfurt die Industrie und den Handel der Stadt Offenbach in Gefahr zu bringen. Zu dem dritten Differenzpunkte bezüglich des von der zweiten Kammer gefaßten Beschluſ - ses wegen gleichzeitiger Ausführung einer Eisenbahnverbindungslinie zwischen Darm: stadt und Mainz: (Ausschußbericht S. 3 und 4) Der Abg. Städel: Die Gründe, welche gegen die An- nahme des von uns gestellten und von dieser verehrlichen. Kammer auch genehmigten Antrags in der ersten Kammer 18 . geltend gemacht worden sind, leiten sich hauptsächlich von der Ungewißheit über die künftige Rentabilität der Bahn ab. Es mag jedoch die Ansicht über die Rentabilität dieser Bahnstrecke in Mainz und in Darmstadt verschieden von derjenigen sein, welche man in Frankfurt davon hat. Es ist aber auch nicht die Rentabilität dieser Bahn, es ist das moralische Bedürf nig, eine direkte Verbindung zwischen der Hauptstadt des Landes und der größten Handelsstadt desselben, sowie mit dem Rheine herbeizuführen, eine innigere Berschmelzung der materiellen und moralischen Interessen, eine freundliche brü- derliche Vereinigung der Gemüther zu bewirken, und nicht den Uebeistand, unserem Lande und der Nachbarschaft gegen · über, hervortreten zu lassen, daß bei einem Unternehmen, wel- ches einen so bedeutenden Kostenaufwand erfordert, wovon die Provinz Rheinhessen, der westliche Theil des Lan- des, seinen guten Antheil übernehmen muß, dieser westliche Theil ganz unbetheiligt gelassen, selbst von der Berührung feines nächstgelegenen Punktes ausgeschlossen wäre und sich zurückgesetzt und gekränkt fühlen müßte; es ist, sage ich, vor allen Dingen die Beseitigung dieses Mißverhältnisses, welche in der Befriedigung des Wunsches liegt, den wir ausgespro chen haben. Eine gleichzeitige Erbauung dieser Bahn mit der Hauptlinie ist aus dem Grunde erforderlich, weil, wie es schon vorhin bei der Frage von der Richtung über ffenbach) ſehr gründlich und triftig hervorgehoben worden, wenn der Waaren, und Fremdenzug einmal eine gewisse Richtung ge= nommen hat, eine später zu erbauende Bahnlinie von hier nach Mainz denselben nicht mehr von derjenigen Richtung ableiten könnte, die er vorher genommen und auf welcher er sich festgesetzt hätte. Aus diesem Grunde lege ich Ihnen, meine Herren, an das Herz, die Frage zu erwägen: ob es bei der Berausgabung von 9- 10 Millionen darauf an- kommen kann, auch noch eine weitere Summe von 12 1500,000 Gulden mehr zu verausgaben, um dieſe moraliſchen Interessen, dieses moraliſche Bedürfniß zu befriedigen und der jenseitigen Provinz an den wahrscheinlichen Vortheilen einen Antheil zu geben, so wie an den Lasten. Man glaubt, die Bahn werde nur wenig rentiren, auch aus dem Grunde, weil ſie zu koſtſpielig sein würde; sie wird aber darum nicht koſt- spielig fein, weil das Gelände auf der ganzen graden Bahnlinie nicht theuer ist, weil keine Terrainſchwierig- keiten vorliegen, wenige Ueberbrückungen zu bauen sind, und weil bei der Einmündung von der oberen Mainspite bei der Guſtavsburg, und bei der directen Communication mittelst ei i 19 ner Dampffähre bis in den Hafen von Mainz, vor allen Dingen der Bau einer Brücke von 3 400,000 Gulden, wie ihn der Herr Regierungscommissär in Aussicht genommen hat, gespart wird, sowie denn auch dadurch die Communica- tion selbst den größeren Theil des Winters möglich bleibt, jedenfalls länger, als wenn die Bahn über Kostheim nach Eastel, also unterhalb der Mündung des Mains, wo das Maineis die Schwierigkeit der Ueberfahrt vermehrt, den Rhein berührt. Ueberhaupt würde eine directe Verbindung mit un- seren Häfen, die uns unabhängig von der Taunuseisenbahn, unabhängig von der früher eintretenden doppelten Hemmung der Communication über den Main und den Rhein machte, die uns diesen lehteren oberhalb der Mündung des Maines zu überschreiten veranlaßt, an einer Stelle, wo der Rhein ge wöhnlich, selbst wenn er oberhalb und unterhalb Mainz steht, äm längsten offen bleibt, von außerordentlichem Vortheile ſein. Diese Verbindung vereinigt sowohl bedeutende Er- sparniß im Anlagekapital, als auch die Rücksichten der Convenienz für das Unternehmen und für unſeren Plak, und ich glaube, wenn diese Gründe, namentlich aber die morali- schen Gründe, welche ich in meinem Vortrage zu Gunsten der Bahn vorangestellt habe, noch einmal erwogen werden, so werden Sie, meine Herren, die gehörige Berücksichtigung der Stadt Mainz und den Bewohnern des ganzen westlichen Theils des Landes nicht versagen wollen, um eine Ersparnis von 10 pCt. des aufzuwendenden Kapitals zu erzielen, wel- ches wir ja im Ganzen blos auf die Wahrscheinlichkeit ei, nes günstigen Reſultats hin auszulegen uns veranlaßt finden. Zu dem vierten Differenzpunkte in Betreff der Priorität des Baues der Bahn in der Pros vinz Oberheffen. (Ausschußbericht S. 4.) Der Abg. Frank (von Reddighausen): Ich erlaube mir hier die Unfrage an den Herrn Regierungscommissär: ob, wenn die Kammer auf ihren früheren Beschluß verzichtet, vorerst die oberhessische Bahn in Angriff zu nehmen, es dann ganz gewiß ist, daß die oberhessische Bahn gleichzeitig mit der hiesigen in Angriff genommen und fortgebaut wird, ohne daß die hiesige vor jener begünstigt werden wird? Der Abg. Schmitthenner: Ich selbst, meine Herren, bin von der Ansicht, die ich Anfangs angenommen hatte, daß beide Eiſenbahnen getrennt von einander zu behandeln ſeien, Hur aus dem Grunde abgegangen, weil der Herr Regierungs- 20 commissär erklärt hat, die ganze Linie von der kurhessischen bis zur badischen Grenze müsse als eine einheitliche betrachtet und behandelt werden. Es sind nun später Besorgnisse ge= äußert worden, die auch vorzugsweise zu dem früheren Kame merbeschlusse geführt haben, es könne in dem ferneren Gange der Verhandlungen sich so gestalten, daß die oberhessische Bahn aufgegeben und gleichwohl die Südbahn gebaut werde. Es würde sehr zur Beruhigung der oberhessischen Deputirten gereichen, wenn der Herr Regierungscommissär die officielle Versicherung des Gegentheils in das Protocoll niederlegen wollte. Der Abg. Franck (Hofgerichtsrath): Wir haben die Ei- senbahn in der ganzen Länge durch das Großherzogthum als ein Ganzes bewilligt, und sie kann daher nur als ein Gan- zes gebaut werden. Es kann daher die Bahn in der Pro, vinz Starkenburg nicht allein gebaut werden, und ebenso umgekehrt. Der Abg. Zulauf: Ich hoffe und wünsche, daß die verehrliche Kammer auf ihrem vorderen Beschlusse beharren möge. Ich habe mich früher immer dahin ausgesprochen: ich wünsche gar keine Eisenbahn. Da aber dennoch der Bau der Eisenbahn einmal beliebt worden ist, so habe ich den An- trag des Ausschusses unterstüßt, die Bahn durch die Provinz Oberhessen vorzugsweise in Angriff zu nehmen. Ich habe dies gethan, nicht zur Begünstigung der Provinz Oberhessen, sondern weil ich glaube, daß diese Eisenbahn sich am besten rentiren und mehr einbringen werde, als die Bahn durch die Provinz Starkenburg. Diese Ueberzeugung habe ich noch. Daß aber auch die oberhessische Bahn, wenn man daz Interesse des deutschen Bundes im Auge hat, zuerst nothwen= dig ist, das bin ich ebenfalls überzeugt; denn das Bundes- heer kommt in seiner größten Stärke von Norden her, und die oberhessische Bahn ist es, welche zum Transport der Trup: pen vorzugsweise dienen wird, indem die Zahl der Truppen, die etwa von hier nach Mannheim zu marſchiren hat, in gar keinem Vergleich mit jener steht. Ich glaube ferner, wenn wir einmal eine Eisenbahn in einer Provinz fertig haben, so kommen späterhin andere Zeis ten und andere Landstände, welche, erschreckt über die großen Kosten, die Bewilligung zur Fortsetzung der Bahnen zurück- ziehen, weil sie sehen, daß das Land es nicht ertragen kann, und die desfalls einen anderen Beschluß fassen. 21 Ich habe mich schon bei der ersten Discussion dahin aus- gesprochen, daß die Eisenbahnfrage die wichtigste war, welche mir vorgekommen ist, so lange ich in der Kammer gewesen bin. Hat die Kammer es auf sich genommen, die Zustimmung zur Eisenbahn zu ertheilen, wobei es der Regierung gewiß doch auf- fallen muß, daß dieser Beschluß nur mit geringer Stimmen- mehrheit durchgegangen ist, so wird sie auch mit der Regie: rung diese Maßregel zu verantworten haben. Ich meines Theils wiederhole aber, daß ich an jenem Beschlusse keinen Theil habe und daß ich nicht wünsche, daß demnächst viel- leicht die Verantwortung allein den Ständen aufgebürdet wird. Der Herr Geheimerath Eckhardt: Auf eine Trennung der beiden Bahnen in Starkenburg und Oberhessen in Bezug auf den Bau wird die Staatsregierung nie und nimmermehr eingehen Dies erkläre ich hier wiederholt, wie ich es schon früs her gethan habe. Wenn übrigens die Stände gemeinschaft: lich mit der Staatsregierung den Bau der Eisenbahn beschlof- sen haben, so übernimmt sie auch eben so gemeinschaftlich mit den Ständen die Verantwortlichkeit dabei, welches wohl zur Beruhigung des Herrn Redners vor mir dienen wird. Der Abg. Prinz: Die Berathung über die Frage, ob in der Provinz Oberhessen zuerst gebaut werden soll, oder nicht? scheint mir gegenwärtig ganz ihren praktischen Werth verloren zu haben; denn wenn auf der einen Seite die erste Kammer dem früheren Beschlusse der zweiten Kammer den Beitritt versagt hat, auf der anderen Seite aber die Groß- herzogliche Staatsregierung durch das Organ des Großher- zoglichen Regierungscommissärs erklärt, daß sie niemals auf eine Trennung in dem Bau beider Bahnen eingehen werde, so begreife ich nicht, was wir für einen Effect mit einem Beschlusse gewinnen wollen, der etwa dahin gerichtet wäre, daß die Kammer auf dem vorderen Beschluſſe beharre. Ich meine daher, daß jede weitere Diskussion über diesen Punkt völlig überflüssig erscheine. Der Abg. Frih: Es ist mir bekannt geworden, daß in der Provinz Oberhessen allgemein das Gerücht laut geworden ist, daß man cort sich keiner Eisenbahn zu erfreuen habe, indem daselbst allgemein behauptet wird, daß sich bereits die Staatsverträge dergestalt entwickelt hätten, daß wir in Ober: Hessen keine Eisenbahn zu bekommen die Hoffnung hätten. Auch ich wünsche daher, daß der Herr Regierungscom- miſſär uns eine beruhigende Versicherung darüber gäbe, daß mit dem Bau der Bahn in der hiesigen Provinz nicht eher ་ 1 Г 22 angefangen werde, als mit dem Bau der Bahn in der Provinz Oberheffen. Ich lege keinen Werth darauf, ob an diesem oder jenem Theil der Bahn zuerst gebaut wird, da wir bes reits die Verſicherung des Herrn Regierungscommiſſärs ha- ben, daß gleichzeitig mit dem Bau der Bahnen angefangen werden soll; nur glaube ich nicht, daß die Kammer die Abs sicht haben kann, daß nur eine Bahn gebaut wird, und zwar nur die südliche. Noch muß ich zusehen, daß allgemein in Oberhessen das Gerücht verbreitet ist, daß Oberhessen sich nie einer Eisenbahn zu erfreuen haben würde, weil die Kurhessische Staatsregierung den deshalbigen Staatsvertrag abgelehnt habe. Ich hoffe, daß der Herr Regierungscommiſſär uns hierüber Näheres mittheilen kann. Der Abg. Valkenberg: Ich habe mich schon früher das hin ausgesprochen, daß man mit dem Bau der Nordbahn beginnen und mit dem Bau der Südbahn nachfolgen möge. Ich habe keine Gründe gehört, die mich bestimmen könn ten, jeht davon abzugehen. Ich glaube namentlich, daß, da man über die Ausmündung der Starkenburger Bahn in Mannheim oder in Heidelberg noch stets im Zweifel sich ber findet, man auch noch weit vom Ziele entfernt ist, hier die Bahn beginnen zu können. - ! Dies ist namentlich ein Grund für mich, dafür zu stim: men, daß der Unfang des Baues mit der nördlichen Bahn gemacht werde, weil uns die Südbahn niemals entzogen werden kann und hinsichtlich der Nordbahn mehr Gefahr auf dem Verzuge steht. Es sind nicht die von verschiedenen Seiten ausgesproche- nen ängstlichen Besorgnisse, daß man zuerst die Südbahn und dann die Nordbahn bauen wollte, die mich dafür bestim= men; nein, ich bin für die Nordbahn, weil ich solche im A¤- gemeinen für vortheilhafter, nothwendiger und rentbarer, wie die Südbahn, betrachte. Dies Lehtere sind die Hauptgründe, weshalb ich mich bestimmt fühle, auf meinen vorderen An sichten zu beharren. Der Herr Geheimerath_Eckhardt: Ich weiß nicht, wo- durch die von mehreren Seiten angeführte Idee, daß die Oberhefſiſche Bahn aufgegeben sei, aufgetaucht ſein kann; ich nehme aber keinen Anstand, zur allerseitigen Beruhigung in dieser Hinsicht, die feste und unumwundene Erklärung vor der verehrlichen Kammer abzugeben, daß nach meiner officiellen Kenntniß der Sachlage auch nicht die geringste Veranlassung zu einer solchen Besorgniß vorliegt. 23 Der Abg. Schmitthenner: Mit dieser Versicherung des Herrn Regierungscommiffärs sind, meiner Ansicht nach, die Besorgnisse, welche einzelne Abgeordnete in dieser Bezie hung gehegt haben, völlig verschwunden und wir können also recht gut auf den vorderen Beschluß verzichten. Der Abg. Frank (von Reddighausen): Ich erkläre mich ebenfalls mit dieser Erklärung des Herrn Regierungscommif- färs zufrieden. Zu dem fünften Differenzpunkte, den von der zweiten Kammer gefaßten Beschluß wegen vorläufiger Siftirung der Arbeiten zum Bes huf der Schiffbarmachung der Lahn betreffend. (U. B. S. 5 ¿c.) Der Herr Geheimerath Eckhardt: Ich muß gestehen, daß der hier in Rede ſtehende Beſchluß der verehrlichen Kammer eine allgemein unangenehme Sensation, namentlich in den benachbarten Staaten hervorgerufen hat; denn es liegt ledig= lich und allein im Interesse des Großherzogthums, daß die Strecke von Wetzlar bis Gießen ebenfalls regulirt wird, indem vorzugsweise die Stadt Gießen und die Provinz Oberheffen davon Vortheile hat. In diesem Augenblick - etwa ſeit 14 Tagen - sind die preutischen, naſſauischen und hiesigen Commissarien in Frankfurt versammelt, um den Staatsverz trag deshalb abzuschließen, und in dem nämlichen Augenblick kommt dieser Beschluß der Kammer zum Vorschein. Es ist nicht zu leugnen, daß dies eine sehr unerfreuliche Erscheinung gewesen ist und zu keiner ungelegneren Zeit hätte kommen können. Was nun die Sache selbst betrifft, so wird die Schiffs barmachung der Lahn von Coblenz bis Gießen erst dann wahren Nugen für die Provinz Oberhessen haben, wenn eine Eisenbahn bei Gießen vorüber geführt wird, welche dem Has fen bei Gießen die Landesprodukte zuführt und dagegen Güter und Waaren abnimmt, was von großem Nußen für die Stadt Gießen und die ganze Provinz Oberheffen sein wird. Ich muß daher sehr wünschen, daß die verehrliche Kammer diesen improvisirten Beschluß, über den gar keine Berathung gepflogen worden ist, so, daß ich nicht einmal die Gelegenheit hatte, eine Bemerkung dagegen machen zu können, fallen lassen möge. Der Abg. Schmitt henner: Dasjenige, was so eben der Herr Regierungscommissär bemerkt hat, überhebt mich i 24 eines großen Theils der Ausführung, welche ich Ihnen, meine Herren, zu machen hatte. Gleichwohl muß ich mir noch einige Bemerkungen über diesen Gegenstand erlauben. Die Geschichte des Beschlusses dieser verehrlichen Kammer ist derselben bekannt. Am Ende einer etwas aufgeregten Discussion über die Eisenbahn stellte der Abgeordnete Brunck den Antrag, die Schiffbarmachung der Lahn bei Gießen in so lange zu sistiren, bis es gewiß fei, ob eine Eiſenbahn gebaut werde. Es hat keine Discuf sion über diesen Untrag damals stattgefunden, weil der Herr Präsident das Wort nicht ferner gestatten wollte. Sonst habe ich das vollkommene Vertrauen zu der Kammer, daß, wenn der Herr Regierungscommissär, oder ich, ihr die thatsächlichen Verhältnisse vorgestellt hätten, sie gewiß nicht dieſen Beschluß gefaßt haben würde. Indem ich nun Etwas über diesen Gegenstand' ſage, ist dies gewissermaßen nur eine Appellation a camera male in- formata ad cameram melius informandam. Sie erlauben mir vor allen Dingen ein Paar Worte über die Geschichte der Verhandlungen, welche wegen der Schiffbarmachung der Lahn gepflogen worden sind, und es ist mir dabei sehr angenehm, daß der Herr Regierungscom- missär zugegen ist, um, wo ich Thatsachen anführe, die Be: ftätigung geben zu können. Wie ich mich aus einer Abhand lung des ausgezeichneten Baumeisters von Biebeking erinnere, so ist kein Fluß in Deutschland, wenigstens keiner in Dest: reich und Baiern, der ein so bedeutendes Volumen Wasser führt, der nicht schiffbar gemacht worden, wäre. Natürlich hat sich daher auch sehr bald tie Aufmerksamkeit der Regie: rung auf die Schiffbarmachung der Lahn gewendet, um mit wenigen Kosten einen Canal durch eine Gebirgsgegend zu gewinnen, der es sonst an bedeutenden Communicationsan- stalten gebricht. Die Acten über die Schiffbarmachung der Lahn bei der vormaligen Provinzialregierung in Gießen beginnen mit dem Jahre 1632, also während des dreißigjährigen Kriegs. Man erkannte allgemein die große Wichtigkeit dieses Unternehmens; allein bei den damaligen Territorialverhältnissen Deutschlands, wo die Lahn das Gebiet einer Menge kleiner Herren, Ubteien und freier Städte durchfloß, war an eine Vereinbarung nicht leicht zu denken. Wie z. B. auch wegen dieser Territorial: verhältnisse 1 Stunde oberhalb Wehlar bis auf die neueste Zeit kein Chauffeebau zu Stande gebracht werden konnte; so unterblieb auch die Schiffbarmachung der Lahn. Indeſſen 1 [ 25 4 wurde das Project häufig aufgenommen und der Herr Präsi dent selbst hat uns bei der Berathung im Ausschuß die Ge- ſchichte einer solchen Sizung, welche zu Anfang des vorigen Jahrhunderts stattfand, mitgetheilt, die sehr intereſſant iſt. So lange das deutsche Reich mit seinen Laufenden Territo rialherrn bestand, war an die Ausführung des Projects nicht zu denken. Kaum stürzte aber im Jahre 1806 die vormalige Reichsverfassung zusammen und es fand eine größere Arron- dirung der Staaten statt, als auch sofort, und zwar von Seiten der damaligen westphälischen Regierung der Entschluß gefaßt wurde, durch einen Canal, der die Lahn mit der Eder verbinde, den Rhein mit der Weser in Verbindung zu bringen. Ein Baumeister, wenn ich nicht irre, von Castries, hat zu dem Ende Nivellements und Vermessungen vorgenommen und ein pro memoria drucken lassen, welches bei den Ucten der Regierung in Gießen liegt. Nach diesem pro memoria ist die Ausführung eines Theils technisch durchaus nicht schwie rig, sodann aber in staatswirthschaftlicher Beziehung von uns ermeßlicher Bedeutung. Die Rheinbundsperiode ist bekannts lich schnell vorüber gegangen und mit ihr dieses Project vers schwunden. Während derselben wurde indessen auch von Sei- ten der Naſſauischen Regierung der Anfang damit gemacht, die Lahn schiffbar zu machen, und zwar von Limburg bis herunter an die Mündung in den Rhein. Diese Schiffbars machung ward sehr unvollkommen ausgeführt und lieferte daher nicht dasjenige Resultat, was bei einer vollkommeneren Ausführung natürlich zu erwarten gestanden hätte. Gleich: wohl traten die Folgen der Schiffbarmachung der Lahn für die umliegenden Aemter Limburg, Hadamar, Runckel, Nas- ſau und Dieß in hohem Maße hervor. Der Gedanke einer vollständigen Canaliſirung der Lahn ward bei den betheiligten Regierungen immer lebendiger, und man zog die ausgezeich- netsten Wasserbaumeister, wie den Herrn von Wiebeking und unsern Herrn Geheimen Rath Krönke darüber zu Rathe, welche die leichte Ausführbarkeit dieses Projects in technischer Hinsicht nachwiesen. Auch wurde im Großherzogthum Hessen auf dem Land- tage von 1820-1821 durch den damaligen Abgeordneten Balfer und auf einem späteren Landtage durch den verstorbes nen Abgeordneten Heß der Antrag gestellt, die Lahn von Gießen nach Wehlar schiffbar zu machen, worauf aber die Kammer aus der Rücksicht nicht einging, weil die Schiffbar- machung der Lahn auf dieser kurzen Strecke keine große Bes deutung haben könnte. Bei den großen Vortheilen aber Protokolle z. d. Verh, d. 2.Kam. Suppl. Bd. 22 26 : : ich weiß dies aus dem Munde des Nassauischen Commissärs, welcher die deßhalbigen Verhandlungen bei den Ständen ge leitet hat, und von Ständemitgliedern, welche an dem deß- fallsigen Beschluß Theil genommen haben welche für die Umgegend der Lahn schon bei der, obgleich unvollkommenen Schiffbarmachung bis Limburg hervortraten, faßte die Nas sauische Regierung den. Plan zu einer vollständigen Ausfüh rung des Unternehmens und legte im Jahr 1840 oder 1841 ihren Ständen einen, auf den Grund technischer Voranschläge beruhenden, Antrag vor, nach welchem die Lahn bis an die Nassauisch Preußische Grenze bei Weilburg schiffbar gemacht werden sollte. Die Nassauische Regierung forderte von den Ständen die Bewilligung eines Credits von ungefähr acht- hunderttausend Gulden, doch bemerkte sie ihnen, da nament lich bei Weilburg vielleicht ein Tunnel gegraben werden müsse, daß die Kosten vielleicht höher kommen würden. Die Naf- sauer Stände haben der Regierung nicht nur den verlangten Credit von achthunderttausend Gulden vollständig bewilligt, sondern auch außerdem ist noch von der Kammer bemerkt worden, daß, wenn das Unternehmen der Schiffbarmachung für die ganze Strecke fünfzehnhunderttausend Gulden koste, die Stände einen unbestimmten Credit zur Ausführung des Unternehmens bewilligten. Die Naussauische Regierung ist darauf mit der unsrigen und der Preußischen Regierung in Unterhandlung getreten, die bis jeht fortgeführt worden sind. Die Nassauer find im Begriff, auf ihrem Gebiete die Arbei- ten fortzuführen; in Preußen ist die Vorarbeit ebenfalls be- gonnen worden. Auf dem vorigen Landtage trat nun der Abgeordnete v. Rittgen, so viel ich weiß, nach vorherigem Einverständniß mit der Regierung, in der Kammer mit einem Antrag hervor, welcher darauf gerichtet war, der Staatsre gierung einen Credit von sechsundachtzigtausend Gulden zu bewilligen, um die kurze Strecke von der Preußischen Grenze bis nach Gießen schiffbar zu machen. Mehrere ausgezeichnete Mitglieder der damaligen Kammer, wenn ich nicht irre der jetzige zweite Präsident Heffe, der damalige Abgeordnete Knorr, die Abgeordneten Lotheißen und Goldmann sprachen sich mit großer Wärme für das Unternehmen aus, und die Kammer bewilligte den Credit von sechsundachtzigtausend Gulden, wor- auf die Staatsregierung auch sofort die Vorarbeiten, nament- lich die erforderlichen Nivellements und Vermessungen, vors nehmen ließ. Nachdem dies nun alles feither so fortgegangen war, nachdem die Staatsregierung sich in Unterhandlungen mit den Nachbarstaaten eingelaſſen hatte, erscheint auf einmal, i 27 gleichsam wie ein deus ex machina, ein Beschluß der Kam. mer, worin die Staatsregierung ersucht wird, fie möge die Arbeiten zur Schiffbarmachung der Lahn einstellen. Gründe dafür sind nicht mitgetheilt worden, und wenn ich mir auch den Kopf darüber zerbräche, ich wüßte meinerseits nicht einen Grund, der, meiner Ueberzeugung nach, vernünftig wäre, dafür aufzufinden. Wohl aber erlauben Sie mir, Ihnen kurz die Gründe, welche für das Unternehmen sprechen, darzulegen, und zwar vorerst 1) die staatswirthschaftlichen. Wer, meine Herren, die Umgegend der Stadt Gießen aus eigener Anschauung kennt, namentlich aber den Kreis Gießen, den Kreis Biedenkopf, den Kreis Grünberg und den Kreis Hungen, der wird mir einräumen, daß keine Gegend in dem ganzen Großherzogthum ist, in welcher relativ die Armuth, die Unkultur und selbst die Indolenz größer wäre, als da. Woran liegt das wohl, meine Herren? Nicht an den Bodenverhältnissen, denn der Boden ist in manchen Ge- genden der genannten Kreise recht gut; nicht an den Men- schen, denn es sind die Nachkommen der alten Katten, eines der edelsten, erregbarsten und streitbarsten germanischen Stäm, me, die dort wohnen. Also worin kann es liegen? worin anders, als darin, daß, außer einigen Chauffeen, es an bes deutenderen Communications-Anstalten, daß es an dem ge hörigen Absatz für die Producte mangelt. Wo es aber an Abfah für die Producte, wo es an der Gelegenheit fehlt, dass jenige zu verwerthen, was man dem Boden abgewonnen hat, da wird der Mensch nothwendig lässig, und wo Lässigkeit eins tritt, da folgt auch im Ganzen Unkultur. Worin liegt nun ein besseres Mittel, hier den Verkehr zu beleben, die Men- schen anzuregen, die Segnungen des Wohlstandes zu verbreis ten, als in der Erleichterung einer großartigen Communica tions-Anstalt, die jest so leicht gewonnen werden könnte, wie vielleicht später niemals, nämlich in der Schiffbarmachung der Lahn! Fassen Sie dann t 2) den finanziellen Gesichtspunkt ins Auge. 3 4 Unser Staat hat nur bis an die Preußische Grenze zu bauen, welche sich / Stunden weit unterhalb Gießen er- streckt, um die Provinz Oberhessen an einen der schönsten und natürlichsten Canäle anzuschließen. Das Unternehmen wird sechsundachtzigtausend Gulden kosten. Sollte aber ein Staat, der fünf bis sechs Millionen zu dem, auch meiner Unsicht 22* } 1 28 nach wohlthätigen Zwecke des Straßenbaues aufgewendet hat, keine sechsundachtzigtausend Gulden haben, um sich an einen der schönsten Binnencanäle anzuschließen? Das kann ich nimmermehr glauben. Man könnte einwenden, die Eisenbahn. Fönnte einen solchen Canal ersehen. Dieß scheint auch bei dem von der Kammer gefaßten früheren Beschlusse vorge- schwebt zu haben. Wer aber nur einigermaßen über die Sache nachdenkt, sieht ja, daß die Eisenbahn gerade von Norden nach Süden angelegt wird, und daß die Bahn bei Gießen fast in einem rechten Winkel auf dieselbe schneidet.. Wenn die Schiffbarmachung der Lahn gerade recht große Vortheile in staatswirthschaftlicher Beziehung darbietet; wenn wir einestheils die voluminöfen Producte unserer Gegend, unsere Erze, unsere Bausteine, unseren Formsand, unsere Braunsteine, unsere schweren landwirthschaftlichen Producte auf der schiffbar gemachten Lahn versenden, so werden wir anderntheils gerade für den Gebrauch der Eisenbahn sehr bil- lig die Ruhrer Steinkohlen auf der ganzen Bahnstrecke von Cassel nach Frankfurt beziehen können und auf diese Weise für die Stadt Gießen gewissermaßen einen natürlichen Sta- pelplah bilden. Was würde etwa weiter dagegen sprechen ? Sollten vielleicht andere Städte des Großherzogthums etwas gewinnen können, was Gießen verliert? Denkt man etwa daran, daß etwas, das sonst auf der Lahn verschifft würde, auf der Eisenbahn nach Mainz ginge? Meine Herren, um dies zu glauben, muß man mit den Territorialverhältnissen ganz unbekannt sein. Denn ¾, Stunden unterhalb Gießen beginnt, wie bereits erwähnt, die Preußische Grenze und drei Stunden unterhalb Gießen liegt die Preußische Stadt Weh- lar. Was also Gießen und das Großherzogthum bei Nichts schiffbarmachung der Lahn verliert, das gewinnt die Stadt Wehlar und das Königreich Preußen. 3 Wenn bei Schiffbarmachung der Lahn bis Gießen ein Hessischer Unterthan, etwa von Grünberg aus, eine Stunde bis zum Orte der Einschiffung seiner Producte hätte, so würde er ohne sie sieben Stunden haben, also schwer im Stande ſein, mit den näher wohnenden Preußischen Unterthanen zu concurriren. Ich betrachte es bei dieser Lage der Dinge, wenn Sie auf Ihrem Beschlusse bestehen bleiben sollten, für eine wahrs hafte Selbstverstümmelung. Man könnte freilich etwa sagen, wir wollen warten; dann muß ich aber bemerken, und der Herr Regierungscommissär wird es bestätigen, daß gerade in diesem Augenblicke die Unterhandlungen schweben, die, ein- 29 : mal abgebrochen, nie wieder in gleich günstigen Lagen ange- knüpft werden können. Aus allen diesen Gründen habe ich das vollkommene Vertrauen zu der verehrlichen Kammer, daß, nachdem sie vollständige Kenntniß von der Sache gewonnen hat, sie von ihrem vorderen Beschlusse abgehen wird. Sollte aber gleichwohl, was Gott verhüten wolle, die Kammer auf ihrem vorderen Beschlusse beharren, so habe ich das bestimmteste Vertrauen zu der Staatsregierung, daß sie auf diesen, meiner festen Ueberzeugung nach, unseligen Bes schluß nicht eingehen wird. Ich habe vielmehr das Vertrauen zu der Staatsregierung, daß sie von ihrem höheren Stand- punkte aus, bei klarer Uebersicht der Dinge, leidenschaftslos und ohne Rücksicht auf partikulare Interessen, nur die In. teressen unseres allgemeinen Vaterlandes ins Auge faſſen, daß sie mit kluger Besonnenheit den kritischen Moment, der eben obschwebt, festhalten, und auf diese Weise einen später unhei baren Schaden von dem Vaterlande abwenden wird. Der Abg. Rausch: Ich habe bei der ersten Abstimmung nicht nur für das Amendement des Abgeordneten Brunck ge- stimmt, sondern es auch sogar bei der Discussion unterstüßt. Indessen habe ich mich späterhin von der Wichtigkeit und den Vortheilen überzeugt, welche durch die Schiffbarmachung der Lahn für die Provinz Oberhessen entstehen, und ich werde daher jetzt gegen das Amendement, d. h. dafür stimmen, auf dem vorderen Beschluß nicht zu beharren. Ich fühle mich veranlaßt, diese Erklärung zur Motivirung meiner Abstim- mung in das Protokoll niederzulegen. Der Abg. Freiherr von Bibra: Ich halte die Schiff- barmachung der Lahn auf der kurzen Strecke, wo sie das Großherzogthum berührt, allerdings für vortheilhaft, und würde es sehr bedauern, wenn man von der Ausführung die- ſes Projects abstrahirte und die Vortheile, die daraus hervor. gehen werden, jenen Gegenden des Landes entzöge. Da eben die Rede davon ist, eine Eisenbahn zu erbauen, die dann in Verbindung mit dem sehr natürlichen Canal, der mittelst der Lahn eröffnet wird, stehen müßte, so glaube ich, könnte auf diesem Wege für die Provinz Oberhessen, wenn sie ihre Producte gerade auf die Lahn nach dem Rhein hin- unter versenden kann, sehr viel Erfolg herbeigeführt werden. Gegenwärtig ist die Lahn bereits schiffbar bis nach Weilburg hinauf, nahe an der Preußischen Grenze, und ich habe mich selbst durch eigene Anschauung davon überzeugt, daß dort im: mer Schiffe mit Steinkohlen liegen. Wie wohlthätig wäre es, wenn die Steinkohlen auf dieser Wasserstraße bis in die 30 ! Provinz Oberhessen gebracht werden könnten, wo das Holz dermalen einen sehr hohen Preis erreicht hat, namentlich in der Gegend von Gießen. Die Schwierigkeiten, diese kurze Strecke schiffbar zu machen, können nicht so bedeutend sein. Wenn man die Hochgebirge Deutschlands, den Thüringer Wald, den Harz und den Schwarzwald besucht, dann findet man dort die kleinsten unbedeutendsten Bäche, wenn auch nicht allemal schiffbar, doch zum Holzflößen eingerichtet. An der Lahn bieten die Ufer, so viel ich sie kenne, in jener Ge- gend nicht so viel Schwierigkeiten dar, um große Arbeiten vornehmen zu können. Vielleicht werden die veränderten Ein- richtungen hinsichtlich einiger Mühlen etwas Kosten verursa chen; was aber die Wassermasse beträgt, welche die Lahn dar bietet, so hat der berühmte Canal von Languedoc in Frank- reich nicht so viel Wasser, als die Lahn, und es gehen immer Schiffe darauf. Ueberdies ist der Weg auf unserem Gebiete sehr kurz, er beträgt nur 3, Stunden. Aus diesen Gründen werde ich für die Fortsetzung der Arbeiten hinsichtlich der Schiffbarmachung der Lahn und somit für den Verzicht auf den früheren Beschluß deshalb stimmen. Der Abg. von Dörnberg: Ich war früher der Unsicht, man könnte in Folge der Erbauung der Eisenbahn durch die Provinz Oberhessen die Schiffbarmachung der Lahn sparen, und habe deshalb bei der früheren Abstimmung für den hier in Rede stehenden Beschluß gestimmt; allein nach den ſchönen Erläuterungen, welche der Herr Berichtserstatter in der heuti gen Situng gegeben hat, werde ich dafür stimmen: auf jenen Beschluß zu verzichten. Die Berathung wird hiermit geschlossen, worauf die Kam mer sogleich zur Übstimmung über den Gegenstand derselben übergeht und der Präsident folgende Fragen stellt: 1) Will die Kammer dem, von der ersten Kammer zu dem Artikel 4 in der diesseits beschlossenen Fassung gefaßten Beschlusse: nach den Worten,,Sollte diese Summe nicht 1/2 pCt. von dem Anlagekapital der Eisenbahn" einzuschalten: nebst den dadurch jährlich erspart werdenden Zinsen" beitreten? wird einstimmig bejaht. 2) Tritt die Kammer dem weiteren Beschlusse der ersten Kammer, daß am Schlusse des Artikels 4 in der diesseits beschlossenen Fassung, noch beigefügt werde: ,,und die Amortisation der Kaffenscheine erst alsdann, wenn die verzinslichen Kapitalien abgetragen sein werden, frühere Einlösung vorbehältlich" bei ? wird einstimmig bejaht. : 31 3) Will die Kammer dem, von der ersten Kammer zur eilften Frage ihrer zweiten Abstimmung hinsichtlich einer der Stadt Offenbach zu gewährenden Seiten, bahn, Falls der Aufnahme derselben in den Hauptzug unbesiegbare Hindernisse entgegenstehen sollten, ges faßten Beschlusse beitreten? wird mit 22 gegen 17 Stimmen verneint. 4) Tritt die Kammer dem in der vorigen Frage erwähne ten Beschlusse der ersten Kammer bei, soweit er sich darauf erstreckt, daß in dem dort bezeichneten Falle Großherzogliche Staatsregierung bei den abzuschlie- Benden Verträgen Vorsorge treffen möge, daß einer zur Erbauung einer Seitenbahn von Offenbach nach Frankfurt sich bildenden Privatgesellschaft, nicht nur keine Schwierigkeiten irgend einer Art in den Weg gelegt, vielmehr alle Erleichterungen gewährt wer den möchten? wird einstimmig bejaht. 5) Tritt die Kammer dem in der Frage 3 bezeichneten Beschlusse der ersten Kammer bei, soweit er sich dars auf bezieht, daß in dem dort erwähnten Falle sich die Staatsregierung bei den abzuschließenden Verträgen ausdrücklich das Recht vorbehalten möge, auf Kosten und auf Rechnung der Staatskaffe eine Seitenbahn von Offenbach nach Frankfurt, insoweit als nöthig auf dem Gebiete der Stadt Frankfurt erbauen zu lassen und so auf alle Fälle das Zustandekommen einer Eisenbahnverbindung mit der Hauptbahn der Stadt Offenbach zu sichern, selbst wenn zu diesem Unternehmen keine Privatgesellschaft zu schreiten Lust haben sollte? wird mit 23 gegen 16 Stimmen bejaht. Nach der Abstimmung über vorstehende Frage erklärt der Abgeordnete Lotheißen zu Protokoll: Ich bitte ausdrücklich, zum Protokoll zu bemerken, daß ich auch die von dem Herrn Präsidenten zuerst gestellte Frage, welche die beiden Theile des Beschlusses der ersten Kammer in sich zusammenfaßt, bes jaht habe. (Die Abgeordneten v. Grolman, v. Steinherr, Schmitts henner und Müller schließen sich dieser Erklärung an.) 6) Ging die Kammer bei Beantwortung der vorigen Frage von der Ansicht aus, daß, Falls die fragliche Seitenbahn von Offenbach nach Frankfurt auf Staats. 1 ... } 32 kosten gebaut werden sollte, vorerst den Ständen darz über von Seiten der Staatsregierung Vorlage zu machen sei? wird einstimmig bejaht. 7) Will die Kammer auf dem, bezüglich des Antrags der Abgeordneten Aull, Städel, Jung, Lotheißen, Kilian und Hesse wegen gleichzeitiger Ausführung einer Eisenbahnverbindungslinie zwischen Darmstadt und Mainz auf Staatskosten, gefaßten Beschlusse beharren? wird mit 26 gegen 13 Stimmen bejaht. 8) Will die Kammer auf dem, zur Frage 24 ihrer früs heren Abstimmung gefaßten Beschlusse, die Staats- regierung zu ersuchen, vorerst nur den Bau der nörd. lichen Bahn, von der kurheſſiſchen Gränze über Gie- ßen nach Frankfurt in Angriff zu nehmen und aus- zuführen, beharren ? wird mit 28 gegen 11 Stimmen verneint. 9) Beharrt die Kammer auf ihrem früheren Beschlusse, die Staatsregierung zu ersuchen, in so lange Auss sicht für die Erbauung der Eisenbahn über Gießen vorhanden sei, für die Schiffbarmachung der Lahn nichts zu verwenden? wird einstimmig verneint. Hierauf wird eine nochmalige Mittheilung an die erste Kammer beschlossen und die geheime Sihung aufgehoben. Zur Beglaubigung: Heſſe, gweiter Präsident. ! Lotheißen, Sekretär. i Prinz, Sekretär. 着 ​1 } 2 (Auszug.) Siebenundsiebenzigste Sißung 1 in dem Sigungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 12. Juli 1842. Unter Vorsiz des zweiten Präsidenten Hesse. Gegenwärtig: der Herr Ministerialrath v. Bechtold, und 39 Mitglieder der Kammer. 2C. 2C. V. Ebenfalls in geheimer Sihung macht der Präsident als neue Eingabe bekannt: eine Mittheilung der ersten Kammer, die Pro- position der Staatsregierung bezüglich des Baus und Betriebs der Eisenbahnen im Großherzogthum betreffend; und es wird bezüglich dieses Gegenstandes eine gemeinschaft, liche Adreſſe an des Großherzogs Königliche Hoheit beſchloſſen. 2C. 2C. Zur Beglaubigung: Heite, zweiter Präsident. Lotheißen, Prinz, ! Sekretär. Sekretär. ~ (Auszug.) Acht und siebenzigste Sih u ng in dem Sizungssaale der zweiten Kammer der Landstände. Darmstadt, den 13. Juli 1842. Unter Vorsiz des Präsidenten Schenck. Gegenwärtig: 40 Mitglieder der Kammer. 2C. 20. Die Entwürfe der gemeinschaftlichen_Adreſſen : 1) über die Proposition der Staatsregierung, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen im Großherzogthum betreffend, 2C. 2C. werden vorgelesen und deren Fassung von der Kammer ges nehmigt. 2C. 2C. Zur Beglaubigung: Schenck, Hesse, Lotheißen, Prinz, erſter Präsident. zweiter Präsident. Sekretär. Sekretär 1 ! ; 1 1 II. Beilagen. 1 x- Beilage Nr. 1, zum Protokoll vom 4. April 1842. Vortrag des Herrn Geheimenraths Echardt, über. den Geſeßesentwurf, den Bau und Betrieb der Ei- ſenbahnen im Großherzogthum Hessen betreffend. Hochgeehrteste Herren! Von Seiten der Großherzoglichen Staatsregierung bin ich beauftragt, Ihnen, meine hochgeehrteste Herren, einige vertrauliche Mittheilungen über einen Gegenstand zu machen, der die wichtigsten Interessen des Großherzogthums berührt, und deßwegen mit der größten Vorsicht behandelt werden muß. Unläugbar haben die Eisenbahnen in den meisten deuts schen Staaten eine solche Ausdehnung erhalten, daß nunmehr derjenige Staat in seiner Entwickelung gegen seine Nachbarn zurückbleiben muß, welcher es versäumt, zur rechten Zeit sich dieses Verkehrsmittels zu bemächtigen. Noch vor wenigen Jahren betrachtete das größere Publikum die Eisenbahnen aus einem anderen Gesichtspunkt; man sahe sie ziemlich allgemein nur als hohen Gewinn bringende Unternehmungen an, die häufig der Agiotage anheim fielen, und aus Mangel an eige, nen Fonds nicht selten unglücklich endeten. Die Stellung der Regierungen war unter diesen Um ständen, der öffentlichen Meinung gegenüber, höchst schwierig; die Eisenbahnangelegenheit hatte nun einmal diese unſelige Richtung genommen, und dennoch konnten die Regierungen diesen Schwindeleien nicht kräftig entgegentreten, ohne den Vorwurf auf sich zu laden, daß sie den Fortschritten der Pris vatindustrie abgeneigt seien und die freie Entwickelung dersel ben unterdrücken wollten. Erst allmählig kam man zur besseren Erkenntniß; man lernte einsehen, daß nicht die hohe Dividende der Hauptvors theil sei, den die Eisenbahnen gewähren; die Erfahrung zeigte vielmehr, daß diese Eisenbahnen da, wo sie zu Stande kamen, eine vorher nicht gekannte Rührigkeit hervorriefen; daß Ges schäfte entstanden und gemacht wurden, an die man früher nicht gedacht hatte, und daß überhaupt von der Masse der Bevölkerung mehr gereist werden konnte, weil die Mittel dazu 1 2 so sehr erleichtert waren. Immer mehr trat nun der staats- wirthschaftliche Vortheil der Eisenbahnen für die Gesammtheit hervor, und vorzüglich war es der Handels- und Gewerbstand, welcher ihre hohe Wichtigkeit erkennen lernte. Doch zeigte es sich bald, daß Privatgesellschaften nur da den erforderlichen. Credit erhielten, wo schon große Kapitalien angehäuft vor- handen waren, und wo der Handels- und Gewerbstand sich kräftig genug fühlte, um sich selbst bei dem Unternehmen angemessen zu betheiligen. Wo solche Umstände nicht zusammentrafen, waren alle Bemühungen fruchtlos, eine Privatgesellschaft, selbst unter den glücklichsten Conjuncturen, zu Stande zu bringen. Man kam hierdurch zu der Ueberzeugung, daß in einem solchen Falle der Staatscredit in's Mittel treten müſſe, wenn dennoch der Bau einer Eisenbahn aus höheren Rücksichten unvermeid- lich erscheinen sollte. Wollte man aber irgend eine Garantie von Seiten des Staats zu Gunsten einer Privatgesellschaft eintreten lassen, so würden alle Chancen des Nachtheils dem Staate allein zur Last fallen; der Staat würde nur die Verpflichtung übernehmen, so oft die jährlichen Einkünfte der Bahn nicht ausreichen, ohne Aussicht auf Wiedererfah das Deficit aus der Staatskasse zu decken, während die Regierung nicht ein. mal im Stande wäre, Mißbräuche in der Verwaltung abzus stellen, um jenen Nachtheilen zu begegnen. Sobald daher die eigenen Kräfte einer Privatgesellschaft nicht ausreichen und die Nothwendigkeit einer Bürgschaft von Seiten des Staats eintritt, so ist es schon aus finanziellen Rücksichten der Klugheit angemessen, den Bau der Bahn auf Staats, kosten zu übernehmen und den Betrieb der Bahn für Rech- nung des Staats verwalten zu lassen, weil nur alsdann die Aussicht vorhanden ist, daß Verlust und Gewinn bei den mehr und minder lukrativen Bahnstrecken und in den mehr und minder günstigen Jahren sich ausgleicht. Dieß ist der Standpunkt, aus welchem gegenwärtig das Eisenbahnwesen zu betrachten sein wird; alle diese allgemei nen Andeutungen finden auch auf das Großherzogthum Hessen ihre specielle Anwendung, und es bleibt nur übrig, dieß näher zu erörtern. Betrachten wir vor allem seine Lage zwischen anderen Staaten, welche schon im Besik von Eisenbahnen sind oder im Begriff stehen, sich dieselben zu verschaffen, so kann man sich der Ueberzeugung nicht erwehren, daß ſehr bald eine große Veränderung in den bisherigen Verkehrsver hältnissen eintreten muß, wenn nicht eben diese Lage, welche 3 zu den günſtigſten von Deutschland gehört, dazu benußt wird, den bestehenden Handelszug festzuhalten und ihm durch einen rascheren Betrieb noch mehr Lebendigkeit zu geben. Eine Eisenbahn von der Weser über Cassel, Gießen, Darmstadt u. s. w. bis zur Schweizergränze ist nicht blos von hoher politischer Bedeutung, sondern vereinigt noch über, dies für das Großherzogthum Hessen, soweit sie durch dasselbe geführt wird, alle Vortheile in sich, welche große Handels- Straßen überhaupt zu geben vermögen. Diese lange Linie bildet an und für sich ein unzertrenn, liches Ganze, durchzieht aber vier verschiedene Staaten von oft widerstreitenden Interessen, die durch die bisherigen, größ tentheils sehr schwierigen, Verhandlungen noch nicht ganz ausgeglichen werden konnten, und hierin liegt der Grund, warum die Staatsregierung bisher Anstand nahm, über diese Bahnen den Ständen des Großherzogthums eine Mittheilung zu machen. Doch steht nunmehr eine glückliche Lösung zu erwarten; ich bin daher beauftragt, Ihnen, meine hochzuverehrende Herren, einen hierauf Bezug habenden Geſeßesentwurf nebst Motiven zur Ertheilung der ständischen Zustimmung zu über: bringen, und ich erlaube mir nur hierbei den Wunſch auszu, sprechen, daß dieſer wichtige Gegenstand, der obschwebenden Verhandlungen mit den benachbarten Staaten wegen, in ver traulicher Sigung behandelt werden, und ſobald als möglich seine Erledigung finden möge. Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 23 " Beilage Nr. 2, zum Protokoll vom 4. April 1842. Geſchedentwurf den Bau und den Betrieb der Eiſen: bahnen im Großherzogthum betreffend. Ludwig II. c. Um den Bau und den Betrieb der Eisenbahnen im Groß- berzogthum auf eine zeitgemäße Weise zu ordnen und die dabei zu nehmenden höheren Rücksichten zu wahren, haben Wir, nach Anhörung Unseres Staatsrathes und mit Beirath und Zustimmung Unserer getreuen Stände, verordnet und verordnen wie folgt: Art. 1. Der Bau der Hauptlinien der Eisenbahnen im Großhers zogthum wird auf Staatskosten ausgeführt, und der Betrieb derselben für Rechnung der Staatskasse verwaltet. Dagegen werden zu Localbahnen Conceſſionen an Private ertheilt, und es bleibt Lehteren der Betrieb unter der oberen Leitung der Staatsregierung überlaſſen. gie Art. 2. Die zum Bau dieser Hauptbahnen, so wie zur ersten Anschaffung des Betriebsmaterials erforderlichen Fonds sollen auf dem Wege der öffentlichen Anleihe aufgebracht werden. Außerdem ist die Staatsregierung ermächtigt, zu gleichem. Zweck, zur Verminderung des Betrags der Anleihe, Kaffenans weisungen, welche als baares Geld circuliren, bis zum Bes trag von einer Million Gulden auszugeben. Art. 3 Die nach Art. 2 aufgenommenen Kapitalien werden aus dem reinen Ueberschuß des dem Großherzogthum zufallenden Antheils am Ertrage der Eisenbahn verzinset. Sollte dieser reine Ueberschuß mehr liefern, als zur Zin. senzahlung nothwendig ist, so soll davon jährlich 1) bis zu 25 000 fl. zur Bildung eines Reservefonds, bis zu dem Betrage von 500,000 fl. 2) bis zu weiteren 25,000 fl. zur Kapitalamortisation, und 3) der Rest zur Erhöhung der Zinsen bis zu fünf Procent verwendet werden. 23* • - . - ? 1 } 2 ! } Art. 4. Zur Sicherheit der für die Eisenbahn neu contrahirten Staatsschuld wird die Eisenbahn selbst, soweit sie im Groß. herzogthum liegt, sammt allen zu dem Eisenbahninstitute ge- hörigen Gebäuden und Anlagen, als Specialhypothek einge- ſeht. Außerdem aber erkennen die Stände des Großherzog- thums die für die Eisenbahn neu contrahirte und verwendete Kapitalaufnahme als Staatsschuld an. Art. 5. Um sowohl die pünktliche Verzinsung, als die Amortiz ſation der aufgenommenen Kapitalien sicher zu stellen, ist die Staatsregierung ermächtigt, auf jeden Gulden Normalsteuer: kapital eine Zusatzsteuer von zwei Heller vom 1. Juli dieses Jahres an auszuschlagen und dem Eisenbahnfonds zuzuweisen, so lange die Amortisation der aufgenommenen Fonds dauert. Art. 6. Nach Ablauf einer jeden Finanzperiode soll über die bis dahin geschehene Verwendung der Kosten des Baues der Staatseisenbahn Unsern getreuen Ständen Rechenschaft abges legt werden. Beilage Nr. 3, zum Protokoll vom 4. April 1842. Motive zum Gesetzesentwurf, den Bau und den Bes trieb der Eisenbahnen im Großherzogthum betr. Bei der großen Thätigkeit, womit gegenwärtig die Eisen, bahnanlagen, besonders in den Nachbarstaaten, von Seiten der Regierungen betrieben werden, ist mit Gewißheit voraus. zusehen, daß diejenigen Staaten einen Vorsprung erhalten und vielleicht für immer den Zug des Handels an sich ziehen werden, welche zuerst die für sie zweckmäßigste Bahnlinie in Bau nehmen und in Betrieb ſeßen. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß manche der bestehen. den Verhältnisse durch die Eisenbahnen verändert werden und Unternehmungen anderer Art an deren Stelle treten. Diese Umwandlung des Bestehenden ist jedoch durch rus higes Abwarten nicht aufzuhalten, sondern es werden nur keine neuen Quellen des Erwerbs an die Stelle des Zerstör ten treten, wenn sich ein Staat isoliren und von der allge= meinen Richtung ausschließen wollte, welche der Verkehr in neuester Zeit genommen hat. Es ist hiernach der Zeitpunkt eingetreten, wo rücksichtlich der Eisenbahnen ein fester Entschluß gefaßt werden muß, und es bleibt daher nur übrig, die zweckmäßigsten Mittel aufzu finden, um sie in Ausführung zu bringen. Vor allem wird es erforderlich sein, einen Unterschied unter denjenigen großen Bahnlinien zu machen, welche dazu bestimmt sind, der Haupt- richtung des Handels zu folgen und die großen Stapelplähe des Continents unter sich zu verbinden, und solchen Local- bahnen, die nur dazu dienen, wichtige Punkte des Inlandes an jene Hauptbahnen anzuknüpfen. Daß wenigstens jene Hauptbahnen von Seiten des Staats gebaut und in Betrieb genommen werden, ist in politischer Beziehung unstreitig das Zweckmäßigste und wird im Großherzogthum Hessen schon aus dem Grunde geschehen müssen weil es nach den gemach ten Erfahrungen unmöglich ist, im Inlande Privatunterneh- mer für die inländischen Bahnen zu finden. Die Eisenbahnen gehören übrigens zu denjenigen Anſtal- welche durch den eigenen Betrieb eine Einnahme abwer- : ༡ 1 fen, die nicht blos die jährlichen Unterhaltungskosten, sondern auch noch überdieß die Verzinsung des Anlagekapitals in der Regel zu decken im Stande ist, und hierdurch unterscheiden sich die Eisenbahnen zu ihrem Vortheil vor anderen ähnlichen Anstalten, welche der Staat unternimmt. Stellt sich aber der Staat an die Spise des Unternehmens, so wird dasselbe großes Zutrauen genießen, und es werden die Bedingungen zur Aufbringung der erforderlichen Fonds dadurch sehr erleich- tert werden. Wenn nun der Bau auf die Hauptlinien innerhalb des Großherzogthums beschränkt wird, und die Ausführung der Localbahnen Privatunternehmern überlassen bleibt, so werden sich die Kosten der ersten Anlage und des Betriebsmaterials für die ganze Bahnstrecke, von der nördlichen Gränze der Provinz Oberhessen über Gießen und Darmstadt bis an die füdliche Gränze der Provinz Starkenburg, soweit sie das In- land berührt, auf Neun Millionen Gulden belaufen, die wäh, rend des Baues successive verzinslich aufgenommen werden. müßten. Um dieser Kapitalaufnahme jede mögliche Publicität zu geben und sie für Jedermann leicht zugänglich zu machen, hat die Staatsregierung die Absicht, Partialschuldscheine zu Vier Procent Zinsen auf Inhaber von 1000 fl., 500 fl. und 250 fl. auszugeben, und deren Absah zuerst durch Eröffnung von Subscriptionen im Lande zu versuchen; im Falle, daß hierdurch nicht die erforderlichen Summen aufgebracht werden, wäre eine Concurrenz unter der angesehensten Banquiers in den größeren Handelsstädten auszuschreiben. Sollten auch auf diesem Wege die nöthigen Geldmittel nicht beigeschafft werden können, so müßte die Staatsregie rung zu Geldanleihen auf Staats: Credit in jeder anderen Form, sowie auch zur Emiſſion von Kaſſenſcheinen, welche als baares Geld circuliren, bis zum Betrag von Einer Mil- lion ermächtigt werden. Die durch diese Geldaufnahmen geschaffene Eisenbahn, nebst dem ganzen Immobiliar-Vermögen, bilden ein werth volles Unterpfand, welches als Special: Hypothek eingeseht wird. Der aus dem Betrieb der Bahn dem Großherzogthum nach Abzug der Verwaltungs- und Unterhaltungskosten zu- 'fallende Antheil an dem jährlichen Einkommen würde vor Ullern zur Verzinsung der aufgenommenen Kapitalien ver. wendet werden müſſen. Bei einer Anlage von so bedeutendem Umfang ist außer dem Betriebsfonds ein weiterer Reservefonds für unvorherge: 3 ! sehene Fälle erforderlich; sollte daher jener reine Ueberschuß nicht ganz zur Zinsenzahlung nothwendig sein, so erscheint es angemessen, einen gewissen Antheil davon zu diesem Be huf aufzusparen. Der weitere Rest könnte dann zur Amor- tisation und etwaiger Erhöhung des Zinsfußes verwendet wer den. Da jedoch nicht mit Sicherheit vorausgesetzt werden kann, daß diese günstigen Verhältnisse gleich Anfangs eintre- ten werden, so möchte es zur Sicherung der Zinsenzahlung zc. rathsam sein, wenigstens bis zur völligen Conſolidation der Anstalt, einen jährlichen Zuschuß aus der Staatskasse vorzu- sehen, welcher durch einen Steuerausschlag von zwei Heller vom Gulden Normalsteuerkapital aufgebracht werden könnte. Dieß sind die Motive, welche dem vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über den Bau und den Betrieb der Haupts bahnen im Großherzogthum zum Grunde liegen und derge- stalt durch die gegenwärtigen Umstände bedingt sind, daß sie keiner weiteren Ausführung bedürfen werden. 1 រ Beilage Nr. 4, zum Protokoll vom 7. April 1842. Antrag der Abgeordneten Aull, Städel, Jung, Lotheißen, Kilian und Hesse. Der von höchster Staatsregierung an die Kammer ges brachte Untrag für die Ausführung einer directen Communi, cationslinie mittelst eines Schienenwegs von der nördlichen. Gränze des Landes über Gießen, Frankfurt und Darmstadt in südlicher Richtung zum Anschluß an die Badische Bahn- linie, nimmt für dieses große Unternehmen die Summe von Neun Millionen Gulden in Aussicht und Anspruch, und will die Ausführung der Zweigbahnen der Privatindustrie über- laffen. Indem wir diesen so hochwichtigen Gegenstand aufneh- men, um ihn an den Vorschlag der Regierung anzuknüpfen, was uns als ein unabweisliches Bedürfniß erscheint, werden wir die in dem Vorschlag felbst beobachteten und uns noch besonders empfohlenen Rücksichten im Auge behalten und über die Anschlußpunkte und die Richtung der Bahn im Innern des Landes uns auszusprechen unterläſſen, indem diese Erör- terungen vorerst der Berathung vorbehalten bleiben können. Alein dringend erscheint es, die Kammer gleich anfänglich auf die Nothwendigkeit aufmerksam zu machen, gleichzeitig mit der Ausführung der Hauptbahnlinie und aus denselben Mit- teln, welche dafür in Anspruch genommen werden, eine Ver- bindungslinie zwischen der diesseitigen Provinz und der bedeu- tendsten Stadt des Großherzogthums herzustellen. Mainz, das als Handelsstadt befondere Beachtung bei so bedeutender Eisenbahnanlage anzusprechen hat, und das durch seine Lage berufen ist, derselben den bedeutenden Frem- denzug vom Niederrhein direct von dort aus nach Darmstadt zuzuführen, wird von daher auf dem gleichen directen Schies nenwege die von Süden und Südosten herbeiströmenden Frems den empfangen, welche rheinabwärts ziehen, nachdem sie den ſchönsten Theil der Provinz Starkenburg durchzogen und die 1 : 2 Residenz besucht haben, statt daß im andern Fall, wenn nämlich diese grade Verbindung fehlte und der Umweg, so. wohl hin als her, über Frankfurt genommen werden müßte, die Reisenden wohl meist von Mannheim und resp. Mainz die täglich dreimalige Gelegenheit der Dampfschiffe benuhen würden, um, mit Ausschluß der Eisenbahn, ihrem Reiseziele zuzueilen. Es fällt in die Augen, welche Nachtheile dadurch für diese Unternehmung zu befürchten sind, die Minderung des Ertrags der Fahrten, besonders aber die Folgen der Erschwe: rung, Darmstadt zu besuchen, wenn solches für die rheinaufs wärts ziehenden Fremden nur auf einem Umwege geschehen. könnte, während dazu jede nur mögliche Erleichterung geboten werden sollte, weil dadurch allein, und namentlich durch die Verbindungslinie mit Mainz, in der Residenz ein Knoten. punkt des Schienenwegs mit all den örtlichen Vortheilen ges bildet werden kann, ohne welchen der größte Nußen für die diesseitige Provinz verloren gehen müßte, da ein einfacher Durchzug in wenigen Stunden weder dem Lande noch der Stadt, von Seiten der Reisenden, welche diese grade Linie be fahren würden, besonderen Vortheil bringen könnte. Die Richtung vom Rhein über Darmstadt an die badische Gränze und vice versa ist die fruchtbringendste, weil sie die angenehmste ist für alle Jene, die für ihr Vergnügen und nicht in eiligen Geschäften nach einem großen Handelsempo. rium reisen, und es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die bei weitem größere Masse der Fremden, welche unsere Ge: genden besuchen, eine Rhein oder Badereiſe als Ziel oder Zweck sich vorſeht. Der Vortheil der Eisenbahn im allgemeinen durch gesteis gertes Erträgniß, als Folge dargebotener Erleichterung und Bequemlichkeit, der wohlverstandenen Vortheile der Provinz sowie der Residenz, wie solche´ aus der vorgeschlagenen Aus dehnung entspringen, liegt klar vor Augen, und sie müssen weit den Kostenpunkt aufwiegen ohne die Vermehrung der Baukosten für die kurze Strecke, oder Terrainschwierigkeiten, welche diese Verbindungslinie durch eine Gegend laufen würde, wo das Gelände geringen Werth hat, wie diejenige zwiſchen Darmstadt und der Mündung des Mains. Wenn eine ste- hende Brücke zu kostspielig gefunden würde, könnte die Ber bindung mit Mainz mittelst einer Dampffähre unterhalten. werden. Allein abgesehen von all dieſem erscheint es als Ehren. punkt für das Land, daß die Residenz in directe Verbindung 3 mit dem Rhein gebracht werde und der einzigen daran gele. genen größeren hefſiſchen Handelsstadt und zugleich dem lev. haften Verkehr und der steigernden Bewegung auf diesem Strom die Hand biete, während hierdurch zugleich ein wohl begründeter Anspruch des linken Rheinufers Anerkennung und Berücksichtigung fände, derjenige nämlich:,,bei einem natio. nalen Unternehmen von solchem Umfang, wie an den Lasten, so an den Begünstigungen, Untheil zu haben." Wir stellen demnach den Untrag: Die hohe Kammer wolle diesen Gegenstand in reifliche Erwägung ziehen und bei höchſter Staatsregierung sich für die gleichzeitige Ausführung einer Eisenbahnverbin- dungslinie zwischen Darmstadt und Mainz auf Staats. kosten, verwenden. Beilage Nr. 5, zum Protokoll vom 11. April 1842. Antrag der Abgeordneten Otto, Hesse, Franc, Lotheißen, die Aufnahme der Stadt Offenbach in den Zug der für das Großherzogthum projectir- ten Eisenbahn von der nördlichen Gränze der Pro- vinz Oberhessen bis an die südliche Gränze der Provinz Starkenburg. In den Motiven zu dem Gesetzesentwurf, den Bau und den Betrieb der Eisenbahnen im Großherzogthum betreffend, welchen die Staatsregierung den Ständen am 4. d. M. hat vorlegen laſſen, ſind nur zwei Punkte angegeben, welche die in Vorschlag gebrachte Bahnstrecke von der nördlichen Gränze der Provinz Oberhessen bis an die südliche Gränze der Pro- vinz Starkenburg, so weit sie das Großherzogthum durchzies hen wird, berühren soll. Diese Punkte sind die Städte Gies Ben und Darmstadt. Ueber die weitere Richtung, welche die Bahn im Innern des Großherzogthums nehmen dürfte, ist den Ständen keine Eröffnung gemacht worden. Bei der Uebergabe des erwähnten Gefehesentwurfs äu- Berte der Herr Regierungscommissär unter Anderem Fols gendes: ,,Betrachten wir vor allem seine (des Großherzogthums) Lage zwischen andern Staaten, welche schon im Besit von Eisenbahnen sind, oder im Begriff stehen, sich die ſelben zu verschaffen, so kann man sich der Ueberzeu gung nicht erwehren, daß sehr bald eine große Verâns derung in den bisherigen Verkehrsverhältnissen eintreten muß, wenn nicht eben diese Lage, welche zu den güns stigsten von Deutschland gehört, dazu benutzt wird, den bestehenden Handelszug festzuhalten und ihm durch ras scheren Betrieb noch mehr Lebendigkeit zu geben." > Was hier von dem Großherzogthum gesagt ist, gilt in noch höherem Grade von den Haupthandels- und Fabrikstäd. ten unseres Landes, deren Verkehr, wenn sie von dem Zug der Schienenwege ausgeschlossen bleiben sollten, nur noch eine kümmerliche Existenz fristen und endlich ganz verschwinden würde. Es erscheint daher dringend nothwendig, daß auch die großen Handels- und Fabrikorte des Großherzogthums in den Hauptbahnzug aufgenommen oder damit in eine ange messene Verbindung gebracht werden, wenn dieselben nicht ih ren Verkehr an die auswärtigen Stapelpläße gänzlich abtreten. sollen. Wenn zunächst der Zweck der Eisenbahnen darauf gerich. tet ist, außer dem Personentransport den Ueberfluß der Er. zeugnisse der einen Gegend einer andern, welche Mangel das ran leidet, zuzuführen und gewerbreiche Orte mit andern in eine erleichterte Verbindung zu bringen und dadurch auf Er: weiterung des Verkehrkreises, sowie auf Beförderung der In- duſtrie hinzuwirken, so stellt sich als unabweisbare Forderung dar, in den Zug der Eisenbahnen diejenigen Orte aufzuneh- men, welche in vielen Productionszweigen beschäftigt und des ren Erzeugnisse für einen großen Verkehr nach entfernten Ge- genden bestimmt sind. Das Großherzogthum beſißt nur eine Fabrikstadt, welde in größerem Maßstabe und fast ausschließlich für das Aus. land fabricirt und ihre Erzeugnisse nach allen Theilen des Zollvereins und des Uuslandes in sehr beträchtlichen Mengen versendet. Diese Fabrikstadt ist Offenbach. Im Interesse des Landes und der Stadt Offenbach liegt ez es daher, lettere in die Hauptbahnlinie aufzunehmen. Es würde schwer zu rechtfertigen sein, die in dem Großherzog, thum zu bauende Eisenbahn in einer geringen Entfernung an Offenbach vorbei nach und durch Frankfurt zu führen, ohne die erstere Stadt zu berühren, da bei der gewiß zu ers wartenden Rentabilität dieſer Strecke weder der Umweg, noch der höhere Kostenaufwand, bei der kurzen Entfernung beider Städte von einander, in Betracht kommen kann. In dem beiderseitigen Interesse, sowohl des Staats, als der Stadt Offenbach, tragen daher die oben Genannten dar- auf an : ,,die Großherzogl. Staatsregierung zu ersuchen, durch alle ihr zu Gebot stehenden Mittel dahin zu wirken, daß die Eisenbahn von Caffel nach Frankfurt, welche 3 { jedenfalls die Provinz Oberhessen durchschneiden wird, über Hanau und Offenbach nach Frankfurt, oder, wenn dies nicht ausführbar sein sollte, die Bahn von der badischen Gränze über Offenbach nach Frankfurt geführt werde." : * 1 Beilage Nr. 6, zum Protokoll vom 14. April 1842. Antrag der Abgeordneten Lotheißen, Franc (Hof: gerichtsrath), v. Rabenau (Oberforstrath), Heſſe, Kilian, die Richtung der projectirten Eisenbahn von Darmstadt nach der südlichen Gränze der Pro- vinz Starkenburg betreffend. Die Großherzogl. Staatsregierung hat zwar in ihrer jüngst an die Stände gebrachten Proposition, betreffend den Bau und Betrieb der Eisenbahnen im Großherzogthum Hes- fen, die Anschlußpunkte und die Richtung der Bahn im Innern des Landes noch nicht angegeben; es wird je doch dieser wichtige Gegenstand, namentlich also auch die Frage: welche Ortschaften die von Darmstadt bis an die füdliche Grenze der Provinz Starkenburg projectirte Ei- senbahn, im Falle ihrer Ausführung, berühren, und an welchem Punkte ob in der Richtung nach Heidelberg, oder nach Mannheim solche mit der Badischen Eisenbahn in Verbindung treten foll? bei der Berathung zur Sprache kommen müssen. Wir beabsichtigten, bei dieser Discussion die Richtung der Bahn direct nach Heidelberg in Antrag zu stellen; die Erwägung aber, daß dieser Antrag vorerst an den Aus- schuß zur Begutachtung verwiesen werden, und daß hierdurch die definitive Beschlußnahme über die Proposition der Gr. Staatsregierung eine bedauerliche Verzögerung erleiden könnte, bestimmt uns, diesen Antrag schon jest und zwar in der Erwartung, daß der erste Ausschuß veranlaßt werde, ſich gleichzeitig auch hierüber gutachtlich zu äußern, dahin zu präcisiren: die hohe Kammer wolle sich bei der Gr. Staatsregie rung dafür verwenden, daß die von Darmstadt bis an die südliche Gränze der Provinz Starkenburg zu bauende Eisenbahn die Bergstraße entlang, direct in den Bahnhof nach Heidelberg, die Orte Eberstadt, Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 24 Bickenbach (oder statt des letzteren die Orte Seeheim, Jugenheim und Alsbach), sodann Zwingenberg, Auer's bach, Bensheim, Heppenheim, Weinheim, Schrieß- heim 2c. berührend, geführt werde. Diesen Antrag stüßen wir hauptsächlich auf folgende, einstweilen nur kurz angedeutete, Gründe: 1) Die Bahn von hier direct nach Heidelberg verbindet die demnächst von Darmstadt nach Frankfurt 2c. und die von Heidelberg nach Karlsruhe c. ziehenden Eisenbahnen in ge rader Richtung, vermeidet alſo den nicht unbedeutenden Umweg über Mannheim. Diese Bahnrichtung liegt 2) im allgemeinen Interesse des Landes; denn sie ver mindert für das Großherzogthum Hessen die Bauverbindlich- keit, welche sich, im Falle der Richtung der Bahn nachh Mannheim, ohne einen erheblichen Vortheil zu versprechen, über eine Strecke von circa drei Stunden erweitern würde. Sie liegt aber auch 3) im speciellen Interesse der Bewohner der Bergstraße. und des an diese gränzenden Odenwaldes; denn sie heilt die denselben durch die oberrheinische Dampfschifffahrt und durch die Localbahn zwischen Heidelberg und Mannheim geschlage nen Wunden, sie bringt wieder Leben und Nahrung in die durch Naturschönheiten ausgezeichneten Gegenden der Berg, straße und des Odenwaldes. 4) Aber auch für die Stadt Mainz ist, aus nahe liegen- den Gründen, eine direct von Heidelberg nach Darmstadt führende Eisenbahn, zumal wenn der beantragte Schienenweg von Darmstadt nach Mainz zu Stande kommt, von größerem Nuhen, als eine Bahn von Mannheim nach Darmstadt. Der Bahn unsers Antrags steht auch 5) in Absicht auf Bau- und Unterhaltungskosten nicht das mindeste Bedenken im Wege. Am Fuße der Gebirge ist der Boden fest, die Bahn erhält dadurch einen soliden und weniger kostspieligen Unterbau, wozu die Steine, als Haupt- material desselben, ganz in der Nähe und wohlfeil zu bezie hen sind. Auch führt der Bau nicht durch Wiesen und Moor gründe, er hat mit Wässerungsanlagen nicht zu kämpfen und wird jedenfalls nicht kostspieliger werden, als der Bau einer Schienenbahn von Darmstadt nach Mannheim. Insbesondere aber gewährt die von uns beantragte Bahn 6) den vor allen Dingen zu beachtenden Vortheil der größeren Frequenz, wenn sie, was nothwendig geschehen muß, an den größeren Ortschaften, z. B. an Eberstadt, Bickenbach, + 3 3wingenberg, Bensheim und Schriesheim mit Aussteigehal- len, an Heppenheim und Weinheim aber mit Bahnhöfen vers ſehen wird. Während Seeheim, Jugenheim, Alsbach, Zwingenberg und Auerbach als Vergnügungsorte sehr in Betracht kommen, durchkreuzen sich an andern Orten mehrere Hauptstraßen zwis schen Main, Rhein und Neckar, nämlich: in Eberstadt a) von Offenbach nach Gernsheim, b) von Seligenstadt über Babenhausen, Dieburg, Roß, dorf, Oberramstadt ic. nach Gernsheim, c) von Obernburg am Main über Neustadt, Höchst, Reinheim c. nach Gernsheim, d) von Miltenberg über Michelstadt, Brensbach, Obers ramstadt ic. nach Gernsheim; in Bensheim und Heppenheim. a) von Brensbach über Reichelsheim, Gadernheim, Schön. berg ic. nach Lorsch und Worms, b) von Obernburg über Michelstadt, Erbach, Fürth c. nach Lorsch und Worms, c) von Miltenberg zc. eben dahin d) von Eberbach am Neckar über Beerfelden, Ebersberg und Fürth c., sowie von Eberbach über Hirschhorn, Waldmichelbach und Fürth c. eben dahin; in Weinheim die vorher genannten bis nach Fürth und von da über Rimbach und Birkenau nach Weinheim führenden Straßen. Bei dem Zusammenflusse dieser vielen, weit verzweigten Kunststraßen, mit welchen allen die Bahn nach Heidelberg in Verbindung kommen würde, läßt diese Bahnroute den lebhaftesten Verkehr erwarten. Wir behalten uns vor, die für unsere Motion sprechens den Gründe, erforderlichen Falls, bei der Berathung näher auszuführen. 24* i Beilage Nr. 7, zum Protokoll vom 13. Mai 1842. t Bericht des ersten Ausschusses der zweiten Kammer, über die Vorlage Großherzogl. Staatsregierung in Beziehung auf die Erbauung von Eisenbahnen im Großherzogthum Hessen; erstattet von dem Abge- ordneten Schmitthenner. Es ist eine allbekannte Sache, daß, nachdem man bereits feit Jahrhunderten Schienenwege, welche durch Aufhebung der Reibung den Bedarf an Zugkraft außerordentlich mindern, gekannt und hin und wieder, besonders in Bergwerken, be nuht hat, im Jahr 1825 in England der erste Versuch ge: macht worden ist, statt der bis dahin auf Landstraßen fast ausschließlich zur Fortbewegung gebrachten, verhältnißmäßig theueren Thierkräfte die Dampfkraft anzuwenden, und daß man auf diese Weise in den sogenannten Eisenbahnen ein Mittel der Kommunikation gewonnen hat, welches an Schnelligkeit jedes und an Wohlfeilheit nur die Wasserstraßen nicht über, trifft. Mit glücklichem Takte und einer erstaunlichen Rasch- heit bemächtigten sich die eminent praktischen Völker der Welt, Engländer und Nordamerikaner, dieses Mittels und zwar vorzugsweise, rvas nicht übersehen werden darf, um volumis nöse. Landesprodukte aus dem Innern an die Flüsse und Mees resküsten zu transportiren. Aus der politischen Form von England und Nordamerika erklärt es sich leicht, warum die Errichtung und der Betrieb dieser großartigen Anstalten nicht von dem Staate ausging, sondern Privaten überlassen blieb. Auf dem Festlande, namentlich auch in Deutschland, ſchei- nen Anfangs, gleich dem Publikum, auch einzelne Regierun gen über die politische und staatswirthschaftliche Bedeutung dieser Verkehrsanstalt im Zweifel gewesen zu sein. Denn nur so läßt es sich erklären, wie man hier, bei monarchischen Regierungsformen und großer Ausdehnung der öffentlichen Gewalt, eine so großartige Kommunikationsanſtalt, die ihrer 1 F 1 • 1 I 2 eigentlichsten Natur nach Sache des Staats ist, der Privat industrie überlassen konnte. Dieser Mißgriff hat, wo er ges schehen ist, eine große Reihe von weiteren Mieständen her. vortreten lassen. Es bemächtigte sich die Agiotage eines der schönsten Mittel für Beglückung und Veredelung der Mensch. heit, die Erbauung und Verwaltung ward, ohne Rücksicht auf das staatswirthschaftliche Moment, bloß auf finanziel len Gewinn, also z. B. auch die Tarifirung mehr auf Personen oder Waarentransport, berechnet; es wurden eine Menge Verwickelungen der Privatinteressen mit den öffentli chen und damit auch falsche Urtheile über das Wesen der Eis senbahnen hervorgerufen. Indessen hat sich, wie bei tausend Erfindungen in der Geschichte, auch hier sehr bald gezeigt, daß solche großartige Welterscheinungen, sobald sie sich ein. mal in das Leben zu drängen beginnen, durch Mißverständs niß und falsches Urtheil der Menschen wenig aufgehalten zu werden vermögen. Man kann wohl fagen, daß die öffents liche Meinung über den unermeßlichen Einfluß. den diese Erfindung auf die Entwickelung der Menschheit üben wird, bereits zur Klarheit gekommen ist, und das besprochenste Thema des Tages ist der lebendige Wetteifer der Regierun- gen, ihren Völkern die Segnungen dieser großartigen Erfin, dung zu geben. Kaum wird es unter diesen Umständen nöthig sein, Etwas über die unermeßlichen Vortheile zu sagen, welche die Eisen- bahnen Deutschland gewähren können und werben. Wie die politische Bedeutung derselben überhaupt vorzugss weise in der äußersten Concentration der Staatskräfte zu 2n- griff und Vertheidigung hervortritt, so werden sie für Deutsch, land nebst dem Zollverein das stärkste Band der Vereinigung bilden. Ein vollständig ausgeführtes System von Eisenbah nen, welches die Hauptstädte dieſes Staatenstaates auf we- nige Stunden zufammenrückt, wird für ihn die Macht der Vertheidigung unberechenbar erhöhen, den Frieden und eine glückliche Zukunft verbürgen. Es ist tausendmal gesagt und foll hier nicht wiederholt werden, daß nach der Erfindung der Druckerpresse schwerlich eine andere die Cultur und folg lich die Veredelung der Völker so bedeutend fördern wird, als diejenige eines Mittels, welches auch den niedersten Volks- klassen die Welt öffnet, die Menschen mit Leichtigkeit zu den Culturmitteln und diese zu den Menschen bringt, und daß dieser Vortheil für kein Volk entschiedener hervortreten wird, als für die Deutschen, welche bei ihrer großen Bildungsfähig. i 3 { 3 keit neben andern. Culturvölkern darin zurückſtehen, daß sie weniger Mittel der Kommunikation besitzen. Was die Eisenbahnen in staatswirthschaftlicher Hinsicht ſind, läßt sich leicht und treffend in einem Bilde darstellen. Sie sind Ströme von Eisen. Wie aber an den schiffs baren Strömen, als den großen Schlagadern im Verkehrs- leben, die Bewegung, die Kultur und der Wohlstand der Völker am größten ist, so werden diese begreiflich auch da steigen, wo die Kunst der Menschen solche Ströme schafft. Daß sie wirklich schon gestiegen sind, wo Eisenbahnen bes stehen, zeigt auch dem Ungebildetsten der Augenschein. Im Mittelalter hatte Deutschland den Zwischenhandel von Europa, der Reichthum seiner Städte war unbeschreiblich und sie konu ten jene Dome bauen, die noch als Zeugen einer großen reichen Vorzeit in die Mitwelt herüberragen. Durch die Auf. findung des Seewegs nach Ostindien und die Entdeckung von Amerika hat es die Spedition für die Welt verloren und ſeine Städte sind so arm geworden, daß sie ihre Dome zu unterhalten nit im Stande ad. Die Eisenbahnen werden wenigstens dem Handel der alten Welt wieder seine frühere Richtung geben und die Städte Deutschlands werden wieder reich werden. Den finanziellen Gesichtspunkt endlich anlangend, so er: gibt sich ohne weitere Auseinandersehung, daß eine öffent liche Unſtalt, welche den Wohlstand mehrt, auch die Steuer- kraft steigert, und ferner bei dem Hinblick auf die Geschichte ähnlicher Anstalten, wie der Dampfschiffahrt, und sogar der Eisenbahnen selbst, daß dieselben eine unmittelbare Einfom- mensquelle abgeben werden. Obgleich nämlich in Deutschland bisher erst einzeln und stückweiſe Eisenbahnen erbaut sind, so daß die Bedeutung derselben für den Verkehr noch nicht voll- ständig hervortreten konnte, die Anlagen derselben im Anfange viel kostspieliger waren, indem man, von der Erfahrung ver: lassen, Mißgriffe in der Ausführung that, nicht blos Ma- ſchinen, sondern auch Maſchinisten und sogar das Brennma- terial aus dem Auslande beziehen mußte; so ergibt sich doch nach verbürgten authentischen Nachrichten die erfreuliche Er scheinung, daß der Ertrag aller bisher in beständigem Steigen ist und es besteht, nach den lehten Quartalsberichten der Di: rektionen, nachstehendes Verhältniß der Rentabilität: 1) die München-Augsburger Bahn ergab trotz der vielen auf ihr lastenden Beschwerden und Zahlungen 2'/, pCt. 2) die Bahn von Braunschweig nach Wolfenbüttel schon im ersten Jahr 3½ pet. • 4 1 3) die Leipzig-Dresdener Bahn 4 pCt. 4) die Magdeburg, Leipziger Bahn vertheilte nach Bezahlung der Zinsen der Prioritätsactien und der statutens mäßigen Amortisation, sowie nach Zurückstellung eines ange. messenen Reservefonds, an die Inhaber der Stammactien eine Dividende von 5 pCt. 5) die Berlin-Potsdamer Bahn ergab, nach Zurück- legung von 6000 Thalern zum Reservefond, 5 pCt. Zinsen und 2 pCt. Dividende, mithin 7 pCt. 6) die Bahn von Mannheim nach Heidelberg, an welche sich die Main-Neckar-Bahn anschließen soll, ergab ſchon im vorigen Jahr 3'2 pCt. 7) die Taunus-Eisenbahn ergab eine Verzinsung des Stammkapitals von 6 pCt. und legte für den Reserveconto noch circa 24,000 fl zurück. $ 8) die Nürnberg Fürther Bahn ergab eine Divis dende von 17.pCt. Von ausländischen Bahnen ergaben, als unter ähnlichen Verhältnissen wie die deutschen erbaut: 9) die Petersburger Bahn, ungeachtet mancher Be- lastungen. 4 pCt. 10) die belgischen Bahnen, die großentheils mit Kana, len concurriren 4 3', pCt. Die Reſultate derjenigen von Cöln nach Aachen wer- den erst dann hervortreten, wann das Syſtem, von dem ſie bloß ein Stück ist, vollends ins Leben getreten ist. Erwägt man die Verhältnisse in ihrem Zusammenhang, so tritt jedem Unbefangenen sofort vor Augen, daß die Eisen= bahnen für die Zukunft Deutschlands eine Bedeutung haben werden, wie kaum irgend eine andere Welterscheinung. Abges sehen von den politischen Vortheilen, so wird den Staaten schon durch staatswirthschaftliche und finanzielle Rücksichten geboten, sich in der Gründung solcher Anstalten Quellen mit- telbaren und unmittelbaren Einkommens zu sichern, indem der stets größere öffentliche Aufwand, welchen die steigende Entwickelung der Menschheit und des Staatslebens bedingt, aus den Erträgen einer bloßen Agrikultur und einfacher Ge- werbe ferner nicht mehr bestritten zu werden vermag. Da kein einzelner Staat lange zurückbleiben kann, ohne sehr bald in dem Rückgang seines Wohlstandes die Strafe zu fühlen, ſo unterliegt es nicht dem geringsten Zweifel, daß Deutschland in nicht langer Zeit von einem ganzen System von Eisenbah nen durchzogen sein wird. 1 5 Was von allen deutschen Staaten gilt, findet in erhöhtem Maße seine Anwendung auf das Großherzogthum Hessen. Es bedarf gar keiner Ausführung, daß dieser an den frucht- baren Abdachungen des Taunus, Vogelsbergs und Oden- walds und in den noch fruchtbareren Baffins des Mains und Rheins gelegene Staat, der eine bedeutende Urproduktion hat und von mehreren großen Personen- und Waarenzügen durchschnitten wird, von richtig angelegten Eisenbahnen, welche den Absah seiner Produkte befördern, den Binnenverkehr stei gern und den Transit erhöhen werden, einen unberechenbaren Vortheil ziehen könnte. In der Vorlage Großherzoglicher Staatsregierung wird nun eine Hauptlinie von der Kurhessischen Gränze bis zur Badischen genannt, welche zuerst in Bau genommen werden soll. Allerdings ist dieß die große Weltstraße, welche im Mit- telalter, wo sie der später mehr auf die See verlegte Trans port noch nicht verlassen hatte und wo auf ihr die Waaren Italiens und der Levante nach dem Norden, so wie umges kehrt die Erzeugnisse des Nordens nach Südeuropa gingen, Basel, Straßburg, Frankfurt, Friedberg, Ziegenhain und Cassel einen Reichthum und eine Bedeutung gaben, von des nen in einzelnen dieser Städte sogar die geschichtliche Erinne- rung erloschen ist, und die deßhalb als eine einzige große deutsche Hauptbahn zu betrachten und zu behandeln ist. Bei ihrer Beurtheilung in politischer, staatswirthschaftlicher und finanzieller Beziehung aber können die beiden Arme derselben, die am Main sich treffen, auseinander gehalten und besonders betrachtet werden, so wie es, unseres Erach, tens, im Intereſſe von Deutſchland und dem Großherzogthum Heffen liegt, dieselben als, freilich keine gerade Linie bildende, Radien anzusehen und zu behandeln, welche in Mainz, commerciell dem bedeutendsten Stapelplah am Mittelrhein und militärisch dem Schlüssel zu Mitteldeutschland, zuſam- menlaufen. Betrachten wir zuerst die Main-Weserbahn, welche sich von Cassel aus über Marburg und Gießen nach dem Main richtet, so bestehen für dieselbe, gleich viel ob sie bei Hanau, Frankfurt oder Hattersheim münden wird, folgende Verhältnisse. Strategisch ist sie eine Nothwendigkeit für Deutsch- land. Nachdem die Franzosen Paris circumvallirt haben und von dort aus nach den Grenzen des Staates, wie Radien von dem Centrum des Landes auslaufende Eisenbahnen bauen, namentlich auch nach Straßburg, so daß sie in weni 6 gen Tagen dorthin die ganze Kraft des Staates, eine große Armee, bei der auch nicht ein Marodeur ist, sammt Kriegs. material und Mundvorrath werfen, ganz Süddeutschland überschwemmen und alle Festungen deffelben berennen können, müssen die deutschen Mächte ein Mittel haben, welches ſie in den Stand seht, eben so schnell ein Heer unter den Mauern von Mainz zu sammeln. Die projectirte Eisenbahn wird die große Militärstraße von der der und Elbe nach dem Mittelrhein sein, auf der sich, den ges nauen Berechnungen kundiger Militärs zufolge, in zwei und einem halben Tage 20,000 Mann sammt allem Kriegsma, terial von Leipzig nach Mainz bringen lassen. In staatswirthschaftlicher Hinsicht läßt sich einfach und beſtimmt sagen, daß die ganze Zukunft von Oberhessen an ſie geknüpft ist. Eine Eisenbahn von Caffel nach dem Main muß und wird gebaut werden. Es find für dieselbe zwei Linien möglich, die eine über Hersfeld und Fulda, die andere über Marburg und Gießen. Wird die erstere gewählt, so ist der größte Theil der Provinz auf lange, vielleicht auf immer zur Armuth und Unkultur verurtheilt; die große Straße über Marburg und Gießen, nicht minder diejenige von Lauterbach über Alsfeld und Grünberg wird verödet liegen. Nicht eins mal in dem Abſatz der kleinen landwirthschaftlichen Produkte würde ferner die Wetterau und der Vogelsberg mit der obe- ren Maingegend und der Rhön concurriren können. Wird dagegen die lettere gebaut, so daß sich die Bahn über Marburg, mit Bahnhöfen und Einsteighallen zu Gießen, Bußbach, Fried berg und Vilbel, nach dem Main wendet, so geht künftig der ganze Strom von Menschen und Waaren aus Nordeuropa durch Oberhessen, die stagnirenden Produkte seiner entlegensten. Gegenden, Getreide, Vieh, Eisen, Bausteine, Kohlen u. f. w. kommen in Bewegung, die Wetterau wird nahe an die Märkte von Frankfurt und Mainz gerückt. Es würde, darüber kann gar kein Zweifel obwalten, ein unberechenbares Glück für beide Heffen und ein großes, schönes Monument der staats- wirthschaftlichen Einsicht ihrer Regierungen sein, wenn es die- sen gelänge, durch Staatsverträge zu bestimmen, daß die Straße von Halle über Weimar nach Westen, diejenige von Hannover und den Hansestädten, und ebenso diejenige von Westphalen nach Süden in Cassel zusammenliefen und von dort aus die unermeßliche Menge von Menschen und Waaren sich über Marburg und Gießen nach dem Main ergösse; Cassel würde das größte Emporium in Norddeutschland wer- den, das jetzt sehr isolirte Oberhessen in die Mitte des Welts } 7 verkehrs treten und alle Vortheile eines großartigen Transits genießen. Die Erscheinungen im Verkehrsleben würden, wenn auch vielleicht minder glänzend, gewis denen ähnlich sein, welche die Dampfschifffahrt auf dem Rhein dargeboten bat. Im Jahr 1825 beförderte ein Dampfboot 15,000 Reisende und man war über die Erfolge so unklar und so kleinmüthig, daß die Kaufleute in Mainz ihre Actien verkauf ten. Schon im Jahr 1837 befuhren 350,000 Reiſende auf Dampfbooten den Rhein und vier Jahr später, im Jahr 1841, wurden auf 36 Dampfschiffen 750,000 Passagiere auf dem Strome befördert, der seitdem wieder eine der befahrensten Weltstraßen geworden ist. 23 Selbst für Darmstadt hat gerade diese Straße die größte Wichtigkeit; denn sie rückt Gießen um 15 Stunden und verhältnißmäßig die ganze Provinz näher an die Haupts ſtadt. Bedeutender noch ist sie für Mainz und Rheinhessen. Wird diese Bahn, die sich irgendwo an die Taunuseiſenbahn anschließen würde, nicht gebaut und dagegen die Lahn schiffs bar gemacht, so gewinnt Coblenz die Spedition für Ober- bessen, wie im umgekehrten Fall Mainz; indem der Transs port auf der Lahn, namentlich zu Berg, mit demjenigen auf der Eisenbahn nicht concurriren kann. Die Beurtheilung in finanzieller Hinsicht endlich ergiebt fich einfach daraus, daß nach dem dargestellten Projekt die Eisenbahnen aus den Gebieten der Oder und Elbe, auz demjenigen der Weser und aus Westphalen in Caffel, als dem großen Knotenpunkt des gesammten norddeutschen Vers kehrs, zusammen laufen und von dort aus nach Frankfurt und Mainz diese eine Straße alimentiren würden. Geschieht dies, so giebt es keine größere Bahn in Deutschland, die eine gleich große Frequenz hat, und hat keine eine gleich große Frequenz, so kann auch keine gleich glänzende finanzielle Re- ſultate liefern. Sie wird demnach, wenn nicht alle Schlüſſe fehlen und alle Berechnungen täuschen, eine nicht unbedeu- tende Einkommensquelle für den Staat abgeben. Anders sind in dieser Beziehung die Verhältnisse der durch Starkenburg projectirten Main-Neckarbahn. Günstiger sind dieselben darin, daß das Großherzogthum, indem keine andere Straße neben ihr für das Aukland mög- lich ist, den mitcontrahirenden Staaten, sofern diese ihre Bahnbauten anreihen wollen, jede Bedingung vorschreiben fann. 8 Minder günstig sind sie darin, daß sie in strategischer, ſtaatswirthschaftlicher und finanzieller Hinsicht, wenigstens nicht die glänzenden Reſultate liefern wird, wie die Main. Weserbahn. Was zuerst den strategischen Gesichtspunkt anlangt, so kann eine Eisenbahn von Heidelberg über Darmstadt nach Mainz allerdings wie jede andere zur Fortbringung von Truppen und Kriegsmaterial benutzt werden; allein eines Theils könnte man, abgesehen von dem Fall, daß norddeutsche Truppen nach Süddeutſchland zu führen wären, auf ihr dann doch nur die Contingente von Würtemberg und Baden hers beiziehen, anderntheils ist der von der französischen Grenze entferntere Mittel- und Unterrhein durch starke Festungen, Mainz, Coblenz, Cöln und Wesel gedeckt, so daß hier eine schnelle Gefahr nicht leicht entstehen kann. Ihre staatswirthschaftliche Bedeutung für das Großher zogthum kann schon aus dem einfachen Grunde, weil sie mit einer sehr fahrbaren Wasserstraße fast parallel und nahe daran herläuft, zwar nie zu dem hohen Grade steigen, welchen die Main-Weserbahn einnimmt. Allein gering kann derselbe denn doch auch nicht angeschlagen werden, zumal wenn sie an der Bergstraße her nach Heidelberg läuft und wenn die Linie von Darmstadt nach Mainz dem System angereiht wird. Sie wird dann die volkreichen, gewerbthätigen Orte der Berg, straße unter sich und mit Darmstadt, Mainz und Frankfurt verbinden, Reisende und Produkte aus und nach dem Odens wald aufnehmen und einem Kanale gleich, ja in höherem Maaße, den Verkehr beleben, Industrie, Wohlstand und Cul tur der Umgegend erhöhen, folglich die Kräfte des Staates steigern. Auch in finanzieller Hinsicht können die Ergebnisse dieser Bahn, da sie, wie bemerkt ward, mit einer sehr fahrbaren Wasserstraße zu concurriren hat, auf welcher stets der Ver- ſand: zu Thal, namentlich der voluminösen Artikel vom Ober- rhein her, des Holzes, Harzes, Hanfs, Krapps, der franzöſi- schen Weine u. f. w. wenigstens bis nach Mainz wohlfeiler sein und effectuirt werden muß, da sie ferner nicht durch bes deutende Seitenbahnen alimentirt wird, nicht so groß sein, wie bei der Main-Weserbahn. Gleichwohl ist, nach den vors liegenden Daten von analogen Bahnen, nicht im geringsten zu bezweifeln, daß auch für sie ein Zeitpunkt voller Rentabis lität eintreten wird. Von der früher in Darmstadt bestehen. den Privatgesellschaft war die Rentirung derselben auf sechs Procent berechnet, für den Anfang aber gewiß zu hoch, da die Taunuseisenbahn diesen Ertrag bis jetzt nur um ein Ge: ringes übersteigt. Unter den dargelegten Umständen kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Zeit erschienen ist, wo in dem Großher- zogthum Heffen an die Ausführung von Eisenbahnen ernstlich gedacht werden muß. Wenn fast alle Staaten, die bisher Versuche im Kleinen gemacht und sich von den großen Vor: theilen überzeugt haben, wie Frankreich, Desterreich, Preußen, Sachsen, Baiern, Baden und ihnen nachfolgend Würtemberg, Kurhessen, Hannover, im Begriff stehen, durch eine ins Große gehende Anlage von Eisenbahnen die Staatskräfte zu steigern, den gesammten Verkehr, Handel, Gewerbe und Ackerbau zu heben und neue Finanzquellen zu gründen, so darf und kann das Großherzogthum nicht zurückbleiben. Der große Auf- wand kann dabei kein Bedenken erregen; denn ez es handelt sich nicht darum, Geld unproductiv, wie etwa bei einer Kriegsschuld, auszugeben, sondern Anstalten zu gründen, die ihren Aufwand selbst decken und zudem für das Land unermeßli- chen Vortheil abwerfen werden. Selbst im schlimmsten Falle ist für den Staat kein Ver- luft zu fürchten. Denn wenn auch, was anzunehmen kein Grund berechtigt, der Ertrag sich unter denjenigen von fast allen Eisenbahnen, etwa auf drei Procent stellen würde, und wenn derselbe ferner, was anzunehmen aller Analogie wider. streitet, eine Zeit lang stationär bleiben sollte, so würde das Deficit von einem Procent einen finanziellen Verlust von jährlich 90,000 bis 100,000 fl. ausmachen; ein Verlust, der jedenfalls durch den staatswirthschaftlichen Vortheil unendlich überwogen wird. Als Regel für die Ausführung ergeben sich einfach fol gende Grundsäße: 1) Wo Eisenbahnen Staatsanstalten sind, d. h. den Staatszwecken dienen und den Verkehr zwischen Provinzen und Staaten vermitteln sollen, folgt einfach aus der Natur des Straßenregals, daß die Erbauung und der Betrieb dem Staate obliegt. Es führt, wie schon die Geschichte des Postregals zeigt, zu den größten Inconvenienzen und ist mit den Regeln eines rationellen Staatshaushaltes unverträg lich, wenn wesentliche Hoheitsrechte, sei es durch Concession oder Belehnung, an Private überlassen werden. 2) Jeder ungewöhnliche Staatsaufwand, vorzugsweise ein productiver, wie der in Rede stehende, der sich nicht blos in dem Vortheil der Staatsgenossen repräsentirt, sondern auch in ? 10 ! ! sich die Kraft der Verzinsung und Tilgung trägt, ist durch Benutzung des Credites zu bestreiten. Zu einer Steuers umlage ist nur im äußersten Nothfalle zu schreiten. Ein Un. leihen sucht die müßigen Capitalien und setzt sie in Arbeit, eine Steuer, namentlich eine directe, greift auch die in pro= ductiver Arbeit begriffenen an. 3) Wird die Eisenbahn als Staatsanſtalt betrachtet und verwaltet, so folgt, daß, wenn auch eine besondere Berwal- tung, ebenso eine besondere Fundirung und Dotirung für die gemachten Anleihen Statt findet, wenigstens die Net, toeinnahme und Nettoausgabe dem allgemeinen Budget integrirende Positionen bilden. Nach dieser allgemeinen Einleitung gehen wir zur Beur- theilung der von Großherzoglicher Staatsregierung gegebenen Vorlage fort. Dieselbe enthält nebst Einleitung und Motiven einen all. gemeinen Gesezes entwurf, welcher, ohne ein bestimmtes Project zu nennen, in 6 Artikeln die staatswirthschaftlichen Grundsätze ausspricht, nach denen bei der Erbauung und bei dem Betrieb der Eisenbahnen im Großherzogthume Hessen verfahren werden soll. Bei der Begutachtung dieser allge meinen Grundsäße, welche die Sanction der legislativen Ge walt erhalten sollen, glaubt der Ausschuß vorerst von den dem Entwurf einverleibten Vorschlägen, die sich auf die Ers bauung einer bestimmten Bahn beziehen, absehen und diesels ben als Bestandtheile einer speciellen, von dem allgemeis nen Gesetz verschiedenen Proposition auch besonders be. handeln zu müssen. 3u Artikel 1. Dieser Artikel stellt zuerst einen ſtaatswirthschaftlichen Grundsah auf, der sich unmittelbar aus der Natur des Stra Benregals ergiebt, welchen daher die Majorität des berichtens den Ausschusses zur Annahme empfiehlt. Ebenso folgt der zweite Sah aus dem Jus supremae inspectionis und der Polizeihoheit des Staates. 3u Artikel 2. Dieser Artikel bestimmt, den schon oben angeführten Grund- sätzen eines rationellen Finanzhaushaltes gemäß, über die Art, wie die zur Ausführung erforderlichen Fonds aufgebracht werden sollen. Die Majorität des Ausschusses schlägt daher denselben zur Annahme vor. Nur wünscht dieselbe nicht, daß der Betrag der Kassenanweisungen auf eine Million, sondern 11 böchstens bis auf denjenigen der Zinsen während der Zeit der Erbauung der Bahn, also bis höchstens auf 600,000 fl. bes ſtimmt werde. Ferner beantragt dieselbe den Zusatz: ,,Ueber die Art der Emission, die Deckung und Einlöſung derselben wird ein besonderes Gesetz bestimmen." 3u Artikel 3. Der berichtende Ausschuß wünscht, daß dieser ganze Ar tifel wegbleibe, indem die dispositiven Säte desselben theils nicht bestimmt genug sind, als daß sie den Kapitalisten Ver trauen einflößen könnten, theils aber auch nicht in ein allge meines Geſch gehören möchten. a) Die erste Bestimmung: " - Die nach Art. 2 aufgenommenen Kapitalien werden. aus dem reinen Ueberschuß des dem Großherzogthum zufallenden Antheils am Ertrag der Eisenbahn vers zinst." deutet zwar an, daß eine gesonderte Finanzverwaltung der Eisenbahnen Statt finden soll, ohne dies jedoch bestimmt auszusprechen, und wird jeden Kapitaliſten auf die Frage brin: gen: ob für den Fall, daß der Ertrag der Eisenbahnen die Zinsen nicht deckt, er oder der Staat den Verlust tragen foll? Die ganze Bestimmung wäre wohl nur dann nöthig, wenn die Partialschuldscheine den rechtlichen und finanziellen Chas rakter von Actien annehmen sollten, was doch wohl die Ab- ficht Gr. Staatsregierung nicht ist. Wenn indessen die Aufnahme, in das allgemeine Gesetz beliebt werden sollte, so schlägt der berichtende Ausschuß den Zuſah vor: " Wofern dieser Ueberschuß nicht zureicht, so soll der Ausfall aus den paratesten Mitteln des Staates gedeckt werden.' " b) Die weitere Bestimmung: Sollte dieser reine Ueberschuß mehr liefern, als zur Zinfenzahlung nothwendig ist, so soll davon jährlich 1) bis zu 25,000 fl. zur Bildung eines Reservefonds bis zu dem Betrage von 500,000 fl. verwendet werden," würde in den Statuten einer Privatgesellschaft, welche beim Ablauf jedes Rechnungsjahres den Ertrag unter sich vertheilt, sehr wesentlich sein. Da aber nach Art. 1 der aus den Er- trägen der Bahn zu bestreitende Betrieb auf Rechnung des Staates geschehen soll, der bei budgetmäßiger Wirthschaft + і 1. ! I 12 schon einen allgemeinen Reservefond besitzt und ebenso die Zuschüsse zu leisten hat, wie er die Ueberschüsse empfängt, so scheint dem Ausschuß der Vortheil eines solchen Refervefonds sehr problematisch. c) Mehr noch gilt das Bemerkte von der folgenden Be- stimmung: es solle von dem reinen Ueberschuß: ,,2) bis zu weiteren 25,000 fl. zur Kapitalamortisation verwendet werden.' " Wie bei jedem öffentlichen Anleihen wird es auch bei dem zur Erbauung der Eisenbahn aufzunehmenden wesentlich zur Erhaltung und Erhöhung des Credites beitragen, wenn ein bestimmter Plan der Tilgung berechnet, und ein specieller, allen Wechselfällen entnommener Fonds für dieselbe dotirt wird. Ferner kann es räthlich sein, zu bestimmen, es solle ein aliquoter Theil der Ueberschüsse, wie hier circa 1 Prozent, zur schnelleren Tilgung verwendet werden. Allein der Auss ſchuß hält es nicht für angemessen, wenn die Amortisation blos auf die, wenn auch voraussichtlichen, doch so precären Ueberschüsse angewiesen und ohne Angabe und Bestimmung der zu tilgenden Schuld eine Tilgungsrente von 25,000 fl. genannt wird, wobei es also an zureichenden Prämissen zu einer sicheren Berechnung fehlt. Jedenfalls möchte seines Erachtens diese Bestimmung passender in die specielle Propo= ſition zu ſehen sein, welche auch diejenigen über die Bahn- linie und die Größe des Baukapitals enthält. d) Endlich möchte auch die letzte Bestimmung: es solle „3) der Reſt zur Erhöhung der Zinsen bis zu fünf Prozent verwendet werden," welche den Inhabern der Schuldurkunden für den Fall be, deutender Ueberschüsse eine Dividende oder Prämie zusichert, abgesehen davon, daß sie, um nicht dem Staat später einen Vortheil zu entziehen und wenigstens den Rückkauf sehr zu erschweren, auf eine bestimmte Zeit einzuschränken wäre, ebene falls nur in der speciellen Propoſition ihre angemessene Stelle finden. Der Ausschuß hält aus weiter unten anzuführenden Gründen die Zusicherung einer solchen Prämie nicht für noth wendig. 3u Artikel 4. Auch aus diesem Artikel wünscht der berichtende Ausschuß den ersten Saß, welcher die Eisenbahn als Specialhypothek eingesetzt wissen will, ganz weggelassen, da es seiner Ansicht nach wenig zur Förderung des Credits beitragen und der I 13 Würde des Staats nicht angemessen sein würde, die Bahn als Unterpfand zu bestellen. Eine solche Verunterpfändung könnte nämlich überhaupt nur bei einer Privatgesellschaft, welche dem richterlichen Zwange unterworfen ist, eine Bedeutung haben. Die Radicirung einer Staatsschuld auf ein bestimmtes Object, sogar auf die Domänen, wovon allerdings Beispiele genug vorkommen, ist, wie schon aus der Natur der Sache folgt und die Geschichte des öffentlichen Credits zur Genüge lehrt, eine 3lusion, in dem der Credit des Staats als einer souveränen Gemeinheit durchaus nur ein personeller sein kann. Wenn die gesehge- bende Gewalt des Staates, wie dies oft genug vorgekommen ist, eine Schuld verschiebt, herabseht oder für gänzlich er, loschen erklärt, Papiergeld demonetisirt u. f. w., was ohnehin nur in den Fällen der äußersten Noth geschehen kann, wird, mag übrigens auch der Staat hier in einem privatrechtlichen Verhältniß zu seinen Gläubigern stehen, das Anrufen der richterlichen Gewalt keinen Erfolg haben. Wo es aber auch bei Staatsanleihen vorkömmt, daß für dieselben bestimmte Objecte als Hypothek bestellt werden, da dürfen diese nur solche sein, welche der Staat, wie feine Do: mänen, zufällig unter privatrechtlichen Titeln besikt, welche im Privatverkehr veräußerlich sind (res in commercio posi- tae) und welche folglich veräußert werden können, ohne daß die Realisation des Staatszwecks in irgend einem Kreise des Lebens Gefahr erleidet. Nach Art. 1 soll nun die Eisenbahn als öffentliche Anstalt, was sie auch ihrer innersten Nas tur nach ist, behandelt werden. Als solche steht sie aber extra commercium, ist rechtlich gar keiner Veräußerung, fol- lich auch keiner Berunterpfändung fähig. Wenn sie es aber auch wäre, was sollte man von einem Staate sagen, der ſeine öffentlichen Anstalten für Recht, Wohlfahrt und Cultur, also die Bedingungen seiner Existenz und dir Organe seines Wirkens, wie Collegienhäuser, Archive, Arsenäle, Stras Ben u. s. w. als Unterpfänder bestellte? : Ohnehin bietet der lehte Sah dieses Artikels, zumal da es sich weniger um eine Noth als um eine Erwerbschuld handelt, wenn er als Gesetz sanctionirt wird, genügende Si- cherheit dar. Der Ausschuß schlägt daher für Artikel 4 fol: gende Fassung vor: Die Stände des Großherzogthums erkennen die für die Eisenbahn contrahirte und verwendete Kapitalaufnahme als Staatsschuld an, und übernehmen die Garantie der emittirten Kassenscheine. Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 25 4 { 14 Į Zu Artikel 5. Auch dieser Artikel könnte und müßte nach der Unsicht des berichtenden Ausschusses wegbleiben, und zwar aus folgenden Gründen: 1) Um 1. Juli 1. I eine weitere Steuer umzulegen, kann keinerlei Veranlassung eintreten, indem, wenn auch bald zur Ausführung des projectirten Werkes geschritten würde, einestheils die Kosten in diesem Jahre, wo nur das genauere Nivellement und die Vorbereitungen der Erpropriation einis gen Aufwand verursachen könnten, so gering fein werden, daß sie leicht aus den, Gr. Staatsregierung bereits zur Dis- position gestellten, Mitteln bestritten zu werden vermögen, an: derntheils aber durch die Emission von Kaffenscheinen, welche in diesem Jahre möglich ist, sich überflüssige disponible Fonds ergeben. 2) Es fann, vorausgesetzt, daß in den folgenden zwei Jahren sogar 4,000,000 fl. allmählig verbraucht werden, der ganze Betrag der Zinsen, die immer erst nach Verlauf eines Semesters zu entrichten sind, für die Finanzperiode nicht über 100,000-120,000 fl. ausmachen, welche aus der, Großgh. Staatsregierung zur Disposition gestellten, gesammten Bau- kostensumme zu bestreiten sind. 3) Für die folgende Finanzperiode würden für das erste Jahr 200-240,000 fl., für das zweite 280-320,000 fl. und selbst bei der höchsten Berechnung im Ganzen nur circa 600,000 fl. Zinſen in Anſatz kommen. Allein es wird mög lich sein, da billiger Weise für den Zeitraum eines so groß- artigen Unternehmens bis zur Rentabilität der Bahn jeder andere nicht dringend nothwendige außerordentliche Staats- aufwand unterbleibt, einen Theil dieser Zinsen aus den lau: fenden Staatseinnahmen zu decken, der andere ist, da die Zinsen bis zum Moment der Rentabiliät einen integrirenden Bestandtheil des Baukapitals ausmachen, durch Benutzung des Credits zu erbringen. 4) Nur wenn die erstere Voraussetzung nicht in Erfüllung gehen und der legtbenannte Modus nicht beliebt werden follte, ſo bliebe das Auskunftsmittel, durch einen Aufschlag auf die directen Abgaben, die ihrer Natur nach nur eine ſub- fidiäre Staatseinkommensquelle und eine supplementäre Steuer sind, den Uusfall zu decken. Bei einer richtigen Leitung des Unternehmens, bei wel chem der Staat nur mit seinem Credit operirt, ſo daß auch vorzugsweise hier der Sah gilt: Universitas debet, singuli non debent braucht es nicht dazu zu kommen. 1 15 * 3u Artikel 6. Diesen Artikel empfiehlt der Ausschuß um somehr zur Un nahme, da er nichts weiter enthält, als was ohnehin in den ständischen Berechtigungen liegt. Außerdem wünscht der Ausschuß noch folgenden Zuſaß- artikel: Die Einlösung der emittirten Kassenscheine, sowie die Verzinsung und Tilgung der für die Erbauung_der Eisenbahn aufgenommenen Staatsschuld steht unter Con- trole der Stände des Großherzogthums. Diese Bestimmung, welche schon zur Befestigung des Credits erforderlich ist, müssen die Stände bei der moralischen Verantwortlichkeit, welche sie dem Lande gegenüber haben, verlangen. In der Vorlage Großherzoglicher Staatsregierung, na- mentlich in der Einleitung und den Motiven des Gesetzesent- fes wird: I. die große Bahnstrecke von der kurhessischen Grenze über Gießen und Darmstadt bis zur badischen Grenze als eine von denjenigen bezeichnet, welche auf Staatskosten ers baut werden soll. Die Zwischenpunkte dieser Bahn sind nicht angegeben, doch wird die Großb. Staatsregierung auch But- bach und Friedberg als solche Orte bezeichnen können, welche jedenfalls in den Bahnzug fallen und Bahnhöfe oder Ein- steighallen erhalten. Um dieses Project und die Fassung desselben richtig zu beurtheilen, darf die eigenthümliche Lage der Großh. Staats: regierung nicht übersehen werden. Die bezeichnete Bahn kann in ähnlicher Weise, wie die Anstalten des Zollvereins ihre Behandlung finden, nur unter gemeinschaftlicher Mit- wirkung, Direktion und Aufsicht von mehreren Staaten, na; mentlich von dem Großherzogthum Hessen, von Kurhessen, Baden, beziehungsweise von Frankfurt, welche dabei ganz eigentlich eine Actiengesellschaft von Staaten bilden, in Bau und Betrieb genommen werden, so daß also der Erbauung bestimmte Staatsverträge vorausgehen müssen. Der Abschluß dieser Verträge seht aber bezüglich des Kostens punktes die Einwilligung der Stände voraus, so daß der be: richtende Ausschuß, der sich übrigens in besonderen Vorträgen noch über die auf die Trace bezüglichen Motionen äußern wird, anerkennt, wie die Proposition nur allgemein gehalten werden kann. In Erwägung, daß diese Bahn in ſtaatswirthschaftlicher Hinsicht dem Großherzogthum Heſſen große Vortheile bieten, 25* 2 16 і 1 daß sie, wenn irgend eine große Bahn, in finanzieller Hin ficht fich rentiren wird, in fernerer und ganz besonderer Er wägung, daß in dem Augenblick, wo Deutschland im Be- griffe steht, ein für den Aufschwung seiner Industrie, für feine politische Einigung und Kräftigung, namentlich aber für seine Vertheidigungsfähigkeit unberechenbar wichtiges Sy- stem von Eisenbahnen auf seinem Gebiete auszuführen, das Großherzogthum Hessen sich nicht ausschließen und zurückblei. ben kann, hält es die Majorität des berichtenden Ausschusses für ihre Pflicht, die Zustimmung der verehrlichen Kammer zu beantragen. II. Ueber die Kosten der Bahn liegen keine genauen Voranschläge vor. Solche sind aber auch, theils weil die Baulinie im Einzelnen noch nicht überall festgestellt ist, theils weil die Kosten der Eisenbahnanlagen nach der Natur des Terrains und nach andern Verhältnissen bedeutend abweichen, die Durchschnittssummen also nur sehr unsichere Anhaltspunkte abgeben, nicht wohl zu entwerfen. Dagegen ist das Baukapital approximativ auf 9,000,000 fl. angegeben. Diese Summe beruht auf einer, von dem Großh. Regierungscommissär, Herrn Geheimerath Eckhardt, zu den Akten gegebenen Berechnung, die, so weit es hier möglich ist, ins Einzelne geht. a) Die Länge der Bahnen in den beiden Provinzen Star- kenburg und Oberhessen ist nahe gleich, dagegen ist das Terrain in Starkenburg bei Weitem günstiger, als in Ober- hessen. b) Die Länge in Oberhessen über Gießen, Friedberg und Vilbel beträgt nach der geschehenen genauen Aufnahme 21,860 Klafter, die ebenfalls genau vermessene Länge in Starkenburg über Darmstadt und Lorsch beträgt 22,740 Klaf: ter. Nur für diese beiden Richtungen kann ein Voranschlag mit einiger Zuverlässigkeit entworfen werden. c) Rechnet man nach den bisher gemachten Erfahrungen. im Mittel 300,000 fl. für die Wegstunde (2000 Klafter) oder 150 fl. für die Klafter, so folgt: A. In Oberhessen: α) 21,860 Klafter à 150 fl. 3,279,000 fl. 8) 560 Klafter Tunnel bei Bußbach à 2000 fl. 1,120,000 fl. 7) Betriebsmaterial 638,000 fl. 5,037,000 fl. 17 B. In Starkenburg: a) 22,740 Klafter à 150 fl. P) Betriebsmaterial # 3,411,000 fl. 638,000 fl. 4,049,000 fl. d) Während des Baues, dessen Dauer in Oberheffen, wo die Schwierigkeiten des Terrains, namentlich der Bau des Tunnels, einen größeren Zeitaufwand erfordern, fünf Jahre, in Starkenburg vier Jahre sein wird, müssen die Geldauf- nahmen verzinst werden. Nimmt man darauf Rücksicht, daß die Bahn schon im vierten Jahre theilweise eine Rente ab: wirft, so kann selbst in dem Falle, daß schon im ersten Jahre eine, in dem folgenden Jahre drei Millionen aufgenommen. würden, der Zinsenbetrag nicht höher als 600,000 fl. ſein, nämlich: im ersten Jahre 1 Million à 4% im zweiten Jahre 1 + 3 Millionen im dritten Jahre 4+2 Millionen 40,000 ſl. 160,000 fl. 240,000 fl. im vierten Jahre 6+2 Millionen zur Hälfte 160,000 fl- zusammen 600,000 fl. Es kommen hier nur 8 Millionen in Betracht, da die lehte für das Betriebsmaterial erst gegen das Ende des Bahnbaus aufgenommen werden wird. 2) Stellt man nun sämmtliche Kosten zusammen, so er hält man für Oberhessen. für Starkenburg für Zinsen circa 5,037,000 fl. 4,049,000 fl. 600,000 fl. 9,686,000 fl. Sollte dagegen, wie zu wünschen steht, die Bahn ihre Direction die Bergstraße entlang nach Heidelberg erhalten, so würde die Bahnstrecke im Großherzogthum Hessen bedeu tend geringer sein, und die Baukostensumme sich auch niedri. ger stellen. Auch darf nicht übersehen werden, daß der ans genommene Durchschnittssaß die wirklichen Baukosten höchst wahrscheinlich übersteigt, indem man im Anfang, was beson ders bei Privatgesellschaften der Fall war, wegen mannich. facher Mißgriffe, des hohen Honorars der Ingenieure u. 2. relativ theuer gebaut hat, so daß im Allgemeinen 9,600,000 fl. als die höchste Summe genannt werden können, welche das Großherzogthum mit Inbegriff der Zinsen bis zum Zeitpunkt der Rentabilität zu dem Bau beizutragen haben wird. { ; 18 : Die Propoſition Gr. Staatsregierung geht nun dahin, ihr die Ermächtigung zu ertheilen, diese Summe theils durch Emiſſion von einer Million Kassenscheinen, theils durch ein Anlehn von 8,000,000 fl. aufzubringen, wogegen sie die Ver- pflichtung übernimmt, nach Verlauf jeder Finanzperiode über die Verwendung des Geldes Rechnung abzulegen. Da die Erbauung der Bahn unter einer gemeinsamen Direction der contrahirenden Staaten geschehen, und von dieser die Bestim- mung über die Ausführung im Einzelnen emaniren, die Rech- nungsablage endlich für die gefeßliche und zweckgemäße Uus- gabe der Gelder Sicherheit geben wird; so trägt die Majori= tät des Ausschusses kein Bedenken, den Antrag zu stellen: daß die verlangte Ermächtigung unter den oben zu Art. 2 des Gesetzesentwurfs vorgeschlagenen Modificationen er- theilt werde. 1 III. In Beziehung auf den Modus des Anleihens wird in den Motiven des Gesetzesentwurfs die Absicht Gr. Staats: regierung dahin ausgesprochen, Partialschuldscheine zu vier Pro- cent Zinsen auf Inhaber von 1000 fl. bis 500 fl. und 250 fl. auszugeben, und deren Absatz zuerst durch Eröffnung von Subscriptionen im Lande zu versuchen, im Falle aber, daß hierdurch nicht die erforderlichen Summen aufgebracht werden, eine Concurrenz unter den angesehensten Banquiers in den größeren Handelsstädten auszuschreiben. In Art. 3 des pro- ponirten Gesetzesentwurfs ist ferner bestimmt, daß, nachdem aus dem Ertrag die ausgesetzten vier Procent Zinsen, die zur Amortisation bestimmte Rente und jährlich 25,000 fl. zur Bildung eines Reservefonds entnommen sind,, und noch ein weiterer Ueberschuß verbleibt, dieser zur Erhöhung der Zinsen bis auf 5 Procent verwendet werden soll. Dieser Modus muß für denjenigen erkannt werden, der in dem concreten Fall der einzig richtige ist. Es handelt sich nicht um ein Nothanlehn, wobei der Staat, weil seine Mittel erschöpft find, fremdes Geld, und zwar in der Regel mit bedeutendem Berlust für Benefice und Provision und wegen der Dif= ferenz zu erhalten ſucht, ſondern um ein productives Unter- nehmen, welches sich selbst verzinsen soll, wobei er eigentlich nur die Garantie der Verzinsung übernimmt, und daher vor- zugsweise inländische Kapitalien zu beschäftigen suchen muß. Da eine Erwerbschuld dieser Art, wobei zuerst der Ertrag einer bestimmten öffentlichen Anstalt zur Verzinsung und Til- gung bestimmt ist, außerdem aber der Staat für alle Fälle haftet, und in schlimmen nur eine geringe Differenz zu decken haben, in günstigen sogar noch Ueberschüsse beziehen wird, i 1 19 " jedenfalls größere Sicherheit bietet, als eine gewöhnliche öf fentliche Nothschuld, deren Tilgung und Verzinsung die Kräfte des Staats verzehrt, da ferner der wirkliche Zinsfuß der öffentlichen Effecten unter 4 Procent steht; so ist einestheils nicht zu bezweifeln, daß auf diesem Wege das erforderliche Geld aufgebracht wird, anderntheils ist es zu billigen, daß der Vortheil zunächst den inländiſchen Kapitalisten vorbe halten bleibt. Der Ausschuß wünscht nur, daß die Obliga tionen nicht blos auf den Inhaber, sondern nach Verlan. gen auch auf Namen gestellt werden, damit es möglich ist, Familienfideicommißgelder und andere dergleichen Summen, die der freien Disposition des jeweiligen Besitzers entzogen bleiben, zum Ankauf derselben zu verwenden. Die Zusicherung einer Prämie für den Fall weiterer Ueberschüsse hält der berichtende Ausschuß, da das Anleihen Sicherheit und Vortheil zur Genüge bietet, nicht für noth- wendig. Sollte dieselbe gleichwohl beliebt werden, so wünscht er, daß diese Bestimmung auf eine Frist von zwanzig Jah, ren beschränkt werde, indem eine feste Zusicherung derselben für immer es unmöglich machen würde, außer durch Heim- zahlung nach dem Nominaiwerth, auch durch Conversion und Rückkauf auf die Verminderung und Tilgung der Schuld. hinzuwirken. Der Ausschuß beantragt demnach, zu dem vorgeschlagenen Modus des Anleihens unter der angegebenen Beschränkung die Zustimmung zu ertheilen. IV. Was ferner die Amortisation anlangt, so hat der Ausschuß bereits oben seine Ansicht dahin ausgesprochen, daß die Bestimmung darüber zweckmäßiger in die besondere Proposition, als in den allgemeinen, für alle Eisenbahnen geltenden Gesetzesentwurf aufzunehmen und so nach der An- gabe der zu tilgenden Schuldensumme die Größe der Tils gungsrente festgestellt werden möchte. Aber auch hier scheint die Dotation des Tilgungsfonds einer Schuld von 9,000,000 fl. mit 25,000 fl., also mit 5/18 oder etwas mehr als 1. Procent zu gering, und, wenn sie blos auf die Ueberschüsse angewiesen wird, die nach der Ver- zinsung verbleiben, zu unsicher. Der berichtende Ausschuß beantragt daher die Bestimmung: es solle zur Tilgung der für die Erbauung der Eisenbahn contrahirten Schuld, ein Amortisationsfonds von 50,000 fl. zunächst aus den Ueber- schüssen, in Ermangelung derselben aber aus allgemeinen Staatsmitteln dotirt werden, und derselbe seine Operation 20 dom Moment der Vollendung und vollen Rentabilität ber Bahn an beginnen. Nach den gewöhnlichen Regeln eingerichtet, würde dieser Fond, dem die Zinsen der abgetragenen Kapitalien zuwachsen, vom Anfangspunkt seiner Operation an, in 53 Jahren die gesammte Schuld amortifiren. Wird aber damit noch ein Remboursement durch die weiteren Ueberschüsse, die sich in der Zukunft wohl gewiß ergeben, verbunden, so wird noch weit früher die Zeit eintreten, wo das gesammte Anlagekapi tal abgetragen ist und der Staat in seiner Eisenbahn eine bedeutende Quelle reinen Einkommens besist. Soviel läßt sich jedenfalls mit großer Bestimmtheit vor. aussagen, daß, wenn jezt schon Private, die isolirt und in beschränkter Weise des bloßen finanziellen Gewinnes wegen gebaut haben, mit wenigen Ausnahmen in der von Tag zu Tag steigenden Einnahme aus den Eisenbahnen eine Er werbequelle finden, in der Zukunft das unter der Leitung der Staaten sich rasch entwickelnde System von Bahnen, in wel chem die eine sich an die andere anschließt und eine die an- dere alimentirt, neben seinem unberechenbaren Einfluß auf die staatswirthschaftlichen und politischen Verhältnisse, einen finanziellen Ertrag abwerfen wird, der gewiß die auf die gegenwärtigen Verhältnisse gegründete Berechnung übersteigt. Die Minorität des Ausschusses behält sich vor, ihre von den oben dargelegten Ansichten abweichenden Meinungen, se wie ihre von den gefaßten Beschlüssen verschiedenen Vorschläge in einem Particularvotum und in der Discussion zu entr wickeln. Eine Schlußbemerkung zu dem Ausschußberichte der Ho. hen ersten Kammer legt zuletzt dem Berichtserstatter noch die Nothwendigkeit auf, sich wegen eines möglichen Mißverständ nisses ausdrücklich zu verwahren. Als das Concept des vor- liegenden Berichtes von dem Referenten bereits entworfen war, ward demselben von dem Herrn Ausschußpräsidenten ver Ausschußbericht der Hohen ersten Kammer brevi manu und zwar ausdrücklich ad legendum, nicht ad referendum mitgetheilt. Aus der Ausschußsihung, in welcher Referent ihn vorlas, wurde derselbe ebenfalls ohne weitere Bemerkung zurückgefordert. Sich über denselben und die darin enthalte- nen Vorschläge gutachtlich zu äußern, lag nicht einmal in der Befugniß des Referenten, indem diese nur durch eine Aufforderung ertheilt werden konnte. Wenn sich die Beschlußnahme des ersten Ausschusses über bie am 4. Upril in die Kammer gebrachte Vorlage Großh. 21 Staatsregierung etwas verzögert hat, so liegt der Grund einfach darin, daß für die Mitglieder des Ausschusses nach. deren Verlangen lithographirte Copien genommen und einige Tage Frist gegeben werden mußten, um in einer so hochwich- tigen Sache die Ansichten und Vorschläge des Referenten reiflich zu prüfen, wozu noch weiter kam, daß wegen des großen Geschäftsdranges der über das Finanzgesetz und das Militärbudget berathenden zweiten Kammer die Ausschuß. ſihungen um einige Tage hinausgeschoben worden sind. i 22 ' Privatvotum des Abgeordneten Valckenberg : zu dem Bericht des ersten Ausschusses der zweiten Kammer, über die Vorlage der Großh. Staatsre- gierung in Beziehung auf die Erbauung von Eisen- bahnen im Großherzogthum Heſſen. Wenn sich eine Actiengesellschaft finden würde, die die projectirte Haupteisenbahn, unter den ihr von der Staatsregie rung vorzulegenden Bedingungen übernehmen würde, so ziehe ich im Interesse des Landes bei weitem vor, folche un- ter gehörig zu leistender Garantie durch eine Actiengesellschaft, statt auf Staatskosten bauen zu lassen. - Die Staatsregierung möge darum wenigstens den Ver- ſuch machen, sich zu überzeugen, ob sich eine solche Gesell- schaft findet, wo der Staat einer großen sich aufzulegenden Schuldenlast entginge, und wofür ich in dem Unternehmen auf Staatskosten kein Aequivalent sehe. Im Falle es nicht gelingt, daß eine Actiengesellschaft sich findet, dann erft mögen diese projectirten Hauptlinien der Eisen: bahnen im Großherzogthum Hessen auf Staatskosten ausge- führt werden. Die hierzu nöthigen Fonds sind auf dem Weg der öffenlichen Anleihe aufzubringen, und zwar gegen von den Ständen des Großherzogthums garantirte gewöhn. liche Obligationen à 4 pCt., nach einer von dem ersten Aus- schuß der hohen ersten Kammer aufgestellten Amortisationsberech= nung, und ohne daß die Realisirung der Anleihe von einer eröffneten Subscription abhängig gemacht wird, zu welcher sich der gewöhnliche Capitalist nicht gerne versteht, welche daher das erwartete Resultat schwerlich liefert, und das Unlehen unter lästigeren Bedingungen am Ende in die Hände verbün. deter Banquiers bringt. : Ich bin vielmehr fest, überzeugt, das man das Anlehen ohne vorherige Subscription durch successive, direkte Ausgabe der Partial Obligationen von Sei- ten der Staatsschulden tilgungskasse, je nach dem fortschreitenden Bedarf, zusammenbringen'wird, ohne daß man zu einer kostbaren Operation mit Handelshäusern zu 23 ſchreiten braucht, besonders wenn man die nachher noch zu! erwähnende Aushülfe eintreten läßt. Es soll in diesen Obligationen durchaus das Eisenbah- neninstitut nicht erwähnt werden, ebensowenig Gebäude, Un- lagen ic. als Specialhypothek eingesetzt, indem diese zu creirenden Papiere durch die Garantie der Stände hinlängliche Sicher- heit bieten, zu pari genug Nehmer finden werden, und solche unnöthige Verklausulirungen manchen Käufer bedenklich machen. Im Allgemeinen bin ich gegen die Ausgaben von Kaſſen. anweisungen bis zum Belauf einer Million Gulden. So verführerisch es ist, so einladend es erscheint, durch die Ausgaben von einer Million Kassenanweisungen fl 40,000 jährlich zu gewinnen, so bleibt dieser Gewinn durch Nachs machen von falschen Kaſſenanweisungen theils scheinbar. Die Summe ist für die in Circulation befindlichen baaren Geldmittel zu groß und ich sehe für den Augenblick keine Nothwendigkeit geboten, solches Papier, was stets dem Staats- credit Schaden bringt, zu creiren. Andere Privatunternehmungen waren nothgedrungen, fo wie die Leipziger: Dresdener, solche zu veranlassen, allein ſie haben nur zuleht ihre Hülfe darin gesucht. Dagegen schlage ich, aus Rücksicht auf meine obige Bes merkung, und um einestheils die Regierung während des Fortgangs des Baues gegen jede Geldverlegenheit zu sichern, anderntheils die Nothwendigkeit zu vermeiden, im Andrange des Bedarfs zu Anleihen unter ungünstigen Bedingungen ſchreiten zu müſſen, vor, daß in dem Falle, wenn etwa einmal in einem oder in dem andern Quartale nicht so viel Obliga- tionen abgesetzt werden können, als gerade erforderlich ist, einstweilen der fehlende Bedarf durch unverzinsliche Kaffen- scheine, jedoch nur solange gedeckt wird, bis eine spätere, stärkere Nachfrage nach Obligationen wieder die Mittel ge: währt, die einstweilen ausgegebenenen Kaſſenſcheine alsbald wieder einzuziehen. Dieser Vorschlag nähert sich mehr der Absicht der Regierung und geht wesentlich davon aus, daß wirklich successive der ganze Bedarf, ohne eine Rücksicht auf Kassenscheine verzinslich, aufgenommen werden soll, und die Emission von Kassenscheinen nur als eine jeweilige Anticipa- tion hierauf und als eine vorübergehende Aushülfe erscheint, welche nie eintritt, oder alsbald wieder eingezogen wird, so: bald die Nachfrage nach verzinslichen Obligationen es gestat tet; weswegen auch eine Ermächtigung hierzu auf die Summe von fl. 500,000 genügend sein dürfte. f 24 1 Bei diesem Vorschlag sind die Nachtheile durch falsche Scheine nicht zu erwarten, weil die Summe der jeweilen emittirten Scheine oft gering sein wird, ſchnell in die Staats- kaſſe zurückgezogen, und in jedem folgenden Quartale die Form geändert werden kann. Die nördliche Eisenbahn ſoll über Kassel, Giesen, Fried- berg, wo möglich, Hanau, Offenbach, Frankfurt gehen. - Dies würde ein gemeinschaftliches Unternehmen mit Kurhes sen, Darmstadt und Frankfurt bilden, und soll für unsern Theil circa fünf Millionen kosten. Die südliche Bahn soll, wenn die nördliche Bahn nicht über Offenbach zieht, über Frankfurt, Offenbach, Darmstadt und Heidelberg gehen. Dies soll ein gemeinschaftliches Un- ternehmen, mit Frankfurt, Großherzogthum Hessen und Ba. den bilden und circa vier Millionen kosten. Die Staatsregierung möge es als eine heilige Pflicht an, sehen und Alles anwenden, daß es ihr gelingen möge, die Bahn, gleichviel nördlich oder südlich, über Offenbach zu füh- ren, allein ſollte es ihr troh allen ihren Bemühungen nicht ge= lingen, so mag sie bei den Verhandlungen das Interesse von Offenbach auf das möglichste wahren und gegen Frankfurt vertreten. Da nun wahrscheinlich das Großherzogthum zwei Eisen- bahnfirmen erhält, eine südliche und eine nördliche, die zwei verschiedene Uſſotiationsberechnungen erhalten, so halte ich es für fach und zeitgemäß, daß man nicht mit beiden Bahnen zu, gleich anfange. Man nehme diese zuerst in Arbeit, bei der man Gefahr auf dem Verzug sieht, und dies ist die Nord- oder Giesener Bahn. Die Nothwendigkeit der südlichen ist nicht so geboten, und dieſe laſſe man vorerst in Aussicht. Diese wird vor der Hand durch Post - Frachtwagen- und Dampfschifftransporte erseht, und kann dem Lande durch keine in Concurrenz tre- tende andere Richtung entzogen oder abgeleitet werden. Man wird den Taglohn nicht zu sehr steigern. Man wird bei der ersten Arbeit für die zweite mehr Erfahrung sammeln, auch die Geldmittel leichter aufbringen, und die zu- nehmende Zinsenlast auf eine größere Reihe von Jahren ver- theilen. Kurz mehrere Gründe sprechen dafür, die ich in den Berathungen zu entwickeln mir vorbehalte. Der Amortisationsfond ist durch den Vorschlag und die vorgelegte Berechnung des ersten Ausschusses der hohen ersten Kammer vortrefflich erledigt. L 25 Den Refervefond halte ich vorerst ganz unnöthig, der später hin nur allenfalls dann zu bilden ist, wenn die Bahn Nußen abwirft. Wenn aber Einkommen und Ausgaben der Bahn ganz auf Rechnung des Staatsbudgets kommt, dann bedarf es hierfür keines besonderen Reservefonds, weil sich dieser in dem allgemeinen Staatsrefervefond bildet. Unbedingt darf das 5. pCt. denen, die bei dem Anleihen. fich intereffiren, nicht in Aussicht gestellt werden. Eine folche Verpflichtung veranlaßt bedeutende Inconse quenzen; sie ist unnöthig. Es versteht sich von selbst, daß über das ganze Unter- nehmen eine Separatrechnung zu führen ist, der Ueberschuß oder Zuschuß dem Staatshaushalt zu gut kommt oder zur Last fällt und das Resultat sich bei einer jeden Finanzpe= riode ergiebt. Die Interessen für die während dem Bau aufzunehmenden Kapitalien werden auf den Bauconto geschlagen. Es versteht sich ebenso, daß man beim Bezug des noth wendigen Materials, Dampfmaschinen, Locomotive, das In- land und die Vereinsstaaten vorzugsweise berücksichtige, allein ebenso darf man nicht aus den Augen lassen, daß man bei billigeren Preisen und gleicher Qualität nicht auf Kosten der Unternehmung die Rücksicht übertreiben darf. Was nun die abzuschließenden Verträge 1) mit Kurhessen und Frankfurt, 2) mit Baden und Frankfurt über den Bau und den Betrieb der Bahn betrifft, so muß man dieses ganz der Klugheit, der Weisheit, der Energie und der Gewandheit der Staatsregierung überlassen, die ges wiß jeden Vortheil im Interesse des Landes zu wahren wissen wird, und jedenfalls dafür verantwortlich ist, daß sie mit den Arbeiten, mit dem Abschluß der Accorde, und der Uebernahme sonstiger Verbindlichkeiten erst dann be ginnt, wenn dieser Gegenstand im Reinen, und an dem gleichmäßigen Beginnen der Arbeiten in den anschließenden Nachbarstaaten nicht zu zweifeln ist. + 26 1 ! : 1 ! Bericht der Minorität des ersten Ausſchuſſes der zweiten Kam- mer, über die Vorlage der Großherzoglichen Staats- regierung, die Erbauung von Eisenbahnen im Groß- herzogthum Hessen betreffend. Ein so großartiges Unternehmen, wie das von Seiten der Staatsregierung den Ständen proponirte, nämlich: der Bau und Betrieb einer Eisenbahn im Großherzog: thum Hessen, von der nördlichen bis an die südliche Grenze, mit einem vorläufig auf nahe an 10 Millionen veranschlagten Aufwand, für Rechnung des Staats, ein Unternehmen, wie es bisher in diesem Sinne noch weni- gen anderen Staaten im Verhältniß der vorhandenen Kräfte und Mittel angefonnen wurde, macht den Ständen eine genaue, gewissenhafte und vorurtheilsfreie Prüfung des Gegen- standes um so mehr zur heiligsten Pflicht, als die Vortheile davon wenigstens für jeht noch höchst problematisch erscheinen, währenddem die Gewißheit vorliegt, daß dem Lande das durch eine neue, höchst bedeutende Schuldenlast aufgebürdet und lettere dadurch aufs neue auf eine früher nie gekannte Höhe gesteigert wird. Es konnte daher nicht fehlen, daß ein Unternehmen, von folch ganz unberechenbarer Consequenz, nicht von allen Mit- gliedern des ersten Ausschusses dieser Kammer gleich entgegen, kommend aufgenommen wurde, ſondern daß sich große Be: denklichkeiten dagegen erheben mußten. und Es bildeten sich daher Mojorität und Minorität der Zweck des gegenwärtigen Vortrags ist nun, der verehrli- chen Kammer auch die diesseitige Meinung vorzulegen. Ehe und bevor wir auf die einzelnen Artikel des Gesetzes übergehen, erlauben wir uns in Bezug auf die proponirte Bahn selbst Folgendes voranzuschicken : 1) In Oberhessen würde die Bahn nur einem kleineren Theil der Provinz Vortheil bringen können und durch die Bahn in Starkenburg sehr wahrscheinlich Rheinhessen, durch die Entziehung des Verkehrs auf dem Rhein, in großen Nach- theil kommen. Auch würde durch die Eisenbahnanlage eine 27 unserer bedeutendsten und am besten rentirenden Chauſſeen, nämlich die von der kurhessischen bis an die badiſche Grenze, alle Frequenz verlieren und das darin steckende enorme Kapi tal ſo gut als umsonst verwendet ſein. * 2) Scheinen uns aber, wie schon erwähnt, überhaupt große reelle Vortheile, bei der eigenthümlichen Lage unseres Landes, durch die Eisenbahnen höchst problematisch. Im Allgemeinen werden die Eisenbahnen in vieler Hinsicht com merzielle Revolutionen veranlassen und zwar im Ganzen nicht zu Gunsten der kleineren weniger selbstständigen Staaten, sondern mehr zu Gunsten einiger Handels- und Stapelplätze und dann vorzüglich zu Gunsten größerer Staa: ten; diese bauen im eigentlichen Sinne des Wortes für sich: ihr innerer und äußerer Verkehr, ihre Industrie werden da: durch gefördert, alles aufgewandte Geld bleibt im Lande, die Staatsbilanz wird dadurch nicht geändert, und was, wie es auch da nicht ausbleiben wird, die einen verlieren, gewinnen die anderen wieder, ohne daß dadurch das Gleichgewicht des Staats geändert oder gestört wird; daß lehterer außerdem oft bei einer Eisenbahn politische Zwecke, die sich nicht nach Procenten berechnen lassen, im Auge haben kann und wird, wollen wir hier nur beiläufig erwähnen. 3) In Betreff kleinerer, nicht gehörig arrondirter Staaten verhält sich alles dieses anders; sie entbehren in der Regel alle, oder doch den größeren Theil dieser Vortheile, und zwar in mehrfacher Hinsicht, als: a) weil aus Mangel an geeigneten Fabriken der größte Theil des Kostenaufwandes für das Material und die Mobiliargegenstände, und mitunter auch selbst für die Handarbeit, in das Ausland geht; b) weil der erleichterte Verkehr, wie schon erwähnt, haupt- sächlich nur größeren Handels- und Fabrikstaaten oder präponderirenden großen Handelsstädten wesentlichen Vortheil bringt. Es ist eine bekannte Sache, daß sich vermöge der Eisenbahnen große Distanzen verrin- gern und Entfernungen von 10 bis 15 Stunden Wegs als unbedeutend erscheinen. In Folge dieses wird die seither bestandene Selbſts ständigkeit der Städte zweiten und dritten Ranges ver: schwinden und auf die größeren Handelsstädte ersten Ranges übergehen; c) weil in der Regel das politische Interesse der kleineren Staaten untergeordneter Natur und nicht von solchem i : 28 Gewicht ist, daß dadurch die Anlage kostspieliger Eisen, bahnen zu rechtfertigen sein dürfte. 4) Wenden wir nun diese Verhältnisse auf's Großherzog thum Hessen, und namentlich auf die bei der projectirten Eisenbahn am meisten interessirten Städte Gießen und Darm- stadt an, so ergibt sich folgendes Resultat: 1. Das Großherzogthum Hessen, welches bekanntlich kein arrondirtes, sondern ein unzusammenhängendes Land bildet, hat wenig großartige Fabriken und ist vorzüglich ein Ucker- und Weinbautreibender Staat. Die Provinz Rheinhessen ist in beider Hinsicht die pro- ductivste. Ungeachtet der Zerrissenheit des Großherzogthums kann doch seine geographische Lage eine von besonderem Glück be- günstigte genannt werden, indem es durch drei große, zur Dampfschifffahrt geeignete Flüsse, theils durchschnitten, theils begränzt wird. Der großartigste Verkehr wird dadurch ohne alle Eisenbahnen hervorgerufen, und der Absah sämmtlicher Producte des Landes vermöge eines höchst bedeutenden Frucht- und Weinmarkts in der großen inländischen Handelsstadt Mainz gefördert und erleichtert. Unsere Aufgabe würde daher sein, nicht sowohl unseren Fabriken, denn, wie schon erwähnt, ſind ſolche nicht von se großer Bedeutung, neue Abzugskanäle zu verschaffen, als vielmehr den Absatz unserer Landesprodukte zu fördern; ob aber dieser Zweck durch das vorgelegte Eisenbahnproject er: reicht werden wird, bleibt fortwährend höchst problematisch. In Oberhessen wird, wie bereits bemerkt, die Bahn nur einen kleinen Theil des Landes berühren, sie wird daher auch nur auf eine verhältnißmäßig kleine Strecke zur Fortschaffung von Produkten bis an die Wasserstraße benut werden kön- nen, dieß ist namentlich gerade im fruchtbarsten Theile, in der Wetterau der Fall, indem diese Gegend dem Main und Frankfurt ganz nahe liegt; für die übrigen Theile von Ober- Hessen, das sogenannte Hinterland, den Vogelsberg u. s. w. wird die Bahn ebenfalls wenig Interesse haben, theils ihrer großen Entfernung wegen, um darauf zu gelangen, theils wegen Mangel an auszuführenden Gegenständen. Wollte man auch unter lettere, nach der Meinung des Referenten der Majorität, Holz, als einen zum Transport für die Eisenbahn geeigneten Artikel zählen, fo fragt es sich, ob hierdurch nicht die Bewohner und die Brennmaterial consumirenden Gewerke jener Gegenden, bei den ohnehin schon hohen Preisen des Holzes, noch mehr beeinträchtigt würden? 29 Was nun die weitere Bahnstrecke von Frankfurt bis an die badische Gränze betrifft, so wird solche von Darmstadt aus durch die Bergstraße führen und mit dem nahe gelegenen Rhein parallel laufen, sie wird daher mit letterem concurri- ren, und sollte sie sich rentiren, einen großen Theil des Ver- fehrs von diesem Strome ableiten; in diesem Falle würde die Provinz Rheinhessen sehr benachtheiligt werden. Wir glauben um so mehr, die Aufmerksamkeit der verehrlichen Kam, mer auf diese Alternative aufmerksam machen zu müssen, als die Provinz Rheinhessen im Verhältniß ihres Steuerkapitals jedenfalls einen bedeutenden Theil an der pekuniären Zubuße mit zu tragen haben wird. II. Ob die Eisenbahn für die Stadt Gießen große reelle Vortheile darbieten dürfte, müssen wir bezweifeln; der Hans del daselbst ist jedenfalls untergeordneter Natur und auf die näheren und nächsten Umgebungen beschränkt. Durch das Zeit und Kosten ersparende Näherrücken an Frankfurt würde Gießen daher in commercieller Hinsicht sicher mehr verlieren als gewinnen und in dieser Beziehung ganz gewiß das bereits durch die Erfahrung in Sachsen bestätigte Schicksal der im Zug der dortigen Eisenbahnen liegenden kleis neren Städte theilen, deren Hauptverkehr sich bereits der großen Handeisstadt Leipzig zugewendet hat. — III. Was vorstehend über die commerciellen Verhältnisse von Gießen gesagt worden ist, läßt sich in noch viel größes rem Maße von Darmstadt sagen. Zwischen dieser Stadt und Frankfurt besteht demnächst keine Entfernung mehr, Reiseko sten und Zeitverlust werden nicht mehr in Betracht kommen,. und es wird sich dadurch selbst der größere Theil des in Darm- ſtadt nur bestehenden Detailhandels, der größeren Auswahl und billigeren Preise wegen, nach Frankfurt ziehen, wie denn überhaupt hauptsächlich diese Stadt den eminentesten Vortheil von der projectirten Eisenbahn haben und dadurch der Zug der Geschäfts- und Vergnügungsreisenden dahin nur noch vermehrt werden wird; sämmtlicher Verkehr und alle damit in Verbindung stehenden Vortheile, werden sich also unfehl bar daselbst concentriren und die Stände werden, in dieser gewissen Voraussicht, keine Veranlassung finden können, sich, aus staatswirthschaftlichen Rücksichten zu dem ihnen in dieser Beziehung angefonnenen, gar nicht zu berechnenden Opfer zu verstehen. Wenn sich daher ein solches weder durch staatswirthschaft- liche, noch durch landwirthschaftliche Rücksichten rechtfertigen Protokolle z. d. Verh. d. 2. Kam. Suppl. Bd. 26 ¦ 1 30 läßt, so könnte es nur noch aus politischen Rücksichten ge- schehen. Auch sind wir darin mit den Ausschüssen beider Kam- mern einverstanden, daß die vorgeschlagene Eisenbahn aller. dings in politisch-strategischer Hinsicht für ganz Deutschlant oder für den deutschen Bund von der größten Wichtigkeit ist: wir fragen aber, wenn dieſes, wie wohl nicht zu läugnen, der Fall ist: Soll nun daß Großherzogthum Hessen für Zwecke allge- meiner Sicherheit, im Interesse des ganzen deutschen Bundes die mit der Anlage dieser Eisenbahn noth wendig verbundenen pecuniären Opfer cllein bringen? Obgleich wir diese Frage unbedingt mit nein beantworten, so abstrahiren wir dennoch vor der Hand weiter darauf ein: zugehen, theils weil sie dermalen noch nicht von praktischem Interesse ist, theils aber auch weil sie uns zu weit vom Gegenstande ab, und auf ein anderes, noch nicht gehörig ver- bereitetes Feld führen würde; sollten jedoch später den Stän den weitere ähnliche Ansinnen auf Eisenbahnen gemacht wer den, so würde man alsdann nothwendiger Weise darauf zu: rückkommen müſſen. Dies vorausgeschickt, wenden wir uns jetzt zu den ein- zelnen Artikeln des Gesetzes und bemerken zum : Artikel 1. Nach dem, was wir im Allgemeinen über das vorgelegte Eisenbahnprojekt bemerkt haben, können wir uns unmöglich mit dem Inhalt dieses Artikels einverstanden erklären; wir find gegentheils der Meinung, daß, wenn die Erbauung von Eisenbahnen nicht länger mehr aufgeschoben werden könnte, es alsdann eine heilige Pflicht der Stände sein würde, Alles aufzubieten, die dem Lande dadurch unvermeidlich erwachsen- den Nachtheile möglichst entfernt zu halten Nach unserem Dafürhalten würde dieses nur dadurch zu bewerkstelligen sein, wenn man den Bau der Bahn unter Oberaufsicht und Leitung der Staatsregierung im Wege der Privatunternehmung auf's allerernstlichste zu realisiren ſuchte. Wir halten dieses durchaus nicht für so schwierig, als es dargestellt werden will, und hegen gegentheils die feſte Ueberzeugung, daß der Zweck auf's vollkommenste erreicht werden wird, sobald man den guten Willen dazu zu zei. gen und mit loyalen Bedingungen entgegen zu kommen ernstlich bereit ist. Sämmtliche in der ganzen Welt dermalen bestehende. Eisenbahnen, mit geringer Ausnahme, verdanken einzig und 31 allein Privatunternehmungen ihr Dasein - und sollte denn im Großherzogthum Hessen unmöglich sein, was sich nicht allein in ganz Deutschland, sondern selbst sogar in unserer unmittelbaren Nähe, ja theilweise selbst im eigenen Land, so leicht realisirt und bewährt hat? Man spreche doch nur nicht von denen bei einem früheren Projekt gemachten Erfahrungen; wer die Geschichte davon kennt, weiß, was er davon zu halten hat. Nach allem die- sem tragen wir darauf an, wenn die Erbauung von Eisen. bahnen nicht länger umgangen werden kann, den Bau, unter Oberaufsicht und Leitung des Staats, im Wege der Privat: unternehmung und unter Berücksichtigung der Interessen der inländischen Kapitalisten, auf Actien bewerkstelligen und ausführen zu laſſen. Gegen die Erbauung auf Kosten und auf Rechnung des Staats sprechen außer denen, bereits im Allgemeinen anges führten, Bedenklichkeiten noch folgende Gründe: 1) Würde selbst unter nicht ganz ungünstigen Verhältnis- sen dennoch die Erbauung und Berwaltung von Eisenbahnen eine sehr bedeutende und bei unsern dermaligen Budgetsver- hältniſſen jedenfalls eine drückende Ausgaberübrik bilden, wie dieſes ſchon die Erfahrung bei dem Straßenbau gelehrt hat, und nach dessen Vollendung noch weiter lehren wird. 2) Baut der Staat in der Regel am theuersten; - auch hierfür finden wir im Straßenbau reichliche Belege, und wird derselbe außerdem durch die anzustellenden Beamten, nebst davon unzertrennlichen Pensions- und Wittwenkassen- Verhältnissen, weit mehr belastet, als dieſes bei einer Privat- unternehmung der Fall ist. 3) Außer dieſen vorbemerkten Inconvenienzen muß der Staat beim Selbstbau das Land mit einer neuen enormen Schuld belasten. - Verzinsung und Umortisation derselben sollen zwar aus den Erträgen der Bahn bewerkstelligt werden, aber wie ist dieses möglich, wenn man, wie aus dem Bericht der Majorität erhellet, die aufgenommenen Kapitalien mit 4 pCt. zu verzinsen beabsichtigt, während sich die projectirte Bahn im glücklichsten Falle, nach allgemeinen Erfahrungen, wohl schwerlich über 3 pCt. rentiren dürfte? Das Deficit müßte daher von den Steuerpflichtigen ge, deckt werden; dies geht schon aus dem Artikel 5 des Gesetzes hervor, und es würde dadurch die Agricultur, worauf die Existenz des Staates beruht, in hohem Grade beeinträchtigt, ohne ihr in gleichem Verhältnisse Vortheile dafür bieten zu können. Unsere Haupthandelsstädte am Rhein werden gar 26* 32 nicht von der Bahn berührt, und unser Fabrik und Gewer, bewesen ist wahrlich nicht von der Urt, als daß es hier in die Wagschaale kommen könnte. Uebrigens sind wir der Meinung und stellen hierauf den förmlichen Antrag, es mag nun jeht der Bau auf Staats, kosten oder im Wege der Privatunternehmung vor sich gehen, daß: 1) vor allem abgewartet werde, ob und wie von Seiten der andern contrahirenden Staaten gebaut wird; 2) vorerst nur mit einer der beiden Bahnen der Anfang gemacht werde (nach unserer unmaßgeblichen Meinung mit der Bahn von der Kurhessischen Grenze an bis an das Ge- biet der freien Stadt Frankfurt a M.), nachdem vorher die Richtung (Trace) der Bahn im diesseitigen Gebiet genau be stimmt, und von den Ständen genehmigt worden ist; 3) daß, im Falle für Rechnung des Staates gebaut wird, vor aller Bewilligung erst genaue Kostenüberschläge vorgelegt werden und mit dem Bau in keinem Falle und eher der Anfang gemacht wird, als bis solches auch von Sei- ten der Mitcontrahenten geschieht. Auch hierfür ſpricht die bei dem Straßenbau gemachte Erfahrung. Artikel 2. Bei diesem Artikel haben wir ebenfalls mehrere Bez denken: 1) Wenn, wie die Majorität des Ausschusses erwähnt, bei dem Anleihen wenigstens 4pCt. Zinsen vorausgefeßt und gestattet werden, so muß und wird dieses einen höchst nach: theiligen Einfluß auf die übrigen zu geringeren Zinsen stehen, den Staatspapiere äußern und die Inhaber werden dadurch zu unverschuldeten Verlusten kommen. Wir zweifeln übrigens keineswegs, daß gerade die Bestimmung der Zinsen auf 4 pCt. das Projekt bei denjenigen inländischen Kapitalisten sehr em: pfehlen wird, denen, vermöge der Grundablösung, dermalen große Kapitalien zu Gebote stehen. 2) In Betreff der in Aussicht genommenen Kassenanweis fungen ist die Minorität durchaus dagegen; noch steht bei ihr dasjenige in zu frischem Andenken, was der verstorbene Finanzminister von Hoffmann, bei einer ähnlichen Veranlas fung, so wahr und treffend über diesen Gegenstand in dieſer Kammer vorgetragen hat, als daß sie sich nach einem so furs zen Zwischenraum so leicht mit einem in vieler Hinsicht nach. theiligen Projekt, eines geringen Zinsengewinnstes wegen be freunden könnte. 33 Sollte indessen, wider besseres Hoffen und Erwarten, die Kammer dennoch darauf eingehen wollen, ſo ſtellen wir den eventuellen Antrag: Großherzogliche Staatsregierung zu ersuchen, den Stän- den vor der Emission der Kassenanweisungen ein Geſetz vorzulegen und darin Nöthiges zu bestimmen: a) Ueber die Größe der Summe, welche in Kaſſe: Unweisungen aufgebracht werden soll, b) über deren Emission, Verpflichtung zu deren An- nahme und deren Einwechselung bei den öffent lichen Kassen, c) über deren Amortisation oder Bestimmung über deren Wiedereinlösung oder Tilgung, und endlich d) wie es wit den falschen oder nachgemachten Schei- nen und denen zu Verlust gehenden gehalten wer den soll. Ueber die übrigen Artikel des Gesetzes sind wir mit der Majorität einverstanden, oder behalten uns vor, etwa abweis chende Ansichten bei der Discussion vorzutragen. i i : Beilage Nr. 8, zum Protokoll vom 13. Mai 1842. Bericht des ersten Ausschusses der zweiten Kammer, den Antrag der Abgeordneten Aull, Städel, Jung, Lotheißen, Kilian und Hesse, auf Errichtung einer Staatseiſenbahn von Darmstadt nach Mainz betreffend; erstattet von dem Abgeord neten Schmitt henner. Den ausführlich motivirten Antrag habe ich die Ehre zu verlesen: (legatur.) Auf geschehene Mittheilung an den Großherzoglichen Re: gierungkommiffär, Herrn Geheimerath Eckhardt, ist dem Ausschuß folgende Antwort zugegangen: ,,Was den ersten (rubricirten) Antrag betrifft, so ist durchaus nicht zu verkennen, daß die Stadt Mainz die erste Handelsstadt des Landes ist und ihre Fabriken von der größten Bedeutung sind. Eine Verbindung. derselben mit der großen Hauptbahn ist daher für ſie von Wichtigkeit; allein eine solche Verbindung besteht schon in ſehr vollständigem Maße durch die Taunuseiſen- bahn und es würde daher eine zweite Verbindung nicht zu den dringenden Landesangelegenheiten gehören. Das gegen kann auf der andern Seite nicht geläugnet wer- den, daß Mainz zwischen mächtigen Rivalen liegt und mit diesen einen schweren Kampf zu bestehen hat, weß- wegen die beantragte Bahn von Mainz nach Darmstadt allerdings eine höhere Bedeutung erhält. Für jeht möchte es jedoch die Kräfte des Staates übersteigen, wenn auch diese Bahn gleichzeitig mit der Hauptbahn in Bau genommen werden sollte und es scheint mir daher, daß es rathsam sein dürfte, denselben bis zur Vollendung der Hauptbahn zu verſchieben.“ ༡ Es ist bereits in dem Bericht über die Vorlage Großher. zoglicher Staatsregierung in Beziehung auf die Erbauung von Eisenbahnen entwickelt worden, welche große Bedeutung die Oberhessen führende Arm Dabei ist aber nicht zu weit größer hervortreten Hauptbahn, namentlich der durch derselben, für Mainz haben wird. verkennen, daß diese Bedeutung muß, wenn zugleich eine Bahn von Darmstadt nach Mainz erbaut wird, welche den Personen und Wearenzug schon in Darmstadt theilen und alle Reisenden in die Taunusbäder und nach den Niederlanden direkt nach Mainz führen, außer dem aber auch den Odenwald und die Gegenden der Berg- straße nahe an diese gewerbreiche Stadt rücken und endlich die Umladung eines Theils der vom Unterrhein und aus Frankreich kommenden Waaren in Mainz bedingen würde. Abgesehen von diesen staatswirthschaftlichen Vortheilen läßt sich mit vieler Wahrscheinlichkeit voraussehen, daß auch diese Bahn sich rentiren werde. Indem also der berichtende Uus- schuß die von den Antragstellern gegebene Motivirung für genügend anerkennt, glaubt derselbe seinerseits den Antrag an die verehrliche Kammer stellen zu sollen: Dieselbe möge Großherzogliche Staatsregierung ersu chen, die Bahn von Darmstadt nach Mainz in das System der Staatsbahnen aufzunehmen und nach vor: gängigem Nivellement den Ständen Voranschläge über Kosten und wahrscheinliche Rentabilität vorzulegen, um die Erbauung derselben der Ausführung der Haupt- bahn anzureihen. ; Beilage Nr. 9, zum Protokoll vom 13. Mai 1842. Bericht des ersten Ausschusses der zweiten Kammer, über den Antrag der Abgeordneten Otto, Hesse, Franc (Hofgerichtsrath) und Lotheißen, die Aufnahme der Stadt Offenbach in den Zug der für das Großherzogthum projectirten Eiſenbahn von der nördlichen Gränze der Provinz Oberheſſen bis an die südliche der Provinz Starkenburg betreffend; erstattet von dem Abgeordneten Schmitthenner. Die Untragsteller führen in ihrer Eingabe sehr richtig aus, daß, wenn zunächst der Zweck der Eisenbahnen darauf gerich, tet sei, außer dem Personentransport den Ueberfluß der Er- zeugnisse der einen Gegend einer anderen, welche Mangel daran leidet, zuzuführen, gewerbreiche Orte mit anderen in Verbindung zu bringen und dadurch auf Erweiterung des Verkehrkreises, sowie auf Beförderung der Industrie hinzu- wirken, so stellt sich als unabweisbare Forderung dar, in den Zug der Eisenbahnen diejenigen Orte aufzunehmen, welche in vielen Produkfonszweigen beschäftigt und deren Erzeug- nisse für einen greßen Verkehr nach entfernten Gegenden bes stimmt seien. Das Großherzogthum besite nur eine Fabrik- stadt, welche in größerem Maßstabe und fast ausschließlich für das Ausland fabricite und ihre Erzeugnisse nach allen Thei len des Zollvereins und des Auslandes in sehr beträchtlichen Mengen versende. Diese Fabrikstadt ſei Offenbach. Es liege daher, bemerken dieselben weiter, im Interesse des Landes und der Stadt Offenbach, lettere in die Hauptlinie aufzu nehmen, und in beiderseitigem Interesse tragen sie darauf an: die Großherzogliche Staatsregierung zu ersuchen, durch alle ihr zu Gebot stehenden Mittel dahin zu wirken, 1 2 • daß die Eisenbahn von Kaſſel nach Frankfurt, welche jedenfalls die Provinz Oberhessen durchschneiden werde, über Hanau und Offenbach nach Frankfurt, oder wenn dieses nicht ausführbar sein sollte, die Bahn von der badischen Gränze über Offenbach nach Frankfurt ge- führt werde. Der Großherzogliche Regierungskommissär, Herr Geheime. rath Eckhardt, dem der Antrag mitgetheilt ward, hat sich darüber in folgender Weise geäußert: Offenbach ist unstreitig ebenfalls eine bedeutende Fa= brikstadt und hat in neuerer Zeit einen Speditionshan- del begründet, für welchen es höchst wünschenswerth wäre, daß er Gelegenheit erhalte seine Sendung di- rekt auf die Hauptbahn zu befördern. Die Staats: regierung hat auch bei den bisherigen Verhandlungen das Interesse von Offenbach in dieser Beziehung nie aus dem Auge verloren und bereits für den Fall, daß die Bahn über Hanau geführt werden sollte, die Be dingung gestellt, daß alsdann Offenbach ebenfalls in den Hauptzug aufgenommen werden müſſe. Außerdem besteht aber ein Staatsvertrag unter dem Großherzog- thum Hessen und der freien Stadt Frankfurt, wornach beide Staaten sich verbindlich gemacht haben, einer Privatgesellschaft zum Bau einer Localbahn zwischen Offenbach und Frankfurt die erforderliche Concession zu ertheilen, wodurch, wenn diese Bahn mit der Haupt- bahn in Verbindung gesetzt wird, der obige Zweck eben falls erreicht werden kann." Der erste Theil des alternativ und bedingungsweise ge= stellten Untrags ist demnach als von Großherzoglicher Staats: regierung gebilligt und angenommen zu betrachten. Was nun den zweiten anlangt, daß nämlich, wenn die Bahn nicht über Hanau geführt werder sollte, Großherzog- liche Staatsregierung mit allen ihr zu Gebote stehenden Mit- teln dahin wirken möge, die Bahn vor der Badischen Gränze nach Frankfurt über Offenbach zu dirigiren, so liegt dieß nach der Ansicht des berichtenden Ausschusses aus den von den Antragstellern angeführten Gründen so sehr im Interesse des Großherzogthums Hessen, daß derselbe sich zu dem Un- trag veranlaßt sieht: { die verchrliche Kammer wolle Großherzoglicher Staats- regierung den dringenden Wunsch aussprechen, wie Hochdieselbe mit allen ihr zu Gebot stehenden Mitteln 3 bei den demnächst abzuschließenden Staatsverträgen da: hin wirken möge, daß, wofern die Bahn von der Kur, hessischen Gränze nach Frankfurt nicht über Hanau ge führt werde, die Main - Neckarbahn die bezeichnete Di- rektion über Offenbach erhalte. 1 ! 1 4. } ་ ་ ་ ་ Beilage Nr. 10, zum Protokoll vom 13. Mai 1842. Bericht des ersten Ausschusses der zweiten Kammer, über den Antrag der Abgeordneten Lotheißen, Franck (Hofgerichtsrath), Freiherr v. Nordec zu Rabenau (Oberforstrath), Hesse und Kilian, die Direktion der von Darmstadt bis zur Badischen Gränze zu erbauenden Eisenbahn betreffend; erstat- tet von dem Abgeordneten Schmitthenner. j Die in rubro genannten Abgeordneten haben folgenden motivirten Antrag gestellt: (legatur.) Der Großherzogliche Regierungskommissär, Herr Geheime. rath Eckhardt, hat auf geschehene Mittheilung desselben fol gende Antwort an den Ausschußreferenten gelangen lassen: ,,Rücksichtlich der der Hauptbahn von Darmstadt bis zur badischen Gränze zu gebenden Richtung liegt für den Fall, daß die Bahn von einer Privatgesellschaft gebaut werden sollte, ein Staatsvertrag vor, wornach die Richtung nach Mannheim vereinbart worden ist, und es läßt sich nach dem gegenwärtigen Stand der Vers handlungen nicht beurtheilen, in wiefern dem in der Motion gestellten Desiderium entsprochen werden kann; es wird jedoch der Staatsregierung angenehm sein, die Ansicht der Stände hierüber zu vernehmen." Der berichtende Ausschuß, welcher auch in dem Haupt berichte bereits auf die beantragte Direction hingewiesen hat, muß die Gründe, auf welche sich die Motion stügt, als durchaus triftig anerkennen. Ein für den Fall, daß eine Privatgesellschaft baue, abgeschlossener Staatsvertrag kann ferner für den Fall, daß der Staat baut, nicht bindend fein. Denn das Interesse einer Privatgeſellſchaft und die Staatsraison fallen in dem concreten Falle weit aus einander. Während jenem die Richtung nach Mannheim, welche wohl finanziell den höchsten Ertrag liefern müßte, für den Staat aber faum eine andere Bedeutung hätte, als daß sie die ! 1 2 Fremden in zwei Stunden durch das Land schaffte, vorzugs weise zusagt, gebietet diese die Richtung der Bergstraße ents lang, wobei die in der Motion genannten Orte in den Bahn- zug fallen, eine große Anzahl ebenfalls angeführter Straßen aufgenommen werden, und namentlich für Mainz der große Vortheil gewonnen wird, daß dort die Ausschiffung von Per- ſonen und Waaren stattfindet, die sonst nach Mannheim ge- hen würden. Unter diesen Umständen kann der berichtende Ausschuß nur beantragen: es möge verehrliche Kammer, der rubricirten Motion gemäß, sich bei Großherzoglicher Staatsregierung dafür verwenden, daß die von Darmstadt bis zur füdlichen Gränze der Provinz Starkenburg zu bauende Eisenbahn die Bergstraße entlang direct in den Bahnhof nach Heis delberg geführt werde. : ; Beilage Dr. 11, zum Protokoll vom 1. Juni 1842. Nachträglicher Bericht des ersten Ausschusses der zweiz ten Kammer, über die Proposition der Staatsre- gierung, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen im Großherzogthum Hessen betreffend, im Besondes ren über die in Beziehung auf dieselbe gefaßten Beschlüsse der ersten Kammer; erstattet von dem Abgeordneten Schmitthenner. Die Beschlüsse der hohen ersten Kammer stimmen größ- tentheils mit den von der Majorität des diesseitigen Ausschuss ſes gestellten Anträgen überein Abgesehen von einem in der Discussion vorgebrachten Zweifel über die Form und Ab. theilung, in welcher von dem Berichterstatter dieser Kammer die Proposition Großh. Staatsregierung behandelt worden ist und über welche deshalb nachstehende Auskunft gegeben wers den soll, findet nur eine dreifache Abweichung Statt und es sind einige Desiderien gestellt worden, über welche zu berich- ten der Ausschuß die Ehre hat. Was vorerst die Form betrifft, in welcher der Ausschuß- bericht die Proposition Großh. Staatsregierung behandelt, fo versteht sich von selbst, daß die Redaction des Gesetzes, also auch die Anordnung der Artikel, lediglich Sache der Regie- rung ist. Im Ausschußberichte aber die allgemeinen Grund- ſäße und die auf ein bestimmtes einzelnes Unternehmen ge- henden Vorschläge Großh. Staatsregierung zu trennen, lag ein doppelter Grund vor. Einmal enthalten in der Vorlage Großh. Staatsregierung nicht der Gesetzesentwurf, sondern die beigegebenen Motive die Angaben der Bahnrichtung, der aufzunehmenden Baukosten u. f. w., woraus deutlich zu ers hellen scheint, daß dieselbe in dem Gesetze vorzugsweise die Regeln für alle künftig im Großherzogthum etwa zu erbauen- den Staatseisenbahnen aufstellen, außerdem aber sich über ein einzelnes Unternehmen, nämlich die Bahn von der Kurhessi ſchen an die Badische Grenze, auf welche allein viele Be- stimmungen gehen, mit den Ständen vereinbaren wollte. So, F 2 dann lag dem Ausschuß bereits eine Motion vor, nach wel- cher eine weitere Staatseisenbahn von Darmstadt nach Main erbaut werden soll. Vereinigen sich Regierung und Stände zur Erbauung derselben, so würde dieselbe von selbst unter jenen allgemeinen Artikel fallen, während die Bestimmungen, welche sich blos auf die große Bahn von der Kurhessischen zur Badischen Grenze beziehen, namentlich diejenigen über die Größe der Baukosten, des Tilgungs- und Reservefonds u. s. w. auf sie natürlich keine Anwendung finden können. Die ganze Abtheilung ist nur der bequemeren Behandlung in der Kammer wegen gewählt worden. Zu Artikel 2 Die erste Kammer hat zu der Proposition Gr. Staats regierung, Kaffenscheine im Betrag einer Million Gulden zu emittiren, ihre Zustimmung gegeben. In dem diesseitigen Ausschusse herrschen, wie aus dem Berichte und den demselben beigegebenen Partikularvoten zu erſehen iſt, über die zu emittirenden Kassenanweisungen sehr abweichende Ansichten. Selbst die Majorität, welche für diese Finanzoperation ist, erwartet davon aus zwei Gründen keine große Erleichterung der Staatskasse. Vorerst hat das Groß- herzogthum gerade in seiner Mitte einen exterritorialen Capis talmarkt liegen, von wo Creditpapiere immer sehr schnell an die Hauptstaatskasse zurückfließen und hier deßhalb zur Ein- lösung einen bedeutenden Vorrath baaren Geldes erfordern werden. Sodann hat der hiesige Staat bei nur mäßiger Ausdehnung ein sehr wenig arrondirtes real, so daß die Gefahr, es möchte im Auslande, wo die Endeckung größere Schwierigkeiten hat, versucht werden, die Kassenscheine nach- zumachen, nicht unbedeutend ist. Ueberhaupt aber lehrt die Geschichte von Frankreich, Rußland und Desterreich, sowie in der neuesten Zeit noch von Nordamerika, welche höchst nach- theilige Folgen der Gebrauch dieſes Circulationsmittels haben kann, wenn nicht mit der größten Umsicht und Enthaltsam- keit dabei verfahren wird. Von der anderen Seite verkennt aber auch die Majorität nicht, daß eine mäßige Emission nicht nur der Staatskasse eine, wenn auch freilich nicht große Erleichterung gewähren und selbst zur Förderung des Ver- kehrs dienen kann. Aus diesen Gründen ist dieselbe denn allerdings dafür, daß Kassenscheine creirt, jedoch vorerst nur in einem geringen Betrag emittirt werden möchten. Ob nun aber die von der Gr. Staatsregierung proponirte und von der ersten Kammer als emittirbar gefundene Summe von 1,000,000 fl, oder nur von 600,000 fl. gerade der ange: 3 messene Betrag ist dies zuverlässig zu beurtheilen, ist ei gentlich der Ausschuß ganz außer Stande, da ihm zu einem sicheren Urtheile die Prämissen fehlen. Man müßte wenigstens die Summe des im Großherzogthum circulirenden baaren Gel- des und die Größe des Bedarfs an Circulationsmitteln kennen, und ferner wiſſen, welche die Gestaltung der nächsten Zukunft ſein wird, um genau zu bestimmen, welche Summe emittirt werden kann. Bekanntlich läßt sich eine einigermaßen große Summe von Creditpapieren, die in Circulation gehalten wer den soll, gar nicht im Voraus fir bestimmen, indem die Di- rection oder Bank, welche die Speration leitet, gemäß den Schwankungen in den öffentlichen Creditverhältnissen und dem Bedürfniß an Circulationsmitteln, befähigt sein muß, ie nachdem die Papiere über pari getrieben oder unter dasselbe gedrückt werden, weiter zu emittiren oder einzuziehen. Die Majorität des Ausschusses kann daher nur bei dem Wunsche beharren, daß die Summe der zu emittirenden Kassenscheine wenigstens vorerst nicht zu hoch und nicht über den Betrag der während der Zeit des Baues zu zahlenden Zinsen gegriffen werde. "/ Die hohe erste Kammer hat beschlossen, den Artikel 2 nur dann anzunehmen, wenn die im zweiten Abſake vor, kommenden Worte zur Verminderung des Betrags der Anleihe" wegbleiben. Da der Ausschuß dieser Kam mer die zu creirenden Kaſſenſcheine vorerst nur zur Deckung der während des Baues und bis zur Rentabilität der Bahn zu entrichtenden Zinsen bestimmt haben will; so stimmt die Unterdrückung dieser Worte ganz mit seinen Ansichten überein. Der diesseitige Ausschuß hat ferner zu diesem Artikel den Zusah vorgeschlagen: Ueber die Art der Emission, die Deckung und Einlö fung derselben (nämlich der Kaffenscheine) wird ein bes sonderes Gesetz bestimmen. Es würde dies unstreitig das Zutrauen zu den creirten Anweisungen erhöhen und die Verantwortlichkeit Großherzog- licher Staatsregierung mindern. In der Discussion der ersten Kammer hat zwar der Herr Finanzminister von Kopp, Excellenz, erklärt, es müsse dieß Großherzoglicher Staatsregierung vorbehalten bleiben. Der Ausschuß kann sich aber nicht davon überzeugen, daß nicht bedeutende Inkonvenienzen hervortreten sollten, wenn der in Rede stehende Gegenstand blos reglementären Anord. nungen überlassen und wenigstens nicht geseßlich bestimmt - würde, daß die Kassenanweisungen von Inländern zu ihrem Nennwerth genommen werden müßten. Sogar für den Fall, Protokolle z. d. Verh. d. 2.Kam. Suppl. Bd. 27 ! 4 } daß diesen Papieren ein völlig freier Umlauf gelassen werden sollte, mochten wohl die Stände nur dann die Garantie über: nehmen können, wenn die Unordnung der ganzen Operation mit ihrer Kenntniß und Mitwirkung geschieht. Für Art. 3 hat die erste Kammer die S. 6 ihres Auss schußberichtes vorgeschlagenen Bestimmungen beantragt. Diese stimmen aber mit den S. 11 und S. 19 des diesseitigen Aus. schußberichtes eventuell vorgeschlagenen überein. Dabei wünscht der jenseitige Ausschußbericht die veränderte Fassung des Ab. sahes 2 in Artikel 3 des Gefeßesentwurfs als Artikel 4 an geordnet; was indessen blos Sache der, Großherzoglicher Staatsregierung vorbehaltenen Redaction sein möchte. Zu Artikel 4. Der Ausschuß hat zu diesem Artikel nur seine Bedenken ausgesprochen, wenn die Eisenbahn für eine Staatsanstalt erklärt und zugleich als Specialhypothek bestellt würde, ohne übrigens der Großherzogl. Staatsregierung, sofern dieselbe auf dieser Bestimmung, welche von der hohen ersten Kammer an genommen worden ist, bestehen sollte, entgegentreten zu wollen. Der Ausschuß bedauert dabei, wenn er sich nicht bestimmt genug ausgedrückt hat, so daß, wie aus der jenseitigen Dis cuffion erhellt, seine Darstellung hat mißverstanden werden. können. Nirgends hat derselbe behaupten wollen, daß es mit Ere reichung des Staatszwecks unvereinbar sei, wenn sich Eisen. bahnen im Privateigenthum befinden, also auch unter keiner Vorausseßung statuirt werden dürfe, daß sie in dasselbe über, gehen. Gewiß ist mit der Realisation des Staatszweckes sehr wohl vereinbar, daß Private zu Privatzwecken auch Ei- senbahnen bauen und betreiben, und der Ausschuß hat zu Art. 6 die Concession solcher Privatbahnen gebilligt. Er ist aber bemüht gewesen, zu zeigen, daß die projectirte Eisenbahn eine große deutsche Militärstraße sein und wichtigen nationalökonomischen, folglich wesentlichen Staatszwe. en dienen werde, mithin ihrer innersten Natur nach Staats, anstalt sein müsse. Von der Vorausseßung nun ausgehend, daß die besprochene Bahn wesentlichen Staatszwecken, denjenigen des Nationalwohlstandes und der Nationalverthei- digung, dienen solle, hat er dann darzuthun gesucht, daß der Staat dieselbe nicht den Zufälligkeiten der Privatindustrie über- laſſen, ſondern selbst gründen und betreiben müſſe. Ist dieß richtig, fo folgt mit gleicher Consequenz, daß der Staat eine Anstalt, die zu einem öffentlichen Zweck errichtet ist, so lange ¿ 5 ! dieser Zweck und die Brauchbarkeit jener zu demselben dauert, nicht veräußern oder durch Verunterpfändung der Gefahr einer Veräußerung aussehen darf. Der Ausschuß hat ferner behauptet, die Raticirung einer Staatsschuld auf ein bestimmtes Object sei eine Illusion, in- dem der Credit des Staates als einer souveränen Gemeinheit durchaus nur ein personeller sein könne. Dieß ist von einer so höchst achtbaren Seite widersprochen worden, daß dem Ausschuß die Verpflichtung obliegt, feine Behauptung, so weit es ohne genügende literarische Hülfsmittel möglich ist, etwas tiefer zu begründen. Allerdings steht gemeinrechtlich und nach der Verfassung der Fiscus in allen privatrechtlichen Verhält nissen vor den Gerichten und im gewöhnlichen, normalen Laufe des Staatslebens wird auch die ihn treffende Sentenz exequirt werden. Von der andern Seite ist aber auch folgendes richtig.,,Dagegen giebt das positive Recht für den Fall, daß der Staat sich in Gefahr befindet, den Regierungen wahrhafte Vorrechte: a) 3wangsanleihen zu machen; b) die Zins, zahlung zu sistiren; c) den Zinsfuß her abzusehen und endlich d) den Staatsbanqueroit zu erklären, bei welchem die Gläubiger, wie bei jedem Privatbanquerott, sich gefallen lassen müſſen, Zinsen und Theile des hergeschossenen Kapitals zu verlieren." Maurenbrecher, Grundsätze des heut. Staatsrechtes. 1. Aufl. §. 204. Sobald außerdem Ei- senbahnen, wie die projectirte, den Character von Heerstraßen. haben, sind sie auch res publicae (3öpft, Grundsähe des Staatsrechtes. 1841. §. 143. S. 239), an denen ein Pris vatmann, wie schon nach dem römischen Recht keine Servitut, so nach allgemeinem Staatsrecht kein Pfandrecht erwerben kann, indem der Staat in seinen öffentlichen Anstalten seine Realität hat, und durch ihre Veräußerung aufhören würde, als Staat zu existiren. Dieß ist denn der Grund, warum die Publicisten (Zachariä hat bekanntlich über diesen Ges genstand ein eignes Buch geschrieben), und nach ihnen die Financiers (Nebenius, vom öffentlichen Credit. S 200 ff.) behaupten, daß, wie im Ausschußbericht gesagt ist, der Ere dit eines souveränen Staates bloß ein personeller sei. Dem- zufolge sagt denn auch ein gelehrter Finanzmann, der in ei nem Staate Minister, in einem andern Kammerpräsident war: ,,Anleihen gegen materielle Sicherheiten oder Unterpfänder, oder mittels ihrer speciellen Radicirung auf bestimmte Quellen oder Zweige des öffentlichen Einkommens, wohl selbst mit eventueller oder sofortiger Einweisung der Gläubiger in deffen Selbsteinzug, sind weder mit der gegenwärtigen politischen 27* 6 Verfassung der Staaten, noch mit den gegenwärtigen Verz hältnissen der Verwaltung vereinbar." (v. Malchus, Hand: buch der Finanzwissenschaft. I. S. 429). Es ist wohl die Pflicht des Ausschusses, seine Bedenken gegen die Bestellung der Eisenbahn als Specialhypothek aus, zusprechen. Wenn auch gerade nach seiner Ansicht dieselbe ohne allen praktischen Erfolg sein würde, indem einerseits im vorkommenden Falle die Hingabe der Eisenbahn an die Gläu biger den Staat von seiner Schuld über ihren Werth nicht liberiren, andererseits kein Gläubiger durch richterliches Ur- theil und Zwangsverfahren gegen den souveränen Staat zum Erwerb der Bahn gelangen, mithin Niemand Vortheil oder auch Nachtheit haben könnte; so glaubt der Ausschuß doch die Verunterpfändung schon aus dem Grunde widerrathen zu müssen, weil sie ihm der Würde eines Staates, wie das, Großherzogthum Hessen, wenig angemessen scheint. Zu Artikel 6. Der diesseitige Ausschuß hat zu Artikel 6 noch den Zusat vorgeschlagen: Die Einlösung der emittirten Kassenscheine, so wie die Verzinsung und Tilgung der für die Erbauung der Eis. senbahn aufgenommenen Staatsschuld steht unter Con= trole der Stände des Großherzogthums. Die jenseitige Kammer hat zwar diesen Artikel in der einfachen Fassung, den er im Gefeßesentwurf trägt, ange- nommen; der berichtende Ausschuß dieser Kammer glaubt aber, den Vorschlag dieses Zusaßes wiederholen zu müssen. Die hohe erste Kammer hat endlich noch folgende Deſide- rien auszusprechen beschlossen: 1) Es soll die Großherzogl. Staatsregierung ersucht wer: den, die Kassenscheine im Betrag von 1,000,000 fl. nach und nach in Circulation zu sehen, sowie die Ausführung des Projectes definitiv entschieden sein wird. Da nach den Vorschlägen des diesseitigen Ausschusses die Emiſſion der Kaffenscheine vorzugsweise zur Deckung, wenn auch nicht gerade zur Auszahlung der Zinsen dienen soll, so ſtimmt der desiderirte Modus mit den diesseitigen Ansichten - überein, weßhalb der Ausschuß den Beitritt der verehrlichen zweiten Kammer beantragt. 2) Die Großherzogl. Staatsregierung soll ersucht werden, die zu eröffnende Subscription auf die 4 Partialschuldscheine nicht bloß auf inländische Capitalisten zu beschränken, sondera eine allgemeine Concurrenz eintreten zu laſſen. 7 ! Der diesseitige Ausschuß hat die ausgesprochene Ansicht der Großherzogl. Staatsregierung, vorerst Subſcriptionen im Lande zu eröffnen, also vorzugsweise inländische Kapitalien zu beschäftigen, aus dem Grunde, weil das Anleihen manche Vortheile bietet, gebilligt. Dieß schließt aber die Concurrenz der Ausländer nicht aus, die, sobald die Schuldscheine auf Inhaber lauten, zu vermeiden ohnehin unmöglich wäre, indem dieselben sich immer durch Agenten betheiligen könnten. Der Ausschuß trägt also kein Bedenken, auch hier den Beitritt zu beantragen. 3) Die hohe erste Kammer hat beschlossen, den Wunsch auszusprechen, daß, soweit als möglich und soweit es ohne bedeutende Kostenvermehrung geschehen kann, das zum Bau der Bahn nöthige Material im Inland oder wenigstens in- nerhalb der deutschen Zollvereinsstaaten angeschafft werden möge. Auch für dieses Desiderium fprechen leicht ersichtliche Gründe. Es ist überhaupt eine heilige Pflicht der Staats: verwaltung, die Lieferungs- und Productionsgewinne wo möglich Inländern, es ist eine Freundschaftspflicht, dieselben, so weit es ohne eigenen Nachtheil geschehen kann, Unterthanen der deutschen Zollvereinsstaaten zuzuweisen. Eine vorzugs- weise Berücksichtigung der Zollvereinsstaaten erscheint aber in dem concreten Fall, nach der Ansicht des berichtenden Aus- schusses, um so mehr gerechtfertigt, als bekanntlich die deut: sche Eisenproduction durch die Konkurrenz der englischen sehr gedrückt und die Fabrikation in den Zollvereinsstaaten so weit fortgeschritten ist, daß wohl das Bahngestänge und die meisten. zum Betriebsmaterial gehörigen Maschinen aus ihnen gelie. fert werden können. Der Ausschuß kann daher auch hier nur den Beitritt der verehrlichen Kammer beantragen. 4) Der jenseitige Ausschuß hat sodann darauf angetragen, daß, wenn die mit den Nachbarstaaten abzuschließenden Vers träge es nicht nöthig machen, den Bau der Staatseisenbahn in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen gleichzeitig zu beginnen und fortzuführen, vorerst diejenige Strecke in Un griff genommen werde, deren Vollendung (wenn sie in Ueber einstimmung mit den Nachbarstaaten erfolgt) in militärischer Hinsicht am wichtigsten erscheint und welche den größten Erz trag verspricht. Sollten aber die durch diese heiden Provinzen anzulegenden Eisenbahnen zu gleicher Zeit begonnen werden müssen, so würde allerdings eine möglichst schnelle Vollens dung beider auf alle Weise im Auge zu halten und Vor- kehrungen zu treffen sein, daß nicht der Bau der einen durch 1 8. den andern aufgehalten werde. - Die hohe erste Kammer ist auch diesem Antrage einstimmig beigetreten. Der diesseitige Ausschuß ist bei seinen Anträgen stets von der Voraussetzung ausgegangen, daß der Bau der projectir- ten Eisenbahn nur in Gemeinschaft mit den übrigen betheis ligten Staaten und folglich nach dem Abschluß aller darauf bezüglichen Verträge unternommen und ausgeführt werde. Bei dieser Voraussetzung nun muß er die von der ersten Kammer beschlossenen Anträge auch der zweiten zur Annahme empfehlen. 5) Die erste Kammer hat ferner nach dem Untrage ihres ersten Ausschusses beschlossen, Großh. Staatsregierung zu er suchen, dahin wirken zu wollen, daß bei der Anlage der Ei- senbahn zwischen allen deutschen Staaten allgemeine Uebers einstimmung hinsichtlich der Spurweite eintrete. Auch in Beziehung auf diesen Antrag bedarf es wohl nicht der Auseinandersehung, wie wichtig es für den Verkehr und namentlich, wie von dem Ausschuß der ersten Kammer bemerkt worden ist, in militärischer Hinsicht ist, daß eine gleichgroße Spurweite in allen deutschen Staaten stattfindet. Für das Großherzogthum Hessen hat der Gegenstand noch darum ein besonderes Interesse, weil bekanntlich die in Ba den eingeführte Spurbreite von der auf den norddeutschen Bahnen angenommenen abweicht, so daß, wenn die lettere in Hessen gewählt werden sollte, ohne daß eine Abänderung der Badischen stattfände, in Heidelberg oder Mannheim ein künstlicher Stapel begründet werden würde. Der berichtende Ausschuß beantragt daher den Beitritt zu demselben, und zwar noch mit dem Zusahe, daß, wofern die eben besprochene Vereinbarung nicht zu Stande kommen sollte, die Badische Spurbreite von der Badischen Gränze an bis nach Darmstadt, von dort an weiter die auch in Norddeutſchland angenommene gewählt werden möge. 6) Endlich hat der jenseitige Ausschuß noch folgendes Des fiderium ausgesprochen. Es scheine demselben im Interesse des Großherzogthums und aus Rücksicht auf den Ertrag der Bahn wünschenswerth, daß möglichst viele Anhaltspunkte an der innerhalb des Großherzoglich Hessischen Gebiets laufenden Eisenbahn angebracht würden, zumal die Hauptpunkte, zwis schen welchen diese auf Staatskosten zu erbauenden Eisenbah- nen die Verbindung bilden sollen, außerhalb desselben liegen. Nur dadurch werde der Gebrauch der Bahn den Bewohnern des Landes möglichst erleichtert und denselben manche Nah, rungsquelle erhalten und neu eröffnet werden. Die hohe { 1 erste Kammer hat dann einstimmig beschlossen, dieses Deside rium der Großh. Staatsregierung darzulegen. Gewiß ist die Ansicht, welche diesem Desiderium zu Grunde liegt, sehr richtig. Der geringe Verlust an Schnel ligkeit, den ohnehin die Bewohner des Großherzogthums am wenigsten zu tragen haben, steht bei der vorgeschlagenen Eins richtung in keinem Verhältniß zu den Vortheilen, welche für die im Umkreis der Bahn wohnenden und Reisen beabsichti genden Personen und für den Waarenversandt hervortreten werden, wenn außer den eigentlichen Bahnhöfen in den bes völkerten Orten, die in den Bahnzug fallen, Stationsplähe eingerichtet werden. Der Ausschuß kann daher ebenfalls hier nur darauf antragen, daß die verehrliche zweite Kammer das von der ersten gestellte Desiderium auch zu dem ihrigen mas chen möge. Schließlich mag noch bemerkt werden, daß der diesseitige Ausschuß in den hier dargelegten Ansichten und gestellten Un- trägen, so weit sie nicht den in dem Particularvotum der Minorität ausgesprochenen widerstreiten, einstimmig ist. 1 1 Beilage Nr. 12, zum Protokoll vom 5. Juli 1842. Weiterer Bericht des ersten Ausschusses der zweiten Kammer, über die Vorlage Großherzoglicher Staats- regierung, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen im Großherzogthum betreffend; erstattet von dem Abgeordneten Schmitthenner. Nachdem der rubricirte Gegenstand in der hohen ersten Kammer nochmals zur Berathung und Beschlußnahme ges kommen ist, findet nun in Beziehung auf die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen bei allen wesentlichen Punkten die erwünschte Uebereinstimmung der beiden Kammern statt. · Zu. Artikel 1 hat, die jenseitige Kammer das von dem Ab. geordneten Hügel gestellte und von der diesseitigen Kammer adoptirte Amendement, daß ſtatt: „der Bau der Hauptlinien der Eisenbahnen" gesetzt werde: der Bau der mit Unseren Ständen vereinbarten Hauptlinien der Eisenbahnen" einſtim, mig angenommen. Zu Art. 2 ist die hohe erste Kammer bei ihrem frühern, von dem diesseitigen abweichenden Beschlusse beharrt, die zweite Kammer aber durch die Annahme des von Großherzoglicher Staatsregierung vorgelegten, die Emission von Kassenanweis sungen betreffenden Gefeßesentwurfes demselben beigetreten. Ebenso hat der Artikel 3 in der von der zweiten Kammer beliebten Fassung die Annahme der ersten gefunden. Ferner hat die jenseitige Kammer beschlossen, der von der dieſſeitigen angenommenen Fassung des Artikels 4 beizutre- ten, wenn nach dem Antrag ihres Ausschusses nach den Wor- ten: Sollte diese Summe nicht /, pCt. von dem Anlagekas pital der Eisenbahn" eingeschaltet wird: nebst den dadurch erspart werdenden Zinsen" - außerdem aber am Schlusse " } ? ༡ 1 des Artikels noch beigefügt wird:,,und die Amortisation der Kassenscheine erst alsdann, wenn die verzinslichen Kapitalien. abgetragen sein werden, frühere Einlösung vorbehältlich". Da die angeführte Einschaltung der in der Discussion mehrfach ausgesprochenen Ansicht der verehrlichen zweiten Kammer entspricht, der proponirte Anhang aber ganz in Uebereinstimmung mit dem von dem diesseitigen Ausschuß vorgeschlagenen, und von der Kammer angenommenen, in dem, die Emission der Kassenanweisungen betreffenden Gese- Hesentwurf als Artikel 4 einzuſchaltenden Zuſak¨iſt; ſo kann der Ausschuß nur den Beitritt zu dem jenseitigen Beschlusse empfehlen. Endlich besteht nunmehr in Beziehung auf den von dem Präsidenten der diesseitigen Kammer vorgeschlagenen und von dieser angenommenen Zusakartikel 4 a, und in Bezies hung auf die Artikel 5 und 6 des Gefeßesentwurfs eine völlige Uebereinstimmung in den Beschlüssen der beiden Kam- mern. Was nun die von der Großherzoglichen Staatsregierung proponirten und von einzelnen Abgeordneten in Antrag ge brachten speciellen Eisenbahnbauten und deren von der zweiten Kammer beſchloſſene Modalitäten betrifft, so sind die Beschlüsse der hohen ersten Kammer theilweise in Ueber- einstimmung mit denjenigen der zweiten, theilweise weichen fie jedoch auch ab. • Borerst bat jene dem von dieser hinsichtlich der Richtung der von Frankfurt zur Badischen Gränze zu erbauenden Eisenbahn gefaßten Beschlusse, sowohl was die Führung die Bergstraße entlang, als was die Aufnahme der Stadt Of= fenbach in den Hauptzug anlangt, ihre Zustimmung ertheilt, in Beziehung auf den lehteren Punkt aber außerdem den An= trag ihres Ausschusses angenommen, welcher dahin lautet: ,,Außerdem aber beantragen wir, Falls es wegen zu großer Kostenvermehrung oder wegen unbeſiegbarem Widerstande der mitbetheiligten Staaten nicht möglich sein sollte, die Hauptbahn von Darmstadt nach Frank- furt über Offenbach zu dirigiren, daß Großherzogliche Staatsregierung bei den abzuschließenden Verträgen nicht nur (wie es bereits geschehen ist), Vorsorge tref fen möge, daß einer zur Erbauung einer Seitenbahn von Offenbach nach Frankfurt sich bildenden Privatge- sellschaft nicht nur keine Schwierigkeiten irgend einer Art in den Weg gelegt, vielmehr alle Erleichterungen gewährt werden möchten, sondern daß sich dieselbe aus- 3 drücklich selbst das Recht vorbehalten möge, auf Kosten und auf Rechnung der Staatskasse diese Eisenbahn, insoweit als nöthig, auf dem Gebiet der Stadt Frank: furt erbauen zu lassen und so auf alle Fälle das Zua standekommen einer Eisenbahnverbindung mit der Haupts bahn der Stadt Offenbach zu sichern, selbst wenn zu diesem Unternehmen keine Privatgesellschaft zu schreiten Lust haben sollte." Da die Maßnahme, welche dieser Untrag vorschlägt, der billigen Rücksicht auf die Stadt Offenbach und dem Inter esse des hiesigen Staates angemessen ist, so trägt der Aus, schuß kein Bedenken, den Beitritt zu dem Beschlusse der ho hen ersten Kammer zu beantragen. Dagegen ist die erste Kammer dem von der zweiten_ge faßten Beschlusse, dem Antrag der Abgeordneten Aull, Stä- del, Jung, Lotheißen, Kilian und Hesse wegen gleichzeitiger Ausführung einer Eisenbahnverbindungslinie zwischen Darms stadt und Mainz auf Staatskosten, nach dem Antrage ihres Ausschusses nicht beigetreten. Dieser Antrag selbst ist damit motivirt, daß es wohl nicht gut zu verantworten sei, wenn man nach den bei dem Provinzialstraßenbau gemachten Er- fahrungen einen ähnlichen Weg bei der Erbauung von Eisen- bahnen einschlagen und ohne genugsame Prüfung der Renta- bilität und der übrigen wahrscheinlichen Resultate einer solchen Anlage, aus bloß localen Rücksichten, außer der Haupteisen- bahn, die das Großherzogthum durchziehen solle, auch noch andere Schienenwege von Seiten der Stände provociren wollte, und zwar in einem Augenblick, wo noch keine Erfah rungen über die Kosten und den Ertrag der Eisenbahnen in unserem Lande vorliegen; daß ferner der Ertrag dieser Bahn wohl kaum 1 pCt. des Anlagekapitals abwerfen werde, indem dieselbe entweder durch die Erbauung einer Brücke über den Main verhältnißmäßig nicht wohlfeil herzustellen oder, bei Unterlassung dieses Brückenbaues, zu erwarten sei, daß die Reisenden den Umweg über Frankfurt vorziehen, ſelbſt eine vortreffliche und ganz ebene Kunststraße aber keinen leb hasten direkten Verkehr zwischen den beiden Städten Darm- stadt und Mainz hervorzurufen vermocht habe, ein solcher also auch nicht bei der Erbauung einer Eisenbahn zu erware ten stehe. Das Resultat einer solchen Maßregel für das In- teresse der Stadt Mainz, wird ferner bemerkt, erscheine sehr zweifelhaft, eine gewisse Folge aber würde darin beſtehen, das Land mit einigen Millionen weiteren Schulden zu be schweren. Der berichtende Ausschuß kann zwar das Ges 4 3 wicht dieser Motive nicht verkennen und die Majorität ist dafür, sich mit dem Beschlusse der jenseitigen Kammer zu conformiren, die Minorität dagegen hält es im Hinblick auf die Gründe, welche die Antragsteller in der Motion und na mentlich der Abgeordnete Aull in der Discussion entwickelt haben, für angemessen und gerechtfertigt, den früher an die Kammer gestellten Antrag zu wiederholen: dieselbe möge Großherzogliche Regierung ersuchen, die Bahn von Darmstadt nach Mainz in das System der Staatsbahnen aufzunehmen und nach vorgängigem Nivellement den Ständen Voranschläge über Koſten und wahrscheinliche Rentabilität vorzulegen, um die Er bauung derselben der Ausführung der Hauptbahn án: zureihen." Beigetreten ist ferner die hohe erste Kammer den von der zweiten gefaßten Beſchlüſſen, die Zustimmung zu der Pro. position Großh. Staatsregierung von der Bedingung abhän. gig zu machen, daß durch Staatsvertrag festgestellt werde, daß in Frankfurt bezüglich des Verkehrs der Nord: und Südbahn unter sich, sowie rückſichtlich des Verkehrs beider mit der Tau- nuseisenbahn keinerlei Stapel rücksichtlich der Waaren und Personen ausgeübt, sondern eine unmittelbare Beförderung von der einen Bahn auf die andere bewirkt werce, ferner, daß mit dem Bau der Eisenbahn nicht eher der Anfang ge= macht werde, als bis dieses auch von den mitcontrahirenden Staaten geschehe. Ihren Beitritt versagt hat dagegen die jenseitige Kammer dem von der diesseitigen zur Frage 24 gefaßten Beschlusse, daß die Staatsregierung ersucht werden möge, vorerst nur den Bau der nördlichen Bahn von der Kurhessischen Grenze über Gießen nach Frankfurt in Angriff zu nehmen und aus- zuführen. Da, womit auch der Ausschußbericht der ersten Kammer die Ablehnung motivirt, der Großh. Regierungscom- miſſär erklärt hat, daß eine Trennung der von der Staats- regierung proponirten Bahn in zwei provinzielle Bahnen nicht nachgegeben werde, die Unterhandlungen mit den benachbar. ten Staaten, sowohl mit Kurhessen als mit Baden, vollkom: men gleich weit vorgerückt seien, und daß die Möglich- keit nicht vorliege, die eine Bahn früher zu bauen und mehr zu begünstigen, als die andere; so glaubt die Majorität des Ausschusses, daß die verehrliche Kammer, indem durch diese officielle Versicherung die Besorgniſſe, welche wohl zu diesem Beſchluſſe geführt haben, gehoben sind, fügs lich auf ihren Beschluß verzichten könne. 5 } Ferner hat die hohe erste Kammer ihren Beitritt zu dem, nach dem Antrage des Abgeordneten Brunck gefaßten Be schluffe, die Staatsregierung zu ersuchen, in solange Aussicht für die Erbauung der Eisenbahn für Gießen vorhanden sei, für die Schiffbarmachung der Lahn nichts zu verwenden, einstimmig versagt. Der jenseitige Ausschußbericht bemerkt darüber treffend Folgendes: " Auch diesen Beschluß vermögen wir nicht der Zustim mung der hohen ersten Kammer zu empfehlen. Die Staats, regierung ward nämlich bekanntlich auf dem vorigen Landtag durch eine Petition der Stände dazu aufgefordert, durch alle ihr zu Gebot stehenden Mittel dahin zu wirken, daß die Lahn bis Gießen schiffbar gemacht werden möchte. Es wurden ihr die zu diesem Behuf erforderlichen Geldmittel im Betrag von 86000 fl. auf den Staatsstraßen: Neubaufonds zur Disposition gestellt. In dem Landtagsabschied vom 11. Januar 1841 ward diefer Credit angenommen. §. 68. Die Schiffbarmachung der Lahn betreffend. Wir haben den Credit von 86,000 fl. auf den Staats straßen, Neubaufonds für die Schiffbarmachung der Lahn von der Königl. Preußischen Grenze bis zur Neumühle bei Gießen angenommen und werden die bereits eingeleiteten Unterhand- lungen mit den beiden andern Uferstaaten mit aller möglichen Thätigkeit fortseßen lassen."" ,,Demgemäß hat sich die Staatsregierung veranlaßt ge- funden (wie dem Referenten aus sicherer Quelle bekannt ges worden ist), mit den mitbetheiligten Staaten in Unterhand- lungen sich einzulassen, welche ein bei den Verhandlungen über diesen Gegenstand von den Ständen so lebhaft geäußer ten Wünschen entsprechendes Resultat erwarten lassen. Es ist also nicht mehr res integra und selbst, wenn wirklich Gründe vorlägen, die die Schiffbarmachung der Lahn weniger wüns schenswerth erscheinen ließen, so würde man der Staatsregie rung, welche mit Autorisation und nach den Anträgen der Stände in dieser Sache gehandelt hat, nicht zumuthen kön nen, ihre bis jest unternommenen Schritte zu desavouiren u. f. w." ,,Indessen ist unserer Ansicht nach auch gar keine Veran lassung vorhanden, es zu bereuen, daß die Einleitung zur Schiffbarmachung der Lahn getroffen worden ist und nicht 6 : wohl mehr zurückgenommen werden kann, indem dieses mit verhältnißmäßig geringen Kosten für das Großherzogthum verbundene Unternehmen uns um so empfehlungswerther er- scheint, wenn Gießen durch eine Eisenbahn mit Kaffel und Frankfurt einmal verbunden sein wird; denn alsdann wird die Veranlassung, die Lahnschifffahrt zum Transport von Gütern bis Gießen zu benutzen, wo sie auf der Eisenbahn weiter spedirt werden können, um so stärker sein, sowie an- dererseits durch die Eisenbahn Gießen Gegenstände verschiede ner Art zugeführt werden dürften, die von da auf der Lahn weiter versendet zu werden, geeignet und bestimmt sind." Es mag ferner noch bemerkt werden, daß die etwaige Unterstellung, der Schaden, welchen Gießen und mit ihm die Provinz Oberhessen durch Nichtausführung dieses Unternehmens. erleiden würde, könne einer andern Stadt des Großherzog- thums, etwa Mainz, zum Theil wenigstens, zu Gute kom: men, durchaus irrig ist. Eine halbe Stunde von Gießen beginnt die Preußische Grenze und drei kleine Stunden un terhalb desselben liegt die Königl. Preußische Stadt Wehlar. Nassau und Preußen werden, unbekümmert um die Beschlüsse der Großherzogl. Hessischen Stände, die Lahn mit großen Kosten bis an den letteren Ort schiffbar machen. Wird nun der Bau von dort an bis Gießen, dessen nicht sehr bedeu- bende Kosten Preußen und Hessen zu theilen hätten, nicht weiter geführt, so ist der Verlust von Gießen und des Groß: herzogthums Hessen der Vortheil von Wehlar und folglich des Königreichs Preußen. Die geringe Strecke von Wezlar aufwärts würde Preußen ohne bedeutenden Gewinn, das Großherzogthum mit geringen Kosten zu seinem großen Vor- theil bauen. Ein Beschluß, diese vortheilhafte Kapitalanlage zu unterlassen, würde nach der Ansicht der Majorität des Ausschusses geringstens unbegreiflich zu nennen sein. Indem die Minorität des Ausschusses nicht unterlassen darf, zur Erklärung des mit 26 gegen 21 Stimmen ges faßten Beschlusses der zweiten Kammer ausdrücklich zu bes merken, daß über den Antrag des Abg. Brunck keine Dis- cussion stattgefunden hat, kann sie nur den Antrag stellen, verehrliche Kammer wolle ihren vorderen Beschluß fallen lass sen, während die Majorität dafür ist, dabei zu beharren. Conformirt hat sich endlich die hohe erste Kammer mit dem auf den Antrag des Abgeordneten Müller gefaßten Be- schluß, die Staatsregierung zu ersuchen, dafür besorgt zu sein, daß die Städte Alsfeld, Kirtorf und Homberg a. d. . mit der Kurhessischen Bahnlinie zwiſchen Ziegenhain 1 1 7 : und Marburg an den geeigneten Punkten mittelst den diesseits bis zur Grenze erbauten und beziehungsweise beschlossenen Staatsstraßen in Verbindung geseht werden und zu dem Ende das erforderliche Entgegenbauen bei der Kurhessischen Staatss regierung, entweder in dem über die Eisenbahn abzuschließen- den Staatsvertrag oder sonst auf zweckdienliche Weise, zu veranlaſſen. : i ! 1 $ ! 1 1